Liebe auf den letzten Blick - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

Er hält sich für unwiderstehlich und Heerscharen von Frauen sind ganz seiner Meinung: Luke Armstrong ist der neue Superstar am Firmament, obwohl er eigentlich gar nichts kann – außer, verdammt gut auszusehen. Doro fällt fast in Ohnmacht vor Begeisterung, als Luke für die Reality Soap „Live my Life“ ihr Tauschpartner werden soll. Eine Woche lang soll dieser absolute Traummann in Doros Wohnung hausen, die sie sich mit ihrer Freundin Julie teilt. Julie ist allerdings alles andere als begeistert von der Vorstellung, mit dem selbstverliebten Luke unter einem Dach zu leben – zumal sie ihn zu allem Überfluss auch noch kennt. Luke ist nämlich der verhasste Nachbarsjunge aus ihrer Kindheit, der sie täglich ärgerte und piesackte. Julie verabscheut ihn immer noch und beschließt, den arroganten Schnösel einfach zu ignorieren. Sie hat Wichtigeres zu tun, zum Beispiel sich den Männern des Dating Portals „Surfing for Love“ zu widmen. Luke ist ihr nur im Wege und nervt sie kolossal – bis sie erkennt, dass sich Gefühle durchaus verändern können und manches ganz anders ist, als es scheint …

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Julie

Kapitel 2 - Julie

Kapitel 3 - Julie

Kapitel 4 - Julie

Kapitel 5 - Julie

Kapitel 6 - Julie

Kapitel 7 - Julie

Kapitel 8 - Lukas

Kapitel 9 - Lukas

Kapitel 10 - Lukas

Kapitel 11 - Julie

Kapitel 12 - Julie

Kapitel 13 - Julie

Kapitel 14 - Lukas & Julie

Kapitel 15 - Julie

Kapitel 16 - Julie

Kapitel 17 - Julie

Kapitel 18 - Julie

Kapitel 19 - Lukas

Kapitel 20 - Julie

Kapitel 21 - Lukas

Kapitel 22 - Julie

Kapitel 23 - Julie

Kapitel 24 - Julie

Kapitel 25 - Julie

Kapitel 26 - Julie

Kapitel 27 - Julie

Kapitel 28 - Julie

Kapitel 29 - Julie

Kapitel 30 - Julie

Kapitel 31 - Julie

Kapitel 32 - Lukas

Kapitel 33 - Julie

Kapitel 34 - Julie

Kapitel 35 - Julie

Impressum

Tina Keller

Liebe auf den letzten Blick

Er hält sich für unwiderstehlich und Heerscharen von Frauen sind ganz seiner Meinung: Luke Armstrong ist der neue Superstar am Firmament, obwohl er eigentlich gar nichts kann – außer, verdammt gut auszusehen.

Doro fällt fast in Ohnmacht vor Begeisterung, als Luke für die Reality Soap „Live my Life“ ihr Tauschpartner werden soll. Eine Woche lang soll dieser absolute Traummann in Doros Wohnung hausen, die sie sich mit ihrer Freundin Julie teilt.

Julie ist allerdings alles andere als begeistert von der Vorstellung, mit dem selbstverliebten Luke unter einem Dach zu leben – zumal sie ihn zu allem Überfluss auch noch kennt. Luke ist nämlich der verhasste Nachbarsjunge aus ihrer Kindheit, der sie täglich ärgerte und piesackte.

Julie verabscheut ihn immer noch und beschließt, den arroganten Schnösel einfach zu ignorieren. Sie hat Wichtigeres zu tun, zum Beispiel sich den Männern des Dating Portals „Surfing for Love“ zu widmen. Luke ist ihr nur im Wege und nervt sie kolossal – bis sie erkennt, dass sich Gefühle durchaus verändern können und manches ganz anders ist, als es scheint …

Kapitel 1 - Julie

Ein gellender Schrei hallt durch die Nacht, und ich stehe senkrecht im Bett. Oh mein Gott, was ist denn jetzt schon wieder los? Reflexartig sehe ich auf die Uhr. Es ist 3:22 Uhr und ich befand mich gerade noch in meiner Tiefschlafphase, aus der ich sehr empfindlich und abrupt herausgerissen wurde. Entweder hatte meine Mitbewohnerin Doro gerade den Orgasmus ihres Lebens oder sie hat eine Spinne in ihrem Zimmer entdeckt, die ich jetzt an die frische Luft befördern darf.

Murrend schwinge ich mich aus dem Bett, renne taumelnd gegen meine geschlossene Tür und halte mir den schmerzenden Schädel. Verdammt! Gut, dass es keine Glastür ist, sonst hätte ich jetzt Glassplitter im Gesicht. Ich wanke weiter und sehe vom Flur aus Licht unter Doros Türspalt. Warum schläft sie um diese Zeit nicht?

Als ich gerade an ihre Tür klopfen will, wird diese aufgerissen und ich erschrecke mich fast zu Tode. Einmal, weil ich auf das Öffnen nicht vorbereitet zwar, und zum zweiten, weil Doro mit einer dicken Schicht weißer Creme und Lockenwicklern im Haar vor mir steht und furchterregend aussieht.

„Wo ist sie?“, murmele ich schlaftrunken.

Doro sieht aus, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. Hat sie eine Tarantel im Bett entdeckt?

„Wer ist wo?“, fragt sie verwirrt.

„Na, die Spinne“, helfe ich ihr. „Oder hast du so geschrien, weil du aus Versehen in den Spiegel geguckt hast?“

Doro blickt mich an, als sei ich nicht mehr ganz dicht, dabei sieht – mit Verlaub – eher sie so aus, als hätte sie nicht mehr alle Latten am Zaun.

„Ich verstehe dich nicht“, sagt sie kopfschüttelnd.

Doro hat offenbar auch noch was mit den Ohren. Ich verdrehe meine Augen.

„Jetzt sag schon, was los ist und warum du mich aus dem Schlaf geblökt hast“, knurre ich ungnädig.

Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn man mich mitten in der Nacht aufweckt. Es sei denn, Robbie Williams stände plötzlich vor mir. Aber das wird wohl kaum passieren.

Doro fuchtelt wild mit den Händen vor meinem Gesicht herum und ich trete instinktiv einen Schritt zurück. Sie scheint wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben.

