Liebe kommt auf leisen Pfoten - Susanne Erhard - E-Book

Liebe kommt auf leisen Pfoten E-Book

Susanne Erhard

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Beschreibung

Marie Sander steht vor den Trümmern ihres bisherigen Lebens. Und das nur, weil sie den ausgesetzten Welpen Caspar in die gemeinsame Wohnung mitgenommen hat, anstatt ihn, wie alle ihr raten, ins Tierheim zu bringen. Ihr Lebensgefährte Karsten zieht aus, lässt sie sich austoben mit ihrem verwahrlosten, neuen Spielzeug. Damit nicht genug, eröffnet ihr ihre Chefin, dass sie seit Langem ein Verhältnis mit Karsten hat und kündigt ihr. Marie flüchtet sich ins Allgäu, nach Berghofen, wo sie ihre Wunden lecken will.

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Seitenzahl: 562

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Liebe kommt auf leisen Pfoten

Für meine Viecher. Und mein Dank an Leo, den zauberhaften Welpen vom Coverfoto!

Die Handlung und die Personen des vorliegenden Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig. Die Verwendung von Namen bestehender Institutionen, Einrichtungen oder Unternehmen ist schöpferisches Stilmittel. Der Autor hat zahlreiche Quellen für die Recherche genutzt und beabsichtigt keine persönlichen Ansprüche verletzen zu wollen.

Susanne Erhard

Liebe kommt auf leisen Pfoten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Susanne Erhard

Coverfoto © by Ralf Erhard, Delightphotos, Niederrieden

Verlag: edition sunrise,Niederrieden

Herstellung und Vertrieb: BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 978-3-910537-05-7

1. Kapitel

Caspar

Das überlaute Krachen, der ins Schloss fallenden Tür erfüllte die Wohnung bis in den letzten Winkel. Es rollte hin und her, dröhnte in meinem Kopf, bis es sich zu einem erschreckend klaren Gedanken formte. Er ist weg! Du bist allein! Impulsiv wollte ich aufspringen und ihm hinterherrennen, die Tür aufreißen, panisch nach ihm brüllen, doch ich fing die Bewegung im letzten Moment ab und plumpste zurück auf das edle Ledersofa. Arschloch!

Die Ursache für Karstens lautstarken Abgang tapste auf dicken, schwarzen Pfoten ins Wohnzimmer herein. Er hatte entschieden überreagiert, das war mir beim Anblick des Welpen eindeutig klar, der war kein Grund für so einen Aufstand. Ohne Vorwarnung hockte sich das Tierchen hin und gab Karsten in Form einer gelben Lache nachträglich einen Grund.

Fassungslos starrte ich ihn an und Tränen schossen mir in die Augen, während sich die Lache langsam über den hellen Berberteppich verteilte. Offensichtlich war sich der Kleine keiner Schuld bewusst, sondern stellte sich fiepend an meinen Beinen hoch, was mir endgültig zu einem Heulkrampf verhalf.

Schluchzend hob ich ihn zu mir hoch, ein paar kugelrunde, bernsteinfarbene Augen schauten mich groß an, ganz klar, das Kindchenschema funktionierte perfekt, denn eine Welle von Mitgefühl schwappte bei seinem Anblick über mich hinweg. Ich zog ihn an mich, er kuschelte sich sofort vertrauensselig in meine Arme und ich fragte mich wie schon zig Mal, seit ich ihn in dem Karton im Mülleimer der Raststätte Feuchtwangen gefunden hatte, wie Menschen so einem winzigen Wesen ein Leid antun konnten? Hätte Karsten ihn mitgenommen? Oder hätte er das Gewinsel mit Absicht überhört? Im Moment war ich froh, dass ich keine Antwort auf diese Frage bekommen würde.

Erschöpft ließ ich mich mit dem Welpen im Arm zur Seite sinken. Der Tag war schier unendlich gewesen, die lange Fahrt auf der Autobahn, morgens noch Seminar, Regen, Stau, dann der Schock mit dem Hund im Müll und last but not least, Karstens völliges Unverständnis für meine Rettung. Dabei war das aus meiner Sicht die einzige Art und Weise einer Reaktion gewesen. Auch Tiere fielen für mich unter die Rubrik gelebter Zivilcourage. Ich hätte den Welpen nie seinem Schicksal überlassen.

Aber Karsten hatte allen Ernstes von mir verlangt, das Vieh sofort ins nächste Tierheim zu bringen, was ich kategorisch abgelehnt hatte. Der Kleine hatte genug für diesen Tag, der brauchte nicht noch mehr Stress. Und ich brauchte den auch nicht.

Müde rückte ich mich auf dem Sofa zurecht, Karsten hätte die Krise bekommen, wenn er uns auf dem neuen, brachial teuren Lederteil gesehen hätte, doch das war mir jetzt total egal. Karsten war weg. Zufrieden murrend drängte sich der Welpe jeden Zentimeter Körperfläche ausnutzend an mich heran und schlief nach einem letzten seligen Blinzeln tief ein. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen weichen Bauch, fühlte sein Herz bummern und sein leises Schnaufen. Er war wunderbar warm. Niemals hätte ich ihn zurückgelassen, niemals. Mit diesem Gedanken schlief ich ebenfalls ein.

Das Klirren des Schlüssels im Schloss und ein wildes Knurren in meinen Armen weckten mich sehr viel später. Es musste tiefe Nacht sein und ich lag noch immer mit dem Hund auf dem Sofa. Jetzt war es zu spät, um die Situation zu kaschieren. Karsten würde sehen, wo wir geschlafen hatten, aber ich war gewillt, dem Sturm Stand zu halten. Tapfer zog ich den kleinen Knurrhahn an mich heran. Karsten trat leise in das halbdunkle Zimmer und hockte sich vor das Sofa. Ich ahnte mehr, als das ich sah, wie er bei unserem Anblick ärgerlich das Gesicht verzog. Die gefletschten Zähne des Welpen strahlten hell in der Dunkelheit. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass so ein Zwerg schon so giftig sein konnte.

„Lass uns vernünftig miteinander reden, Marie. Es tut mir leid, wenn ich vorhin so krass drauf war.“ Solche Worte trafen bei mir auf offene Ohren, ich nickte gnädig.

„Okay.“

Eindeutig wollte er auch von mir ein mea culpa hören, doch da ich mir keiner Schuld bewusst war, sah ich dafür auch keine Notwendigkeit. Vorsichtig hob er den Arm, ein argwöhnisches Knurren ließ erneut das Bäuchlein unter meinen Fingern vibrieren. Fast hätte ich gegrinst, als Karsten seinen Arm vorsichtig an den fies schimmernden Zähnchen vorbeischob, um mir die Hand auf die Schulter zu legen.

„Hast du das im Griff?“, fragte er mit einem bezeichnenden Blick auf die Giftspritze unter meiner Hand. „Ich bin nicht gegen Tetanus geimpft.“

„Keine Panik“, erwiderte ich lässig, während mir gleichzeitig ein typisch durch den Kopf zuckte. Es war so typisch für ihn.

„Ehrlich“, er warf einen weiteren misstrauischen Blick auf den Hund, „es ist super edelmütig von dir, dass du den Kleinen gerettet hast. Aber ich denke, dass wir nicht die richtigen sind, um sich um so etwas wie den zu kümmern.“

„Ach nein?“, entgegnete ich spitz, seine Wortwahl gefiel mir nicht wirklich, „wer kümmert sich denn deiner Ansicht nach um so etwas?“

„Naja“, er nahm seine Hand von meiner Schulter und hockte sich bequemer hin, „heute Nacht darf er natürlich hierbleiben. Am besten wir sperren ihn ins Badezimmer, das können wir morgen einfach sauber machen und, wenn der Flöhe oder sonst irgendwelches Ungeziefer hat, dann sprühen wir einfach was dagegen. Aber er verseucht uns nicht die ganze Wohnung. Und morgen bringen wir ihn dann zusammen ins Tierheim, okay?“

Sein gönnerhaftes wir und uns brachte mich fast an den Rand der Lebensmittelübergabe, wobei mir einfiel, dass weder der Welpe noch ich heute Abend etwas gegessen hatten und zumindest ich mit dieser Erkenntnis derbe Hunger verspürte.

„Nein!“ Selten in meinem Leben hatte ich etwas so kategorisch verneint, so aus tiefstem Herzen. „Nein. Er schläft nicht im Bad und wir bringen ihn nicht ins Tierheim, denn da hat niemand Zeit, sich um ein Baby zu kümmern und ich lasse nicht zu, dass er allein in einem Betonzwinger sitzen muss.“

Schon an seiner Körperhaltung spürte ich, wie er ärgerlich wurde.

„Aber du hast Zeit dazu, ja? Ich dachte, die Kinderfrage hätten wir längst geklärt. Bekommst Du jetzt etwa doch noch Torschlusspanik mit deinen Mutterinstinkten, oder was geht hier ab?“

Abrupt kam er hoch, schnaubend vor Wut und ging zum Schrank hinüber, wo er sich wohl einen Whiskey einschenkte. Das Thema Kinder war schon immer ein belastender, wunder Punkt in unserer Beziehung gewesen. Er wollte nicht, ich war mir nicht sicher und wenn ich ihn wollte, dann musste ich mir im Klaren darüber sein, dass es mit ihm keine kleine Familie geben würde. Basta. Dabei hatte der Hund damit nun wirklich nichts zu tun.

