Liebe auf Rezept - Ellen Ess - E-Book

Liebe auf Rezept E-Book

Ellen Ess

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Beschreibung

Während eines Krankenhausaufenthaltes wird Nicola von der Physiotherapeutin Renée Strauss betreut. Nach ihrer Entlassung bedauert sie es sehr, Renée nicht mehr wiedersehen zu können. Doch zu ihrer Überraschung stellt sie dann in der Physiotherapie-Praxis, in die sie weiterhin geht, fest, dass Renée seit kurzem dort arbeitet. Die Gefühle, die bereits im Krankenhaus keimten, wachsen und gedeihen in Nicolas Herzen, die sich von Mal zu Mal immer stärker nach der nächsten Krankengymnastikstunde sehnt ...

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Ellen Ess

LIEBE AUF REZEPT

Liebesgeschichte

© 2018édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-277-0

Coverfoto:

1

»Frau Molitor, hören Sie mich?« Die Frau im weißen Kittel richtet ihren Blick konzentriert auf den seit Wochen in einem Bett auf der Intensivstation liegenden Körper.

Von mir, dem anderen Teil, der auch noch da ist und direkt neben diesem Häuflein Elend steht, nimmt sie keinerlei Notiz. Ihre volle Aufmerksamkeit gilt meiner fleischlichen Hülle, damit ihr, der erfahrenen Ärztin, auch keine noch so kleine Reaktion entgehen kann.

Rund um die Uhr stehe ich unter Beobachtung. Mal ist sie es, mal mir unbekannte Weißkittel.

»Frau Molitor?«, raunt die Ärztin und streicht lächelnd eine dunkle Haarsträhne aus meiner Stirn. Eigentlich müsste es kitzeln, das tun Haare nun mal, doch ich fühle . . . nichts.

Ich kenne sie, die Frau mit den schlohweißen Haaren. Es ist Frau Doktor Hector, Barbara Hector, und sie war die diensthabende Ärztin in jener Nacht, in der ich . . .

Sanft hält sie meine Hand in ihrer und streichelt mit der anderen beruhigend und zugleich stimulierend über meinen Handrücken. Meine flatternden Augenlider entlocken der erfahrenen Ärztin ein sanftes Lächeln und lassen sie weiter mit mir sprechen.

»Hallo, Nicola, können Sie mich hören?«

Ich denke daran zurück, dass mir in seltenen Momenten so war, als hätte ich das monotone Piepsen der Gerätschaften wahrgenommen, die – jetzt, bis zu diesem Moment, in dem ich hier stehe und beobachte – meine Vitalfunktionen überwachen. Piep, piep, piep.

Eigentlich ist es ein nervendes Geräusch, aber auf meine Umwelt reagiere ich kaum noch, somit stört es mich also nicht weiter.

Die Ärztin will im Gegensatz zu mir nicht aufgeben. Sie intensiviert ihre Bemühungen, mich aus diesem Schlaf zu erwecken, einem sehr tiefen und vielleicht auch endgültigen Schlaf.

Ja, ich kann Sie hören, aber der Körper nicht, auf den Sie schauen, Frau Hector.

Ich will es herausschreien, so laut, wie ich kann, doch es nützt nichts. Sie kann mich weder sehen noch hören. Dabei stehe ich, genauso wie sie, neben dem Bett und betrachte mich.

Wie kann das sein? Sowas gibt es doch nicht, oder? Etwas abwegig erscheint es mir schon, aber es ist so. Die, die da liegt, bin eindeutig ich.

Es ist schwer zu verstehen, doch als ich es endlich begreife, dass ich von meinem Körper getrennt bin, verabschiede ich mich mit einem zaghaften Winken von ihm und gehe.

Ich schaue nicht zurück, sondern steuere zielstrebig auf die Brücke zu, vor der ich schon so oft gestanden habe. Immer wieder hat es etwas gegeben, das mich davon abgehalten hat, sie zu betreten.

Doch jetzt ist es so weit. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend betrete ich diese gläserne Brücke, an deren Ende mich auch dieses Mal ein gleißendes Licht hinter einer Tür erwartet.

Leises Harfenspiel dringt an mein Ohr und zieht mich beinahe magisch an. Ich lausche der himmlischen Melodie und beschleunige meinen Schritt, komme dem verlockenden Licht immer näher. Ich bin machtlos, kann mich ihm einfach nicht entziehen.

Obwohl die Tür geschlossen ist, dringt dieses grelle Licht hindurch. Es ist so rein, so unbeschreiblich weiß. Noch weißer als weiß. Und doch blendet es mich nicht, bringt mich nicht zum Blinzeln. Sowas sehe ich zum ersten Mal.

