Liebe mich, Lilibeth! - Charlotte Maclay - E-Book

Liebe mich, Lilibeth! E-Book

Charlotte Maclay

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Beschreibung

Die blonde Lilibeth hält Alex Peabody, an den sie ein Zimmer vermietet hat, für besonders raffiniert. Sie glaubt nämlich, er sei derjenige, der sich im Internet auf ihre Heiratsanzeige hin gemeldet hat und sie jetzt "auschecken" will! Und da Alex auffallend zurückhaltend bleibt, muss Lilibeth ihn eben verführen …

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Seitenzahl: 175

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IMPRESSUM

Liebe mich, Lilibeth! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2001 by Charlotte Lobb Originaltitel: „A Hitchin’ Time“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 190 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Heike Warth

Umschlagsmotive: ABBILGettyImages_nerudolDUNGEN

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733757069

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Das Leben in Nowhere Junction, Texas, war ungefähr so aufregend wie Hafergrütze zum Frühstück.

Seufzend schaltete Lilibeth Anderson den Computer ein. Er stand in dem winzigen Büro hinter dem Drugstore ihrer Eltern. Vielleicht hatte sie heute Glück, und jemand hatte sich auf ihre Bekanntschaftsanzeige gemeldet. Bisher war überhaupt nur ein einziger Kandidat in Erscheinung getreten – Lucas McRifle. Aber der hatte sich ja für Mimsy Miles entschieden.

Nicht, dass Lilibeth ernsthaft an Lucas interessiert gewesen wäre. Das zum Glück nicht. Zwischen ihnen war kein erotischer Funken übergesprungen, obwohl Lucas wirklich gut aussah.

Andererseits … Sie war jetzt siebenundzwanzig Jahre alt und hatte keinerlei Aussichten, in absehbarer Zeit etwas an ihrem Singledasein zu ändern. Die Männer hier in der Stadt waren entweder zu alt oder zu jung oder bereits vergeben. In letzter Zeit hatte sie zunehmend das Gefühl, zu einer Minderheit zu gehören.

Ohne jede Vorwarnung stiegen Tränen in ihr hoch, und der Bildschirm verschwamm vor ihren Augen. Die Vorstellung, als alte Jungfer zu enden, und das in Nowhere, hatte einen ähnlichen Reiz wie ein Leben hinter Klostermauern. Aber sie konnte auch nicht einfach weggehen und ihr Glück woanders suchen.

Ihre Eltern hatten den Drugstore und das Café über dreißig Jahre betrieben, ohne daran reich zu werden, weil sie, wie sie sagten, den Leuten „nicht das Geld aus der Tasche ziehen“ wollten. Schließlich war Nowhere ein bescheidener Ort – wenn man von Quade Gardiner absah, der nicht nur eine ausgedehnte Ranch besaß, sondern auch Millionär war. Leider war er nie auf die Idee gekommen, Lilibeth zum Altar zu führen. Eine andere Ausnahme war Mazeppa, die allgemein als mittellose Müllsammlerin gegolten hatte, bis sich herausstellte, dass sie noch mehr Geld hatte als Quade.

Wie auch immer – jedenfalls hatten die Andersons nicht genügend angespart, um im Alter unabhängig leben zu können. Und es war auch keine Lösung, das Geschäft zu verkaufen. Wer, wenn er einigermaßen bei Verstand war, würde ausgerechnet in Nowhere einen schlecht gehenden Drugstore mit Café erwerben, mit dem er sich kaum über Wasser halten konnte?

Lilibeth blinzelte und zwang sich, sich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Nichts. Keine einzige Antwort auf ihre Anzeige „Lustige Erbin und ehemalige Ballkönigin sucht Mann“.

Alexander Peabody fielen sofort zwei Dinge auf, als er den Drugstore in Nowhere Junction betrat: Erstens hatte die Tür keine Klingel, die beim Eintreten eventueller Kunden oder Cafégäste schellte, und zweitens sah die Frau, die gerade das Regal mit Hygieneartikeln auffüllte, wie ein Engel aus.

Unverzüglich begannen seine Gehirnzellen sich damit zu beschäftigen, wie man die Türklingel nicht nur reparieren, sondern gleich wesentlich verbessern konnte, während seine Hormone gleichzeitig heftig auf das schulterlange honigblonde Haar und die hübsch geformte Rückseite des besagten Engels ansprachen.