Da Karsten jedoch den richtigen Knopf bei mir gedrückt hatte, um mich auf dreihunderttausend Volt zu katapultieren, war ich nicht Willens einfach so darüber hinwegzugehen. Der Zwerg in meinen Armen knurrte schon wieder, so als spürte er, wie geladen ich war. Sanft legte ich meine Hand auf seine Schnauze, er schnaubte und schwieg.

„Auf dem Niveau möchte ich mich nicht mit dir unterhalten“, konterte ich eisig, „sonst hinterfrage ich mal, was du mit deinen Aktivitäten so alles kompensierst. – Natürlich habe ich nicht die Zeit, mich richtig und dauernd um einen Hund zu kümmern, aber für eine Weile mache ich das bestimmt besser als die überarbeiteten Leute in einem Tierheim.“

Abfällig verzog er das Gesicht. „Für Köter gibt es keinen Erziehungsurlaub, falls du das noch nicht weißt.“

Ein dunkler Teil von mir rieb sich genüsslich die Hände, freute sich diebisch über den verbalen Schlagabtausch und nur zu gern hätte ich diesem Bedürfnis nachgegeben und mich so richtig mit ihm gefetzt, doch das Wort Köter hallte dermaßen dröhnend durch meinen Kopf, dass alles andere platt gewalzt wurde. Köter! Mein kleiner schwarzer ein Köter?

Und das sagte der Mann, von dem ich dachte, dass ich ihn liebe und er mich liebt? Mir blieb keine Zeit, mir rational zu überlegen, warum mich das so unendlich tief traf, ich handelte nur noch instinktiv.

„Einer von uns sollte jetzt gehen, Karsten.“

War meine Stimme eben noch eisig gewesen, so klang sie jetzt nach Permafrost. Unsere Blicke trafen sich, hart, unnachgiebig.

„Du willst mir doch nicht erklären“, er war tatsächlich mehr erstaunt als ärgerlich, „dass du wegen dieses Köters unsere Beziehung infrage stellst oder sogar beenden willst, sorry Marie, das ist jetzt nicht dein Ernst?“

Ich hörte nur Köter. „Doch, allen Ernstes stelle ich uns in Frage und bin durchaus bereit auch weitere Konsequenzen zu ziehen. Ich erwarte von meinem Partner mehr Verständnis und Unterstützung als das, was du hier ablieferst. – Also überleg es dir, gehst du, oder sollen wir gehen?“

Sein Glas knallte hart auf den Tisch vor uns, der Hund in meinen Armen zuckte zusammen, was mich noch wütender machte.

„Ich gehe“, erklärte er knapp, „wer weiß, was hier schon alles herumkrabbelt oder hüpft. Leb dich richtig aus, Marie, verwöhn dein neues Spielzeug und wenn du genug davon hast, dann kannst du mich ja anrufen. Wir lassen einen Kammerjäger kommen, dann renovieren wir die Wohnung und alles ist wieder gut. Falls du dich anders entscheidest und von jetzt an lieber mit dem Vieh hier leben willst, dann werde ich dich nicht daran hindern.“

„Perfekt! Allerdings glaube ich nicht, dass ich meines neuen Spielzeuges überdrüssig werde.“

Ich ahnte, wie er im Dunkeln die Schultern zuckte. „Mach nur, Marie.“

Ohne ein weiteres Wort, ohne Gruß verließ er das Wohnzimmer. Ziemlich selbstgerecht hielt ich meinen Hund im Arm, fest an mich gedrückt und ziemlich viele unschöne Bezeichnungen für einen Blödmann wie Karsten fielen mir auch ein, aber ich beherrschte mich, obwohl er nebenan im Schlafzimmer geräuschvoll seine Sachen packte.

Einen kleinen Moment lang überlegte ich, ob ich dieses Mal überreagierte und nicht vielleicht doch ein winziges weißes Fähnchen oder ein Täubchen flattern lassen sollte, so als erstes Signal des Friedens, doch ich brauchte nur meinen Kleinen anzuschauen und an den Köter zu denken und schon waren alle guten Vorsätze platzende Seifenblasen.

Zum zweiten Mal in dieser Nacht knallte die Tür ins Schloss. Wir zuckten beide zusammen, aber der Drang ihm zu folgen blieb aus und erst einmal auch dieses brennende Gefühl des Alleinseins. Ich war nicht allein. Erstaunt kraulte ich dem Namenlosen die Ohren, er schmatzte vor Wohlbehagen. So schnell trennte man sich also. Für Karsten war es offensichtlich erst einmal eine Trennung auf Zeit, ich sollte mich ja austoben und danach wieder brav seine Marie sein. Hmpf. Aber für mich? Minutenlang starrte ich blicklos vor mich hin, bis der Hund anfing zu zappeln.

„Was ist los?“

Er arbeitete sich auf den Boden hinunter, rannte unschlüssig hin und her und mir schwante, dass es eine weitere gelbe Pfütze geben würde, wenn wir nicht schleunigst den nächsten Baum aufsuchten, der sich besser eignete als unser Wollteppich. Hastig packte ich ihn und stürzte, meine Schlüssel greifend die Treppe hinunter auf die Wiese vor dem Haus. Karsten war zum Glück bereits fort, die Parklücke neben meinem Auto war leer. Ein kleiner, sehr dezenter Stich piekte mir ins Herz. Der Welpe freute sich riesig über mein Lob für sein kleines und großes Geschäft, er wedelte so heftig, dass es ihn gleich zur Seite schmiss. Ich lachte und musste gleichzeitig ein wenig heulen und während wir so in der frühlingshaft, frischen Nacht standen, hatte ich das erste Mal seit Ewigkeiten das Gefühl, dass Natur, Leben, die Jahreszeiten, Tag und Nacht tatsächlich real passierten und der kleine Namenlose und ich daran teilhaben durften. Verwirrt, zugleich seltsam glücklich stiefelten wir nach einer Weile zurück in die Wohnung.

Die Entscheidung, ob wir beide den Rest der Nacht im Bett oder weiterhin auf dem Sofa verbringen sollten, die war einfach. Karsten drohte nicht mehr, von Flöhen war in den schwarzen Locken des Welpen nichts zu sehen, also fielen wir ohne weiteres einfach ins Bett. Ich schlief mit so viel Wärme im Arm ein, wie ich ewig nicht gehabt hatte und der Gewissheit, dass mein Leben sich seit wenigen Stunden komplett auf den Kopf stellte. Mein letzter Gedanke war, dass ich mich egal wie, unglaublich darauf freute.

Nach einem vergnüglichen Spaziergang durch den nahegelegenen Park am nächsten Morgen, rief ich in der Praxis an, wo ich sämtliche Termine für den Tag absagen ließ oder an meine Kollegen verteilte. Mein Baby sollte noch einen Tag Ferien haben, bevor wir unseren gemeinsamen Alltag in Angriff nehmen würden. Der etwas verständnislose Ton meiner Chefin beeindruckte mich nicht sehr. Claudia hatte grundsätzlich immer nur Verständnis für sich selbst.

„Ich bringe ihn morgen mit“, erklärte ich euphorisch auf ihre Frage hin, wie ich mir die nächsten Tage denn so dachte, „er ist so zauberhaft, ihr werdet ihn todsicher auf Anhieb mögen. Heute soll er sich noch schön von den Schrecken gestern erholen, eventuell gehen wir noch zum Tierarzt, aber ansonsten ruhen wir uns aus.“

„Warum gibst du ihn nicht einfach im Tierheim ab?“ Diese Worte erinnerten mich unangenehm an die Nacht und Karsten. „Dort wird er versorgt, die kennen sich mit Hunden aus und du hast keinen Stress. Du hast doch genug für ihn getan, indem du ihn gerettet hast.“

Hatte ich das? Objektiv betrachtet vielleicht schon. Aber hörte Hilfe bei der Rettung an sich denn auf? Oder fing sie da nicht vielmehr erst an? Würde ich den Zwerg überhaupt jemals wieder abgeben können? Und wenn ja, wann war der richtige Moment dafür?

„Ich denke darüber nach“, antwortete ich hastig, „für heute muss es jedenfalls anders gehen, okay?“

„Okay, Marie, bis morgen dann.“

Nachdenklich stellte ich das Telefon in seine Ladeschale und lief mit dem Welpen im Schlepptau in die Küche. Er war mir seit dem Aufstehen auf Schritt und Tritt auf den Fersen. Beim Frühstück wollte ich die Sache noch einmal in Ruhe überdenken. Ich saß noch nicht richtig am Tisch, da dudelte mir mein Handy die WhatsApp-Melodie. Missmutig wischte ich über das Display. Karsten. Auf nüchternen Magen konnte ich den heute Morgen nicht ertragen und trank vor dem nächsten Blick auf das Display erst einmal ein paar Schlucke Kaffee.

Die Sonne strahlte durchs Küchenfenster, klein Welpe lag sich wohlig räkelnd in einem Sonnenklecks. Sein Bäuchlein war rund von den Haferflocken, die er erneut in Ermangelung artgerechten Futters bekommen hatte. Ich sollte dringend Welpenfutter einkaufen, nur was in aller Welt brauchte er? Da ich keinen blassen Schimmer hatte, wie alt der Kleine war, wusste ich auch nicht, ob er überhaupt schon etwas Anderes aufnehmen durfte als die Milch seiner Mutter.

