Lesereise Nordirland - Stefanie Bisping - E-Book

Lesereise Nordirland E-Book

Stefanie Bisping

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Beschreibung

Nordirland ist Heimat der Troubles und der Titanic, ein Pilgerziel für Fans der Fernsehserie »Game of Thrones« und für Verehrer von Poeten und Schriftstellern wie Seamus Heaney und C. S. Lewis. Dazu besitzt der Nordosten Irlands einige der berückendsten Gärten und Küstenlandschaften der mit Schönheit so reich gesegneten Insel. Viel hat sich getan, seit der Friedensprozess in Nordirland auf den Weg gebracht wurde. Das einst von Unruhen erschütterte Belfast ist zur attraktiven Miniatur-Metropole geworden, in der heute nur noch Besucherzahlen explodieren. Irisches Erbe, englische Einflüsse, eine wechselvolle Geschichte und der Wille der Menschen zum Blick nach vorn machen die Faszination Nordirlands aus.

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Für Julius

Copyright © 2022 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien

Umschlagabbildung: © Lautz/Shutterstock

ISBN 978-3-7117-1110-6

eISBN 978-3-7117-5466-0

Informationen über das aktuelle Programm desPicus Verlags und Veranstaltungen unter

www.picus.at

Stefanie Bisping schreibt als Reisejournalistin für Tageszeitungen und Magazine und hat dabei die Welt von Spitzbergen bis nach Tasmanien vermessen. Ihr besonderes Interesse gilt Küsten und Inseln. Im Picus Verlag erschienen ihre Lesereisen England, Estland, Malediven, Normandie, Bretagne, Emilia Romagna, Apulien und Australien. Stefanie Bisping ist seit 2018 unter den Top Ten »Reisejournalisten des Jahres« und schaffte es 2020 auf Platz eins des Rankings. www.stefanie-bisping.de

Stefanie Bisping

Lesereise Nordirland

Gärten, Geister und Giganten

Picus Verlag Wien

Inhalt

Am Wendepunkt

In der Regel im Regen: Der Weg nach Belfast

Die Unbeugsame

Belfast, einst Synonym für die Troubles, knüpft als Geburtsort der »Titanic« an seine maritimen Traditionen an – und erlebt eine neue Blüte

Vom Atelier des Zeichners und dem Korridor der Macht

Wo einst »Olympic«, »Britannic« und »Titanic« vom Stapel liefen, verbindet heute das Titanic Hotel nautische Geschichte mit Art-déco-Eleganz

Keine Zeit für Lebenskrisen

Der Wind ist der einzige Feind des Gärtners: Trotz rauen Wetters blühen die Gärten an der vom Golfstrom gewärmten Küste Nordirlands

Auch Geister freuen sich über ein freundliches Wort

Die botanischen Wunder des County Down verdanken sich Generationen besessener Gärtner. Auch die dazugehörigen Häuser stecken voller Geschichten

Regen ist nur ein Wort

In den Mourne Mountains und im Grenzgebiet zur Republik erwarten Wanderer einige der schönsten Wege der irischen Insel. Einzige Unwägbarkeit ist das Wetter

Zum Porridge mit Whiskey schaut auch der Berg aus den Wolken

1898 eröffnete das Slieve Donard Resort und machte die kühle nordirische Küste zum glamourösen Badeziel. Charlie Chaplin folgte den Spuren seiner ersten Liebe hierher

Seamus’ Welt

Chronist nordirischen Lebens und Leides: In seinem Heimatort Bellaghy im County Derry ist Nobelpreisträger Seamus Heaney sehr präsent – und seine Lyrik in aller Munde

Vom Glück geheimnisvoller Dachböden und endloser Bücher

C. S. Lewis, der Schöpfer der »Chroniken von Narnia«, verließ seine nordirische Heimat früh. Loslassen sollte sie ihn nie

Die freundliche Festung

Hillsborough Castle ist Amtssitz des Repräsentanten und Residenz der englischen Monarchen in Nordirland. Heute dürfen Besucher sich in Haus und Garten umschauen

