Liebe im Sommerregen - Anna Loyelle - E-Book

Liebe im Sommerregen E-Book

Anna Loyelle

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Beschreibung

Du und ich sind wir. Immer. Jede Sekunde. Jeden Atemzug lang. Seit die sechzehnjährige Samantha aus dem kleinen Ort Kettle Lake in Missouri dem zwei Jahre älteren Jayden begegnet ist, taucht er ständig in ihrer Nähe auf. Jeder Blick aus seinen braunen Augen bringt ihr Herz zum Schmelzen. Je näher sie den undurchschaubaren Jayden kennenlernt, desto inniger wird die Verbindung zu ihm. Eine Verbindung, auf die sie sich unmöglich einlassen kann, denn Samantha hat einen festen Freund: Andy. Kurz davor, der Versuchung zu erliegen, bricht sie den Kontakt zu Jayden ab. Doch ihr Herz ist nicht bereit, das zu akzeptieren. Ein Roman über die Sprunghaftigkeit von Gefühlen und das Erleben der ersten Liebe Liebe im Sommerregen erschien erstmals 2014 in gekürzter Ausgabe und wurde im August 2022 im LeuchtWort Verlag neu veröffentlicht.

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Inhaltsverzeichnis

Die Autorin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Nachwort

1. Auflage

Copyright © 2022 by LeuchtWort Verlag

Sonja Fürst & Andreas Puderbach GbR

Dillenburgerstr. 16, 56459 Rothenbach

 

Umschlaggestaltung/Satz: Grit Bomhauer, www.grit-bomhauer.com

Unter Verwendung von

© Depositphotos – AndrewLozovyi | AndreYanush

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

ISBN: 978-3-949727-28-3

 

 

Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich.

 

Liebe im Sommerregen erschien erstmals 2014 und

wurde im Juli 2022 im LeuchtWort Verlag neu veröffentlicht.

 

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.leuchtwort-verlag.de

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Du und ich sind wir. Immer. Jede Sekunde. Jeden Atemzug lang.

 

Seit die sechzehnjährige Samantha aus dem kleinen Ort Kettle Lake in Missouri dem zwei Jahre älteren Jayden begegnet ist,taucht er ständig in ihrer Nähe auf. Jeder Blick aus seinen braunen Augen bringt ihr Herz zum Schmelzen. Je näher sie den undurchschaubaren Jayden kennenlernt, desto inniger wird die Verbindung zu ihm. Eine Verbindung, auf die sie sich unmöglich einlassen kann, denn Samantha hat einen festen Freund: Andy. Kurz davor, der Versuchung zu erliegen, bricht sie den Kontakt zu Jayden ab. Doch ihr Herz ist nicht bereit, das zu akzeptieren.

 

Ein Roman über die Sprunghaftigkeit von Gefühlen und das Erleben der ersten Liebe

Anna Loyelle entdeckte das Schreiben bereits in der Volksschule für sich. Sie beglückte ihre Mitschüler und Lehrer anfangs mit Tiergeschichten, später mit Abenteuer- und Liebesgeschichten. Heute schreibt Anna Loyelle Jugendromane, Erotikgeschichten und Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres. 2019 gründete sie unter ihrem Realnamen Andrea Kammerlander das Literaturmagazin Schreib Was. Anna Loyelle ist Mitglied bei „Romane Made in Austria“, der Vereinigung deutschsprachiger LiebesromanautorInnen und Mitglied der IG AutorInnen Tirol.

 

Von Anna Loyelle sind im LeuchtWort Verlag erschienen:

Liebe im Sommerregen – Samantha & Jayden

Falsche Küsse schmecken besser – Lauren & Noel

Never without you – Elisha & Cade

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für die drei tollsten Männer in meinem Leben – Norbert, Rene, Adrian

Für mein treues Mädchen, das unser Leben so sehr bereichert

Für meine Seelenschwester, beste Freundin und Vertraute – Andrea

Für meinen Fels in der Brandung – Ingrid, meine Mama

Ich liebe euch

 

Manche Tage outen sich bereits vor dem Aufstehen als miese Tage. Du fällst aus dem Bett, findest das Gegenstück deines Sockens nicht oder verschüttest Kaffee auf das frisch gewaschene T-Shirt. Wenn Facebook seinen Nutzern eine neue Maske aufdrängt und du weißt, damit wirst du frühestens in zehn Tagen klarkommen, ist der Tag gelaufen. Du verlierst Follower auf Instagram, weil du nicht alle zehn Minuten ein neues Reel hochlädst, oder auf Netflix verzögert sich der heiß ersehnte Starttermin der nächsten Staffel einer Serie, zählt das definitiv zur Rubrik miese Tage. Zugegeben, an dem gemessen, was Samantha am letzten Schultag erlebt, hört sich alles andere an wie zu lang gebackener Kuchen. Essbar, aber ohne Verlangen nach einem zweiten Stück.

Als die Glocke der Kettle Lake Highschool durch alle Flure schrillte und das Ende der Stunde ankündigte, packte sie im Zeitlupentempo ihre Sachen ein und wartete, bis alle den Raum verlassen hatten. Sobald sie allein war, zog sie ihr iPhone aus der Hosentasche, entsperrte das Display via FaceApp und öffnete die zuletzt eingegangene E-Mail. Lächelnd las sie die Nachricht, dann klickte sie auf Antworten und tippte ein paar Worte ein, die sie mit steigender Aufregung abschickte. Ich bin in zehn Minuten da. Ihre Handflächen wurden feucht und in ihrem Magen breitete sich ein seltsam banges Gefühl aus. Eine Mischung aus Freude und Angst. Jede Faser ihres Körpers glaubte daran, endlich am Ziel angelangt zu sein, nur ihr Kopf versuchte ständig, die Glücksgefühle zu dämpfen. Ihr war bewusst, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte, doch nun gab es kein Zurück mehr. Sie war so weit gekommen, jetzt aufzugeben, weil ein winziger Impuls ein rot blinkendes Rufzeichen in ihrem Kopf platzierte, kam nicht infrage.

»Was machst du noch hier?«

Samantha hob erschrocken den Kopf und steckte das Handy ein. Mr Bricket, ihr Englischlehrer, stand an der Tür.

»Nichts, ich habe nur das Buch gesucht, das wir in den Sommerferien lesen sollen.« Sie zog eine ramponierte Ausgabe von Looking for Alaska aus ihrem Rucksack. »Hier ist es.«

Er nickte. »Dann nichts wie raus hier. Schöne Ferien.«

Sie schloss den Reißverschluss des Rucksacks und ging an Mr Bricket vorbei in den Flur. »Danke, Ihnen auch.«

Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sich der Schülerstrom in den Gängen inzwischen aufgelöst hatte. Ohne Eile begab sie sich nach draußen. Der Geruch von Sommerregen lag in der Luft. Wasser, das auf heißem Asphalt verdampfte. Die Sonne kam bereits wieder hinter den Wolken hervor. Samantha atmete tief ein und verspürte beim Anblick der Sonnenstrahlen, die in den Pfützen glitzerten, ein beruhigendes Gefühl. Alles würde gut gehen.

»Hey! Sam!«

Sie drehte sich der Stimme zu. Ihre Freundinnen July und Caitlin warteten bei den Fahrradabstellplätzen auf sie. Mist, sie hatte gehofft, die beiden wären längst weg.

Ihre Bikes standen als Einzige noch da. Obwohl es eine schmale Überdachung gab, waren die Sitze nass vom Platzregen.

»Wo hast du dich so lange rumgetrieben?«, fragte July und neigte leicht den Kopf. »Du hast doch nichts angestellt, oder?« Ihre Augenbrauen bewegten sich auf und ab. »Andy kam nämlich bisher auch nicht raus.«

Samantha sah zurück zum Gebäude. Andy war noch drin? Shit, seine Anwesenheit durchkreuzte ihren Plan. Am besten, sie haute ab, ehe er rauskam. Rasch holte sie ein Tuch aus ihrem Rucksack und wischte damit ihren Fahrradsattel trocken.

»Leihst du mir das mal?«

»Mir auch.« Caitlin hatte das Ding schon in der Hand, bevor July mit ihrem Sitz fertig war.

»Fuck, dieser Regen pisst mich so was von an«, sagte July genervt. Dann hellte sich ihre Miene auf und sie lächelte breit. »Morgen bin ich zum Glück schon auf dem Nil und brutzle an Deck des Schiffes in der Sonne, lass mir von braun gebrannten Stewards gekühlte Getränke servieren und gönne mir abends eine Massage. Herrlich.«

Caitlin gab Samantha das Tuch zurück und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich hätte Angst davor, mit dem Schiff zu kentern und einem Krokodil zu begegnen«, sagte sie an July gewandt. »Wegschwimmen ist zwecklos, Nilkrokodile erreichen beim Schwimmen eine Geschwindigkeit von fünfunddreißig Stundenkilometern und werden bis zu siebenhundertfünfzig Kilogramm schwer.«

July tat die Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Und ich würde am ganzen Körper Ausschlag bekommen, wenn ich die Ferien mit meinen Eltern und Geschwistern in Australien auf einer abgelegenen Farm verbringen müsste, ohne Gelegenheit zum Shoppen zu haben oder auf Partys zu gehen.«

Caitlin öffnete ihr Fahrradschloss. »Du bist nur neidisch, weil auf der Farm viele heiße Jungs arbeiten, die ich alle um den Finger wickeln werde. Außerdem gibt es so einige Feste, auf denen es rundgeht. Von der Welt abgeschnitten bin ich da nicht.«

Samantha sah nervös auf die Uhr. Die Zeit wurde knapp. Sie wollte nicht unpünktlich sein. Zudem musste sie weg sein, ehe Andy auftauchte. Er würde nur unnötig Fragen stellen und sie von ihrem Plan abhalten, sollte er herausfinden, was sie vorhatte.