Der Tierarzt war so gesehen eine absolute Notwendigkeit heute. Entschlossen griff ich das Handy, eines nach dem anderen, soweit schien es ihm ja gutzugehen. Karstens Nachricht war knapp. Er bot mir diese Woche zum Nachdenken an und am kommenden Wochenende ein Gespräch über unsere weitere Zukunft oder unsere endgültige Trennung. Mir doch egal, dachte ich grätig, zurzeit jedenfalls fühlte ich mich ohne ihn wesentlich besser als mit ihm.

Entspannter Single mit Hund? Besser als liiert und unzufrieden? Was verband Karsten und mich bisher in unserem Leben? Hastig stürzte ich meinen Kaffee hinunter und sprang auf, um mir neuen zu holen. Da prasselten verdammt viele Gedanken, Gefühle und erwartungsvolle Entscheidungen auf mich herab, zu viel für einen Morgen.

Karsten und unser Leben mussten warten, der Kleine war jetzt wichtiger und mein Frühstück auch. Ich schrieb ihm eine ebenso knappe Nachricht zurück und widmete mich endlich meinem leeren Magen. Lange noch saß ich in der von Sonne durchfluteten Küche, der Schwarze hatte irgendwann fiepend darum gebettelt auf meinen Schoß zu kommen, was ich ihm nur zu gern gewährte, obwohl sich da ein leiser Zweifel in meinem Hinterkopf regte, der mir zu bedenken gab, dass aus dem kleinen Süßen, mal ein großer werden könnte, der noch immer auf den Schoß wollte. Wo fing verwöhnen an und wo hörte das reine Kuschelbedürfnis auf?

Irgendwann griff ich nach dem Notizblock, den ich zu Karstens Ärger mal wieder auf dem Küchentisch hatte liegen lassen und fing an, mir aufzuschreiben, was ich an Equipment für den Welpen brauchte. Im Moment liefen wir mit einem Halstuch als Halsband herum und ohne Leine. Er brauchte einen vernünftigen Futternapf, die alte Tupperdose war keine Lösung. Wassernapf? Körbchen, Kissen? Futter. Und wo war das nächste Geschäft für Tierzubehör? Wo ein Tierarzt?

Mit dem Kleinen im Arm stapfte ich zur Kommode im Flur, wo ich nach dem Telefonbuch kramte. Dank Karsten hatten wir ja immer ein aktuelles im Haus, auch wenn es sonst niemand brauchte, da wir eh alles übers Internet suchten. Aber Hauptsache der ordentliche Haushalt hatte eines für Notfälle wie diesen. Karsten sei Dank. Bei all dem machte ich mir keinerlei Gedanken darüber, ob das alles überhaupt nötig war, weil der Kleine vielleicht gar nicht so lange bei mir sein würde.

Eine weitere Tasse Kaffee in der Hand suchte ich nach Tierärzten in der Umgebung. Ein Tiergeschäft gab es leider erst im etwas außerhalb gelegenen Einkaufszentrum. Dort würden wir nach dem Tierarzt hinfahren. Etwas ratlos fingerte ich über die zwei Spalten mit Tierärzten, Tierkliniken. Welcher war wohl der Beste für meinen Kleinen? Welcher kannte sich besonders gut mit Hunden aus?

Leise fluchend stellte ich fest, dass ich besser jemanden fragen sollte, der sich mit so etwas auskennt. Dumm nur, dass in meinem Bekanntenkreis niemand einen Hund hatte. Ein Pärchen lebte mit zwei angeblich lebendigen Perserkatzen. Karsten und ich hatten immer noch diesbezüglich eine Wette laufen. Er meinte, die seien von Steiff und wir hätten nur den Knopf im Ohr noch nicht entdeckt und ich glaubte wie immer an das Gute und hielt mit Katzen aus Fleisch und Blut dagegen, auch wenn ich noch nie bemerkt hatte, dass sich eine von denen bewegt hatte. Nicht einmal geblinzelt. Da war es dann wohl auch müßig wegen einer Empfehlung in Sachen Tierarzt nachzufragen. Bei solchen Tieren brauchten die bestimmt keinen.

Entschlossen kniff ich die Augen zusammen und kreiste über der Seite. Keiner war wirklich ungünstig gelegen, also war es wohl egal. Mein Zeigefinger landete hart auf einem Namen. Dr. Corbinian Köberle las ich entsetzt. Das musste ein Fehler meines Unterbewusstseins sein. Unmöglich, dass so ein guter Tierarzt hieß!

„Glaubst du das, Schlappohr?“, fragte ich den Kleinen auf meinem Schoß, der eifrig bemüht war, das Telefonbuch zu zernagen. Lauter kleine Abdrücke schmückten die Seiten. Es sah sehr niedlich aus. Breit grinsend hob er den Kopf und versuchte mir über das Gesicht zu lecken, was mir dann doch zu viel war. Lachend schob ich ihn weg.

„Okay, versuchen wir ihn. Wenn der doof ist, gehen wir einfach zum nächsten.“

Energisch setzte ich ihn auf den Boden, genug Schoßhund gespielt und holte mir das Telefon, um den Dr. Köberle anzurufen. Eine sehr freundliche Frauenstimme am anderen Ende erklärte mir, dass ich bis zwölf Uhr mittags gern vorbeikommen dürfe, es gäbe keine Termine, aber dienstags sei nie so viel los und das Wartezimmer leer, also müsse ich bestimmt nicht lange warten. Leicht verwirrt erwiderte ich, dass ich dann sofort kommen würde. Klang meine Stimme so gehetzt, dass die meinte, ich habe keine Zeit? Egal.

Ich rief nach dem Kleinen, der eh Schwanz wedelnd zu meinen Füßen hockte, schnappte meine Handtasche, Handy und die Schlüssel und wir verließen die Wohnung für unseren ersten Tierarztbesuch.

2. Kapitel

Namen sind Schall und Rauch, aber ohne ist man auch nichts!

Im Wartezimmer saß tatsächlich nur eine alte Dame, die einen großen Weidenkorb neben sich auf dem Stuhl stehen hatte, aus dem uns ein monströses graugetigertes Katzengesicht entgegenstarrte. Ich grüßte höflich, hockte mich mit meinem Kleinen im Arm ihr gegenüber auf einen Stuhl. Sie lächelte seltsam liebevoll zu uns herüber.

„Was für ein süßes Hundebaby“, sagte sie, „und noch so klein. Wie alt ist es denn?“

Einen Moment lang starrte ich sie fassungslos an. Immerhin war das mein erster Besuch bei einem Tierarzt und bisher hatte ich im Wartezimmer von Ärzten keinen Smalltalk geführt. Ging es einem als Mutter eines Säuglings oder Kleinkindes in Wartezimmern ähnlich?

„Öhm, ... Danke“, fahrig kraulte ich dem Kleinen die Ohren, was ihn strahlen ließ, „er ist noch ziemlich klein, aber wie klein weiß ich nicht, da ich ihn erst gestern gefunden habe. Deswegen sind wir auch hier.“

„Gefunden?“ Ihr Entsetzen war kaum zu beschreiben, unglaublich. Wie beschützend legte sie eine Hand über den Katzenkorb und streckte die andere halb durch die Gitterstäbe der Tür, wo sich ihr der Katzenschädel entgegenschob. Das Monstrum darin fing sofort vernehmlich an zu schnurren. Es klang wie ein Motor. So etwas hatte ich noch nie gehört.

„Wo gefunden? Einfach so, allein? Wo ist seine Mutter?“

Ich zuckte die Schultern. „Gestern am Nachmittag in einem Papierkorb an einer Raststätte an der Autobahn. Er war in einem Karton und ich habe keine Ahnung, was mit seiner Mutter ist oder wo sie ist. Ich habe ihn einfach mitgenommen.“

„In einem Karton?“

Ihre Echos waren eigentlich witzig, ich schmunzelte leicht und ganz seltsam war ich sehr stolz auf meinen Kleinen. Er war so schön, so süß, so lieb und überhaupt. Eigentlich blieb einem gar nichts anderes übrig, als ihn reizend zu finden.

„Menschen, die so etwas tun, die sollte man bei Wasser und Brot im Steinbruch Steine schleppen lassen, das treibt ihnen die Gewalt schon aus!“ Das Gesicht der alten Dame lief puterrot an, ganz offensichtlich meinte sie, was sie da sagte. „Tiere sind das Beste, was der liebe Gott geschaffen hat, sie sind die Krone der Schöpfung, nicht wir eingebildeten Menschen!“

Dieser zweiten Ansicht konnte ich ruhigen Gewissens so weit zustimmen, dass ich nickte, während gleichzeitig die Tür zum Sprechzimmer aufging. Eine junge Arzthelferin lächelte uns fragend entgegen.

„Wer ist denn die nächste?“

Mit einem resoluten Schwung stand die Frau auf und packte ihren Katzenkorb. Die Mieze fing an zu jammern. „Keine Angst, Feechen“, sagte sie sanft, „wir bekommen doch nur eine kleine Impfung.“ Dann wendete sie sich zu uns. „Der Kleine wird es Ihnen sein Leben lang danken, dass Sie ihn gerettet haben. Mein Feechen sollte auch vom Bauern erschlagen werden und mein Mann und ich kamen im letzten Moment vorbei. Ihre Geschwister waren schon alle tot, aber sie konnten wir retten und mit ihrer Liebe dankt sie uns das jeden Tag.“

Unwillkürlich traten mir die Tränen in die Augen, obwohl ich sonst nicht besonders nah am Wasser gebaut war, aber es war zu rührend. Ich schniefte kurz und wischte mir dezent über die Augen.

