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In "Let's Talk Turkey!" author Hannes Lambert doesn't mince words. In a series of hard-hitting essays, he dissects the burning issues of our time - from the ubiquity of social media to the challenges of climate change and the pitfalls of political populism. Lambert draws from a wealth of experience as a "content creator" in the media world, as a son of separated parents in former East Germany, and as a father to a daughter in today's world. With insight, empathy, and a healthy dose of self-irony, he lays bare the contradictions and absurdities of our modern society. Whether he's questioning the mechanisms of the digital attention economy, analyzing the excesses of "cancel culture," or recounting the ups and downs of his own family history - Lambert always writes with disarming honesty and a clear, precise style. "Let's Talk Turkey!" is not a book for those seeking simple answers. Rather, it invites the reader to explore and question the complexity of our world together with the author. It's a book that one doesn't put down untouched - and that will long inspire reflection and discussion.
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Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für
Svea, Leslie & Jerry
Inhaltsverzeichnis2
Vorwort3
Auf der Suche nach dem Kontext5
Papa Held10
The Kelly Family - Ein modernes Märchen14
Die Vernichtungs-Evolution23
Sei ein Mensch!30
Die neue Lust am Patriotismus35
Das Böse50
Was darf man noch sagen?56
Raab und das tote Pferd61
Veganer beim Schlachter68
Tschüss, Mama und Papa74
Liebe Letzte Generation83
Quellenverzeichnis86
Mein Mitteilungsbedürfnis war schon immer riesig. Woher das kommt, ist mir nicht ganz klar. Und warum ich denke, dass meine Gedanken andere Menschen interessieren könnten, erschloss sich mir auch noch nie wirklich. Trotzdem habe ich in meinen Lebensjahren immer viel gemacht, um mich mitzuteilen. In einem erster “Radiosender” zum Beispiel, bei dem ich einfach ganze Sendungen mit Musik auf Kassette aufnahm. Oder in einem Blog, den ich seit 2004 (mit Unterbrechungen) betreibe. In meinem Podcast mit Basti “Geekpunkt” Hager oder in zahlreichen Live-Streams auf Twitch. Auch kleine Youtube-Formate habe ich versucht. Das Ergebnis dieser Bemühungen war immer das selbe.
Ein Podcast und Musik, die keiner hört.Twitch-Sendungen und Youtube-Formate, die keiner guckt und ein Blog und ein Buch, das keiner liest.
Das Mitteilungsbedürfnis bleibt groß. Aber ich habe inzwischen verstanden, dass zu diesem Mitteilungsbedürfnis und zu vielen Talenten noch ein weiterer Faktor gehört, der mir leider völlig fehlt. Das Talent zur Selbstvermarktung und der Glauben daran, dass die Welt auf einen gewartet hat. Beides ist nicht vorhanden.Und so liest du nun in einem Buch, das niemand kennt und schüttelst den Kopf über Worte, die jemand geschrieben hat, der nicht an sich glaubt. Das dürfte spaßig werden. Viel Spaß mit diesem Buch.
Dein Hannes
Skandale gab es schon immer. Auch die Art von Skandalen, die in kürzester Zeit ganze Karrieren geschreddert haben. Das ist also kein Phänomen der digitalen Neuzeit. Und trotzdem haben Skandale und "Skandälchen" heute eine andere Qualität. Der gemeine Mob ist heute digital vernetzt! Alles kann sich verbreiten wie das sprichwörtliche „Lauffeuer“.
Früher gab es den Spruch „noch bevor die Druckerschwärze trocken war“, um das schnelle Ausbreiten einer Meldung zu unterstreichen. Ein antiquierter, völlig überholter Satz, wenn man die Geschwindigkeit bedenkt, in der sich Neuigkeiten heute verbreiten können. Gedruckte Medien sind heute nur noch ein vergangenes Zeugnis für Nostalgiker.