»Könnt ihr bitte mit diesem Zickenkrieg aufhören«, sagte sie strenger als beabsichtigt.

Die beiden sahen Samantha perplex an.

»Sag mal, hast du deine Erdbeerwoche?« Caitlin setzte eine mitfühlende Miene auf.

»Sie ist gefrustet, weil sie den ganzen Sommer lang arbeiten muss. Und das im Laden ihrer Mom.«

Samantha atmete tief durch. Ihre Aufregung stieg, je weiter die Zeit verstrich. Ihr Magen fühlte sich so schwer an, als hätte sie zehn Cheeseburger verdrückt.

»Sorry, war nicht so gemeint. Weder habe ich meine Erdbeerwoche, noch bin ich gefrustet. Ich arbeite freiwillig, weil mir noch ein paar Scheine fehlen, um zur Führerscheinprüfung antreten zu können. Da wäre ich bescheuert, wenn ich woanders jobben würde.«

Caitlin nickte. »Stimmt. Du machst es richtig. Ich fände es cool, wenn ich bei meinen Eltern auch für Geld im Restaurant mithelfen könnte, aber ich bekomme nichts dafür.«

»Guckt euch die Leckerbissen an«, stieß July aus und befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze. »Wenn ich die bloß alle mit auf den Nil nehmen könnte.«

»O Mann, echt jetzt? Dich erwarten heiße Stewards, was willst du denn noch? Außerdem ist einer der Leckerbissen vergeben«, sagte Caitlin und setzte sich auf ihr Fahrrad.

July seufzte. »Weiß ich. Nichts für ungut, Sam.«

Mist! Samantha ließ sich ihre Unruhe nicht anmerken, als sie sich ebenfalls zu den Jungs umdrehte. Einer von ihnen löste sich aus der Gruppe und steuerte auf sie zu. Sie begegnete seinem Blick und ein warmes Kribbeln verdrängte alle anderen Empfindungen.

Er blieb vor ihr stehen und lächelte. »Hi.« Seine kurzen blonden Haare waren feucht vom Duschen nach der Sportstunde.

»Hi, Andy«, erwiderte sie und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund.

»Möchtest du mit mir fahren?«

Seine Frage weckte das schlechte Gewissen in ihr. Sie wollte ihn nicht belügen, aber ihr blieb keine andere Wahl. »Heute nicht. Ich muss etwas erledigen.« Etwas, von dem niemand wissen sollte. Besonders nicht Andy. Er regte sich sonst nur auf und vermasselte alles.

»Okay.« Er musterte sie mit zugekniffenen Augen. »Ist die Hose neu? Die kenne ich gar nicht.«

Einige Sekunden lang sah sie perplex zu ihm auf. »Echt jetzt? Du checkst, ob ich neue Klamotten trage?«

»Darf ich das nicht? Ich meine, die sitzt verdammt eng und …«

»Andy«, unterbrach sie ihn, ehe sie wütend auf ihn wurde. »Das ist nur eine Jeans …«

»Eine verdammt eng sitzende Jeans, Baby. Und sie ist schwarz, im Gegensatz zu deinen anderen. Du besitzt alle möglichen Blautöne und …«

»Ich muss los«, fiel sie ihm ins Wort. Für dieses absurde Gespräch hatte sie keinen Nerv.

»Wohin willst du?«

Sie rang sich ein Lächeln ab. »Etwas besorgen. Für Mom … und das Café …« Hoffentlich gab er sich mit dieser vagen Angabe zufrieden. »Später können wir uns treffen, wenn du Zeit hast.«

»Klar.« Andy zog sie in eine Umarmung und küsste sie. Er ließ seinen Rucksack fallen, legte eine Hand auf ihren Hinterkopf, die andere auf ihren Po, und zog sie so nah an sich, dass sie seinen Herzschlag spürte. Vergessen war die sinnlose Diskussion über ihre Jeans. Sie versank in diesem Moment, blendete alles andere aus.

»Sucht euch ein Zimmer!« Die Jungs lachten.

Samanthas Wangen wurden heiß. Sie beendete den Kuss und brachte ein wenig Abstand zwischen sich und Andy. Seine Freunde ahnten nicht, dass sie mit dieser Bemerkung einen wunden Punkt getroffen hatten, denn das Thema stand seit einer Weile zwischen ihnen. Andy wollte mehr, als sie im Augenblick bereit war, zu geben.

»Hör nicht auf sie«, sagte er und hob seinen Rucksack auf. »Dann bis später?«

Sie nickte und er schloss sich wieder seinen Freunden an, die ihn mit Schulterklopfen begrüßten.

July schüttelte den Kopf. »Dass Kerle immer so eine Show abziehen müssen. Als wäre es eine Heldentat, seine Freundin zu küssen.«

Samantha wartete, bis Andy außer Sichtweite war, und stieg auf ihr Fahrrad. »Hey ihr beiden, ich muss jetzt los. Habt einen schönen Sommer!«

 

 

Auf dem Schulparkplatz stand Avas grelloranger Peugeot. Vor zwei Monaten hatte sie das Auto von ihrem Vater und seiner neuen Flamme zum sechzehnten Geburtstag bekommen.

Samantha bremste ab. Ava saß nicht allein im Auto. Ihr Freund Leo war auch da. Die beiden zofften sich. Na ja, es war nicht das erste Mal. Besser nicht einmischen, die rauften sich schon wieder zusammen.

Sie wendete und gelangte über einen Umweg auf die Straße hinaus. Die Wolkendecke schob sich langsam auseinander, immer mehr Sonnenstrahlen fielen durch die Risse und brachten Pfützen zum Glitzern. Kettle Lake war bekannt für sein wechselhaftes Wetter. Auf Platzregen folgte jedes Mal strahlender Sonnenschein.

Samantha bog in die nächste Seitengasse ein, um einer Baustelle auszuweichen, fuhr kurz eine Privatstraße entlang und kehrte auf die Hauptstraße zurück. Heute herrschte reger Verkehr. Schulschluss bedeutete für viele gleichzeitig Start in den Urlaub. Trotzdem kam sie gut voran, näherte sich schnell ihrem Ziel. Beinahe zu schnell. Ihr Puls beschleunigte sich. Tat sie das Richtige? Oder handelte sie schon wieder zu impulsiv?

Bevor die Stimme der Vernunft in ihrem Kopf etwas dazu sagen konnte, bog sie ein letztes Mal ab, folgte der kurvigen Straße und hielt vor der Starbucks-Filiale – ihrem Ziel. Mit klopfendem Herzen stellte sie das Fahrrad in den nächstgelegenen Fahrradständer. In den Parklücken gegenüber standen sechs Jungs mit ihren Mopeds und unterhielten sich lautstark über Autorennen. Ein paar Schritte weiter steckten vier Mädchen kichernd die Köpfe zusammen. Es war nicht zu übersehen, dass sie die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich ziehen wollten. Zwei Frauen schlenderten Hand in Hand auf einen zerbeulten Fiat Panda zu. Eine Gruppe Kinder rannte, gefolgt von müden Eltern, zu einem kunterbunten Kleinbus mit ausländischem Kennzeichen.

Samantha atmete tief durch und schulterte ihren Rucksack, bevor sie auf die Eingangstür zuging. In ihrem Nacken bildeten sich Schweißperlen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie selbst hatte die Dinge ins Rollen gebracht.

Sie fasste an den Türgriff, ließ ihn jedoch wieder los, als hätte sie sich verbrannt. Ihr Mund fühlte sich an wie ausgetrocknet, ihr Herz schlug schnell. Um sich zu beruhigen, ging sie auf dem Parkplatz hin und her. Nur wenige Autos standen herum, was bestimmt am Ferienreiseverkehr lag. Wer wollte schon zu Starbucks, wenn das Meer oder die Berge riefen?

Ihr iPhone meldete das Eingehen einer E-Mail. Sie zog es aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und entsperrte es. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Hände leicht zitterten. Sie schüttelte sie abwechselnd und atmete tief durch, dann öffnete sie die Nachricht. Ich bin in fünf Minuten da. Nun blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste reingehen.

Der Duft von frisch geröstetem Kaffee stieg ihr in die Nase, als sie durch die Glastür trat. Musik spielte leise im Hintergrund. Sie ging zur Theke und schaute sich um. Eine Familie mit drei Kindern war im Begriff zu gehen und veranstaltete dabei ein Riesenspektakel. Auf den gemütlichen Sofas hinter ihr lümmelten sich Mädchen und Jungs in ihrem Alter und sahen sich Videos auf einem Laptop an. Ein junges Pärchen kuschelte eng umschlungen in einem bequemen Ledersessel an der Fensterfront. Auf den dunkelbraunen Holzstühlen gegenüber saßen vereinzelt Gäste, die sich mit ihren Handys beschäftigten oder in Zeitschriften blätterten.

»Hast du dich schon entschieden oder kann ich dir bei der Auswahl behilflich sein?«

Sie wandte sich der freundlichen Stimme hinter der Theke zu. Sie gehörte zu einer jungen Frau mit einem Pferdeschwanz.