„Ganz bestimmt wird er das und ich bin auch sehr froh, dass ich ihn finden durfte.“

Sie schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor sie mit Feechen hinter der Tür verschwand. Dann musste ich trotz meiner verschleierten Augen grinsen. Feechen hatte sich eindeutig körperlich nicht ihrem Namen nach entwickelt. Jetzt saßen wir allein. Mein Kleiner kam in Spiellaune, biss in meine Finger, tapste vom Schoß aus mit seinen dicken Pranken nach meinem Gesicht, sodass er mehrmals das Gleichgewicht verlor und nur von mir im letzten Moment vor dem Absturz bewahrt wurde. Wir lachten und sein Schwänzchen rotierte vergnügt. Nach ein paar Minuten kamen die Frau und Feechen wieder heraus, winkten uns lieb im Gehen.

Dann waren wir dran. Das Mädchen hielt uns die Tür auf und zögerlich trat ich mit dem Kleinen im Arm ein. Auf den ersten Blick sah das Sprechzimmer nicht sehr viel anders aus als bei einem Humanmediziner, nur der Edelstahltisch in der Mitte zur Behandlung war etwas befremdlich. Was mir dann entgegentrat und sich als Dr. Köberle vorstellte, ließ mir schlagartig die Sprache verschlagen. Dieser Mann war garantiert nicht von dieser Welt! Zu überirdisch schön, unbändig männlich, groß, breitschultrig, entsetzlich blond und blauäugig, schlicht umwerfend gutaussehend.

Mein erster halbwegs klarer Gedanke war, dass man für den sicherlich einen Waffenschein brauchte, der war hochexplosiv. Der zweite fragte sich, wie man so aussehen konnte und dabei einen Namen haben, wie der hinterwäldlerischste Niederbayerische Alm-Öhi?

„Ähm ...“, hastig sammelte ich Spucke, damit die Worte halbwegs rund klangen, mein Hals war staubtrocken, „Marie Sander“, stellte ich mich vor und kramte meine Rechte unter dem Hund hervor, „grüß Gott.“

Sein Gesicht verzog sich zu einem übel spöttischen Grinsen, als er mir die Hand schüttelte. „Wann hat der Zwerg denn das letzte Mal festen Boden unter seinen weichen Pfötchen gehabt, Frau Sander?“

Meine Wangen wurden schneller heiß und wahrscheinlich feuerrot, als mein Hirn diese Peinlichkeit rational verarbeitet hatte. Hastig ließ ich den Schwarzen auf den Boden, wo er sich prompt mit seinem rundlichen Hinterteil auf meine Füße plumpsen ließ. Er hechelte freundlich zu uns hoch.

„Tja, also, … normalerweise … nun eigentlich fast immer. Aber ich habe noch keine Leine für ihn, deswegen dachte ich ... Ja, so habe ich ihn sicherer im Griff.“

„Sicherer im Griff, damit dieser extrem wilde Kampfhund keinen Unfug anrichtet?“

Ich verdrehte die Augen, musste aber doch lachen. Solche Schlagfertigkeit liebte ich. „So ungefähr“, lenkte ich ein. „Ich habe ihn erst seit gestern bei mir. Ich habe ihn in einem Karton verpackt in einem der Mülleimer der Raststätte Feuchtwangen gefunden und mitgenommen. Keine Ahnung wie alt der ist, woher er kommt, was der ist, was er jetzt braucht, ob er gesund ist. Deswegen sind wir hier.“

Seine brachial blauen Augen musterten mich eindringlich und das, wo ich keinen Grund hatte, woanders hinzuschauen, ohne mich erneut lächerlich zu machen. Ich bekam fast einen Krampf in der Iris, bis er endlich hinunter zu meinem Schwarzen schaute.

„Ausgesetzt also, hm.“

Langsam ging er in die Hocke. Wenn ich geahnt hätte, dass Tierärzte so unanständig sexy waren, hätte ich mir schon längst einen chronisch kranken Goldfisch ins Haus geholt dachte ich erleichtert, dass endlich der Kleine die ihm gebührende Aufmerksamkeit bekam und ich nicht mehr aufpassen musste, ihn völlig debil anzustarren. Fröhlich sprang der Welpe an ihm hoch, aber er drückte ihn mit sanfter Konsequenz auf den Boden.

„Nein.“

Viel Erfolg hatte er nicht, aber ich wollte mir den Trick trotzdem mal merken, denn springen sollte er nicht, das wusste ich ganz sicher. Dr. Köberle hob ihn vorsichtig auf den Stahltisch, wo er freudig nach unseren Gesichtern schleckte. Dieser Hund war unerschütterlich freundlich.

„Haben Sie die Polizei von der Raststätte aus informiert, oder die Inhaber der Raststätte? Vielleicht ist dort schon öfter mal was Derartiges passiert.“

Verunsichert zuckte ich die Schultern. „Nein, weder noch. Ich wollte nur endlich nach Hause. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Soll ich noch anrufen?“

Er streifte mich mit einem flüchtigen Blick. „Sparen Sie sich’s. Führt eh zu nichts. War irgendetwas an dem Hund, ein Zettel, Schild, eine Decke oder sonst was?“

Mit routinierten Bewegungen untersuchte er den Welpen, schaute in Augen, Ohren, prüfte die Zähne, Fell, während ich danebenstand und nach bestem Wissen seine Fragen beantwortete und gleichzeitig mit Argusaugen darüber wachte, dass er meinen Kleinen auch sanft anfasste.

„Nein, nichts“, erwiderte ich abermals, mich langsam entspannend. Mancher Arzt, den ich kannte, hätte sich von diesem Tierarzt eine sanfte Scheibe abschneiden können, „auch auf dem Karton war keine Aufschrift. Lange kann er allerdings noch nicht darin gehockt haben, denn alles war sauber.“

Ein blaues Augenlächeln traf mich und mein Herz ruckte überrascht. Seine Assistentin reichte ihm ein Stethoskop, mit dem er den Welpen abhorchte. Dann richtete er sich auf.

„Wollen Sie ihn behalten?“

Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Völlig überrumpelt schnappte ich nach Worten. „Tja, vielleicht … Ich meine, ich weiß nicht. Ich würde schon gern, aber ich bin berufstätig und keine Ahnung, ob es möglich ist. Ich muss mal schauen. Ansonsten werde ich jemanden für ihn suchen.“

„Klar“, sein Schmunzeln schien etwas zu wissen, was ich nicht verstand, „wenn Sie Unterstützung bei der Suche brauchen, dann melden Sie sich ruhig bei uns. Ansonsten würde ich sagen, dass Ihr Findling ... Hat er eigentlich schon einen Namen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, auch dazu kam ich noch nicht. Wir hatten eine etwas stressige Nacht, da mein bisheriger Lebensgefährte meine Rettungsaktion nicht so rasend fand und es vorzog zu gehen. Heute Morgen waren wir um ein wenig Ruhe bemüht. Aber ich kümmere mich heute noch darum.“

Wieder traf mich sein aufmerksamer Blick. „So ist das halt manchmal. Lassen Sie ihm einfach ein wenig Zeit.“

Ich hatte keine Ahnung, welcher Schwatz-Teufel meine Zunge bewegt hatte, dass ich über Karsten und sein Unverständnis zu einem fremden Mann sprach. Das war eigentlich nicht meine Art.

„Also, wie dem auch sei“, er kraulte dem Namenlosen die Ohren,

„ich schätze ihn auf sieben oder acht Wochen. Er ist gut im Futter, durchaus sauber und gepflegt, keine Parasiten äußerlich. Könnte eine Mischung aus Berner Senn, Deutsch Langhaar und, oder Labrador sein. Jedenfalls wird er gut mittelgroß bis groß.“

„Groß?“ Skeptisch schaute ich auf die Viertelportion vor mir, „Wie groß?“

„Naja, so etwa.“ Er hielt sich seine Hand bezeichnend ein Stück oberhalb der Kniescheibe an den Oberschenkel. In Anbetracht dessen, dass der Mann weit über eins achtzig war, schien mir das schon sehr groß. „Rückenhöhe“, fügte er noch unnötigerweise hinzu und grinste breit. Okay, dachte ich, dann hatte ich halt einen großen Hund gefunden, Schicksal. Tief Luft holend nickte ich.

„Auch gut. Was braucht er an Futter? Wie viel und welches? Was muss ich bei einem großen Hund beachten?“ Ich musste mich an Fakten halten, ansonsten verlor ich den Boden unter den Füßen und nichts würde mehr gehen.

„Ist er Ihr erster Hund?“ Dr. Köberle wies mit seinem markanten, sexy stoppeligen Kinn auf meinen Hund.

Ich nickte. „Offen gestanden: ja. Ich habe keine Ahnung von Hunden, weder in Sachen Haltung noch Fütterung oder Erziehung. Null. Und gerade jetzt im Moment frage ich mich, ob die Nummer nicht ein wenig zu steil für mich ist?“

„Guter Gedanke und richtig formuliert“, erwiderte er zynisch und ich spürte sofort, wie ich Pluspunkte bei ihm verlor, von deren Existenz ich nichts wusste.

„Was schlagen Sie vor?“ Keine Ahnung, warum ich so distanziert und kalt reagierte, wo er doch nur meine eigene Einschätzung bestätigte. Hatte ich wohl nicht hören wollen.