„Luke Armstrong!“, kreischt sie los, während ihr Gesicht – bzw. das, was unter der weißen Cremeschicht noch davon zu sehen ist – eine unnatürlich rote Farbe annimmt.

„Er kommt zu uns!“

Skeptisch blicke ich meine durchgeknallte Freundin an. Hat sie etwa Drogen genommen?

„Du kennst doch Luke Armstrong, oder?“ Doros Stimme überschlägt sich fast.

Ich zucke uninteressiert mit den Schultern.

„Ist das nicht dieser absolut talentfreie, eingebildete Schnösel, der überall im Fernsehen auftaucht, obwohl er überhaupt nichts kann und noch nie in seinem Leben irgendwas geleistet hat?“

„Luke ist der heißeste, sexieste, umwerfendste Mann aller Zeiten“, überhört Doro geflissentlich meinen gehässigen Kommentar und verdreht die Augen.

„Diese Augen! Dieser Wahnsinnskörper! Diese Muskeln! Oh Gott, wenn ich nur daran denke, kriege ich Schnappatmung.“

Dann hält sie inne und blickt mich empört an.

„Wieso hat er noch nie was geleistet? Glaubst du, so ein Traumbody kommt vom Nichtstun? Er trainiert jeden Tag einige Stunden, um so auszusehen.“

Damit kann sie mich jedoch nicht beeindrucken.

„Wenn man schon nichts in der Birne hat, muss man wenigstens seinen Body stählen“, gebe ich ungerührt zurück.

„Du musst aber zugeben, dass er fantastisch aussieht“, belehrt Doro mich und stippt mir vor die Brust. Ich hasse das.

„Könntest du damit aufhören, deinen Finger in meinen Körper zu bohren?“, gifte ich.

Allmählich werde ich wach, aber auch wütend.

„Ja, meinetwegen sieht er ganz gut aus, aber trotzdem ist er eine Hohlbirne, wie alle gutaussehenden Männer. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, gibt es auch Hohlbirnen, die Scheiße aussehen. Das ist dann natürlich die schlimmste Kombination.“

„Er ist nicht hohl“, verteidigt Doro ihren Schwarm. „Ich habe gestern ein Interview mit ihm gesehen und da …“

„Ach, hat er es tatsächlich geschafft, einen einzigen zusammenhängenden Satz zu bilden?“, spotte ich. „Wahrscheinlich hat er den vorher tagelang auswendig gelernt. Oder er hat ihn von einer Tafel abgelesen.“

„Was hast du eigentlich gegen ihn?“

„Ich habe nichts gegen ihn persönlich“, behaupte ich. „Ich mag nur keine Menschen, die absolut nichts können und sich trotzdem für den Nabel der Welt halten. Es gibt Leute, die haben wirklich was geleistet und sind trotzdem bescheiden und nett. Aber dieser Luke gehört definitiv nicht dazu.“

„Na, das wirst du ja bald feststellen“, erwidert Doro.

Ich runzele die Stirn.

„Wieso werde ich das bald feststellen?“

„Hörst du mir eigentlich nie zu?“, beschwert sich Doro. „Ich habe doch eben gesagt, dass er zu uns kommt. Er zieht bei uns ein! Luke Armstrong wird eine Woche lang bei uns wohnen! Na, was sagst du jetzt?“

Triumphierend blickt sie mich an.

„Ich sage nur: Check lieber vorher, was du für Drogen einwirfst und wie sie wirken“, sage ich mahnend.

„Und wenn du morgen wieder clean bist, wirst du merken, dass das Poster an der Wand nicht der echte Luke ist, zum Glück. Das würde mir gerade noch fehlen.“

„Ich habe keine Drogen genommen“, empört sich Doro. „So was habe ich gar nicht nötig. Ich bin auch ohne Drogen immer gut drauf.“

Ja, besonders nachts um 3:30 Uhr. Genauso wie ich, haha.

„Und warum malst du dich dann wie ein Indianer an und faselst was davon, dass dieser Freak bei uns einzieht?“

„Weil es stimmt! Ich habe mich vor einem halben Jahr bei ‚Live my life – Tausch dein Leben mit einem Superstar‘ beworben und heute die Antwort bekommen. Hier, lies selbst!“

Doro zerrt mich zu ihrem aufgeklappten Laptop und meine müden Augen entziffern mühsam folgende Zeilen:

Liebe Doro,

vielen Dank für deine Bewerbung für „Live my life – Tausch dein Leben mit einem Superstar“.

Du hattest dich für einen Tausch mit Luke Armstrong beworben. Wir freuen uns sehr, dir mitteilen zu können, dass deine Bewerbung erfolgreich war. Luke wird eine Woche zusammen mit dir in deiner Wohnung leben und du wirst danach eine Woche in seiner Villa in Beverly Hills wohnen. Als Zeitraum haben wir die Woche vom 14. bis 21. Mai bei dir und die Woche vom 22. bis 29. Mai bei Luke vorgesehen. Wenn du das zeitlich einrichten kannst, lass es uns bitte so schnell wie möglich wissen. Wir bereiten dann alles vor. Luke freut sich schon sehr auf dich.

Mit den besten Grüßen

Geraldine Gedeon

Executive Manager

Stars & Emotion Production Inc.

„Luke freut sich schon sehr auf dich?“, äffe ich den letzten Satz nach. „Der Idiot kennt dich doch gar nicht. Er freut sich höchstens auf den Batzen Geld, den er wieder mal nur dafür bekommt, dass er blöde irgendwo rumsteht und dämlich in die Kamera grinst.“

Ich blicke auf die Mail und begreife nur sehr langsam die ganze Tragweite des Inhalts. Dieser selbstverliebte, arrogante Kotzbrocken soll eine Woche lang bei uns wohnen? Er soll bei uns essen, schlafen, aufs Klo gehen, duschen, fernsehen und was ihm sonst noch so alles einfällt?

Ich glaube, ich muss mich erstmal setzen.

Fassungslos sinke ich auf die nächstbeste Sitzgelegenheit, einen aufgeblasenen Zebra Sessel. Mit einem markerschütternden Schrei springe ich allerdings sofort wieder hoch und halte mir meinen schmerzenden Hintern.