Zur Geisterstunde bekommen Feen Butterkuchen

Skelett im Stadtwappen: Nirgends in Nordirland wird Halloween so intensiv begangen wie in den historischen Stadtmauern von Derry

Die Launen des Wassers

Die Fahrt mit dem Hausboot über den Shannon-Erne-Waterway von Ballinamore in der Republik nach Nordirland führt durch wundervolle Landschaften und bringt manche Überraschung

Das erste und das letzte Wort hat die Natur

Einst erstarrte ein Lavastrom an der Küste Antrims zu vierzigtausend Basaltsäulen. Als Giant’s Causeway ist er heute eine der größten Attraktionen Nordirlands

Am Wendepunkt

In der Regel im Regen: Der Weg nach Belfast

Die Anweisungen waren präzise: Auf der Ankunftsebene des Flughafens Dublin sollte ich an einer zentral gelegenen gelben Skulptur einen Fahrer treffen, der sich durch ein Schild mit meinem Namen darauf ausweisen und mich nach Belfast bringen würde. Es klang einfach genug. Folgsam schaute ich mich um. Gut zwei Dutzend Herren diverser Altersgruppen standen da, die Blicke auf die ankommenden Passagiere geheftet oder, bei entspannterer Disposition, miteinander plaudernd. Zehn von ihnen trugen schwarze Anzüge zu heiterem Lächeln und hielten schicke Schilder einer Fluggesellschaft aus dem Nahen Osten mit den Namen ihrer Zielpersonen vor ihre weißen Hemden. Offensichtlich war eine ganze Delegation von Geschäftsleuten auf dem Weg zu lukrativen Abschlüssen in der Irischen Republik. Von einem Fuhrunternehmen aus Nordirland war indes nichts zu sehen.

Was hatte das zu bedeuten? Das Schicksal sollte mir ein wenig Zeit schenken, darüber nachzudenken. Hier die Irische Republik, die ihren Underdog-Status lange schon überwunden hatte, sich als hellwache, innovative, kreative Nation präsentierte, ein verlässliches Mitglied der EU – und dort das britische Restgebiet auf der Grünen Insel, das über Jahrzehnte, eigentlich Jahrhunderte, vor allem eines gehabt hatte: Ärger. Womöglich war es kein Wunder, dass die Republik hier mit einem Dutzend gut gelaunter, adretter Chauffeure vertreten war, der geknechtete Norden hingegen durch Abwesenheit auch nur eines einzigen noch so abgehetzten Botschafters glänzte.

Auf dem Luftweg nach Belfast zu gelangen war kompliziert, wie immer man es auch anfing. Dabei besitzt die Stadt sogar zwei Flughäfen. Einer von ihnen, der George Best Belfast City Airport, ist nach jenem legendären nordirischen Fußballspieler benannt, der unter anderem zu Protokoll gab, er habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben – den Rest habe er einfach verprasst. Ein Mann mit Witz und Konsequenz, wenn auch nach konventionellen Maßstäben nicht gerade der Inbegriff von Nüchternheit und Seriosität, jenen Tugenden also, mit denen die Luftfahrt gewöhnlich um Vertrauen wirbt. Auch kein ganz typischer Sohn der Freien Presbyterianer-Kirche Ulsters, die sich selbst als fundamentalistisch und evangelikal bezeichnet und deren Mitglieder traditionell eher Erfüllung in Verzicht und Bibelstudium finden als in weltlichen Ausschweifungen. Best war kein langes Leben beschieden, eine Lebertransplantation war schließlich nur eines von mehreren gravierenden Problemen. Im November 2005 starb er im Alter von neunundfünfzig Jahren. Hunderttausend Menschen geleiteten ihn in Belfast zur letzten Ruhe – so viele, wie am 31. Mai 1911 zum Stapellauf der »Titanic« erschienen waren. Die Trauerfeier wurde aus dem Parlamentsgebäude ins Freie übertragen. Es war eines der größten Begräbnisse in der Geschichte einer Stadt, die viele tragische und unzeitige Beisetzungen gesehen hat.