»Ich möchte einen Strawberry – Crème Frappuccino.« Bloß nichts Warmes bei dieser Hitze.

»Kuchen, Gebäck oder ein Sandwich dazu?«

»Nein, danke.«

»Gern. Kommt sofort. Verrätst du mir deinen Namen?«

»Samantha.«

Sie reichte der Frau einen Geldschein und beschloss, sich irgendwohin zu setzen, wo sie die Tür im Blick hatte.

»Hier, dein Wechselgeld.«

Samantha nahm die Münzen entgegen und wollte sie in die Hosentasche schieben, da lief eines der drei Kinder an ihr vorbei und rempelte sie an. Das Geld fiel zu Boden. Die jungen Leute in den Sofas hinter ihr lachten, als sie sich bückte, um die Münzen einzusammeln.

»Ich möchte einen Espresso. Schwarz. Nein, nichts dazu.«

Sie nahm die männliche Stimme nur am Rande wahr, dennoch stellten sich die Härchen an ihren Armen auf. Sie hielt in der Bewegung inne. Ist er das? Ist er das? Ist er das? Die Frage passte sich dem Rhythmus ihres Herzschlags an. Ist er das? Ist er das?

Schwarze Schuhe schoben sich in ihr Sichtfeld. Sie wagte es nicht, aufzusehen.

»Oh, warte, ich helfe dir.«

Mit angehaltenem Atem starrte sie auf die leicht behaarte Männerhand, die eilig die restlichen Münzen auf dem Boden einsammelte.

»So, das wär’s. Hier.«

Das Kleingeld purzelte in ihre Handfläche. »Danke.«

»Keine Ursache.«

Wie in Zeitlupe stand sie auf. Der Moment war gekommen. Sie sah den Fremden an. Er war es. Sie erkannte ihn vom Foto auf der Website. Die grünen Augen, das kurze dunkelblonde Haar, der durchtrainierte Körper, das kantige, glattrasierte Kinn, sonnengebräunte Haut. Er trug dunkelblaue Jeans und dazu ein kurzärmliges weißes Hemd. Keine Krawatte. Genau der Typ Mann, der ihrer Mom den Kopf verdrehen könnte.

Er musterte sie ebenfalls eingehend. »Mein Name ist Malcolm Warren. Du bist Samantha, stimmt’s?«

»Ja«, antwortete sie rau. Dieser Moment war aufregender, als alles bisher erlebte, und wurde nur durch die Bedienung gestört, die ihre Namen aufrief. Es störte Samantha nicht einmal, dass die junge Frau Sammy anstatt Samantha oder Sam auf den Becher geschrieben hatte. Malcolm Warren nahm die Getränke entgegen und sah Samantha lächelnd an. »Suchen wir uns einen Platz?«

»Oh, ja, klar.« Im hinteren Bereich hatten sie freie Wahl, kein einziger Tisch war besetzt. Sie setzten sich einander gegenüber. Samantha suchte nach Ähnlichkeiten zwischen ihm und ihr und zählte mindestens acht Treffer. Ihre Euphorie stieg. War sie endlich am Ziel? Hatte sie es geschafft?

Malcolm Warren streckte ihr die Hand entgegen. »Wir sollten uns erst mal offiziell vorstellen, auch wenn wir bereits E-Mail-Kontakt hatten. Hallo Samantha, ich bin Malcolm Warren und freue mich, dich kennenzulernen.«

Ein wenig befangen drückte sie seine Hand. Sie fühlte sich rau an. »Ich freue mich auch sehr, Mister Warren …«

»Na, na«, unterbrach er sie tadelnd. »Nenn mich bitte Malcolm. So förmlich müssen wir nicht sein, okay?«

Sie nickte. »Wissen Sie … du, ich suche meinen Vater schon eine Weile, deshalb … Ich freue mich, dass ich Ihnen … dir gegenübersitze und …«

Abrupt legte er seine Hand auf ihre. »Schon okay, Samantha. Du musst keine Angst haben und kannst mich alles fragen.«

Sie atmete tief durch. »Ich bin überwältigt und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.«

»Wenn es dir hilft, ich bin auch nervös. Es kommt nicht alle Tage vor, dass mir ein fremdes Mädchen mitteilt, ich könnte ihr Vater sein. Als ich vor fünf Wochen deine Nachricht bekam, war ich erstaunt. Um ehrlich zu sein, ich war geschockt. Ich habe lange überlegt, ob ich dir überhaupt antworten soll. Na ja, ich glaube, jeder Mann wäre geschockt, wenn er nach so langer Zeit erfährt, dass er möglicherweise eine sechzehnjährige Tochter hat. So eine Nachricht habe ich bisher noch nie über das Kontaktformular meiner Firmen-Website bekommen. Schräge Anfragen für Aufträge ja, aber das …« Er lächelte. »Dann habe ich mir gesagt, dass dein Anliegen großen Mut erfordert. Sich hinzusetzen und wildfremde Männer anzuschreiben – bisher ist mir kein so mutiges Mädchen wie du untergekommen.« Er tätschelte ihre Hand. »Ob ich dein Vater bin, weiß ich nicht. Ichwill dir keine Hoffnungen machen, die sich am Ende womöglich als nichtig herausstellen, aber alles, was du mir über deinen potenziellen Vater geschrieben hast, trifft auf mich zu. Ich bin Architekt und Bauunternehmer, war vor siebzehn Jahren mit meinen Freunden hier in Kettle Lake und mit einem Mädchen namens Victoria intim.Die Möglichkeit, dass ich es bin, besteht also. Da du mir bereits per E-Mail ein paar Dinge von dir erzählt hast, hatte ich genügend Zeit, um nachzudenken.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Trotzdem kann ich nicht sagen, ob deine Mutter die Victoria ist, mit der ich in dieser Zeit einige Nächte verbracht habe.«

Samantha sog jedes Wort wie ein Schwamm in sich auf. Sie wünschte sich so sehr, diesmal den Richtigen gefunden zu haben.

»Weißt du, damals war ich an keiner festen Beziehung interessiert, deshalb habe ich den Kontakt zu diesem Mädchen nicht aufrechterhalten. Außerdem wohnten wir zu weit voneinander entfernt, um unsere Freundschaft weiterhin zu pflegen. Ansonsten hätte ich vielleicht früher erfahren, dass ich eine Tochter habe. Oder zumindest, dass die Möglichkeit besteht. Ohne Weiteres hätte ich mich einem Vaterschaftstest gestellt. Das werde ich natürlich auch heute noch tun.«

Samantha räusperte sich. »Das wäre großartig. Es ist nur so, meine Mom weiß nichts davon, dass ich meinen Vater suche. Sie … wäre nicht erfreut darüber.«

Er zog die Brauen zusammen. »Warum nicht?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Wenn ich sie frage, wer mein Vater ist, blockt sie ab. Ich kenne nur die Initialen seines Namens und seinen Beruf. Er ist Architekt.«

Malcolm schüttelte den Kopf. »Jedes Kind hat ein Recht darauf, zu wissen, wo es herkommt. Da verstehe ich deine Mutter nicht.«

»Ich bin froh, dass du dieser Meinung bist. Ich hatte Angst, dass du mich nicht ernst nimmst.«

»Das habe ich zu Anfang auch nicht. Deine Mail erschien mir völlig absurd.« Malcolm zuckte mit den Schultern. »Jetzt bin ich aber hier und gespannt darauf, mehr von dir zu erfahren.«

»Ich habe Fotos mitgebracht.« Samantha zog eine postkartengroße Plastikhülle aus ihrem Rucksack, nahm die Bilder heraus und schob sie ihm zu. »Vielleicht erkennst du meine Mom darauf?«

Er zögerte kurz, dann hob er die Fotos auf und sah eins nach dem anderen an.

»So hat meine Mom vor siebzehn Jahren ausgesehen.«

Er kniff die Augen zusammen und krauste nachdenklich die Stirn. »Hm. Ich bin mir nicht sicher. Sie könnte dieses Mädchen sein, mit dem ich damals eine Affäre hatte.«

Das Wort Affäre versetzte Samantha einen schmerzhaften Stich in der Brust. Sie wollte kein Kind aus einer Affäre sein. Ein Unfall, ungeplant, passiert. Doch wenn es so war, musste sie das akzeptieren.

»Es ist verdammt lange her. Tut mir leid, aber ich will nicht sagen, dass ich mir sicher bin, nur um dir einen Gefallen zu tun. Das nützt uns beiden nichts.«

Er hatte recht, aber es tat weh, dem Ziel so nah und gleichzeitig so fern zu sein.

»Oh, bist das du?«, fragte Malcolm plötzlich und zeigte auf ein anderes Foto aus dem Stapel.

»Ja, da war ich etwa zwei Jahre alt.« Auf dem Bild stand sie in einem geblümten Kleid auf der Wiese hinter dem Haus zwischen hochgewachsenen Tulpen und strahlte in die Kamera. Die linke Hand hatte sie ausgestreckt und die Finger gespreizt, auf ihrem Handrücken saß ein bunter Schmetterling. Ihre Mom hatte diesen besonderen Moment mit der Polaroidkamera eingefangen.

»Wow, du warst süß.« Malcolm griff nach weiteren Bildern, die Samantha zu verschiedenen Begebenheiten zeigten. Im Kindergarten, am ersten Schultag, auf dem Fahrrad, an Halloween als Hexe verkleidet und mit ihrer Mom im Schwimmbad. In ihr erwachte neue Hoffnung. »Da war ich drei, glaube ich. Das ist meine Mom, die da neben mir steht.« Das Bild war gut getroffen. Die Gesichter der Kamera zugewandt, lachten sie mit offenen Mündern.