Es kam selten vor, dass irgendetwas oder irgendjemand Alexander Peabody, den begeisterten Erfinder, von einer möglicherweise bahnbrechenden Erfindung ablenkte. Aber diese Frau ließ ihn allein durch die Art, wie sie da zwischen den Regalen kniete und mit parfümierten Duschgels hantierte, jedes Interesse an elektronischen Wunderteilchen und Neuverkabelungen verlieren. Sie verwirrte ihn. Und als sie jetzt aufstand, äußerst anmutig, wie er sich eingestehen musste, eine Tube Verhütungscreme in der einen und eine Dose Vaseline in der anderen Hand, und ihn anlächelte, brannten seine Sicherungen endgültig durch. Ihre Lippen waren voll und groß und erinnerten ihn an den rosigen Hauch eines Sonnenaufgangs in der Wüste. Die Kehle wurde ihm eng.

„Hallo. Ich habe Sie gar nicht hereinkommen hören.“ Ihre Stimme war so melodisch und wohlklingend wie die einer Nachtigall, genau wie er erwartet hatte. Sie trug ein enges kurzes Jeanskleid, das ihre Figur, vor allem Brüste und Schenkel, aufs Schönste zur Geltung brachte. „Kann ich Ihnen helfen?“

Und ob. Er benötigte sogar ganz dringend Hilfe. Nicht nur hatte sein Gehirn eine Auszeit genommen, sondern er wusste plötzlich auch nicht mehr, wie man atmete. Der Sauerstoffmangel ließ bereits seine Haut kribbeln.

Fragend sah sie ihn an. „Was bringt Sie in unsere Stadt?“

Alex räusperte sich und versuchte sich daran zu erinnern, warum er wie ein Narr in diesem verlassenen Nest herumstand. „Das Internet“, brachte er schließlich heraus. „Ich bin auf eine Anzeige im Internet hin gekommen.“

„Im – im Internet?“, quietschte Lilibeth. Dieser Traum von einem Mann mit den sanften braunen Augen war ihretwegen da? Für einen Moment geriet sie völlig aus dem Gleichgewicht und fing sich nur mit Mühe. Sie dachte an ihren Schwur, den nächsten Mann, der ihr über den Weg lief und halbwegs als Ehemann infrage kam, zu kapern und nicht mehr aus den Fängen zu lassen, bis er ihr gehörte.

Sie straffte die Schultern und schob die Brust heraus, nach Ansicht der Männer von Nowhere ihr hervorstechendstes Merkmal – zumindest fiel es ihnen am meisten ins Auge. „Willkommen bei uns. Ich bin Lilibeth Anderson.“ Damit reichte sie ihm die Hand.

Er sah darauf hinunter, machte aber keine Anstalten, sie zu ergreifen. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, antwortete er steif und mit rauer Stimme.

War das nicht süß? Dieser hinreißend aussehende Mann mit dem gewellten braunen Haar und den beeindruckend breiten Schultern war tatsächlich schüchtern! Welche Frau hätte da widerstehen können? Am liebsten hätte Lilibeth ihn sofort in die Arme genommen.

Stattdessen schenkte sie ihm ihr wärmstes, verführerischstes Lächeln. Dann fiel ihr Blick auf die Tube mit dem Verhütungsgel, das sie in der Hand hielt.

Ach du liebe Güte. Das Blut stieg ihr ins Gesicht, und sie wäre am liebsten im Erdboden verschwunden und nie mehr aufgetaucht.

Hastig legte sie die anstößige Tube auf den Wagen zurück, mit dem sie den Nachschub aus dem Lager holte, woraufhin die Hustenbonbons und Früchtetees herunterfielen. In ihrem Bemühen, einen wackligen Karton mit Slipeinlagen vor dem Absturz zu bewahren, stieß sie mit der Hüfte eine Flasche um, und Haarshampoo ergoss sich auf den Boden. Den Abschluss bildete eine Batterie Lippenstifte, die fröhlich bis zu den Stiefeln des Fremden purzelten.

Lilibeth war einem hysterischen Anfall nahe, aber da lächelte der Mann sie an. Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen, und er ließ wunderschöne weiße und regelmäßige Zähne sehen. Auf einmal war die Welt wieder in Ordnung.