Einen Flughafen, der sich mit dem Namen eines torgefährlichen Trinkers schmückt, hätte ich natürlich gerne gesehen. Doch für Kontinentaleuropäer, die sich in Nordirland umschauen wollen, gibt es keinen einfachen Weg nach Belfast, weder zum Internationalen Flughafen noch zum George Best Belfast City Airport. Sie müssen entweder über Amsterdam oder über London in die nordirische Hauptstadt fliegen. Oder eben in die Republik. Und so stand ich hier, am namenlosen Flughafen der schönen Stadt Dublin, die einerseits Welten, andererseits aber nur gut eineinhalb Autostunden von Belfast trennt.

Ein freundlich blickender Mann trat auf mich zu. »Miss King?«, fragte er hoffnungsvoll. Ich verneinte bedauernd. Er seufzte und erzählte, dass er schon eine Dreiviertelstunde auf die unzuverlässige Miss King warte. Dabei sei ihr Flug pünktlich gewesen. »Ausgerechnet heute«, klagte er. Sein Enkel feiere Erstkommunion, er habe die Festtafel nur kurz verlassen wollen, um seinem Chef einen Gefallen zu tun. Und nun stand er hier, im Schatten der Skulptur, und die undankbare Miss King ließ sich nicht blicken. Er zückte sein Telefon und zeigte mir Bilder des Enkels im Feststaat. Gerne hätte ich ihn in das Glück seiner Familienfeier entlassen, konnte mich aber jetzt nicht mehr gut als Miss King ausgeben. Außerdem wollte ich nach Belfast. Da trat die Gesuchte aus der Menge und eilte auf das Schild meines neuen Bekannten zu. Er schüttelte mir herzlich die Hand und eilte mit Miss King davon. Ich war wieder alleine. Fast buchstäblich, denn auch die schwarzen Anzüge waren nach und nach verschwunden.

Immerhin begann ich zu begreifen, warum die gewaltige gelbe Skulptur zu den bekanntesten Kunstwerken der irischen Insel gehört. Sehr viele Menschen hatten schon Zeit, sie in Ruhe zu betrachten. »Turning Point« heißt sie mit vollem Namen, geschaffen hat sie die 1974 in Dublin geborene Künstlerin Isabel Nolan. Welchen Wendepunkt ihre Arbeit wohl für mich bedeuten würde? Endlich fiel mir ein, die Zentrale des Belfaster Taxiunternehmens anzurufen. Ein Band lief. Es war Sonntag, auch in Nordirland der Tag des Herrn; dies war noch nicht der Wendepunkt. Ich setzte mich auf eine Bank, stand wieder auf und starrte vor mich hin. In Belfast würde vermutlich kaum jemand auf die Idee kommen, Fremden konfessionsenthüllende Kommunionsbilder unter die Nase zu halten, überlegte ich, während draußen etwas Schönes entstand: ein sonniger irischer Frühlingstag, dessen kühler Wind von meinem neuen Zuhause unter der Skulptur aus nicht wahrzunehmen war. Die Einheimischen zollten ihm mit kurzen Röcken oder Hosen und bloßen Armen Tribut. Mich fröstelte. Nach Angaben des Piloten, der mich hierhergebracht hatte, lagen die Außentemperaturen im niedrigen zweistelligen Bereich.