Malcolm rieb sich über die linke Schläfe. »Hm. Nein, das hat keinen Sinn. Ich erinnere mich nicht an sie. Weißt du, das ist mir jetzt peinlich, aber ich sollte zu meiner Verteidigung sagen, dass … na ja, damals kam es oft vor, dass meine Freunde und ich uns auf Partys etwas reingezogen haben.«

Samantha sah ihn ungläubig an. Bedeutete das, sie war im Drogenrausch entstanden?

»Wir waren nicht süchtig, aber das hat die Stimmung gehoben, wenn du verstehst. Du machst das doch bestimmt genauso, nur dass es das Zeug heutzutage praktischerweise in Form von Pillen gibt.«

Etwas Frappuccino schwappte über den Becherrand, als sie den Löffel zu schnell herauszog. Wie kam er auf diesen absurden Gedanken? »Ich rühre so etwas nicht an. Noch nie!«, verteidigte sie sich.

»Entschuldige. Das war nicht so gemeint.«

Etwas lief plötzlich schief. So hatte sie sich ihr Zusammentreffen mit Malcolm Warren nicht vorgestellt. Was er da sagte, verletzte sie tiefer, als sie sich eingestehen wollte. Affäre, Drogen, Partys … Aber nun war sie hier und musste sich der Wahrheit stellen, auch wenn sie nicht die heile Welt offenbarte, oder die große Liebe, die sie sich stets zwischen ihrer Mom und ihrem Dad vorgestellt hatte. Na gut, dann war sie eben ungeplant aus einer Affäre auf einer Drogenparty entstanden. Trotzdem hatte sie das Recht, ihren Vater kennenzulernen.

»Willst du meine Geburtsurkunde sehen?«

Er machte große Augen. »Du hast deine Geburtsurkunde dabei?«

»Ja, eine Kopie.«

»Wozu?«

»Na ja, ich dachte, vielleicht möchtest du belegt haben, wann ich geboren wurde.«

»Ich glaube dir doch«, sagte er und griff nach ihren Händen. »Hey, sieh mich nicht so frustriert an. Wir kommen schon auf einen gemeinsamen Nenner.«

Sie war den Tränen nahe. Ihre Hoffnung starb. Das alles hatte keinen Sinn. »Aber du erkennst meine Mutter nicht.«

»Ich sagte, ich bin mir nicht sicher, das ist ein Unterschied.«

»Kannst du dich denn nicht erinnern, ob du sie damals getroffen hast, als du hier warst? Ich meine, wenn du mit ihr intim geworden bist, müsstest du das doch wissen.« Wie konnte man denn vergessen, wie jemand aussah, mit dem man zusammen war?

Verlegen senkte er den Blick. »Tja, die Drogen. Der Alkohol. Ich bin nicht stolz darauf. Und es ist lange her.«

Sie seufzte laut vor Enttäuschung. Es hatte vorhin so gut ausgesehen, und jetzt …

»Warte, da fällt mir etwas ein. Nach deiner Nachricht habe ich meine alten Sachen durchstöbert, in der Hoffnung, meine Erinnerungen damit aufzufrischen, und bin dabei auf einen Brief gestoßen. Die Schrift ist etwas verblasst, aber noch lesbar. Die Absenderin hat den Brief mit V. unterschrieben. Könnte Victoria heißen.«

Samantha schöpfte neue Hoffnung. »Ich würde die Schrift meiner Mom auf jeden Fall erkennen!«

»Dann bringt uns das vielleicht einen Schritt weiter.«

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

Er schüttelte den Kopf. »Weil ich es mir einfacher vorgestellt habe.«

»Einfacher?«

»Ähm, ja, ich war überzeugt, sobald ich ein Foto dieser Victoria sehe, erinnere ich mich. Leider ist dem nicht so.« Er stand auf und schob seine Hand in die linke Gesäßtasche. »Nanu?« Hektisch tastete er die rechte Tasche ab, nur um sich dann wieder der linken zuzuwenden. Verwirrt krauste er die Stirn. Eine Geste, die Samantha inzwischen vertraut vorkam.

»Was ist?«

Er setzte sich. »Ich muss den Brief in meinem Hotelzimmer in Springfield liegen gelassen haben. Dabei habe ich ihn gestern Abend neben die Autoschlüssel meines Leihwagens gelegt, damit ich ihn nicht vergesse.«

»Kannst du ihn nicht holen?«

Zerknirscht verneinte er. »Dazu ist zu wenig Zeit. Mein Flieger geht in zwei Stunden. Ich muss heute zurück. Das Geschäftliche habe ich bereits am Vormittag erledigt, daher kann ich nicht länger bleiben. Du weißt, dass ich meiner Frau nichts von dem hier erzählt habe. Nicht, solange es nicht sicher ist, dass du mein Kind bist.«

Den Tränen nahe, nickte sie. Jetzt war sie so weit gekommen und stand trotzdem wieder am Anfang.

»Deshalb habe ich keine andere Wahl, als heute noch nach Hause zu fliegen, wenn ich keinen Ehekrach will. Das habe ich dir in meiner Nachricht aber mitgeteilt.«

Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

»Moment, sei nicht traurig. Ich habe eine Idee.« Er beugte sich über den Tisch. »Wie wäre es, wenn du mit mir nach Springfield fährst und dir den Brief im Hotel ansiehst? Und wenn du die Schrift deiner Mutter erkennst, vereinbaren wir ein zweites Treffen.«

»Aber …«

»Ich habe ein Zimmer im Red Roof Inn, die Fahrt dorthin dauert etwa fünfundvierzig Minuten. Das heißt, ich kann dich unmöglich wieder zurückfahren, aber ich würde dich zum Bahnhof bringen und dir eine Zugfahrkarte kaufen.«

Samantha blickte auf die Uhr. Das könnte funktionieren. Die Strecke mit dem Zug zurückzulegen, wäre kein Problem. Wenn sie ihr Fahrrad mitnahm, sparte sie sich das Taxi für den Heimweg. Dennoch war sie skeptisch. Ihre Gefühle waren zweigeteilt. Die eine Hälfte wollte sich sofort mit ihm auf den Weg machen, die andere riet ihr davon ab.

»Komm, beeilen wir uns.« Malcolm stand auf und lächelte zuversichtlich. »Oder sollen wir deine Mutter anrufen und sie bitten, herzukommen? Vielleicht wäre das sogar die einfachste Lösung? Sie müsste es doch am besten wissen.«

»O nein, das geht nicht!« Das ging auf keinen Fall. Victoria würde ihr den Hals umdrehen. Die ganze Sache musste behutsam behandelt werden. »Okay, ich komme mit«, sagte sie, packte die Fotos ein und folgte ihm nach draußen.

Schweigend gingen sie über den Parkplatz auf einen schwarzen BMW neueren Modells zu, der allein im hinteren Bereich stand. Malcolm entriegelte das Auto per Fernbedienung und öffnete die Beifahrertür für sie.

Samantha blieb stehen und sah ihn ernst an. »Da gibt es etwas, das ich dir noch unbedingt sagen möchte, Malcolm. Falls sich herausstellt, dass du mein Vater bist, will ich kein Geld von dir. Alles, was ich möchte, ist Gewissheit, wo ich herkomme, wo meine Wurzeln sind. Nur,damit du keinen falschen Eindruck von mir bekommst.«

Er lächelte und strich mit dem Handrücken über ihren Unterarm. »Keine Sorge, mein Eindruck von dir ist gut.« Der Tonfall seiner Stimme hatte sich verändert. Er klang plötzlich hart und ungeduldig. »Was ist? Steig ein.«

Samantha wich der Berührung aus und trat zurück. »Vielleicht sollte ich doch nicht …«

»Komm schon«, sagte er barsch. »Genug gespielt jetzt. Meine Hose platzt gleich und bis ins Hotel dauert es eine dreiviertel Stunde!«

Sie schnappte nach Luft. Was hatte er da gesagt?

»Du kannst die Scharade jetzt beenden, ich habe längst angebissen.«

Samantha verstand nicht, was los war. »Die Scharade? Welche …?«

Er packte sie grob am Arm. »Steig sofort ein oder du siehst keine Kohle.«

»Kohle? Wovon redest du?« Sie versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. »Was soll das?«

»Komm jetzt!« Er drängte sie gegen das Auto, um sie zum Einsteigen zu zwingen. Samantha klammerte sich an der offenen Beifahrertür fest und stieß einen Schrei aus. Die Ohrfeige, die er ihr verpasste, ließ sie vor Schock verstummen.

»Halt die Klappe!« Er versuchte erneut, sie gewaltsam zum Einsteigen zu bewegen. »Mädchen sucht Vater, ein originelles Rollenspiel, aber du trägst mir zu dick auf.«

»Was? Ich spiele nicht!« Der Boden unter ihren Füßen tat sich auf. Ihre Brust fühlte sich an, als würde ihr jemand das Herz herausreißen. Ein verzweifelter Schluchzer ballte sich in ihrer Kehle zusammen. »Bitte, ich meine das Ganze ernst … ich dachte, du bist mein Vater!«

Er näherte sich ihrem Gesicht bis auf wenige Zentimeter und stieß einen abfälligen Laut aus. »Na klar! Als ob du so blöd wärst, auf diese Art nach deinem Vater zu suchen. Ich habe deinen Code geknackt, ich weiß, auf was du stehst. Ich gebe es dir und bezahle dich angemessen dafür. Los jetzt, wir fahren ins Hotel, amüsieren uns und …«

»Nein!« Sie stieß ihm die Schuhspitze gegen das Schienbein, aber das lenkte ihn nur wenige Sekunden ab.