„Tierheim?“

Das wollte ich noch viel weniger hören. Er war nun der dritte innerhalb kürzester Zeit, der mir diesen indiskutablen Vorschlag unterbreitete.

„Nein“, antwortete ich ebenfalls zum dritten Mal kategorisch.

„Versuchen Sie es bitte mit einem anderen Vorschlag.“

Ein abschätzender Blick bohrte sich in mich, dem ich recht gut standhielt, aber wieder feststellen musste, dass der Typ zu schön für diese Welt war.

„Warum sollte ich? Es ist doch Ihre Entscheidung, was Sie tun und wenn Sie meinen, ohne jede Erfahrung einen Welpen groß ziehen zu wollen, dann machen Sie es doch. Adressen von Tiertherapeuten können Sie zur gegebenen Zeit gern von mir bekommen.“

Nach all den Streitereien und Rechtfertigungen der letzten Stunden, konnte ich mich fast nicht beherrschen in dem Bedürfnis einfach meinen Hund zu schnappen und zu gehen. Doch ich brauchte diesen Macho noch, leider. Zudem fand ich seine sarkastische Art so reizvoll, wie seine äußere Hülle. Cool bleiben, Marie, dachte ich, nur ruhig, er ist einfach nur ein Mann, mehr nicht und genauso benimmt er sich auch.

„Okay“, ich atmete tief durch, zauberte ein halbwegs verbindliches Lächeln auf meine Lippen, „den Therapeuten würde ich mir wirklich gern sparen. Wie wäre es, wenn Sie mir ein paar Tipps geben, die ich als Dummchen in Sachen Hund anwenden könnte. Von Sitz, Platz und so habe ich schon gehört. Ich bin auch bereit mir ein Buch über Hundeerziehung anzuschaffen, zumal ich lesen kann und wenn Sie mir als Tierarzt meines Vertrauens noch hin und wieder zur Seite stehen, dann müsste das doch zu schaffen sein, oder?“

Wider Erwarten brach er in schallendes Gelächter aus, was meinen Schwarzen ziemlich verstörte. Er drängte sich regelrecht in meine Arme, schaute ängstlich zu dem johlenden Arzt hinauf. Beruhigend klopfte ich ihm den Rücken.

„Gebongt!“ Schnaufend reichte er mir seine Rechte, in die ich verblüfft einschlug. „Sie lassen sich wahrscheinlich eh nicht von meinem Geunke aufhalten.“

Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. Der Typ war schräg und wirklich sympathisch. Anscheinend traf auf Männer das Klischee von wegen gut aussehen gleich strunzdumm nicht unbedingt zu? Ich revidierte kurz im Kopf: es traf nie zu, bei keinem Geschlecht.

„Nein, aufhalten lasse ich mich normalerweise nicht so leicht und nur sehr ungern.“ Mein Lächeln wurde offener. „Helfen Sie uns?“ Ich war versucht meine Hand endlich aus seiner zurückzuziehen, doch er drückte sie sanft, bevor er sie freigab.

„Gern, wenn schon einmal jemand so viel Courage hat und nicht wegschaut, wenn Hilfe nötig ist, dann werde ich meinen Teil zum weiteren gelingen gern dazu tun. – Wir entwurmen den Kleinen jetzt erst einmal zur Sicherheit, und ich gebe ihm zwei Aufbauspritzen, damit er uns nicht krank wird. Aber er ist wirklich in einem sehr guten Zustand.“

Ich nickte zustimmend, er hätte mir so gesehen alles anbieten können und ich hätte es getan, nur damit mein Kleiner gesund bleibt. Gott, war ich erleichtert, dass es ihm grundsätzlich gut ging.

„Was soll ich ihm füttern, wie viel und wie oft?“

Sein amüsiertes Grinsen traf mich wieder, während er dem Welpen diverse Spritzen in den Pelz jagte. Mir tat das mehr weh als dem Hund, ich hasste Spritzen. Mit einer halben Kopfdrehung wendete er sich zu seiner Assistentin, die bisher noch keinen Muckser von sich gegeben hatte.

„Steffi, schreib doch mal ein paar Welpenfutter-Marken auf und bring mir eine Tube Malz-Paste. Ach, und schreib auch auf, was es an Aufbaupulvern gibt. – Sie“, er schaute mich an, „können sich dann das ein oder andere in einem Futtergeschäft beschaffen.“

„Werde ich gleich hiernach erledigen.“

„Der Kleine sollte vier bis fünf Mal am Tag Futter bekommen. Viele kleine Portionen sind wichtig, damit sein Magen nicht überdehnt und er alles gut verwerten kann. Viel Wasser, jetzt noch kein Trockenfutter. Aufbaupulver geben Sie ihm einmal am Tag, am besten abends ins Futter. Orientieren Sie sich ruhig an den Mengenangaben auf den Futterdosen. Wenn es nicht reicht, dann mault er schon rum und wenn es zu viel ist, dann bleibt es im Napf und Sie können die Menge anpassen.“ Aufmerksam hörte ich zu, schließlich wollte ich es richtig machen.

„Geben Sie ihm bitte keine Brocken vom Tisch, keine Schokolade, kein Eis, keine Milch. Er ist ein Hund und wird krank, wenn er kein artgerechtes Futter bekommt, okay? Nicht auf die jämmerlichen Blicke hereinfallen, das wäre fatal.“

Lachend kraulte ich dem Welpen den Nacken. „Versprochen. Ich werde hart bleiben.“

„So ist es gut. – Wichtig ist auch, dass er so schnell als möglich einen Namen bekommt, mit dem er immer angesprochen werden sollte. Zweisilbig oder einsilbige Namen lassen sich am besten brüllen und von einem Hund gut merken.“

„Okay, wird auch noch heute erledigt.“

„Gut, das wäre wohl das Wichtigste in Kürze. Ihre Adresse bräuchten wir noch für seine Unterlagen.“

Mir rauchte der Kopf, als ich um diverse Euros erleichtert und mit mehreren Zetteln, Futterproben und einem Haufen Informationen über kleine Hunde die Praxis verließ. Wir waren länger dort gewesen, als ich geplant hatte und im Wartezimmer stauten sich die Patienten.

Dr. Köberle schien verständlicherweise sehr beliebt zu sein, denn die Mehrzahl der Menschen, die warteten waren Frauen jedweden Alters. Ich konnte sie gut verstehen, der Mann war echt eine Wucht und ich fühlte mich durchaus geschmeichelt, dass er mir angeboten hatte, ihn wann immer ich einen Rat oder Hilfe brauchte, anrufen zu dürfen. Sogar seine Handynummer hatte ich bekommen, wie wahrscheinlich jede halbwegs attraktive Kundin seiner Praxis.

Notgedrungen ließ ich den Hund im Auto, denn ein Einkaufszentrum schien mir nicht der richtige Platz für einen Welpen, aber ganz wohl fühlte ich mich dabei nicht. Hastig eilte ich durch die Etagen auf der Suche nach dem Futterladen. Ich fand ihn in der hintersten Ecke des dritten Stockes.

Von der Liste des Tierarztes nahm ich von jedem fünf Dosen, damit mein Kleiner nicht dauernd dasselbe fressen musste, eine Dose Muttermilchersatz, eine Dose mit einem Pulver für alles und nichts. Dann kaufte ich einen Wassernapf und zwei Futternäpfe, ein Körbchen mit einem dicken, weichen Kissen und natürlich ein Welpenhalsband und Leine. Ich kam mir vor, wie eine Mutter, die ihre Erstausstattung gekauft hatte, freudig, euphorisch, und mit zwei großen Tüten und dem Körbchen unter dem Arm stiefelte ich zurück zum Auto.

Mein Kleiner schien recht brav gewesen zu sein, frech hockte er auf dem Beifahrersitz, quietschte vor Freude, übte sich wild in Ganzkörperwedeln. Natürlich lobte ich ihn überschwänglich für seine Tapferkeit, mit der er so allein gewartet hatte. Wir waren beide sehr stolz. Weiter hetzten wir nach Hause, es wurde dringend Zeit, dass er etwas Richtiges zu fressen bekam, zumal es ja fünf Mahlzeiten am Tag werden sollten und für die mussten wir uns heute schon sputen.

Er wühlte in seinen neuen Futternapf wie ein kleines Ferkel, so sah es denn auch drum herum aus, sein Bäuchlein glich einem Tennisball. Wie uns empfohlen brachte ich ihn gleich darauf vor die Tür, wo er sein Geschäft brav erledigte. Danach kam ich endlich dazu, die neu gekauften Sachen zu verstauen. Sein Körbchen stellte ich neben meine Bettseite, wo ich hoffte, dass es trotz frischer Temperaturen des Schlafzimmers nicht zu kalt für ihn würde.

„Na und wenn, dann kletterst du halt einfach zu mir ins Bett“, erklärte ich dem Kleinen, der sich gleich mal zum Probe liegen im Kreis drehte und hinplumpsen ließ. Die Chance nahm ich dann wahr, um ihm sein neues Halsband anzulegen. Es passte perfekt und das strahlende Blau sah wunderbar zu seinen schwarzen Locken aus.