Gerade überlegte ich, ob es sehr unhöflich wäre, meinen Posten zu verlassen, um den Bus nach Belfast zu nehmen, als mein Telefon klingelte. Jemand hatte meine Nummer gesehen und rief zurück. Er sei der Fahrer selbst, behauptete eine Stimme, und er habe größte Probleme zu parken. Ob ich herauskommen könnte? Ich warf meiner Skulptur einen warmen Abschiedsblick zu und trat hinaus in die kalte Brise des späten Apriltags, wo ein Mann in kurzärmeligem Hemd mit einem Schild wedelte und meinen Koffer in sein Auto warf. Bald erzählte er mir seine Leidensgeschichte, die mit Staus und überfüllten Parkhäusern zu tun hatte. Ich verstand nicht alles, da sein Akzent das Sprachzentrum meines Gehirns auf einige Proben stellte. Ob ich Norniron kannte, wollte er wissen. Es brauchte zehn Kilometer und einige »Sorry?«, »Who?« und »What?«, bis ich begriff, dass er von Northern Ireland sprach. Während wir die A1 nach Norden hinaufbrausten, prasselten Regen und Hagel auf die Windschutzscheibe, dann schien die Sonne hell auf saftige Wiesen, bevor sich ein weiterer Wolkenbruch ergoss. Schafe standen und betrachteten nachdenklich die wechselnden Wetterphänomene. Die Grenze passierten wir, ohne dass ich es bemerkte.

Dies also war Norniron: die Heimat des Dichters und Nobelpreisträgers Seamus Heaney, des Schöpfers der Narnia-Chroniken, C. S. Lewis, des Musikers Van Morrison, der Schauspieler Kenneth Branagh und Liam Neeson; Heimat auch der »Titanic« und einer der Drehorte der Serie »Game of Thrones«; gesegnet mit spektakulären Naturlandschaften und einer Hauptstadt, die dank Leinenherstellung, Seilfertigung und Schiffsbau ein Gigant des Industriezeitalters war und sich heute mit Informationstechnologie, Tourismus und der Unterhaltungsindustrie ganz gut durchschlägt. Ein Stück des Vereinigten Königreichs, das einen Bürgerkrieg überwunden hat und durch den Brexit auf neue Proben gestellt wird. Um den Frieden zu erhalten, wurde auf eine EU-Außengrenze auf der irischen Insel verzichtet. Aber auch dieser scheinbare Königsweg erwies sich als kompliziert. Denn die Alternative einer Grenze in der Irischen See zwischen beiden Inseln empfinden nicht wenige protestantisch-loyale Nordiren, die sich den härtesten denkbaren Brexit wünschten, als Verrat – und verspüren die Sorge, heimlich, still und leise in die Republik eingegliedert zu werden. Zugleich knüpfte die republikanische Seite den Fortbestand des Friedens mit beunruhigender Vehemenz an eine offene Grenze. Und nicht zuletzt hat die Verlegung der Grenze ins Meer dazu geführt, dass der Handel mit Großbritannien durch viel Papierkram erschwert wird.

Norniron ist Heimat auch der Holywood Hills. Ein »l« und noch ein paar Details, von denen die meisten mit dem Wetter zu tun haben, unterscheiden sie von den Hollywood Hills in Los Angeles. Diese Hügel, die ein attraktives grünes Viertel an der östlichen Seite des Belfast Lough bilden, waren unser Ziel. Drei Grad wärmer als in der City sei es in ihrem Schutz, erklärte der Fahrer stolz. Mittlerweile verstanden wir uns besser – ich ihn jedenfalls; er hielt mich sicher für etwas begriffsstutzig. Seine Bemerkung war meine erste Begegnung mit den Mikroklimazonen der Gegend. Das Anwesen, vor dem wir unter höflichen Wünschen voneinander schieden, hatte 1876 der Stockbroker William Auchinleck Robinson aus Belfast erbaut, der sich hier Schutz vor kalten Nord- und Nordostwinden erhoffte und vermutlich täglich meteorologische Messungen vornahm.

Es wird am erratischen Klima liegen, dass jede Laune des Wetters – und es sind derer viele – in Nordirland aufmerksam beobachtet wird. Abweichungen im Bereich der Temperaturen gilt dabei das besondere Augenmerk der Bewohner. Schnell stellt auch der Besucher fest, dass das Wetter nicht nur im April innerhalb kurzer Zeit und auf wenigen Kilometern Distanz die erstaunlichsten Wendungen vollführt. Steht man etwa auf einem Hügel in strömendem Regen, sieht man nicht selten eine benachbarte Kuppe in goldenem Sonnenschein liegen. Einzige verlässliche Faustregel ist, dass man in der Regel dort steht, wo sich gerade der Himmel öffnet.