„Da ist ja meine Haarbürste!“, ruft Doro erfreut. „Ich hatte sie schon überall gesucht. Danke!“

„Bitte“, gifte ich und freue mich schon, wenn sich Luke demnächst als Fakir betätigt.

„Da bist du platt, was?“, lacht Doro hysterisch. „Damit hättest du im Leben nicht gerechnet.“

Ich kratze mich am Kopf. Nein, das hätte ich allerdings nicht. Warum hat Doro sich nicht für einen Tausch mit Robbie Williams beworben? Das hätte wenigstens lustig werden können. Aber es gibt immer noch die Möglichkeit, in dieser Woche in ein Hotel zu ziehen oder zu Freunden. Alles ist besser als diesen selbstverliebten Schnösel hier zu haben. Ich muss das nicht ertragen.

„Aber der wohnt nicht wirklich hier, oder?“, hake ich nach. „Ich meine, das ist doch sowieso alles nur gefaked. Er kommt sicher nur für ein paar Minuten zu uns und tut nur so, als würde er hier wohnen. Es ist garantiert unter seiner Würde, in einer stinknormalen Wohnung zu hausen.“

„Das ist doch gerade der Clou dieser Sendung“, macht Doro mir klar. „Superstars, die normalerweise in einer Fünfzig-Millionen-Dollar-Villa mit dreißig Zimmern und fünf Bädern wohnen, lassen sich dazu herab, in irgendwelchen abgehalfterten Wohnungen zu leben.“

„Unsere Wohnung ist nicht abgehalftert“, widerspreche ich.

„Für jemanden wie Luke schon“, lässt Doro sich nicht beirren. „Hast du mal sein Haus gesehen? Das hat wirklich dreißig Zimmer und einen Pool, der rund um das Grundstück geht. Das ist der absolute Wahnsinn.“

„Hoffentlich verläuft er sich in seinem großen Haus nicht“, spotte ich. „Aber vielleicht hat er dafür ja ein Navi. Ich werde nie verstehen, warum ein einzelner Mensch dreißig Zimmer braucht. Daran siehst du doch schon, dass er nicht mehr alle Glocken am Baum hat. Was will er denn damit? Jeden Tag in einem anderen Zimmer wohnen oder was?“

„Wenn du so viel Geld hättest, würdest du dir auch nicht eine Drei-Zimmer-Wohnung mit jemandem teilen“, seufzt Doro.

„Nein, aber ich würde mir auch keine Residenz kaufen, die für eine ganze Fußballmannschaft reicht“, erwidere ich.

„Das ist doch total dekadent. Das Geld sollte er lieber für einen guten Zweck spenden. Aber daran denken diese blöden Millionäre ja nicht. Selbst leben sie im absoluten Überfluss, aber anderen, die nichts haben, geben sie keinen Cent ab.“

„Das weißt du doch gar nicht,“ verteidigt Doro ihren Schwarm. „Als ob du einen Millionär kennen würdest.“

Das wird sich ja dann wohl demnächst ändern. Ich könnte jetzt schon aus dem Fenster springen.

„Wann zieht der Muskelprotz denn hier ein?“, hake ich nach und werfe einen Blick auf den Bildschirm. Dann erstarre ich.

„Was, schon nächste Woche? Ist das nicht ein bisschen kurzfristig?“

Es wird wirklich immer schlimmer, denn die nächsten beiden Wochen habe ich zu allem Überfluss Urlaub. Ob ich das wieder rückgängig machen kann? Ich will meinen Urlaub genießen und ihn mir keinesfalls von diesem ätzenden Typen verderben lassen.

„Ich muss sofort Bescheid sagen, dass ich die nächste Woche nur wenig arbeiten kann und übernächste gar nicht“, seufzt Doro und himmelt ihr albernes Luke Armstrong Poster an, von dem er herablassend auf uns nieder lächelt.

„Hoffentlich klappt das so kurzfristig.“

„Wo soll er eigentlich schlafen?“, erkundige ich mich. „Bei dir im Bett oder in der Badewanne? Schläft er wirklich hier?“

Ich glaube das immer noch nicht. Bestimmt wird er abends von einer Luxuslimousine abgeholt und in ein Fünf-Sterne-Hotel chauffiert, wo er in der Kings Suite residiert.

Doro zuckt mit den Schultern.

„Woher soll ich das wissen? Vielleicht nicht jede Nacht, aber einmal ganz sicher. Oh mein Gott, Luke schläft in meinem Bett!“

Sie fängt wieder an zu quieken und ich beschließe, dass ich mich auch morgen noch ärgern kann und jetzt endlich das tun werde, was man um diese Zeit tun sollte: schlafen.

***

Als ich am nächsten Morgen wach werde, dämmert es mir nicht gleich. Erst, als ich in die Küche komme und Doro verliebt ihre Tasse in der Hand hält, auf der – natürlich – der halbnackte Luke abgebildet ist, fallen mir schlagartig die Geschehnisse der Nacht ein. Vor Doro liegt ein Blatt Papier, das zur Hälfte beschrieben ist.

„Ich mache gerade eine Liste mit Dingen, die wir unbedingt noch erledigen müssen, bevor er kommt“, sagt sie aufgeregt. Ich trete näher und überfliege die Liste.

Flur streichenKüchenschränke mit PVC Folie beklebenNeue KlobrilleNeue DuscheinlageFarblich passende Handtücher fürs Bad kaufenSchlafzimmer tapezierenNeue KüchenstühleNeue NachttischlampeNeue KüchenarbeitsplatteNeue Dessous Strengste Diät leben

„Warum wirfst du nicht gleich alle Möbel raus und richtest uns komplett neu ein?“, frage ich sarkastisch.

„Am besten, wir ziehen sofort um. Sag mal, bekommst du überhaupt Geld für das alles oder musst du noch was dafür zahlen, dass dieser Macho uns mit seiner Anwesenheit beehrt?“

Doro zuckt mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Das ist mir auch sowas von egal.“

„Sollte es aber nicht, wenn du tapezieren und neue Möbel kaufen willst. Wovon willst du das eigentlich bezahlen? Oder glaubst du, Luke verliebt sich Hals über Kopf in dich und übernimmt dann alle Kosten?“

An Doros knallroter Birne erkenne ich, dass sie meine Frage durchaus ernst nimmt. Daher wohl auch Punkt 10 und 11.