»Du kannst mich nicht hierherlocken und dann einen Rückzieher machen! Deal ist Deal. Wir ziehen das jetzt durch, auf die harte oder auf die sanfte Tour, das liegt an dir.«

Malcolm zog und zerrte so energisch an ihr, dass ihre Kräfte nachließen. Sie konnte sich kaum noch am Türrahmen festhalten, aber sie durfte nicht nachgeben. Warum kam ihr niemand zu Hilfe? Bemerkte denn keiner, was vor sich ging, dass sie gegen ihren Willen in ein Auto steigen sollte?

»Hey, was tun Sie da?«

Samantha und Malcolm Warren sahen zeitgleich auf.

Andy stand nur wenige Schritte von ihnen entfernt.

»Andy?«, stieß Samantha gleichermaßen erleichtert und erschrocken aus. Wo kam er plötzlich her? »Hilf mir …«

Seine Blicke huschten zwischen ihr und dem Fremden hin und her. »Sam? Was …«

»Verzieh dich!«, fiel Warren ihm ins Wort, packte Samantha an den Haaren und riss sie nach unten, bis sie in gebückter Haltung vor ihm stand. Mit einem Stoß bugsierte er sie auf den Beifahrersitz und wollte die Tür schließen, da stürzte sich Andy auf ihn. Die beiden fielen zu Boden, Andy landete obenauf und verpasste dem Mann einen Fausthieb in die Seite. Er stöhnte laut auf und kniff vor Schmerz die Augen zu.

»Was hattest du mit ihr vor, du Scheißkerl?«

»Wir … haben einen Deal«, antwortete Warren gepresst.

Andy sah Samantha fragend an.

»Das ist nicht wahr! Ich dachte, er … er könnte mein Dad sein. Dabei wollte er nur …« Sie stieg aus dem Auto und entfernte sich ein paar Schritte. Schmerz und Verzweiflung übermannten sie. Schluchzend sank sie auf die Knie und verbarg ihr Gesicht hinter den Händen.

»Schon gut, ich hab’s kapiert«, stieß Warren hervor. »Ein Missverständnis! Lass mich los, dann hau ich ab und ihr seht mich nie wieder!«

Andy packte ihn am Hemdkragen. »Du Dreckskerl, so leicht kommst du nicht davon!«

»Andy … lass ihn gehen …«

»Aber …«

»Bitte! Er soll verschwinden!« Samantha erhob sich und wich weiter zurück. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als hätte ihr jemand einen Fußtritt verpasst. Das Atmen fiel ihr schwer und Übelkeit überkam sie. Es gelang ihr nicht, die Tränen zu stoppen.

Andy stand auf und kam zu ihr. Beschützend stellte er sich vor sie.

»Na los, zisch ab!«

Warren rappelte sich auf, stieg ins Auto und ergriff die Flucht.

 

 

Wie lange Samantha schon in Andys Auto saß, wusste sie nicht. Die Zeit verrann, ohne dass sie fähig war zu sprechen oder auf das zu reagieren, was Andy sagte. Den Kopf an die Seitenscheibe gelehnt, den Blick ins Nirgendwo gerichtet, hörte sie sich seine Schimpftirade an. Er hatte recht. Was sie getan hatte, war blöd und gefährlich. Aber dieser Mann hätte ihr Dad sein können. So vieles hatte dafürgesprochen, und doch war er es nicht. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es diesem Kerl gelungen wäre, sie nach Springfield ins Hotel mitzunehmen.

Sie schluckte und wischte sich über die Augen, dann wandte sie den Kopf und sah zu Andy. Seine Schürfwunden vom Sturz mit Warren ignorierend, umfasste er das Lenkrad fest mit beiden Händen.

»Andy, ich …«, versuchte sie zu erklären, doch er fiel ihr ins Wort.

»Verdammt, Samantha! Hab ich dir nicht tausendmal gesagt, dass es gefährlich ist, sich mit fremden Männern zu treffen? Noch dazu allein? Warum sagst du mir nicht Bescheid?«

Sie zuckte zusammen. So wütend hatte sie ihn bisher nie erlebt.

»Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich dir nicht gefolgt wäre? Der Typ hätte dich irgendwohin geschleppt und … Ich möchte mir das nicht vorstellen! Was für ein Scheiß!«

Im Spiegel der Sonnenblende starrte ihr ein gerötetes Augenpaar entgegen. Das Zittern hatte inzwischen nachgelassen, doch Furcht und Enttäuschung saßen ihr tief in den Knochen. Malcolm Warren hatte ihre letzte Hoffnung zerstört. Wie sollte sie nach diesem Erlebnis noch an das Gute im Menschen glauben?

Andy atmete tief durch und legte seine Hand auf ihre. »Sam? Alles okay?« Seine Stimme klang jetzt ruhig.

Sie klappte die Sonnenblende zu und nickte.

»Ich wollte dich nicht anschreien. Tut mir leid. Komm her.« Er zog sie an sich und hielt sie fest. »Als ich sah, wie dieser Typ dich in sein Auto zerren wollte … Du darfst das nie wieder tun. Es laufen viele Kerle wie dieser Warren herum. Das ist gefährlich. Bitte, mach das nicht mehr.«

Sie brachte kein Wort heraus. Sie sollte es ihm versprechen, aber das konnte sie nicht, denn trotz allem wollte sie die Suche nach ihrem Vater nicht aufgeben.

Eine Weile hielten sie einander eng umschlungen fest, dann löste sich Samantha von ihm und rutschte zurück auf ihren Sitz. Etwas, das Andy vorhin gesagt hatte, erregte auf einmal ihre Aufmerksamkeit. Fragend sah sie ihn an. »Hab ich das richtig verstanden? Du bist mir gefolgt?«

»Das war keine Absicht. Am Anfang zumindest. Nachdem ich mich von den Jungs verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause und da sah ich dich. Du hast mich nicht bemerkt, deshalb beschloss ich, dir zu folgen. Ich wollte dir nicht nachspionieren, es interessierte mich nur, was dich in diesen Teil von Kettle Lake treibt. Als du hierher abgebogen bist, dachte ich, du triffst dich mit Ava, doch dann kam dieser Typ und du hast dich mit ihm an einen Tisch gesetzt.« Er schluckte. »Ich hätte ahnen müssen, was du im Schilde führst, aber er hätte dein Onkel sein können. Wie hätte das ausgesehen, wenn ich da reingestürzt wäre und dich rausgezerrt hätte? Jetzt wünsche ich mir, es getan zu haben.«

Samantha versuchte, den Kloß in ihrer Kehle loszuwerden. Andy hatte sie vor Männern wie Malcolm Warren gewarnt, aber sie hatte seine Bedenken ungläubig abgetan. Wie oft hatte er sie wissen lassen, dass es ihm missfiel, wenn sie wildfremde Männer anschrieb, an deren Adressen sie über deren Websites kam? Es war absurd, zu glauben, auf diese Weise könnte sie ihren Vater finden. Wie viele Architekten und Bauunternehmer gab es in dem Umkreis, den sie von Mal zu Mal erweiterte? Wem machte sie etwas vor? Nur sich selbst. Sie musste verrückt geworden sein. Nein, sie war besessen.

»Was hab ich falsch gemacht?«

»Nichts. Das war nicht deine Schuld.«

»Aber … wieso dachte er …?«

»Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Dieser Warren ist ein Scheißkerl!«

»Ich hätte es merken müssen.«

»Das konntest du nicht. Typen wie der sind gerissen. Du musst ihn anzeigen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Mom würde herausfinden, was ich hinter ihrem Rücken tue, und ich müsste zugeben, dass ich dieses Treffen wollte und … womöglich wird alles falsch dargestellt und am Ende bin ich diejenige … Nein, ich kann ihn nicht anzeigen. Ich will das alles nur vergessen, Andy.«

»Aber …«

»Nein, keine Anzeige. Bitte. Außerdem ist er schon weg und Beweise habe ich ebenfalls keine.«

»Damit bin ich nicht einverstanden, aber ich kann dich nicht zwingen.« In seinem Blick lag ein Flehen, das ihr einen Stich in der Brust versetzte. Er sorgte sich um sie. Diese Tatsache rührte und ängstigte sie zugleich. Sie wollte ihn nicht enttäuschen, wollte aber auch nicht von ihrem größten und geheimsten Wunsch ablassen. Trotzdem. Dieses Erlebnis mit Malcolm Warren hatte sie wachgerüttelt. Sie durfte sich nicht mehr so leichtsinnig dieser Gefahr aussetzen. Vielleicht war es besser, wenn sie zwei oder drei Jahre wartete, ehe sie weiter nach ihrem Vater suchte. Dem Phantom, das Mom glücklich und traurig zugleich gemacht hatte.

»Andy.« Sie sah ihm in die Augen. In diese blauen Augen, die ihr von Anfang an den Kopf verdreht hatten. »Du hast recht. Das alles ist gefährlich und unsinnig. Ich höre auf, zu suchen. Soll mein Vater doch bleiben, wo er ist, und meine Mutter an ihrer Geheimniskrämerei ersticken.« Bei diesen Worten traten wieder Tränen in ihre Augen.