Die lieblichen Töne der Harfen lullen mich ein und lassen mich fast schweben, so leicht und beschwingt fühle ich mich. Voller Erwartung schreite ich auf diesen friedvollen Ort zu. Dort werde ich die Ruhe finden, nach der ich mich sehne.

Ich habe sie fast erreicht, diese Tür, hinter der sich das Elysium befindet. Niemals in meinem Leben war ich glücklicher als jetzt, in genau diesem Moment.

Doch da ist es wieder, was mich am letzten, erlösenden Schritt hindert. Es hält mich an der Hand fest, streichelt sie und säuselt mit sanfter Stimme: Geh nicht weiter, komm zurück . . .

Die Stimme, eine warme, weibliche, wird lauter. Energischer. Gut so. Bleib bei mir. Ich kann es bereits deutlich hören.

Je weiter ich mich wieder von der Tür entferne und dem Aufgang zur Brücke nähere, desto kräftiger und klarer wird die Stimme. Sie hat dieselbe Wirkung auf mich wie bis eben noch das Licht, nur um ein Vielfaches stärker.

Leise weinend verklingen auch die letzten der himmlischen Klänge.

Ein Ruck geht durch meinen Körper, und ich bin wieder vereint mit ihm.

Das Flattern meiner Lider wird zu einem intensiven Blinzeln, und schließlich schlage ich die Augen auf. Für einen Moment bin ich geblendet von der Neonleuchte direkt über meinem Bett und kneife sie wieder zusammen. Nur mit viel Mühe gelingt es mir, die Lider nochmals zu heben. Sie kommen mir so schwer vor.

Doch was ich sehe, ist die Anstrengung allemal wert: ein tiefbraunes Augenpaar, das auf mich gerichtet ist, und ein hinreißendes Lächeln. Es bereitet mir einen wahrlich wunderbaren Empfang, indem es zwei Reihen perlweißer Zähne, ebenmäßig aufgereiht wie auf einer Kette, erstrahlen lässt. Ein schöner Kontrast zum gebräunten Teint und den dunklen Augen.

Bin ich dem Himmel doch nah und dies ist der Engel, der mich nun einlässt?

Ich versuche weiterhin das Gesicht zu fixieren, um es noch genauer erkennen zu können. Es ist furchtbar anstrengend, die Augen offen zu halten, aber gelingt es mir.

Und ich kenne sie. Es ist Frau Dr. Hector. Ich stehe also nicht an der Himmelspforte, und sie ist definitiv kein Engel, der mich willkommen heißt. Sie entspricht so gar nicht meiner Vorstellung, die ich bisher von einem Himmelswesen hatte. Keine blonden Löckchen, keine blauen Augen . . . ganz zu schweigen von den Flügeln, die einfach zu einem echten Engel gehörten.

»Hallo Nicola, mein Name ist Doktor Hector, ich bin Ihre behandelnde Ärztin.«

»Ich weiß«, sage ich mit kratziger Stimme und starre auf das Namenschild, das in Brusthöhe an ihrer Kleidung festgepinnt ist. »Und wofür steht das B?«

»Für Barbara?« Sie scheint etwas irritiert und genauso antwortet sie: fragend.

»Schöner Name. Hallo . . . Barbara Hector.« Ich bin etwas benommen, und es fällt mir noch schwer zu lächeln, doch es gelingt.

Aus irgendeinem Grund fängt ein Gerät an zu piepsen. Unverzüglich schaut die Medizinerin auf den Monitor, der meine Pulsfrequenz anzeigt. Ihr prüfender Blick wirkt angespannt.

»Nanu, warum schlägt Ihr Herz denn auf einmal so schnell? Bleiben Sie ganz ruhig«, sagt Barbara, wie ich sie insgeheim nenne, und drückt auf verschiedene Sensorfelder, bis der Alarmton abgeschaltet ist.

Das ist gar nicht so einfach, wie sie denkt. Ich meine zu wissen, was der Grund für dieses Gepiepse ist. Frau Doktor gefällt mir, aber das kann ich ihr wohl kaum so sagen.

»Ich tue Ihnen doch nichts«, meint sie im Spaß und zwinkert mir zu.

Von wegen! Am besten, ich lasse sie nicht allzu nahe an mich heran, denn die nächste Zeit wird mit Sicherheit noch schwer genug für mich.