Nun ist Doro wirklich ausnehmend hübsch. Sie hat naturblonde, lange Haare, eine atemberaubende Figur, blaue Augen und endlos lange Beine. Es ist nicht ganz abwegig, dass Luke sich für sie interessiert. Vor allem nicht, wenn Doro sich nachts verläuft und aus reinem Versehen in seinem Bett landet. Aber ich bezweifele, dass ein Typ wie dieser selbstverliebte Macho zu einer Beziehung fähig ist. Er wird Frauen sammeln wie Trophäen und sie schneller wechseln als andere Leute ihre Unterwäsche.

„Willst du nicht schnell noch ein Boxspringbett kaufen, damit sein Luxuskörper auch bequem liegt?“, will ich wissen. „Ich glaube kaum, dass wir ihm unsere einfachen Holzbetten zumuten können.“

Doro seufzt tief auf.

„Ich habe mir schon überlegt, ob wir uns nicht über Airbnb ein Luxusapartment mieten sollen“, erklärt sie. „Dann müssten wir uns nicht so blamieren.“

Ich zucke mit den Schultern.

„Nur zu. Du mietest dir ein Luxusapartment, und ich bleibe hier und kriege von dem Freak gar nichts mit. Sehr gute Idee. Hast du schon bei Airbnb geguckt?“

„Ich habe der Produktionsfirma Bilder von unserer Wohnung gemailt“, stöhnt Doro unglücklich. „Daran halten sie jetzt fest. Sie wollen unbedingt diese Wohnung haben. Sie meinen, die sei so typisch für kleine Verhältnisse und so konträr zu Lukes Villa.“

„Naja, was ist nicht konträr zu einer Dreißig-Zimmer-Villa?“, sage ich kopfschüttelnd. „Die wenigsten leben so verschwenderisch. Und im Anschluss daran nimmt er dich mit dorthin und du darfst dich dort verlaufen? Siehst du ihn überhaupt? Vielleicht wohnt er ja im Ost- und du im Westflügel?“

„Spar dir deinen Sarkasmuss“, schmollt Doro. „Du bist nur neidisch, weil du nicht mit nach Los Angeles fliegen darfst.“

„Nein, wirklich nicht. Ich bin einfach nur froh, wenn der Typ wieder weg ist. Du hättest mich echt mal fragen können, ob ich überhaupt damit einverstanden bin, dass er hier rumlungert.“

Doro sieht mich an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen worden.

„Sorry, aber ich konnte ja nicht wissen, dass man dich fragen muss, ob der heißeste Kerl unter der Sonne bei uns wohnen darf“, sagt sie gedehnt. „Andere Frauen würden sonst was dafür geben.“

„Ich werde mich einfach in meinem Zimmer einschließen und ihn ignorieren“, beschließe ich.

Doro lächelt nachsichtig.

„Ach, Julie, Liebes. Einen Mann wie Luke kann man gar nicht ignorieren. Das wirst du schon merken.“

So ein Blödsinn. Wetten, dass ich es kann?

Kapitel 2 - Julie

Ich fasse es nicht, als Doro wenige Stunden später schwer bepackt in unsere Wohnung kommt und ihre Einkäufe ächzend auf den Boden fallen lässt.

„Ich war im Baumarkt“, verkündet sie und schnappt nach Luft. „Das mit der neuen Küchenarbeitsplatte geht leider nicht so schnell, aber es gibt spezielle Folie, mit der man die alte Arbeitsplatte bekleben kann. Alles andere habe ich mitgebracht. Morgen kommt Georg, der tapeziert, streicht und die Folie aufklebt.“

„Wer ist Georg?“, erkundige ich mich irritiert.

Doro lächelt zufrieden.

„Georg habe ich heute im Baumarkt kennengelernt. Er hat mich bei der Farbauswahl beraten und mir angeboten, die Maler- und Klebearbeiten zu übernehmen, weil er handwerklich sehr geschickt ist.“

„Aha. Und was will er dafür haben?“

„Ich habe ihm ein Abendessen versprochen“, erwidert Doro. „Er schien sehr von mir angetan zu sein.“

Kein Wunder. Doro trägt ein hautenges, rotes Kleid, das gerade mal ihren Hintern bedeckt. Sie ist eine Frau, hinter der sich alle Männer umdrehen. Allein ihre hellblonden Haare, die ihr bis zu Taille reichen, sind der absolute Hingucker und für Männer ein eindeutiges Signal. Aber Doro ist auch ausgesprochen wählerisch. Sie sieht selbst fantastisch aus und erwartet das logischerweise auch von ihrem Gegenüber. Ich bin immer wieder erstaunt, welch hässliche Gnome sich einbilden, bei so einer schönen Frau landen zu können. Klar, man verliebt sich leichter in eine bildhübsche als in eine weniger attraktive Frau, aber auch ein Mann sollte ab und zu seinen Spiegel zu Rate ziehen und einsehen, dass die eigene Attraktivität eine nicht unerhebliche Rolle bei der Partnerwahl spielt. In dieser Hinsicht sind Männer sehr von sich überzeugt, während Frauen meist oberkritisch sich selbst gegenüber sind.

„Was ist es denn diesmal für ein Neandertaler?“, grinse ich, doch zu meiner Überraschung nickt Doro.

„Das stimmt. Er geht ein bisschen gebückt, hat einen wild wuchernden Bart und sieht wirklich ein bisschen so aus wie ein Neandertaler“, erwidert sie doch glatt.

„Woher weißt du das?“

Ich verdrehe die Augen.

„Das wusste ich nicht, aber zum Arbeiten hast du doch dauernd skurrile Typen angeschleppt. Diesen Herbert, dem vor lauter Sabbern der Speichel aus dem Mund lief oder Denis, der total stotterte, weil du ihn so nervös gemacht hast. Der konnte ja keinen zusammenhängenden Satz mehr bilden, so hat er dich angehimmelt. Oder Lothar, der kaum im Zimmer stand und sich sofort alle Klamotten vom Leib gerissen hat. Da stand er dann in seiner mageren Nacktheit und mit seinem kleinen Pimmelchen, das sich schon von drei auf sagenhafte vier Zentimeter vergrößert hatte.“

Wir kichern beide albern los.