„Du bist echt so süß!“, rief ich ihn knuddelnd. Spielend tobten wir durch die Wohnung, wo ich im Wohnzimmer dann sah, dass der Anrufbeantworter wild blinkte. Laut Display warteten fünf Nachrichten auf mich. Zögernd betrachtete ich das Ding. Karsten? Meine Chefin? Jemand, der gesehen hatte, wie ich den Hund mitnahm? Ach was! Meine Fantasie ging mal wieder mit mir durch. Energisch drückte ich die Taste.

Marie, ich bin´s, Sylvie! Karsten hat mich angerufen! Du hast einen Hund angeschleppt? Ruf mich sofort an! Klick. Bevor ich nachdenken konnte, ereilte mich die nächste Nachricht. Wieder Sylvie.

Marie, verdammt wo steckst du denn? Ich bin so neugierig! Ruf mich an!

Marie, ich warte!

Okay, bevor ich mir noch weitere Hinweise auf ihre Neugier anhören musste, griff ich zum Telefon und rief sie an.

„Na, endlich!“

Das war typisch Sylvie, die Chaosfrau. Meine beste Freundin, schräg, unkonventionell, eine Lebenskünstlerin, die gern eine richtige Künstlerin wäre, sich aber mehr schlecht, als recht als Dekorateurin durchschlug und jedes Mal, wenn sie ein Bild verkaufte glaubte, dass sie jetzt endlich den Durchbruch geschafft hatte. Karsten hatte sie verständlicherweise nicht wirklich gemocht, aber meinetwegen notgedrungen geduldet. Er fand, dass ihr Einfluss auf mich nicht gut war, sie mir Flausen in den Kopf setzte. Die Hauptflause war ihr immerwährendes Drängen, mich endlich selbständig zu machen und auf eigene Rechnung, nach eigenen Vorstellungen als Physiotherapeutin zu arbeiten, anstatt mich dauernd mit Claudia, meiner Chefin darüber zu streiten, wie man richtig praktizierte.

Karsten hatte mir die Selbständigkeit nicht ernsthaft zugetraut, auch den wirtschaftlichen Aspekt und das Risiko einer Pleite warnend dargestellt. Als selbständiger Finanzberater sollte er so etwas schon einschätzen können, entschied ich. Da ich mich selbst als nicht besonders ehrgeizig oder gar zielstrebig erachtete, gab ich ihm recht und ließ es bleiben, obwohl Claudia und ich keine gute Symbiose waren und ich oft bis zur Schädeldecke mit Frustration angefüllt war. Auch hing ich viel zu sehr in meinem Leben fest, als dass ich ernsthaft auf die Idee gekommen wäre, einfach den Arbeitgeber zu wechseln. Meine Ausrede für mich war, dass ich eh vom Regen in die Traufe kam, also gleich im vertrauten Elend ausharren konnte und vielleicht besann sich Karsten ja irgendwann eines Besseren und gründete mit mir eine Familie mit einem Haufen Kinder? Geduld war alles.

„Jetzt erzähl schon, was hat Karsten da von einem verwahrlosten Welpen erzählt, den du in einer Mülltonne gefunden hast?“

Entnervt schloss ich für einen Moment die Augen, besagter verwahrloster Welpe hockte mal wieder auf meinen Füßen. Sanft schob ich ihn weg, damit ich in die Küche gehen konnte, um mir einen Milchkaffee zu machen. Der war jetzt dringend nötig, denn dieses Gespräch dauerte hundertprozentig länger.

„Wieso geht der Idiot eigentlich bei dir damit hausieren?“, fragte ich ärgerlich zurück. Karsten, der sonst kein zusätzliches Wort an Sylvie verschwendete. Was sollte das?

„Naja“, ihr spöttisches Grinsen war sogar durchs Telefon zu sehen,

„vielleicht, weil ich deine beste Freundin bin und den besten Einfluss auf dich habe? Und du hast es ja immerhin noch nicht für nötig erachtet, mich persönlich zu informieren, dass ihr euch wegen des Hundes getrennt habt.“

„Perfekt! Genau diesen Einfluss hat er immer versucht zu unterbinden. Und so schlau müsste er eigentlich sein, dass er abschätzen kann, dass du die letzte bist, die eine Trennung von ihm nicht als einzig richtige Entscheidung ansähe. Also, schieß los, was wollte er genau?“

„Ich habe zuerst nach der Geschichte gefragt, also erzählst du auch zuerst und danach kommst du in den Genuss von meiner Story.“

Ich stöhnte. „Komm lieber gleich vorbei“, einhändig schüttete ich heißes Wasser auf das Kaffeepulver, „wir sprengen sonst die Telefonleitung und außerdem brauche ich dich eh, um mir dabei zu helfen, einen Namen für den Knirps zu finden.“

„Passt. Ich bin in einer halben Stunde da. Stell den Sekt schon einmal kalt.“ Es klickte in der Leitung, seufzend warf ich das Telefon auf den Küchentisch.

Sekt. Ein Blick in den Kühlschrank sagte mir, dass da tatsächlich noch zwei Flaschen Prosecco lagerten. Typisch Frau halt. Die sollten wohl für uns beide reichen. Gegessen hatte ich auch noch nichts weiter, mein Magen knurrte plötzlich vernehmlich. Aber darum würden Sylvie und ich uns gemeinsam kümmern. Sylvie war eine Göttin am Herd.

Schlürfend nippte ich am Kaffee, tappte mit dem Welpen im Schlepptau ins Wohnzimmer zurück, wo ich mich mit ihm auf den Boden hockte. Er fing gleich an zu spielen. Ich fragte mich, ob er seine Mama vermisste, ob er Geschwister hatte. Warum hatte man ihn in dieser Art und Weise ausgesetzt? Hätte es nicht gereicht, ihn vor einem Tierheim anzubinden, oder wenn schon Raststätte, dann dort irgendwo anknoten, anstatt ihn in den Karton zu zwängen, den man unter Umständen übersehen hätte?

Er wäre in der Müllpresse gelandet. Mir wurde schlagartig schlecht, Tränen schossen mir in die Augen. Warum zur Hölle machten Menschen so etwas? Da war er anscheinend sieben oder acht Wochen lang gehegt und gepflegt worden, um dann so weggeworfen zu werden? Wie passte das nur zusammen? Wild wirbelte er sein neues Gummispielzeug durch die Luft, biss hinein, belauerte es, damit er es wüst erjagen konnte. Kannte er solches Spielzeug? Ihn so zu sehen, machte die Vorstellung ihn auszusetzen, noch widersinniger und ich gab ihm das stumme Versprechen, dass ich immer auf ihn aufpassen würde. Niemals wieder sollte ein Mensch ihm wehtun, niemals.

Sylvie brauchte weniger als eine halbe Stunde, um vor meiner Wohnungstür zu stehen. Wahrscheinlich hatte sie mal wieder jede Geschwindigkeitsbegrenzung als persönliche Herausforderung gesehen. Mit dem Kleinen im Arm öffnete ich die Tür.

„Wow!“ Sylvie quietschte verzückt. „Der ist ja grässlich süß!“ Und schon hing er auf ihrem Arm, von wo er etwas perplex in die Gegend schaute. Sylvie kraulte ihn vorsichtig, während sie hereinkam. „Den hätte ich auch nicht stehen lassen. Karsten muss ein Herz aus Stein haben!“

Seufzend schloss ich die Tür. So wenig, wie Karsten Sylvie mochte, so unnötig fand Sylvie Karsten.

„Hallo Große!“ Mit dem Welpen zwischen uns nahm ich die gut einen Kopf größere in die Arme. „Schön, dass du da bist!“

Sie grinste und gab dem Welpen einen Kuss auf seine schwarze Nase.

„Danke, dass ich kommen durfte. Hätte ja sein können, dass du nicht nur Karsten abschaffst, sondern auch mich. So Tabula Rasa im Leben der Marie Sander.“

„Blödsinn. Komm rein. Und ich habe mich nicht von Karsten getrennt. Er ist gegangen.“

„Oh, diese liebenswerten Spitzfindigkeiten! Er sagte, du habest gemeint, er solle gehen und er habe dir eine Woche Auszeit angeboten.“

Ich machte ein würgendes Geräusch. „Lass stecken, wenn überhaupt, werde ich eh mehr als eine Woche brauchen, um die Szene von gestern zu verzeihen und zu vergessen. So kann Frau sich irren. Und wahrscheinlich kann ich das gar nicht verzeihen.“

Ich spürte ihren forschenden Blick im Rücken sehr genau als ich vor ihr ins Wohnzimmer ging. Sie setzte den Kleinen auf den Fußboden zurück.

„Oha, klingt ja nicht mehr nach der großen Liebe?“

„Hmpf. Was willst du trinken? Hast du schon gegessen?“

„Na Schampus natürlich und was essen angeht, hast du das ja sicherlich wie immer nötiger als ich, oder? Aber ich habe dafür wie immer Hunger. Knabbern reicht erst einmal.“

Sylvie kämpfte mit jedem Pfund auf ihren drallen Hüften, während ich meistens als halber Hungerhaken ein dürres Dasein fristete, an dem selbst fette Sahnesoßen nicht rütteln konnten. Es war das erste Mal seit gestern, dass ich herzhaft lachen musste. Sylvie war so sehr sie selbst. Wie beneidete ich sie darum, wo ich mich immer nur fragte, wen ich eigentlich gerade darstellte?