„Hallo, Lilibeth“, sagte er. „Was für ein netter Name. Ich heiße Alex. Alexander Peabody.“

Seine Stimme war ein tiefer Bariton, so weich und doch so männlich. „Normalerweise bin ich nicht so ungeschickt“, brachte Lilibeth irgendwie heraus, und das stimmte auch. Schließlich füllte sie die Regale jeden Tag auf, und noch nie war ihr so etwas wie heute passiert. Aber es war wieder einmal typisch, dass sie sich ausgerechnet vor dem bestaussehenden Mann, den Nowhere je gesehen hatte, lächerlich machte.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“ Er kniete sich auf den Boden, um die Lippenstifte aufzuheben, und Lilibeth konnte einen ausgiebigen Blick auf sein traumhaft dichtes Haar werfen. Am liebsten hätte sie es angefasst. Sie hockte sich neben ihn und hob einen Lippenstift und ein Päckchen Abschminktücher auf. Er roch ganz leicht nach einem würzigen Rasierwasser, und instinktiv neigte sie sich ein wenig zu ihm hin.

„Wie haben Sie mich gefunden?“ Immerhin hatte sie ihre Adresse nicht im Internet angegeben. Sie wollte erst etwas über die möglichen Bewerber erfahren, sonst konnte ja jeder daherkommen.

„Quade Gardiner vom Schulvorstand hat mir gesagt, wo ich Sie finde.“

„Quade ist außerdem unser Bürgermeister.“ Sie versuchte, möglichst unauffällig ein Mittel zur Regulierung des weiblichen Zyklus verschwinden zu lassen. „Woher sind Sie?“

„Ursprünglich aus Cleveland. Da ist der Sitz unseres Familienunternehmens. Aber in letzter Zeit war ich mal hier, mal dort.“

„Und was hat Ihre Familie für ein Unternehmen?“

„Wir stellen Musikinstrumente her – Kazoos.“ Als Lilibeth stutzte, fügte er hinzu: „Peabody-Kazoos sind die berühmtesten Kazoos der Welt. Sie wurden schon im Rockefeller Center, im Weißen Haus und sogar vor Königin Elizabeth gespielt.“

„Wie aufregend.“ Auf jeden Fall viel aufregender als das kleine Geschäft ihrer Eltern. „Und Sie arbeiten in dem Unternehmen mit?“

„Bewahre, nein.“ Alex setzte sich auf die Hacken zurück und betrachtete eine zerdrückte Packung Kondome. „Ich kann ein gutes nicht von einem schlechten Kazoo unterscheiden.“

„Ach?“ Wenn Lilibeth ehrlich war, hatte sie keine Ahnung, was ein Kazoo überhaupt war. Sie nahm sich vor, sich später im Internet darüber zu informieren. Das Internet war ihre einzige Möglichkeit, ihren Horizont über die engen Grenzen von Nowhere hinaus zu erweitern.

Alexander Peabody sah sie so zerknirscht an, dass es ihr fast das Herz zerriss. „Ich bin total unmusikalisch.“

„Oje. So ein Pech.“ Lilibeth lächelte ihm aufmunternd zu. „Aber da haben wir etwas gemeinsam. Mein Musiklehrer hat immer gesagt, ein Wasserkessel könne den Ton besser halten als ich.“

Sie griffen beide gleichzeitig nach einem duftenden Körperpuder, und Alexander umschloss Lilibeths Hand. Seine Finger waren lang und schmal, die Nägel kurz geschnitten. Es waren starke und zugleich sanfte Hände.

Er sah sie an. „Ihr Lehrer war offenbar kein besonders genialer Pädagoge. Ich finde, Ihre Stimme klingt sehr schön.“

„Ich glaube, er hat sich einfach darüber geärgert, dass ich seine Tochter bei der Wahl der Ballkönigin geschlagen habe“, vermutete Lilibeth.

Sie wusste nicht, wie lange ihre Beine sie noch tragen würden. Alle Kraft hatte sie verlassen, und ihr Herz klopfte wie verrückt.

„Wo ist Ihre Wohnung?“

Er legte ein ziemlich rasantes Tempo vor – zu rasant für sie jedenfalls. Niemals würde sie schon nach so kurzer Bekanntschaft mit ihm nach oben gehen. Wenigstens aus Prinzip sollten sie vorher mindestens einmal miteinander ausgehen!

Auf einmal dämmerte ihr etwas. „Wohnung?“, wiederholte sie zögernd.

„Ja. Quade hat mir gesagt, dass Sie eine Wohnung zu vermieten haben.“

Die Wohnung, aus der Mimsy kürzlich ausgezogen war. Lilibeth trat einen Schritt zurück und stieß wieder unbeabsichtigt gegen ihren Wagen. Aber bevor er sich selbstständig machen konnte, hielt sie ihn fest.