„Oder Frank, der unbedingt auf dem Boden vor mir herumkriechen und meine Stiefel ablecken wollte“, prustet Doro. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich kapiert habe, dass er auf SM stand. Oder Donovan, der mitten in der Nacht plötzlich lauthals vor unserer Tür gesungen hat, bis ihm Melli einen Eimer Wasser über den Kopf gekippt hat.“

Melli ist unsere 90jährige Nachbarin, die es empfindlich störte, als Donovan mitten in der Nacht einen musikalischen Liebesgruß an Doro von sich gab. Dazu muss gesagt werden, dass er extrem unmusikalisch war und keinen einzigen Ton traf. Das Gejaule hörte sich an wie eine läufige Katze und wahrscheinlich dachte Melli auch, sie hätte eine liebeskranke Samtpfote getroffen.

Tja, es ist nicht unbedingt einfach, wenn man so hübsch ist wie Doro. Zuerst mal hat man natürlich die Aufmerksamkeit der Männer und kann sich vor lauter Verehrern nicht retten, aber Doro teilt das Schicksal vieler schöner Menschen: Sie weiß nie, ob sich ein Mann nur mit ihr schmücken will und auf ihre äußeren Reize abfährt oder ob er wirklich sie als Person mag. Das ist oft ein nicht zu unterschätzendes Dilemma. Denn in einer ernsthaften Beziehung zählen andere Werte als der oberflächliche äußere Schein. Viele Männer verlieben sich in Doros Aussehen und stellen irgendwann ernüchtert fest, dass eine Beziehung nicht nur daraus besteht, den Partner den ganzen Tag lang anzugaffen. Eine Weile mag das durchaus funktionieren, doch nicht auf Dauer. Darum ist es für Doro schwierig, einen passenden Partner zu finden. Naja, nun erscheint ja demnächst Luke auf der Bildfläche und dann sind wahrscheinlich all ihre Probleme gelöst, haha.

Da habe ich es leichter. Ich bin optisch zwar nicht total misslungen, aber auch nicht so ein Hingucker wie Doro. Ich habe dunkelblonde, schulterlange Haare, grüne Augen, die ich sehr schön finde und eine sogenannte weibliche Figur. Also, ich bin zufrieden mit mir und bin auch gar nicht böse, dass mir die Kerle nicht nachgucken und dabei vor einen Laternenpfahl laufen. Bei Doro wäre ein Kerl mal beinahe vor einen Laster gerannt, weil er beim Anschmachten die rote Ampel übersehen hatte. Das kann richtig böse enden. Für mich ist es völlig okay, nur in der mittleren Liga zu spielen und ich muss mir auch keine Gedanken machen, ob ein Typ mich nur wegen meines Aussehens mag. Die Männer, mit denen ich zusammen war, mochten mich wegen meines Wesens, und es waren gute Beziehungen. Warum ich seit zwei Jahren als Single herumlaufe, weiß ich selbst nicht. Es wird Zeit, dass mal wieder was passiert, darum habe ich mich gestern auf dem neuen Dating Portal Surfing for Love angemeldet.

„Du hattest schon einige bizarre Gestalten“, seufze ich und denke an den letzten Gruseltypen mit Perücke und O-Beinen in knallenger, rot-schwarz gestreifter Leggings, in der man sein Gemächt überdeutlich sehen konnte. Das muss nun auch nicht sein, finde ich. So hübsch ist dieses faltige Gehänge nicht, wenn die Männer das auch alle glauben.

„Ich bin gespannt, welche bizarren Gestalten sich bei dir melden“, grinst Doro, denn natürlich habe ich ihr von Surfing for Love erzählt.

„Wollen wir gleich mal nachschauen?“

Es gibt kein Geschöpf, das neugieriger und indiskreter ist als Doro. Aber sie ist auch ein sehr liebenswertes Geschöpf, sonst wäre sie nicht seit zwei Jahren meine Mitbewohnerin und beste Freundin.

„Au ja“, stimme ich sofort zu, denn es macht immer mehr Spaß, so etwas mit einer Freundin zu tun.

„Ist das dein Anzeigentext?“, fragt Doro und beäugt mein Profil. Ich nicke.

Frustrierte Frau, 33, sucht depressiven Mann, um gemeinsam von der Brücke zu springen oder eine Therapie zu beginnen. Im Ernst: Ich glaube nicht, dass Beschreibungen des Aussehens oder des Charakters irgendwas bringen, denn alles entscheidet sich in dem Moment, wo wir uns gegenüberstehen. Wir können exakt dieselben Hobbys und Ansichten haben und es funkt trotzdem nicht. Darum sei mutig und lass uns einfach ein Date vereinbaren.

Doro starrt mich entgeistert an.

„Julie, ist das ein Witz?“

Unschuldig schaue ich zurück.

„Nein, wieso soll das ein Witz sein?“

„Weil …“ Doro fehlen kurzfristig die Worte.

„Weil das so nicht funktioniert. Wer soll dir auf so eine pragmatische, nichtssagende Anzeige schreiben? Du musst dich anpreisen, auf deine Vorzüge aufmerksam machen, etwas über deine Hobbys verraten und wie du die Welt siehst. Das geht so nicht. Darauf schreibt dir niemand.“

Ich zucke mit den Achseln.

„Dann eben nicht. Ich mag dieses selbstverliebte Anpreisen nicht, zumal die Kerle sich sowieso immer gnadenlos selbst überschätzen. Das mache ich nicht.“

„Aber wovon soll sich denn ein Mann bei dieser Anzeige angesprochen fühlen?“, stöhnt Doro. „Womöglich schreibt dir wirklich ein Depressiver, der sich umbringen will. Ehrlich, Julie, du hast manchmal schon einen seltsamen Humor.“

„Immerhin habe ich überhaupt Humor“, gebe ich zurück. „Und siehe da, ich habe sogar drei Zuschriften. Von wegen, mir schreibt keiner.“

Siegesbewusst öffne ich die erste Message von Hansemann-hoffentlich-bald-in-Love.