»Eines Tages findest du ihn. Da bin ich sicher.«

»Meinst du?«

»Klar. Er wäre ein Idiot, wenn er sich eine Tochter wie dich entgehen lassen würde.«

Lächelnd sah sie zu ihm auf. »Danke, dass du für mich da bist.«

Er strich ihr ein paar Locken aus dem Gesicht und küsste sie. Andys Mund auf ihrem fühlte sich leicht und tröstend an.

»Es gefällt mir, wenn du lächelst. Ich fahr dich jetzt nach Hause.«

»Danke, Andy.«

»Dank dir selbst, Sam. Du bist die Kämpferin von uns. Ich bin nur der Nörgler.«

 

Samantha sah aus dem Fenster, ohne die vorbeihuschende Landschaft wahrzunehmen. Ein letztes Mal ließ sie sich alles, was heute geschehen war, durch den Kopf gehen. Immer noch konnte sie die Hoffnung spüren, die Euphorie, die Aufregung und die bittere Enttäuschung. Das war jetzt vorbei. Ihre Suche musste ein Ende haben.

Vorerst.

Andys Handy klingelte. Er nahm den Anruf an und fuhr mit einer Hand am Lenkrad weiter. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. »Macht es dir etwas aus, wenn ich kurz bei Gavin’s vorbeifahre? Simon hat einen Heckspoiler bestellt, aber keine Zeit, ihn abzuholen.« Simon war sein bester Kumpel. Die beiden kannten sich schon seit dem Kindergarten.

»Einen Heckspoiler? Was will er denn an seiner alten Karre noch alles verändern? Die Rostlaube fällt sowieso bald auseinander. Wozu die ganze Arbeit?«

Andy lächelte nachsichtig. »Mädchen verstehen nichts von solchen Dingen. Jungs basteln eben gern an ihren Autos herum.«

Sie hob die Brauen. »Ach ja?«

»Und sie sind gern mit ihren Freundinnen zusammen«, fügte er rasch hinzu und legte seine Hand auf ihr Knie. »Apropos, gehen wir heute Abend aus? Ich hätte Lust, mit dir zu tanzen.« Seine Miene verriet, dass er dabei an mehr als nur Tanzen dachte. »Und ich würde dich gern auf andere Gedanken bringen.«

Seine Hand wanderte langsam höher. Samantha hielt sie fest.

»Wir können aber auch zu Hause bleiben, Pizza bestellen und Filme gucken, wenn dir das lieber ist«, fügte er hinzu und zog seine Hand zurück, um sie aufs Lenkrad zu legen.

»Das ist eine tolle Idee, aber ich gehe mit Ava ins Charlie’s.«

Enttäuscht schob er die Unterlippe vor. »Schade. Was hältst du davon, wenn ich mitkomme? Ich halte mich auch im Hintergrund.«

»Ich kann dir nicht verbieten, ins Charlie’s zu gehen, aber ich werde heute nur Augen und Ohren für Ava haben. Du weißt, dass sie morgen zu ihrem Dad nach Kanada fliegt. Die ganzen Ferien lang. Deshalb gehört dieser Abend uns allein. Das haben wir schon seit Wochen geplant.«

Andy schwieg und presste die Lippen aufeinander. Wenn er eingeschnappt war, bitte, sie würde deswegen nicht auf den Abend mit ihrer besten Freundin verzichten.

»Du hast hoffentlich nicht vergessen, dass ich ab Montag den ganzen Sommer lang für Richard Blake auf der Baustelle arbeite?« Seine Stimme klang gekränkt, auch wenn er das mit einem Lächeln zu kaschieren versuchte.

»Natürlich nicht. Aber wir können uns trotzdem jeden Tag sehen, Ava und ich nicht.«

Andy sagte nichts, setzte den Blinker und bog in eine Seitenstraße ab. Kurz darauf hielt er im Hinterhof von Gavin’s Autowerkstatt neben einem metallicblauen Sportwagen.

»Wir sind da. Kommst du mit rein?« Seine Stimme klang noch immer beleidigt.

Samantha überlegte kurz, dann verneinte sie und nahm ihr iPhone zur Hand. »Ich muss Ava anrufen.«

»Wozu? Ihr seht euch doch heute Abend.«

Sie sah ihn irritiert an. »Willst du wissen, was ich mit ihr zu bereden habe?«

Er starrte sie sekundenlang abwartend an, dann schlug er die Tür zu und ging Richtung Gebäude. Bevor er darin verschwand, sah er über die Schulter zurück zu ihr. Die Geste war ihr vertraut, ebenso das unbehagliche Gefühl, das sie dabei empfand. Ihr fiel seit Längerem auf, dass Andy sie zunehmend kontrollierte. Oft rief er sie nur an, um zu fragen, wo sie sich gerade aufhielt. Es war schon vorgekommen, dass er dann dort ohne ihr Wissen aufgetaucht war, jedoch so tat, als hätte er sich mit ihr abgesprochen. Auch dieses Über-die-Schulter-zu-ihr-Zurückblicken, bevor sie aus seinem Sichtfeld verschwand, wurde langsam zur Gewohnheit. Heute war er ihr sogar gefolgt. Zum Glück, wie sich herausgestellt hatte. Ohne ihn wäre sie wer weiß wo gelandet. Aber das gerade … und sein Verhör vorhin wegen ihrer neuen Jeans … was erwartete er von ihr? Dass sie über alles Rechenschaft ablegte, was sie wann mit wem tat? Das ging zu weit. Sie war nicht sein Eigentum. Es schien, als hätte Andy zwei Seiten – eine fürsorgliche, zärtliche und eine eifersüchtige, drängende.

Seufzend schob sie das iPhone in die vordere Tasche ihrer Jeans. Sie würde Ava später anrufen. Vorsichtig öffnete sie die Tür gerade so weit, dass sie aussteigen konnte, ohne im Sportwagen einen Kratzer oder eine Delle zu hinterlassen. Im Vorbeigehen wischte sie mit den Fingerspitzen ein paar Regentropfen von der Motorhaube. Sie atmete tief durch und schlenderte über den gekiesten Hinterhof, der als Ersatzteillager diente. Bis auf einen schmalen Weg war jede Lücke mit kaputten Fahrzeugen zugestellt. Nicht ein Quäntchen Platz wurde hier verschwendet. Bestimmt landete Simons Schrottkiste auch irgendwann hier. Dieser Gedanke entlockte ihr ein Lächeln, aber sie würde sich hüten, ihn jemals vor Andy oder seinem Freund laut auszusprechen.

Sie folgte dem von Karosserien und anderen Fahrzeugteilen gesäumten Weg nach links. Noch mehr Autokram, wobei hier hinten die billigen Plätze zu sein schienen. Manche Wagen besaßen nicht einmal mehr Reifen, Fenster oder Motorhauben, von Spiegel und Scheinwerfern ganz zu schweigen.

»Wenn du einen fahrbaren Untersatz suchst, bist du hier falsch.«

Samantha blieb stehen und sah sich um. Woher kam die Stimme?

»Gavin bietet zwar einige gute Gebrauchte an, aber wenn du länger damit fahren willst, empfehle ich dir, dein Geld woanders auszugeben.«

Sie drehte sich nach links. Da saß ein Typ in einem ölverschmierten blauen Overall auf der obersten Zaunlatte hinter einem verrosteten Mercedes. Die dunkelbraunen Haare reichten ihm bis in den Nacken.

»Ach, der blaue Sportwagen da drüben sieht einigermaßen gut aus. Schade nur, dass er eine Delle an der Fahrerseite hat, aber so krieg ich bestimmt Rabatt.« Sie bemühte sich, eine ernste Miene beizubehalten.

Mit einem Ruck sprang er zu Boden und kam auf sie zu. Eine Geruchsmischung aus Öl, Benzin und Abgasen stieg ihr in die Nase, als er vor ihr stehenblieb.

»Meinst du den Jensen Interceptor MK III?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen.

»Den was?«

Er grinste und schüttelte leicht den Kopf. »Der metallicblaue Sportwagen mit der angeblichen Delle ist ein Jensen Interceptor MK III.«

»Das klingt wie der Name eines Dinosauriers.«

Er musterte sie neugierig aus dunkelbraunen Augen. »Du hast keine Ahnung von Autos, oder?«

»Moment, diese Behauptung kann ich widerlegen.«

»Gut, dann los.«

»Meine Mom fährt einen Jeep, mein Freund gelegentlich den Camaro seines Bruders und meine beste Freundin einen Peugeot.«

Abwartend zog er die Brauen hoch.

»Was?«

»Diese Angaben reichen nicht. Um meine Behauptung zu widerlegen, musst du dir mehr Mühe geben. Welches Baujahr? Die genaue Bezeichnung …«

»Schon gut, du hast recht, ich bin eine Niete, was das angeht.« Sie hob ergeben die Hände. »Aber, das mit der Delle ist wahr.«

Als sein Gesichtsausdruck von belustigt zu entsetzt wechselte, konnte sie nicht ernst bleiben. »Alles okay, dem Auto fehlt nichts. Der Kunde wird sein geliebtes Teil unbeschadet vorfinden, wenn er aus dem Büro kommt.«

Er legte eine Hand auf seine Brust und stieß die Luft laut aus. »Ich war noch nie so erleichtert, verarscht worden zu sein.«

»Ich würde so ein teuer aussehendes Teil nie anrühren.« Sie blickte auf ihre Finger. »Okay, vielleicht doch, aber nur ganz vorsichtig.«

»Das rate ich dir auch. Der Jensen ist ein englischer Sportwagen, der in den 60er- und 70er-Jahren gebaut wurde und es ist verdammt schwer, an die richtigen Ersatzteile zu kommen. Ich hab ihn in mühsamer Kleinarbeit eigenhändig generalüberholt, daher weiß ich das.«

Beeindruckt nickte sie. »Bist du so etwas wie ein Künstler unter den Automechanikern?«

»Vielleicht«, antwortete er und lächelte geheimnisvoll.