Das Anwesen in den Holywood Hills wurde 1898 Bischofsresidenz, war später neuerlich in Privatbesitz und wurde schließlich ein Hotel. Noch wärmer als im Schutz der Hügel war es dann tatsächlich vor dem Kamin des Culloden Hotels, das seinen Namen Elizabeth Jane Culloden verdankt, der Frau des Brokers Robinson. Leute wie Bono, Van Morrison und Ed Sheeran, aber auch englische Premierminister wie Boris Johnson, die französische Fußballnationalmannschaft von 1998 und diverse Tennisprofis haben hier neben anderen Prominenten genächtigt. Außer an der gediegenen Erscheinung des Anwesens liegt das daran, dass das Haus 1996 als erstes Hotel in Nordirland in die Fünf-Sterne-Kategorie aufrückte – der richtige Ort also, um illustre Gäste adäquat unterzubringen.

Auszuhalten war es hier außerdem. Vor den Fenstern erstreckte sich eine gepflegte Parklandschaft vor Hügeln und Meer, graue Eichhörnchen tobten zwischen gelben Tulpen und uralten Bäumen. Innen knisterte ein angenehmes Kaminfeuer. Entspannte Menschen lungerten an der Bar herum oder saßen in bequemen karierten Sesseln und nippten an ihren Drinks. Später würden sie ins Restaurant hinübergehen und ein perfekt gegartes Steak oder hervorragende Meeresfrüchte zu sich nehmen. Kein Zweifel: Seit den finsteren Tagen der Troubles hatte sich hier eine Menge zum Guten gewendet. Hoffentlich bleibt es so.

Die Unbeugsame

Belfast, einst Synonym für die Troubles, knüpft als Geburtsort der »Titanic« an seine maritimen Traditionen an – und erlebt eine neue Blüte

Auf dem Tresen funkeln Kristallgläser. Der Barmann poliert einen Cognacschwenker. Mancher der hundertzweiundsiebzig Passagiere würde sich an diesem kühlen Apriltag sicher einen Drink genehmigen wollen, während das Tenderboot sie vom Hafen Cherbourgs zum nagelneuen Riesenschiff draußen auf dem Meer brachte. Immerhin eine halbe Stunde würde die Fahrt zur »Titanic« dauern. Zeit genug also für eine Stärkung.

So lebensecht dieser Barkeeper wirkt – tatsächlich wirbelt er nur auf einem Bildschirm hinter dem Tresen. Doch die Illusion ist fast perfekt. Die elegante Bar sieht genauso aus wie an jenem Tag im Frühling 1912, als die siebenundsechzig Meter lange und elf Meter breite »SS Nomadic« im Hafen von Cherbourg auf die Ankunft der Passagiere der »Titanic« wartete, die aus Southampton kam und hier noch einmal vor Anker gehen sollte. Tausend Passagieren bot die »Nomadic« Platz und besaß so dem Schiff der Superlative angemessene Dimensionen.

Die »SS Nomadic« war ein Tenderschiff und kleine Schwester der »Titanic«. Heute ist sie das letzte erhaltene Schiff der legendären White-Star-Flotte. Wie das Unglücksschiff selbst wurde sie in der Werft Harland & Wolff in Belfast gebaut, um Passagiere der ersten und der zweiten Klassen in Cherbourg zu den Ozeanriesen »Olympic« und »Titanic« zu bringen. Am 25. April 1911 lief sie in Belfast vom Stapel; 2009 kehrte sie nach ereignisreichen Jahrzehnten als Museumsschiff an ihren Geburtsort zurück, wo sie heute im Hamilton Dock auf dem Trockenen liegt.