„Hallo Frustrie, komischer Text, wer soll damit was anfangen? Also, ich nicht. Wünsch dir viel Glück. Glaub aber nicht, dass du das haben wirst mit dem komischen Text.“

„Blödmann“, charakterisiere ich kurz und knapp und lösche die dämliche Antwort sofort, ohne mir überhaupt das Profil von Hans im Glück anzuschauen.

Doro verdreht die Augen.

„Habe ich doch gesagt“, mault sie.

Ich öffne die zweite Mail.

Jetzt-oder-nie hat geschrieben, und zwar drei Fragezeichen. Sonst nichts. Auch er wird sofort in den Papierkorb befördert.

Diesmal-will-ich-es-wissen haut natürlich in dieselbe Kerbe:

„Welche Brücke nehmen wir denn? Whahaha …. Voll bekloppt, der Text. Scheinst ja ein schräger Vogel zu sein.“

„Siehst du es jetzt endlich ein?“, seufzt Doro. „Du magst ja recht haben, aber so funktioniert es trotzdem nicht. Ich bin deine beste Freundin und kenne dich verdammt gut, also werde ich mir jetzt einen Text für dich ausdenken.“

In den nächsten zwanzig Minuten kaut Doro unentwegt auf ihrem Kuli herum und denkt angestrengt nach. Dann fängt sie an zu tippen.

Kurvige, schöne Frau, 33 witzig, charmant, intelligent, liebt Tiere, Natur und vielleicht bald dich! Wenn du gern ins Kabarett gehst, als Kapitän mein Schlauchboot lenkst und dabei die Enten fütterst, könnte es klappen. Du musst nicht schön sein (damit kann ich ohnehin nicht viel anfangen), aber originell und humorvoll. Auch fände ich es toll, wenn du irgendeine Leidenschaft hast, denn ich liebe Menschen, die für etwas brennen. Ich selbst brenne für Comedy. Also, hau in die Tasten und erzähl mir mehr von dir als „Na?“ oder „Hallo“. Ich mag Menschen, die etwas zu sagen haben.

„Hm“, mache ich erstaunt, denn der Text ist wirklich gut.

„Ich hätte mich jetzt nicht als schön, witzig, charmant und intelligent bezeichnet.“

„Ja, weil Frauen ihr Licht immer unter den Scheffel stellen“, weiß Doro. „Männer hingegen schreiben das auch, wenn sie hässlich, humorlos, strunzdoof und total bescheuert sind. Aber sie selbst sehen sich eben nicht so. Das ist der Unterschied.“

Genau das habe ich ja auch schon gedacht. Wir Frauen sind einfach zu bescheiden.

„Und was soll das Bild von einer zahnlosen Hundertjährigen?“, tadelt Doro mich. „Wir nehmen das, was wir letzten Sommer am Strand gemacht haben. Das, wo du so niedlich lächelst und das schöne rote Kleid mit den Nietenträgern anhast. Das ist super.“

Ich seufze ergeben auf, als Doro flink auf meinem Laptop herumklickt und das Foto in Sekundenschnelle gefunden hat. Sie kennt sich offenbar besser auf meinem Computer aus als ich.

„So, und morgen wirst du dich vor Anfragen kaum noch retten können“, verspricht sie mir und zwinkert mir zu.

„Wäre doch gelacht, wenn wir nicht das passende Gegenstück für dich finden würden.“

Kapitel 3 - Julie

Als ich am nächsten Tag meinen Posteingang abrufen will, teilt mir yahoo mit, dass die Kapazität meines Postfachs massiv überschritten ist und ich dringend ein paar Mails löschen muss. Ich starre auf die Zahl der eingegangenen Mails. Es sind 82. So viele bekomme ich sonst höchstens als Spam.

82 potentielle Anwärter auf den Job als Herzensmann an meiner Seite! Das ist ja der absolute Wahnsinn! Aufgeregt renne ich rüber zu Doro und störe sie dabei, wie sie sich auf YouTube gerade ein Video von unserem zukünftigen WG-Partner anschaut.

„Luke, du siehst ja immer besser aus“, sabbert eine viel zu dünne, blonde Frau in einem fast durchsichtigen Kleid und verschlingt das Objekt ihrer Begierde mit hungrigen Blicken.

„Arbeitest du den ganzen Tag für dein Aussehen? Was tust du alles dafür? Du hast unglaubliche Muskeln.“

Sie sieht aus, als würde sie Luke im nächsten Moment die Klamotten vom Leib reißen. Also wirklich, als sogenannte Moderatorin sollte man sich ja wohl ein bisschen zusammen nehmen können und nicht ganz so notgeil daherkommen.

„Er hat wirklich tolle Muskeln“, murmelt Doro verklärt. „Er ist nicht zu aufgepumpt, aber wahnsinnig gut durchtrainiert. Ach, ich würde diese Muskeln zu gern mal anfassen dürfen.“ Sie seufzt theatralisch.

„Ach, ich würde diese Muskeln zu gern mal anfassen dürfen“, echot es jetzt aus dem Laptop, und Doro springt wütend auf.

„Du blödes Stück, das wirst du nicht tun!“, kreischt sie los. „Das war mein Text.“

„Ich habe nichts dagegen“, grinst Luke selbstgefällig.

Meine Güte, er kommt sich wohl wahnsinnig toll und sexy vor, wie er breitbeinig da sitzt und seinen aufgepumpten Körper zur Schau stellt. Natürlich ist seine Brust nicht bedeckt, der blöde Angeber.

„Und nein, ich arbeite nicht den ganzen Tag an meinem Aussehen. Natürlich trainiere ich täglich und achte darauf, was ich esse, aber es ist nicht mein Lebensinhalt.“

„Dein Lebensinhalt ist es sicher, eine Dumpfbacke nach der anderen flachzulegen“, mutmaße ich. „Damit wirst du genug zu tun haben, und Sport ist das auch.“

„Du blödes Miststück“, heult Doro los, als die Blonde auf dem Bildschirm mit verzücktem Gesicht an Luke herum fummelt, der dämlich dazu lächelt. Es ist nicht zu ertragen.

„Reiß dich von deinem Superlover los, es gibt Arbeit“, scheuche ich die liebeskranke Doro hoch.