»Was tust du dann hier draußen?«

»Ich hab Pause. Und was machst du hier? Sag nicht, ein Auto kaufen.«

»Nein, ich hab noch keine Fahrerlaubnis. Ich warte auf meinen Freund.«

Er runzelte die Stirn. »Warum?«

»Warum, was?«

»Warum wartest du hier auf ihn?«

»Du stellst komische Fragen.«

Das Stirnrunzeln wurde von einem erneuten Lächeln abgelöst. »Na ja, du könntest genauso gut ins Büro gehen und inzwischen einen Kaffee trinken.«

»Ach so.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Ich mag Kaffee nicht besonders.« Der Duft gerösteter Kaffeebohnen würde ihr in den nächsten Wochen noch zur Genüge in die Nase steigen und böse Erinnerungen hervorrufen.

»Okay, das bedeutet, wenn ich dich auf einen Cappuccino einlade, bekomme ich eine Abfuhr?«

Sie blinzelte verwirrt. Flirtete er mit ihr? »Ja. Ich meine, abgesehen davon, dass ich einen Freund habe, kenne ich dich nicht und …«

»Das können wir ändern. Ich bin Jayden.« Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, trat er noch näher auf sie zu. »Verrätst du mir deinen Namen?«

»Samantha«, sagte sie überrumpelt.

»Samantha«, wiederholte er leise. »Wenn wir Kaffee in jeglicher Form meiden, gehst du mit mir aus?«

Wie gefesselt von seinen Augen starrte sie ihn an und ihre Blicke verschmolzen für mehrere Sekunden miteinander. Ein warmes Kribbeln schoss durch ihren Körper. Sie bemühte sich, ruhig zu atmen. Einen Wimpernschlag lang schien die Zeit stillzustehen. Dann fing Samantha sich wieder und senkte kurz den Kopf, um den Augenkontakt zu unterbrechen.

»Nein … wie ich schon sagte, ich hab einen Freund.«

Er zuckte lächelnd mit den Schultern. »Erstens, wir hätten kein Date, nur einen spaßigen Abend, und zweitens müsste er nichts davon erfahren.«

Verblüfft öffnete sie die Lippen ein wenig. Meinte er das ernst?

»Ich kann dir zum Beispiel alles über den Jensen Interceptor erzählen, was du wissen willst.«

»Ich setze mich wieder ins Auto«, sagte sie, ohne darauf einzugehen.

»Warte.« Jayden umfasste sachte ihr Handgelenk. »Denkst du wenigstens darüber nach?«

Ihr fehlten die Worte. Sie wollte sich abwenden, aber sein Blick hielt sie fest. Auf einmal lag eine seltsame Spannung in der Luft. Ihr Puls schoss in die Höhe und das warme Kribbeln kehrte zurück. Sie schluckte und biss sich auf die Lippe. Jaydens Blick senkte sich kurz auf ihren Mund, ehe er zu ihren Augen zurückkehrte.

»Was sagst du?« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.

»Ich … «

»Hey!«

Samantha drehte sich erschrocken um und entdeckte Andy. Er stand nicht weit entfernt und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Mist, auch das noch! Wie konnte sie sich da herausreden, um keinen Ärger mit ihm zu bekommen?

»Stör ich bei etwas? Soll ich ohne dich fahren?«, fragte er gereizt.

»Äh, nein …« Rasch wand sie sich aus Jaydens Griff.

»Du hast mir noch nicht geantwortet.« Jaydens Stimme war kaum mehr als ein Wispern, dennoch befürchtete Samantha, Andy könnte ihn hören.

»Nein, werde ich nicht«, antwortete sie leise und drehte sich weg. Ohne zurückzublicken, eilte sie zu Andy.

»Wer ist das?«

»Niemand.«

»Und warum hat Niemand dich angefasst?«

Sie schüttelte den Kopf und ging an ihm vorbei zum Auto.

»Sam?«

Sie sah, dass er die Schachtel mit Simons Heckspoiler bereits neben ihrem Fahrrad im Auto verstaut hatte, und stieg auf der Beifahrerseite ein. Nur mühsam widerstand sie dem Impuls, zu Jayden zurückzusehen. Was bildete der sich ein? Sie zu fragen, ob sie mit ihm ausging, obwohl er wusste, dass sie einen Freund hatte!

Andy schlug die Fahrertür so laut zu, dass Samantha zusammenzuckte.

»Er hat mich nicht angefasst! Ich … ich bin gestolpert und er hat mich festgehalten«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Die Lüge trieb ihren Puls in die Höhe, aber die Wahrheit konnte sie ihm nicht sagen. Sie wollte nicht riskieren, dass er ausstieg und Jayden verprügelte.

»Hast du diese Jeans für ihn angezogen?«

Sie blickte ihn fassungslos an. Seine Frage war so absurd, dass sie beschloss, nicht darauf zu antworten. »Fahr mich bitte nach Hause.«

Andy presste die Lippen zusammen und startete das Auto.

Genervt schloss sie die Augen und lehnte den Kopf ans Fenster.

 

 

Samantha betrat den Flur und schlüpfte aus den Sneakers. Noch bevor sie die Küche betrat, hörte sie ein bekanntes Lachen. Max Willow war hier. Ihm gehörte der Obst- und Gemüseladen, bei dem ihre Mom einkaufte. Die beiden kannten sich schon seit der Schule, und es war nicht zu übersehen, dass Max ein Auge auf ihre Mom geworfen hatte. Bei jeder Gelegenheit rannte Max ihr nach, hing wie gebannt an ihren Lippen und himmelte sie an.

Als Samantha eintrat, saßen die beiden am Küchentisch und tranken Kaffee.

»Hi, Schatz, du kommst aber spät.«

»Hi, Mom, hi Max. Ich war noch mit July und Caitlin unterwegs.« Die Lüge glitt ihr leichter über die Lippen als gedacht. Zum wievielten Mal log sie heute schon?

»Hallo, Kleine.« Max’ übliche Begrüßung.

Samantha ließ ihren Rucksack zu Boden sinken und nahm sich ein Schinken-Käse-Sandwich aus dem Kühlschrank. Obwohl sie sich lieber gleich in ihr Zimmer verzogen hätte, setzte sie sich zu den beiden an den Tisch, um Victorias Muttersensoren keinen Grund zum Anspringen zu geben. Wie sollte sie erklären, was passiert war, ohne selbst die größten Schwierigkeiten zu bekommen?

»Du siehst mitgenommen aus. Fühlst du dich nicht gut?« Wer hätte gedacht, dass ihr ausgerechnet Max in den Rücken fiel! Rasch biss sie vom Sandwich ab und sah zu, wie er seine Brille zurechtrückte. Keine Sekunde später saß sie wieder schief, was an seinen ungleich gewachsenen Ohren und seiner platten Nase lag. Deshalb verbrachte er den ganzen Tag damit, seine Brille wieder und wieder zurechtzurücken. Jedes Mal mit dem Mittelfinger. Das nervte. Noch mehr nervte es, wenn sein Toupet verrutschte und er das nicht merkte.

»Max hat recht, Schatz. Ist etwas?« Victoria musterte sie besorgt. »Hast du geweint?«

Was sollte sie sagen? Dass sie fast von einem perversen Widerling verschleppt worden wäre? Dass ein fremder Junge mit ihr geflirtet und Andys Eifersucht geweckt hatte?

Sie stand auf und ließ Wasser in ein Glas laufen, das sie mit großen Schlucken leerte. »Nein, alles okay«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab.

»Sicher?«, hakte ihre Mom mit skeptischem Blick nach.

»Ganz sicher.«

»Und? Wie fühlt es sich an, ab morgen Ferien zu haben?«, fragte Max.

Dankbar über den Themenwechsel stieg sie darauf ein. »Gut. Obwohl ich Mom im Café helfen werde, was eher mit Arbeit zu tun, hat als mit Ferien.«

»Tatsächlich?« Max zog vor Überraschung die Brauen hoch.

»Sie will sich Geld für den Führerschein zu ihrem Taschengeld dazuverdienen«, klärte Victoria ihn auf.

Max nickte anerkennend, worauf seine Brille erneut verrutschte. Der Mittelfinger kam zum Einsatz, um das Ding wieder zurechtzurücken. »Braves Mädchen.«

Samantha griff nach ihrem Teller. »Ich esse oben weiter. Bis später.« Ehe die beiden Einspruch erheben konnten, schnappte sie sich den Rucksack und ging in ihr Zimmer.