Skandale gehen heute meist von der sogenannten „woken Bubble“ aus, deren Anhänger und Anhängerinnen es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich für Minderheiten einzusetzen. Erstmal ist ein löblicher und unterstützenswerter Gedanke. Was könnte auch falsch daran sein? Da geht es um Sprache, kulturelle Aneignungen, das Ausgleichen von Geschlechterungerechtigkeiten, um Satire, Umweltthemen, Tierschutz oder direkt die Rettung des Klimas. Themen gibt es derer viele und es mangelte in den vergangenen Jahren auch nie an Auseinandersetzungen.
Aktueller Stand des Wahnsinns: Vor Ausgaben der „Familie Heinz Becker“, oder alten Filmen von Otto Waalkes, werden inzwischen „Warnhinweise“ gezeigt, die den Humor der damaligen Zeit „erklären“, damit klar ist, dass man diesen Humor so heute nicht mehr machen würde. „Heinz Becker“-Darsteller Gerd Dudenhöfer sagte dazu im Interview mit Merkur.de [1]: „ Meine Geschichten um die Figur Heinz Becker waren schon immer Satire, die polarisierte. Und ich denke: Vor Satire sollte nicht gewarnt werden, sondern es sollte dazu aufgemuntert werden, sich mit Satire auseinander zu setzen. Denn diese symbolisiert den momentanen ‚Zustand‘ einer Gesellschaft und am Beispiel der alten Fernsehsendungen auch den damaligen Zeitgeist“*. Recht hat er. Die Rolle des „Heinz Becker“ war (auch) auf solche Provokationen angelegt. Becker war und ist ein leicht dümmlicher Patriarch, der das Rollenbild der Wirtschaftswunderzeit verkörperte. In einem Sketch verwendete er das Wort „Neger“. Vor diesem Begriff muss man heute eben „warnen“…
Von diesen und ähnlichen Beispielen könnte man heute sicher unzählige nennen. Es bleibt am Ende immer der Kontext. Vor wenigen Wochen wurde der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger durch die Medien gezerrt, weil er (mit 15 Jahren) ein antisemitisches Flugblatt verbreitet haben und eine Ausgabe von „Mein Kampf“ in der Schultasche dabei gehabt haben soll. Sicherlich wird Aiwanger auch heute noch streng konservativ sein und vermutlich ist ihm auch eine gewisse Nähe zur politischen Rechten nicht fern. Aber ihn auf Vorkommnisse zu reduzieren, die (mutmaßlich) 1983, in seinen Teenagerjahren, stattfanden, halte ich doch für etwas befremdlich.
Als man im tiefen Mittelalter am Pranger stand, damit die ganze Stadtbevölkerung sehen konnte, was man für ein krimineller Wicht war, hatte der Mob die Möglichkeit, seine Verachtung physisch auszudrücken. Heute findet der Pranger digital statt und ist ungleich mächtiger. Jeder von uns trägt einen Teil dieses digitalen Prangers in der Tasche – unser Smartphone.
Die digitale Welt hat die Dynamik von Skandalen verändert. Was früher Wochen brauchte, um sich zu verbreiten, erreicht heute in Sekunden die ganze Welt. Diese Geschwindigkeit und Reichweite sind beängstigend, denn sie lassen wenig Raum für Kontext und differenzierte Betrachtungen. Es ist einfach, jemanden online zu verurteilen, ohne die gesamte Geschichte zu kennen oder zu verstehen.
Ein weiteres Problem ist der Verlust der Verhältnismäßigkeit. Wenn ein historischer Sketch mit heutigen Maßstäben beurteilt wird, missachten wir den kulturellen und historischen Kontext, in dem er entstanden ist. Das führt zu einer Art retroaktiven Zensur, die die Vergangenheit durch die Brille der Gegenwart betrachtet, ohne ihre Einzigartigkeit und ihre Lehren anzuerkennen. Das Verständnis für die Evolution der gesellschaftlichen Normen und Werte geht dadurch verloren.