„Ich habe 82 Zuschriften bekommen, ist das nicht irre?“

„Jaja“, erwidert Doro uninteressiert und frisst fast den Bildschirm auf.

„Ich hasse dieses Weibsstück. Warum müssen alle Weiber immer so gierig an Luke herum grapschen?“

„Weil das genau das ist, was du auch tun willst“, erkläre ich ihr. „Wenn er hier ist, hast du sicher noch massig Gelegenheit dazu.“

Doros Miene hellt sich schlagartig auf.

„Ja, das stimmt“, sagt sie versöhnlich. „Da wird sich die eine oder andere Chance bieten. Also los, checken wir deine potentiellen Lover.“

Nach einer halben Stunde ist meine Laune erheblich gesunken. Von den 82 potentiellen Liebhabern scheiden 78 aus. 48 haben mir unaufgefordert Fotos von ihrem vermeintlich besten Stück geschickt, manche sogar mit einem angelegten Zentimetermaß. Glauben diese Kerle wirklich, wir Frauen seien so primitiv, uns den Mann nach seinem Schwanz auszusuchen? Ich habe auch unter vertraulichen Gesprächen mit engsten Freundinnen noch nie das Statement gehört: „Nein, also, weißt du, der Typ ist ja ganz nett, aber sein Schwanz … nein, danke. Der ist so schrumpelig und klein, das geht gar nicht. Also, wenn sein Penis schön aussehen würde, würde ich es mir ja noch mal überlegen, aber so … never. Vielleicht sollte er ihn mal liften lassen oder ihn besser pflegen.“

Ehrlich, Männer, ein Schwanz an sich ist nicht der Inbegriff aller Schönheit, schon gar nicht in hängendem Zustand. Er fühlt sich gut an in uns drin, aber das Aussehen … nun ja. Ein schlaffer Schwanz erinnert mich irgendwie immer an eine Nacktschnecke und fühlt sich auch so an. Also hört endlich auf, euch sonstwas darauf einzubilden. Außerdem ist das auch nicht sooo was Besonderes, denn jeder Mann hat einen, schon mal darüber nachgedacht?

Die nächsten 18 Bewerber haben trotz meiner Bitte nur einen simplen Satz geschrieben wie „Na, kurvige Frau, was geht?“ oder „Find dein Profil geil. Was machst‘n so?“, manche auch nur „Hi“ oder „Na, du?“ Ein bisschen mehr Mühe sollte man sich schon geben, finde ich. Das reißt mich jedenfalls nicht vom Hocker.

Fünf waren zu alt (ab Sechzig aufwärts), sieben zu jung, auch wenn der 17jährige sehr anschaulich schilderte, warum er sich eine „reife, ältere Frau für die Einweisung in die schönste Sache der Welt“ wünscht. Ich habe wirklich keine Lust, auf diesem Gebiet die Lehrerin zu spielen.

Am Ende bleiben nur noch vier übrig. Was für eine ernüchternde Ausbeute. Das hatte ich mir aber ganz anders vorgestellt.

„Naja, guck dir doch die Schrotttypen auf der Straße an“, meint Doro. „Das sind eben genau die, die du hier wieder findest. Oder glaubst du, die Freaks rennen alle draußen rum und die tollen Hechte vergraben sich zu Hause in der Wohnung?“

„Nein, aber vielleicht im Büro“, seufze ich resigniert. „Ich dachte, es melden sich Männer, die beruflich so stark eingespannt sind, dass sie wenig Möglichkeiten haben, eine Frau kennenzulernen.“

Etwas entmutigt schreibe ich den vier Männern zurück und frage unter anderem, was sie beruflich machen und was ihre Hobbys sind. Die Antworten kommen prompt.

Marcus: Ich finde, das Leben ist zu kurz, um es mit Arbeit zu verschwenden. Ich schnorre mich so durch. Du findest mich jeden Tag vor MacDonalds in der Kantstraße. Kannst ja auch mal einen Euro in meine Mütze werfen oder dich dazu setzen. Dann quatschen wir und lernen uns kennen. Hobbys habe ich keine, außer vielleicht Bier trinken. Und du?

Torsten: Ich habe keine Lust zu arbeiten. Geht auch so. Hobbys? Noch nie darüber nachgedacht. Chillen vielleicht.

Denis: Ich arbeite bei einem Bestattungsinstitut.

JF: Bin zur Zeit im Gefängnis.

Doro und ich schauen uns entsetzt an. 82 Zuschriften und kein einziger Mann, der auch nur ansatzweise in Frage kommt?

„Vielleicht ist das das falsche Dating Portal“, stöhne ich. „Man sollte es in ‚Loser for Love‘ umbenennen. Gibt es keine normalen Männer mehr?“

„Anscheinend nicht“, murmelt Doro und blickt immer noch fassungslos auf die Antworten.

„Gib die Hoffnung nicht auf, vielleicht kommt noch jemand, der halbwegs normal ist.“

Ganz sicher. Luke Armstrong. Demnächst hier live in unserer Wohnung.

***

Am nächsten Tag erscheint ein Mann in unserer Wohnung, den ich auch nicht ganz normal finde, nämlich Doros neuer Verehrer aus dem Baumarkt.

Er sieht wirklich wie ein Neandertaler aus, aber darauf hatte ich mich schon eingestellt. Worauf ich nicht eingestellt war, ist, dass er alle paar Minuten gackernde Geräusche von sich gibt, die mich ganz nervös machen. Manchmal schreit er auch einzelne Wörter, die keinen Sinn ergeben.

„Er hat das Tourette Syndrom“, flüstert Doro mir zu. „Das ist eine Erkrankung des Nervensystems und genetisch bedingt. Die Betroffenen machen unwillkürliche Bewegungen, sogenannte Tics und geben Tic-artige Laute oder Wörter von sich. Sie können nichts dafür.“

„Ich weiß, was das Tourette-Syndrom ist“, gebe ich zurück. „Ich bin doch nicht erst gestern unter einem Stein hervor gekrochen. Das ist schlimm und tut mir auch leid, ehrlich. Aber glaubst du, dass er damit überhaupt streichen kann?“

„Warum sollte er das nicht können?“, gibt Doro zurück, während wir Georg beobachten, der gefährlich auf der Leiter herum schwankt und irgendwelche Fantasie-Wörter in den Raum schreit.