Im nächsten Augenblick verkündet mir die Ärztin auch schon: »Nicola, Sie haben in den letzten Wochen . . .«

Es ist unhöflich, ich weiß, aber ich lasse sie nicht ausreden. »Wollen Sie damit sagen, ich bin seit Wochen hier?« Würde ich nicht schon liegen, müsste ich mich jetzt erstmal setzen. »Aber was . . . warum?« Ich kann es nicht fassen.

Ich weiß lediglich noch, dass ins Krankenhaus musste, aber weiter reicht meine Erinnerung nicht.

Eine weitere Ärztin betritt das Zimmer, wirft einen Blick auf die Monitore und mustert anschließend mich. Ohne etwas zu sagen. Sie stellt sich nicht vor, und das kleine Schildchen an ihrem Kittel kann ich auch nicht erkennen. Die Entfernung ist zu groß. Augenblicklich fällt mir ein, dass ich ja eigentlich eine Brille trage.

Wo ist sie? frage ich mehr mich selbst als eine der beiden Ärztinnen. Sie haben mir sowieso schon den Rücken zugewandt und sind in meine Krankenakte vertieft.

Wenn sie sprechen, dann ganz leise, beinahe im Flüsterton. Keine Ahnung, aus welchem Grund sie das tun. Sie wissen nicht, dass ich hören kann wie ein Luchs, und deshalb trotzdem verstehe, was sie sagen.

Zwar sind es nur Gesprächsfetzen, aber von diesem Moment an ist nichts mehr wie vorher.

». . . versagen . . . Dialyse, aber . . . wieder.«

Wovon, zum Teufel, reden die da? Von mir?

Meine Hände werden feucht, mein Mund noch trockener, als er es sowieso schon ist. Ich habe Angst. Große Angst. Ihr Geschmack liegt auf meiner Zunge, bitter und pelzig.

Meine Stirn legt sich in Falten, als wolle ich ein Teilchen zu dem mentalen Puzzle in meinem Kopf hinzufügen, an dem ich unentwegt arbeite.

Dieser Begriff – Dialyse . . . Ich mag mich gar nicht näher mit seiner Bedeutung für mein Leben befassen. Er löst in mir ein diffuses Ohnmachtsgefühl aus.

Neben mir beginnt es erneut zu piepsen, rote Lämpchen fangen an zu blinken. Eine herbeieilende Pflegekraft drückt mich zurück ins harte, kratzende Kissen und wirft einen prüfenden Blick auf die Gerätschaften, mit denen ich verkabelt bin. Es schein nichts Gravierendes zu sein, und sie schaltet den Ton ab.

Für ein paar Sekunden liege ich einfach nur so da und warte. Darauf, dass sich mein wild hämmerndes Herz beruhigt.

Der Schrecken vom aufgeschnappten Gespräch am Vormittag sitzt mir noch immer in den Knochen, aber ich versuche einfach, nicht daran zu denken.

Vielleicht kann mir ja die Physiotherapeutin, die sich angekündigt hat, die nötige Ablenkung verschaffen. Ich habe sie schon ein paarmal gesehen, aber immer nur aus einiger Entfernung.

Bevor ich diesen Gedanken zu Ende führen kann, ist sie auch schon bei mir.

»Hallo, ich bin Renee Strauss. Und Sie«, sagt sie mit einer Stimme, die bei mir sofort Wirkung zeigt, »müssen Frau Molitor sein. Hallo.«

Herzlich lächelnd kommt sie näher, bis an den Giebel des Bettes.

Mit meiner Brille, die sich inzwischen wieder angefunden hat, kann ich die Physiotherapeutin wunderbar erkennen. Erwartungsvoll und hoffentlich nicht zu bewundernd schaue ich sie an.

Wie ihre Augen leuchten.

»Richtig. Hallo«, erwidere ich etwas verzögert, weil ich in Gedanken ganz woanders bin. Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt und meine Ohren anfangen zu glühen. Auch das noch . . . wie peinlich!

Wieder dieses Lächeln, und ihre Augen leuchten mit. Sie sind blau, stelle ich für mich selbst fest.

»Haben Sie denn schon mal auf der Bettkante gesessen?«, fragt sie.

Ich schüttle verneinend den Kopf, bin unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen.

»Okay, dann fangen wir mit ganz einfachen Bewegungen an, bei denen Sie bitte liegenbleiben.«

Es sind wirklich ganz leichte Übungen, aber sie strengen mich dermaßen an, dass ich schon nach wenigen Minuten resignierend abwinke. »Ich kann nicht mehr.«

»Ein bisschen muss ich Sie schon noch quälen, schließlich wollen Sie sich doch wieder ohne Schwierigkeiten bewegen können. Oder sehe ich das etwa falsch?«

Nein, tust du natürlich nicht.