 

Ava kramte eine Jeans aus dem Kleiderschrank und schmiss sie zu den anderen Kleidungsstücken in den Koffer. Dabei zog sie ein Gesicht, als müsste sie allein die Turnhalle in der Schule mit einem winzigen Schwamm säubern. Was einmal fast passiert wäre, nachdem sie unbeabsichtigt beinahe den Chemieraum in Brand gesteckt hatte. Nur Miss Albott, der Chemielehrerin, die erstklassig reagiert und das Schlimmste verhindert hatte, war es zu verdanken, dass die Schule noch an ihrem Platz stand. Trotzdem. Ava hatte das kleine Feuerchen verursacht und dafür geradestehen müssen. Die Direktorin wollte sie zur Strafe dazu verdonnern, drei Wochen lang täglich den Boden der Turnhalle mit einem winzigen Schwamm zu reinigen. Am Ende war daraus eine einwöchige Suspendierung vom Unterricht geworden. Zugegeben, mit dieser Strafe war Ava glimpflich davongekommen, denn zum Zeitpunkt ihrer Unachtsamkeit war sie high gewesen.

»Noch nie habe ich einen Freitagabend so ätzend gefunden. Nein, ätzend ist das falsche Wort. Zum Kotzen trifft es schon eher.« Mit grimmiger Miene pfefferte sie eine weitere Jeans in ihren Koffer.

Samantha lag auf Avas Bett und sah ihr mit gemischten Gefühlen beim Packen zu. Einerseits wollte sie ihr gut zureden und versprechen, dass es ihr bei ihrem Dad gefallen würde. Andererseits wollte sie, dass sie hierblieb. Ohne Ava würde sie sich den Sommer über verdammt einsam fühlen. Als sie vorhin bei ihr angekommen war, wollte sie ihr gleich von der Sache mit Malcolm Warren erzählen, doch irgendwie hatte sich der passende Augenblick nicht ergeben. Ava war aufgewühlt, sauer und traurig und benötigte ihren Beistand.

»Du liebst Freitage.« Samantha lächelte aufmunternd.

Ava schüttelte den Kopf. »Nicht heute.« Aufgebracht warf sie die Arme in die Luft. »Ontario! Kanada! Wie kann er mir das antun?« Ein Stapel T-Shirts landete im Koffer. »Was isst man dort?« Eine blaue Jeansjacke flog hinterher. »Und die reden Französisch.« Nachdenklich betrachtete sie ihre Schuhe. »Welches Wetter haben die dort gerade?« Ausrangierte Sandalen flogen in hohem Bogen durchs Zimmer. »Ich habe keine Ahnung. Sam, ich glaub, ich dreh gleich durch!« Sie stand kurz davor, loszuheulen.

Samantha streckte die Hand aus und forderte sie auf, sich neben sie zu setzen.

Ava gehorchte. »Ich werde dort sterben vor Langeweile und Heimweh.«

»Ach was, bestimmt gibt es da ein riesiges Einkaufszentrum, wo du dein Heimweh mit neuen Klamotten lindern kannst.«

Schmollend schob Ava die Unterlippe vor. »Meinst du?«

»Ebenso ein Schwimmbad. Irgendwo müssen sich die Leute ja abkühlen.«

»Gestern hab ich mir zwei Bikinis gekauft.«

»Ich bin sicher, ein Kino wirst du dort ebenfalls finden.«

»Ich liebe süßes Popcorn.«

»McDonald’s lässt dich gewiss auch nicht im Stich.«

»Na, hoffentlich. Ohne Cheeseburger kann ich nicht leben. Wer weiß, ob die Tussi meines Dads überhaupt kochen kann.«

»Vergiss nicht die vielen Sehenswürdigkeiten, Museen und …«

»O Mann, ich übergebe mich gleich.« Sie machte mit ihrem Finger eine passende Geste dazu.

»Vielleicht wirst du auf Partys eingeladen.«

»Hm. Wenn es nicht so schnöde Teepartys sind, wo man Sekt aus Kristallgläsern trinken und Brötchen mit Fischeiern essen muss, lass ich mich gern dort blicken.«

»Na ja, wenn die Fischeierbrötchen von heißen Kellnern serviert werden …« Samantha verstummte, als Ava plötzlich wässrige Augen bekam. »Was ist los? Hab ich etwas Falsches gesagt?«

Ava seufzte. »Leo und ich hatten Streit. Er meinte, jetzt, da ich so lange weg bin, sollte ich mit ihm schlafen. Sozusagen als«, sie zeichnete mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft, »Vorschuss, um die lange Zeit der Abstinenz zu überbrücken. Abstinenz! Das hat er echt gesagt. So ein Blödmann! Ich lass mich doch nicht erpressen. Seitdem herrscht Funkstille zwischen uns.«

»Das tut mir leid. Ich bin sicher, es kommt alles wieder in Ordnung, bis du abreist.«

»Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr.«

Samantha umarmte Ava und hauchte einen Kuss auf ihre Wange. »Wenn du möchtest, rede ich mit ihm.«

Ava schüttelte den Kopf. »Danke, das ist lieb von dir, aber ich hoffe, dass er auf mich zukommt.« Sie stand auf und schaute in den Spiegel über der Kommode, um ihren Lidstrich nachzuziehen.

Samantha trat neben sie. Zwei grundverschiedene Typen blickten ihr aus dem Spiegel entgegen. Ava mit strubbligen, kurzen schwarzen Haaren, dick geschminkten Augen, Piercings in Augenbrauen und Unterlippe und einem kleinen Spinnennetz-Tattoo im Nacken. Im Gegensatz dazu sie selbst. Schulterlange, blond gelockte Haare und grüne Augen, eine dezente Schicht Mascara auf den Wimpern und ein Hauch Lipgloss auf den Lippen. Auf Make-up verzichtete sie gänzlich. Keine Piercings. Keine Tattoos.

»Vielleicht tut es ihm schon leid und er macht sich Vorwürfe? Vielleicht hat er es nicht so gemeint, wie er es gesagt hat?«

Ava lächelte. »Ist klar, du glaubst natürlich wieder an das Gute im Mann.«

»Was soll das heißen?«

»Jungs wollen immer Sex und am besten sofort, sprich, ab der Sekunde, in der du mit ihnen zusammen bist. Und wehe, du erlaubst dir, Nein zu sagen. Oh, dieses Wort kannst du gleich aus deinem Programm streichen, denn das zählt nicht, existiert nicht, gilt nicht.«

»Bei Andy ist das aber …«

»Komm mir bloß nicht mit Andy, sonst werde ich neidisch. Dass er deine Vielzahl an Neins akzeptiert, ohne sauer auf dich zu sein, ist Superman-verdächtig. Bist du sicher, dass er es sich nicht woanders holt?«

»Was?« Samantha riss erschrocken die Augen auf.

Als Ava bemerkte, was sie gesagt hatte, zeichnete sich Bestürzung in ihrer Miene ab. »Nein, Süße, so war das nicht gemeint. Andy tut so etwas nicht, ganz bestimmt nicht! Aus mir spricht der Frust. Schon mein erster Freund wollte sofort mit mir ins Bett. Aber so ist es nun einmal – Jungs und Sex gehören zusammen, wie ein Paar Schuhe. Ach was, ich rede und rede … Hast du denn vor, es bald mit Andy zu tun?«

Samantha zuckte mit den Schultern. »Ja, sobald der richtige Zeitpunkt da ist.«

»Der richtige Zeitpunkt ist da, wenn du dich bereit dazu fühlst. Wenn du spürst, dass du mehr von ihm willst. Wenn du merkst, dass deine Gefühle mit dir durchgehen und du nicht mehr anhalten möchtest. Den richtigen Zeitpunkt bestimmst du allein.«

»Warum ist er für dich noch nicht spürbar?«

Ava verstaute ihre Schminkutensilien in einem kleinen Beutel und legte ihn in den Koffer. »Weil Leo egoistisch und selbstsüchtig ist und keine Rücksicht auf mich nimmt. Oder glaubst du, er hört sofort auf, wenn ich Stopp sage? Irrtum! Ich muss ihn nachdrücklich von mir wegschieben, damit er schnallt, dass ich es ernst meine. Und außerdem … ach Sam, ich weiß es nicht. Ich bin verliebt in ihn und ich möchte immer in seiner Nähe sein, aber ich fürchte mich vor dem Danach.«

»Vor dem Danach? Wie meinst du das?«

»Du weißt schon. Der Kerl hat sein Ziel erreicht und keinen Grund mehr, nett zu dir zu sein, dich anzurufen oder sich mit dir zu treffen.«

Samantha schüttelte den Kopf. »Wenn du so denkst, wirst du nie mit Leo schlafen.«

»Na und? Da kann ich wenigstens sicher sein, dass er bei mir bleibt.«

»Aber …«

Ava winkte ab. »Genug jetzt. Hauen wir ab und amüsieren uns. Übrigens, deine neue Jeans sieht mega aus. Da kommt dein Knackpo gut zur Geltung. Und dein Oberteil ist die perfekte Ergänzung dazu. Gute Wahl, Süße.«

Samantha musterte sich im Spiegel und drehte sich herum. Ava hatte recht, die Jeans schmiegte sich perfekt um ihren rundlichen Po und das grüne T-Shirt mit dem V-Ausschnitt harmonierte mit ihrer Augenfarbe. Auf einmal wurde ihr klar, warum Andy so seltsam auf die Hose reagiert hatte. Er befürchtete, dass andere Jungs sie darin auch scharf fanden. Nun gut, damit musste er sich abfinden. Sie würde bestimmt keine Schlabbersachen anziehen, um ihn zu beruhigen.

Ava, die wie jeden Tag schwarze Klamotten trug, zwinkerte und klappte den Koffer zu. »Fertig. Die restlichen Kleinigkeiten packe ich später ein. Jetzt gehen wir tanzen.«