Sie grinste. „Immerhin wissen deine Muskeln noch, wie man das Gesicht zu einem Lachen verzieht, dein Gehirn wird’s hoffentlich ohne Karsten auch wieder lernen. Und du hast ja mich auch noch zum Üben.“

Ich tippte mir bezeichnend mit dem Zeigefinger an die Stirn und ging in die Küche, um Kaffee, Sekt und Knabberzeug zu holen. Als ich wiederkam, rollte sich Sylvie mit dem Welpen quietschend und knurrend am Boden.

„Wie gut, dass Karsten nicht weiß, was ihm entgeht“, johlte sie, „der würde hier nur stören!“

Seufzend stellte ich die Sachen auf den Tisch. „So schlimm ist er nun auch wieder nicht. Man kann echt Spaß mit ihm haben.“

„So? Ist mir nie aufgefallen.“ Sie blinzelte mir sanft zu und ich schenkte uns den Sekt ein.

„Auf den süßesten Hund der Welt!“

„Auf euch beide, Marie!“

Ein paar Augenblicke lang hingen wir schweigend unseren Gedanken nach. Ich driftete natürlich zu Karsten ab und dem, was eventuell kommen könnte. Nüchtern betrachtet konnte ich mir nicht vorstellen, wie nach all den Jahren ein Leben ohne ihn sein würde. Wollte ich überhaupt ohne ihn leben?

„Und jetzt erzähl mal, was seit gestern alles geschehen ist. Ich will alles wissen!“ Erwartungsvoll griff sie nach zwei Keksen, hielt einen dem Welpen hin, der ihn sofort genüsslich zerbröselte und mampfte den anderen selbst weg. Der Herr Dr. Köberle wäre entzückt. „Ich höre, Marie.“

Nachdenklich lutschte ich an meinem Sektglas. „Viel ist geschehen, das wird eine lange Geschichte, willst du dir das wirklich antun?“

„Ich liebe lange Geschichten und wer anders als deine beste Freundin würde dir sonst zuhören?“

Mein Partner vielleicht dachte ich und der Zynismus in mir erschreckte mich sehr. Harsch wischte ich diese Gedanken beiseite. An Karsten und uns würde ich erst wieder denken, wenn ich die Sache mit dem Hund im Griff hatte, egal ob das nun eine Woche oder zehn dauern würde. Wenn Karsten es wert war, dann würde auch eine längere Spanne unserer Liebe nichts antun können. Ganz überzeugt war ich nicht von meiner These, aber nun gut, die Zeit würde es zeigen.

„Gestern Mittag bin ich in Feuchtwangen auf die Raststätte gefahren“, fing ich an und berichtete Sylvie wie sie es wünschte in aller epischen Breite von unseren Erlebnissen der letzten vierundzwanzig Stunden.

„Krass!“ War erst einmal alles, was sie sagte, als ich geendet hatte.

„Dieser Tierarzt ist bestimmt schwul“, kam als nächstes. Leicht befremdet goss ich uns Sekt nach.

„Wieso das jetzt?“

„Kennst du etwa einen Hetero, der so gut aussieht?“

„Hmm … nicht wirklich. Aber ich glaube nicht, dass der schwul war, der sah nicht so aus.“

„Hat er einen Ring getragen?“

Irgendwie war mir nicht klar, warum Sylvie so auf Dr. Köberle herumritt. Der Mann war zwar optisch und insgesamt wirklich umwerfend, aber musste er deswegen schwul sein?

„Keine Ahnung“, mit reichlich gemischten Gefühlen beobachtete ich, wie Sylvie einen weiteren Keks an den Welpen verfütterte, „er hat sich gut um den Kleinen gekümmert, hat mir prima Tipps gegeben und mehr wollte ich doch nicht von ihm.“

Sylvie stöhnte theatralisch auf. „Typisch, Marie! Da gabelt sie direkt nach der Trennung vom schlimmsten Spießer Münchens einen Traummann auf, bei dessen Erschaffung der liebe Gott offensichtlich auf Dope gewesen ist und schaut nicht, ob sein zweitwichtigster Finger beringt ist oder nicht.“

„Sein zweitwichtigster Finger?“

Sylvie ließ sich fassungslos hintenüberfallen, was der Welpe als neue Aufforderung zum Spiel ansah. Ein paar Minuten lang rangelten die beiden herum, bis Sylvie ihn energisch beiseiteschob.

„Genug jetzt! – Sag mir nicht, Marie, dass du nicht weißt, welches der wichtigste und der zweitwichtigste Finger eines Mannes ist?“

Zögernd griff ich nach den Keksen. „Nö.“

„Eigentlich hätte ich mir das denken können. Wie lange warst du mit Karsten zusammen?“

„Sieben Jahre.“ Schlagartig fiel mir das verflixte siebte ein, na klasse.

„Und hattet ihr Spaß im Bett? War der Sex gut?“

Argwöhnisch nickte ich, solche Fragen waren bei Sylvie immer gefährlich.

„Kleine Fingerspiele gemacht?“ Sie wackelte demonstrativ mit ihren fünf Fingern vor meiner Nase herum. Dieses Gespräch roch förmlich nach Blamage für mich, zumal ich Sylvie gut genug kannte, um zu wissen, dass ein geschickter Themenwechsel völlig nutzlos war. Ergeben schluckte ich den trockenen Keks hinunter.

„Klär mich auf, Sylvie, was für Fingerspiele?“

„Erbarmen!“ Sie starrte mich ungläubig an. „Hat er dich nie mit seinen Händen verwöhnt?“ Unbehaglich rutschte ich auf dem Teppich hin und her. Klein Namenlos tapste auf mich zu, um sich zwischen meinen Beinen zusammenzuringeln. Das verschaffte mir einen Moment der Sammlung.

„Na ja, was heißt verwöhnt? Klar haben wir gefummelt. Aber Sex war eigentlich kein großes Thema bei uns. Uns hat das Normale gereicht.“

Anscheinend ritt ich mich immer tiefer in die Blamage, denn Sylvie schien tatsächlich erst einmal sprachlos.

„Aber Jungfrau bist du nicht mehr, oder?“, fragte sie dann.

„Jetzt reicht’s denn, Sylvie!“ Sie ging entschieden zu weit.

„Sorry“, sie hob lässig die Hand, „war nicht so gemeint, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass so eine Partnerschaft Spaß macht, dass die echt und innig ist?“

Das Thema Karsten ging mir seit einigen Minuten derbe auf die Nerven, ich spürte, wie Aggressionen ungeduldig in mir herumhüpften und nur auf das passende Stichwort zum Krawall warteten. Sylvie traf zwar nicht ganz ins Schwarze, aber sie touchierte scharf.

„Das musst du dir auch nicht vorstellen“, giftete ich sie an,

„außerdem hat sich diese Partnerschaft ja auch erst einmal erledigt. Später denke ich dann mal über deine Anregungen nach, okay?“

Sie hob beschwichtigend die Hände. „Whoaaa, Marie, alles ist gut! Ich habe es nicht böse gemeint. Friede! Peace!“

Ich atmete tief durch und nickte. „Okay, Themenwechsel. Heute bitte keine Gespräche mehr über Karsten, Sex und uns. Geht das?“

„Klar, lass uns lieber über den süßen Knuddel da reden. Ist mir eh lieber als dieser Schwachständer von Karsten. – Was hast du weiter vor?“

Gute Frage dachte ich seltsam müde. Was hatte ich vor? Alles war so durcheinander und neu und entsprechend gingen meine Gefühle und Gedanken auch von high zu low und back again.

„Genau weiß ich das alles noch nicht“, erklärte ich wahrheitsgemäß,

„morgen nehme ich ihn erst einmal mit in die Praxis. Mit Claudia habe ich das schon besprochen. Und je nachdem wie sich das entwickelt, behalte ich ihn vielleicht oder wenn es alles zu stressig wird, dann werde ich wohl oder übel einen guten Platz für ihn suchen müssen.“

Sie musterte mich einen langen Moment mit ihrem wissenden Blick, den ich nicht immer problemlos ertragen konnte. Sie kannte mich so gut, manchmal vielleicht sogar zu gut.

„Claudia, dieser zickige Drachen im unschuldig weißen Kittel hat zugestimmt, dass du den Hund mitbringst? Kann ich fast nicht glauben. Davon abgesehen kann ich mir auch nicht vorstellen, dass du diesen Knirps jemals wieder hergibst.“

„Ich habe ihr keine Chance gegeben, nein zu sagen“, stellte ich richtig, „freiwillig hätte sie sicherlich nicht zugestimmt. Aber sorry, auch mit Claudia will ich mich heute nicht beschäftigen, die ist mir zu nah an Karsten dran und es reicht, wenn ich mich bei der Arbeit an ihr orientieren muss.“

„Du ...“, konzentriert goss Sylvie uns beiden den Rest der Flasche in die Gläser, ich fühlte mich schon solide angeheitert, „nicht falsch verstehen, ich will auch nicht weiter über die beiden reden …“, mit einem ergeben auffordernden Blick nahm ich mein Glas entgegen, wir prosteten uns zu, „aber, hmm … ich habe mich immer gefragt, ob Karsten nicht was mit Claudia hat? So wie die dich immer schikaniert hat, dir die späten Termine aufgehalst, Wochenenddienste und was weiß ich. Und ich habe mich genauso immer gefragt, warum du bei ihr bleibst, anstatt dir eine andere Praxis zu suchen oder dich endlich bei deinem Können selbständig zu machen?“

Gewisse schockierende Gedanken breiteten sich erst körperlich aus, bevor sie bis zum Hirn vordrangen. Eine Gänsehaut zog sich meine Arme hinauf und mein Herz flatterte kurz.