„Feuerzeug“, ruft er zusammenhanglos und ich hoffe, er meint damit nicht, dass er gleich unsere Bude abfackelt.

„Heuhaufen, elendiger!“

Dann passiert das, was ich befürchtet habe: Sein Arm bewegt sich ruckartig nach rechts und der Pinsel streicht unsere Lampe an.

„Oh nein!“ Doro schließt die Augen.

„Fensterbank!“, schreit Georg weiter und sein Kopf zuckt wie verrückt. Diese Krankheit ist ja wirklich schrecklich, und ich bin voller Mitgefühl.

„Hast du das nicht gewusst mit diesem Tourette-Syndrom?“, frage ich meine Freundin. „Das muss dir doch gestern aufgefallen sein.“

„Natürlich habe ich das gewusst“, gibt sie zerknirscht zu. „Aber ich dachte, es sei kein Problem.“

„Wie du siehst, ist es eins“, erwidere ich. „Komm, wir holen ihn jetzt von der Leiter runter, bevor noch Schlimmeres passiert.“

„Ja, du hast recht“, antwortet Doro folgsam. „Georg? Kommst du bitte da runter?“

„Pfeilmenschen“, schreit Georg. „Dunstabzugshaube. Fahrstreckenkontrolleur. Luftgewehr.“

Er tritt gegen den Farbeimer, der auf der Leiter steht. Doro und ich sind wie erstarrt, als wir dabei zusehen, wie der Eimer mit weißer Farbe mit lautem Getöse von der Leiter fällt und auf dem Teppich landet.

„Wieso habt ihr den Boden nicht abgedeckt?“, stöhne ich. „Das macht man doch, wenn man streicht.“

„Weil Georg sagte, er macht das so perfekt, dass er nichts abdecken muss“, heult Doro.

Ich fasse mir an den Kopf. Der Teppich war neu, wir haben ihn erst vor zwei Wochen gekauft. Jetzt können wir ihn wegwerfen. Und er war teuer.

Als es an der Tür klingelt, wankt Doro mit letzter Kraft durch den Flur. Ich versuche, die Farbe mit Hilfe eines Pinsels wieder in den Eimer zu befördern, während Georg debil grinsend immer noch auf der Leiter steht.

Doros markerschütternder Schrei lässt mich zusammen fahren. Was ist denn jetzt schon wieder los?

„Aber …. Wieso denn schon heute?“, ruft sie panisch.

„Hast du unsere Mail nicht bekommen?“, sagt eine tiefe Stimme. „Wir haben dich gefragt, ob es okay ist, wenn wir den Termin auf heute vorziehen. Wir haben geschrieben, dass wir davon ausgehen, dass es in Ordnung ist, wenn wir nichts mehr von dir hören. Nur, wenn dir der Termin nicht passt, solltest du uns Bescheid geben.“

Ich richte mich auf. Was für ein Termin? Völlig mit Farbe verschmiert nehme ich Kurs auf die Wohnungstür. Ein kleiner, dicklicher Mann schreitet gerade in den Flur, gefolgt von zwei aufgetakelten Frauen. Wer sind diese Leute? Oh mein Gott, ich ahne das Schlimmste.

Und dann betritt Seine Heiligkeit unsere bescheidene Hütte.

Er ist es, in voller Schönheit.

Luke Armstrong. Fünf Tage zu früh.

Willkommen im Chaos.

Kapitel 4 - Julie

Doro sieht aus, als würde sie jeden Moment aus dem Fenster springen. Ich kann mir so ungefähr vorstellen, was in ihr vorgeht.

Alles sollte perfekt sein, wenn das Gottesgeschenk an alle Frauen bei uns einzieht. Die Wohnung sollte renoviert sein und Doro perfekt gestylt. Und jetzt? Die Wohnung sieht aus wie ein Schlachtfeld. Wir haben nicht aufgeräumt, die Sachen für die geplante Renovierung liegen überall herum, ein Irrer steht feixend im Raum, die weiße Farbe sickert in unseren Teppich, Doro und ich tragen unsere ältesten Klamotten, sind völlig ungeschminkt und haben unsere ungewaschenen Haare zu einem Zopf gebunden. Mir ist es ja egal, was dieser Schönling von uns denkt, aber für Doro muss es der absolute Albtraum sein.

Ja, er ist anbetungswürdig schön, fast zu sexy für diese Welt. Unter seinem weißen Shirt sieht man seine Muskeln, sein Gesicht ist markant und er hat eine Ausstrahlung, die unsere unwürdige Hütte in neuem Glanz erstrahlen lässt. Er lächelt sogar, was angesichts des Chaos schon eine Meisterleistung ist. Er kann sich unmöglich freuen, in diese Müllhalde einzuziehen.

„Herzlich willkommen in unserem Luxusdomizil“, begrüße ich ihn lakonisch. „Ich bin mir sicher, du wirst dich wie zu Hause fühlen.“

Luke blickt mich überrascht an, dann lacht er und zeigt dabei seine schneeweißen Zähne, die garantiert nicht echt sind.

„Davon bin ich überzeugt“, erwidert er und streckt mir seine Hand entgegen.

„Ich bin Luke. Sehr erfreut.“

Sein Händedruck ist warm und fest, seine grünen Augen funkeln. Für einen kurzen Moment durchzuckt mich ein Blitz, der aber schnell wieder verschwindet.

„Julie“, stelle ich mich vor.

Jetzt erscheint Georg auf der Bildfläche.

„Votze!“, schreit er Luke an.

„Wie bitte?“, fragt Luke irritiert.

„Er hat das Tourette-Syndrom“, erkläre ich schnell. „Die Wörter kommen einfach so aus seinem Mund, ohne dass er das will.“

„Blöde Votze“, steigert Georg sich und grinst Luke an.

„Angenehm, blöde Votze, ich bin Luke“, stellt Luke sich vor und scheint auch jetzt seine gute Laune nicht zu verlieren. Erfreut ergreift Georg seine Hand.

„Ich habe keine Mail bekommen“, schluchzt Doro. „Oh, mein Gott, es ist alles das totale Chaos.

---ENDE DER LESEPROBE---