Bezogen auf den Fall von Hubert Aiwanger ist es wichtig, zwischen jugendlicher Unwissenheit und erwachsener Überzeugung zu unterscheiden. Menschen ändern sich, lernen und entwickeln sich weiter. Eine Handlung aus der Jugend als Maßstab für den Charakter einer erwachsenen Person zu nehmen, ignoriert die Möglichkeit von Wachstum und Veränderung. Das bedeutet nicht, dass frühere Fehler ignoriert werden sollten, aber sie sollten im Kontext der gesamten Lebensgeschichte einer Person betrachtet werden.
Die sozialen Medien und die digitale Welt haben uns in ein Zeitalter geführt, in dem Informationen und Meinungen überfluten und oft ohne tiefere Analyse oder Verständnis verbreitet werden. Dies führt zu einem Mangel an Nuancen und einer Kultur, in der schnelle Urteile und Verurteilungen die Norm sind. Es ist an der Zeit, dass wir lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen und den Kontext zu berücksichtigen, bevor wir Urteile fällen.
Abschließend lässt sich sagen, dass unsere digitale Gesellschaft eine neue Form der Verantwortung erfordert – die Verantwortung, Informationen nicht blind zu teilen, sondern sie kritisch zu prüfen und den Kontext zu berücksichtigen. Nur so können wir eine gerechtere und verständnisvollere Gesellschaft schaffen, in der Menschen nicht für die Fehler ihrer Vergangenheit oder für Missverständnisse gebrandmarkt werden, die aus dem Kontext gerissen wurden.
Mein Papa ist ein Mann vieler Facetten. Ein Mensch, der sich zwischen seinem Freiheitsdrang und der Verantwortung als alleinerziehender Vater bewegt hat. Seine Geschichte ist geprägt von Entscheidungen, die nicht nur sein Leben, sondern auch meines tiefgreifend beeinflusst haben.
Papas Flucht aus der DDR in den frühen 1980er Jahren war mehr als nur der physische Akt des Überquerens einer Grenze. Es war der Ausdruck eines inneren Konflikts, eines Ringens mit sich selbst und den Umständen, die ihn umgaben. Er suchte nach Freiheit, nicht nur von politischer Unterdrückung, sondern auch von einem Leben, das ihm vorgezeichnet schien. Doch diese Entscheidung, die ihn in den Westen führte, war erst der Anfang einer Reihe von Herausforderungen, die ihn als Mensch prägen sollten.
Nach seiner Flucht änderte sich sein Leben schlagartig, als meine Mutter uns 1984 verließ, um eine neue Familie zu gründen. Plötzlich war mein Vater allein mit der Aufgabe, mich zu erziehen. Der Mann, der einst die Grenzen eines ganzen Landes hinter sich gelassen hatte, sah sich nun den Grenzen des Alltags als alleinerziehender Vater gegenüber.
Diese Jahre waren für uns beide eine Zeit des Lernens und Wachsens. Mein Vater, der Freiheit so sehr schätzte, fand in der Verantwortung für mich eine neue Art der Bindung. Es waren Jahre, die von kleinen Kämpfen, und der unvermeidlichen Dynamik zwischen Vater und Sohn geprägt waren. Aber ich profitierte von seiner Freiheits- und Abenteuerliebe. Weil wir Abenteuer auch zusammen erlebten. Weil ich nicht vor Medien "geparkt" wurde. Wenn mein Papa am Wochenende Zeit hatte, verbrachten wir diese oft gemeinsam und oftmals in der Natur. Dennoch war ich als Trennungskind nicht einfach zu handhaben. Wohl auch durch Verlustängste und Traumata, die durch die Trennung meiner Eltern resultierten.
1994, als ich zu meiner Mutter nach Hannover zog, öffnete sich für meinen Vater erneut das Tor zur "Freiheit". Er kaufte ein 300 Jahre altes Bauernhaus in den französischen Vogesen, ein Ort, der ihm die Möglichkeit bot, erneut auszubrechen – diesmal aus der Gesellschaft selbst. Hier schuf er sich ein Refugium, ein Leben, das von den Prinzipien der Autarkie und der Unabhängigkeit bestimmt war.