„Was?“

Unsicher zuckte Sylvie die Schultern. „Ich mein ja nur. - Ach was, lass uns endlich über den Hund reden. Hat der eigentlich schon einen Namen?“

Ich hörte sie kaum, verwirrende Szenen aus der unmittelbaren Vergangenheit tauchten ungebeten vor meinen Augen auf, Karsten mit Überstunden, Claudia, die mir spontan Termine aufs Auge drückte und kein Karsten erreichbar war, um meine Verspätung anzukündigen. Hastig schüttete ich den Sekt in mich hinein und auf alles drauf, was da so hoch drängte. Unsinn! Völliger Quatsch! Die totale Entgleisung meiner Fantasie.

Nur weil die beiden sich gut verstanden und seit Ewigkeiten kannten. Da hätte Karsten doch viel einfacher mit mir Schluss machen können, anstatt ein Verhältnis hinter meinem Rücken anfangen, wo Karsten doch jedweden unnötigen Aufwand hasste. Absurd. Claudia zahlte gut und Karsten hatte immer gemeint, dass ich bei ihr so viel lernen würde und ich noch nicht gut genug für meine eigene Praxis sei. Ich schüttelte mich impulsiv, um diesen Müll loszuwerden, doch er biss sich in mich hinein, krallte sich in seinem Winkel fest. Karsten und Claudia? Sylvie rutschte neben mich und nahm mich in die Arme.

„Es tut mir leid, Marie“, sagte sie leise, „ich und meine fiese Zunge. Ich wollte dir nicht wehtun, vergiss es einfach.“

„Schon okay“, erwiderte ich lahm, „möglich wäre das.“ Ich seufzte.

„Nein, der Kleine hat noch keinen Namen und der schönste Tierarzt der Welt meinte, dass wir ihm unbedingt heute noch einen geben sollten. Möglichst ein oder zweisilbig, weil sich das am besten brüllen lässt.“

Sylvies Lachen erlöste mich aus meiner Erstarrung. „Brüllen? Der ist anscheinend nicht nur optisch ansprechend, dein Dr. Köberle, sondern auch noch witzig. Seltene Kombination bei Männern. Er ist bestimmt schwul.“

„Ach was!“, erwiderte ich amüsiert und legte meinen Kopf an ihre Schulter. „Mach mal ´nen Vorschlag in Sachen Namen.“

„Blacky, Bilbo, Mushroom, Sepp, Ariel“, sie holte Luft für die nächste Runde.

„Stop!“, unterbrach ich sie. „Das ist ja entsetzlich. Du würdest doch nicht im Ernst einen Hund Mushroom nennen? Oder Sepp? Und Ariel ist ein Waschmittel, aber kein Hundename.“

„Ich mache mich doch erst einmal warm. Wart´s halt ab. Und Ariel finde ich super schön. Wie willst du ihn denn nennen?“

„Wenn ich das wüsste, hätte ich dich nicht gefragt. Dann hätte er schon einen Namen.“

„Stimmt.“ Wir schwiegen einen Moment lang. „Bewegung inspiriert“, Sylvie war schon halb auf den Beinen, „komm, lass uns mit

dem Namenlosen spazieren gehen und dabei überlegen.“

„Gute Idee.“

Draußen wurde es langsam dämmrig und entsprechend frisch. Am Eingang zum Park machte ich den Kleinen von seiner Leine los. Er war so weit tadellos neben mir hergetrappelt, ohne Ziehen und Zerren, so als sei er es durchaus gewöhnt an der Leine zu laufen. Übermütig sprang er vom Weg auf die Wiese, wo er knurrend ins Gras biss. Sylvie warf ihm einen kleinen Stock zu, mit dem er wild herumtollte. Wir kamen beide zu dem Schluss, dass er nicht unglücklich schien bei uns zu sein.

„Zurück zum Namen“, Sylvie warf das Stöckchen, dass er eifrig gebracht hatte, „was passt denn zu ihm? Weißt du, so Namen sind ja eigentlich Schall und Rauch, doch ohne Namen ist man echt richtig arm dran.“

Da hatte sie Recht und ich stellte zum x-ten Mal seit gestern fest, dass ich ebenfalls nicht unglücklich war, ihn bei mir zu haben, mit oder ohne Namen.

„Hmm ... Er ist schwarz, witzig, sehr lieb und er wird groß.“

„Groß? Cool, ich mag große Hunde.“ Sylvie lachte fröhlich. „Er ist ein Findelkind, er saß in einer Kiste und man weiß nichts von ihm. Wie bei Kaspar Hauser.“

„Wie bitte?“

Manchmal war es unumgänglich, an Sylvies Geisteszustand zu zweifeln. „Also Kaspar Hauser ist ein Scheiß-Hundename, wenn ich das mal so eindeutig sagen darf.“

„Darfst du, Marie.“ Sie grinste. „Aber überleg mal, Kaspar würde schon passen. Hat zwei Silben und lässt sich brüllen.“

Sie demonstrierte den Wahrheitsgehalt ihrer Vermutung sofort und der Welpe kam tatsächlich angeschossen. „Siehste, und es ist ein cooler Name dazu.“ Triumphierend kraulte sie dem wedelnden Hund zu ihren Füßen die Ohren.

„Kaspar.“ Ich ließ den Namen über die Zunge rollen. „Kaspar … hast Recht, so übel ist der nicht. Aber ich möchte es dann schon etwas extravaganter und es mit C schreiben. Caspar.“

„Uhhhhh!“ Sylvie wedelte mit den Händen, „Extravagant möchte es unsere Marie für ihre Promenadenmischung haben, hast du das gehört, Caspar?“ Klein-Caspar jaulte fröhlich und sprang an ihr hoch. „Da brauchen wir dann aber noch eine zweite Flasche Sekt für die Taufe. Hast du noch eine, Marie, oder nehmen wir vorn beim Supermarkt noch eine mit?“

„Ist noch eine da, aber bevor wir die killen, muss ich unbedingt etwas essen, sonst überlebe ich die Taufe nicht nüchtern.“

„Wofür gibt es den Pizzaservice?“

Schien es mir nur in dieser rosigen Abenddämmerung so, dass mein Leben eigentlich wunderbar war? Unkompliziert, freundschaftlich und mit Caspar zusammen.

Ja, ich schaute meinem Hund hinterher, Caspar war ein guter Name.

3. Kapitel

Ach, alles nur Anfangsschwierigkeiten!

Wer säuft, der kann auch arbeiten! Derjenige, der diesen dämlichen Spruch geprägt hatte, konnte sich von mir an diesem Morgen eine saftige Abreibung abholen. Mein Schädel brummte, ich konnte kaum aus den Augen schauen und mir war speiübel.

Wäre Caspar nicht gewesen, so hätte ich das Aufstehen um diverse Stunden aufgeschoben, doch da seine Blase noch nicht so trainiert war wie meine, musste ich wohl oder übel meinen Körper in die Senkrechte wuchten. Die frische Luft draußen half nur so lange, wie Caspar brauchte, um sich diverse Male zum Pinkeln hinzuhocken und ein Häufchen zu machen. Der Kaffee danach tat zwar meinem schwächelnden Kreislauf gut, verätzte mir dafür aber mal wieder meine Magenschleimhäute und ich schwor mir, beim nächsten Einkauf endlich Magenschonenden Kaffee zu besorgen.

Mein neuer Zeitplan ließ dann auch kein Frühstück zu. Caspar hatte länger gebraucht als ich einkalkuliert hatte. Zudem kamen die diversen Streicheleinheiten, Füttern und das Restaurieren meiner eigenen Gestalt.

Ich schaffte es eben pünktlich in die Praxis.

„Guten Morgen!“

Caspar sprang vor mir her. Aus den Augenwinkeln sah ich eben noch zwei meiner Kolleginnen im Pausenraum verschwinden, vor mir drohte Claudia an der Infotheke.

„Das wir uns gleich richtig verstehen, Marie“, Claudias Blick traf auf meinen Hund, „mit dem Köter ist das hier nur eine Übergangslösung, bis du einen Platz für ihn hast. So lange bleibt er unsichtbar, geräuschlos, geruchlos und sauber im Pausenraum. Verstanden?“

Was sollte ich darauf antworten? Ihr sagen, dass Caspar kein Köter war? Müßig. So müßig, wie eine Diskussion mit Karsten. „Verstanden.“

Ich rauschte an ihr vorbei in den besagten Pausenraum, wo ich mich neben meinen beiden peinlich berührten Kolleginnen für die Arbeit umzog. Sie trauten nicht einmal Caspar zu streicheln, geschweige denn, mir gegenüber ein mickriges Wort über die Situation zu verlieren. Die Armen, dachte ich verbissen, während ich Caspar seine neue Decke drapierte und ihn zum Hinlegen nötigte. Er war offensichtlich ziemlich verschüchtert, drängte sich dicht an mich. Aber es half nichts, ich musste ihm wieder eine neue Umgebung zumuten, anders ging es im Moment nicht. Nur eine Übergangslösung, hatte Claudia gesagt. Wie lange galt die wohl? Energisch richtete ich mich auf. Abwarten. Für jetzt war alles geregelt und Caspar würde sich hoffentlich ganz schnell an dieses Zimmer gewöhnen, zumal ich meistens sogar in Hörweite war. Um alles, was später kam, würde ich mir auch später Gedanken machen. Nur nicht panisch werden.