„Sie sind hier, weil Sie die Wohnung mieten wollen?“

„Ja. Quade meinte, sie sei ideal für mich.“

Lilibeth wusste natürlich, dass Stirnrunzeln Falten verursachte, aber das hinderte sie nicht daran. „Würden Sie mir noch einmal sagen, auf welche Internetanzeige Sie geantwortet haben?“

„Auf die Stellenanzeige für den Posten als Schulleiter.“ Alex verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ich vermute sehr, dass ich der einzige Bewerber war.“

„Sie sind der neue Schulleiter? Dann sind Sie also nicht wegen der Anzeige bei Hitching Post hier?“

„Nein. Was ist das?“

Lilibeth wäre lieber gestorben, als ihn darüber aufzuklären, dass es sich dabei um eine Partnervermittlung handelte. Sie seufzte. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Wohnung. Besonders groß ist sie allerdings nicht.“

„Das macht nichts. Kennen Sie zufällig jemanden, der in der Nähe eine Garage oder eine alte Scheune vermietet?“

„Für Ihr Auto?“

„Eigentlich nicht. Wissen Sie, ich bastle gern herum und brauche deshalb eine Werkstatt.“

„Wie interessant. Wir haben eine Garage hinter dem Haus. Sie steht voller Gerümpel, aber eigentlich brauchen wir sie nicht. Im Grunde dient sie nur dazu, um Tante Tillies Kaktussaft zu lagern.“

„Dann zeigen Sie mir doch bitte zuerst die Wohnung, und danach spreche ich mit Ihren Eltern über die Garage. Vielleicht kann ich sie dazu überreden, sie mir zu vermieten.“

Lilibeth drehte sich um, um vorauszugehen, und wäre dabei fast schon wieder über diesen vermaledeiten Karren gestolpert. Alex konnte sie gerade noch zurückreißen, und dabei prallte sie mit dem Busen an seine breite Brust.

Seine Augen wurden schmal und dunkel, und er betrachtete sie interessiert. „Wissen Sie was, Lilibeth? Wenn Ihre Eltern mir die Garage vermieten, werde ich versuchen, diesen Wagen sicherer zu machen. Das Ding ist ja lebensgefährlich.“

Lilibeth lächelte ihn hintergründig an. Okay, Alex war nicht ihretwegen nach Nowhere gekommen, aber das musste ja nicht heißen, dass sie keine Chance bei ihm hätte. Vielleicht hatte das Schicksal sie zusammengeführt.

Sie neigte leicht den Kopf und ließ ihre Haare – ihr zweitbestes Kapital – schwingen. „Kommt Ihre Frau später nach?“, fragte sie bedeutungsvoll.

Seine Mundwinkel bewegten sich leicht nach oben. „Ich bin Junggeselle.“

Lilibeth hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht, aber sie hielt sich gerade noch zurück. Alexander Peabody war soeben seinem Schicksal begegnet.

Und wenn eine andere Frau näher als hundert Meter an ihn herankäme, dann würde sie ihr die Augen auskratzen. Das schwor sie sich.

2. KAPITEL

Alex stellte seinen Pick-up hinter dem Drugstore ab. Alles, was er für seine Erfindungen brauchte, war auf der Ladefläche unter der weißen Segeltuchabdeckung verstaut: sein Werkzeug, ein Generator, alle möglichen Ersatzteile. Er war davon überzeugt, dass ihm seine Arbeit an einer kleinen Schule am Ende der Welt genügend Zeit für seine Privatinteressen lassen würde.

Weniger überzeugt war er davon, dass es eine so weise Idee gewesen war, sein Domizil in Lilibeths Nähe aufzuschlagen. Sie schränkte seine Konzentrationsfähigkeit doch beträchtlich ein, musste er jetzt bereits feststellen.

Er zog seinen Koffer hinter dem Sitz hervor, betrat den Drugstore dann durch den Hintereingang und stieg die Treppe zu seinem neuen Apartment hinauf. Das Wohnzimmer ging auf die breite Hauptstraße hinaus, auf der die Fahrer ihre Autos nach Lust und Laune parkten, so spärlich war der Verkehr. Weiter unten, an der Kreuzung, gab es einen kleinen Supermarkt und ein Textilgeschäft. Im Augenblick spazierten gerade zwei Kühe die Straße hinunter. Die Autos wichen ihnen ganz selbstverständlich aus. Zu wundern schien sich niemand darüber.

Alex trug seinen Koffer in das größere der beiden anderen Zimmer, das er zum Schlafzimmer bestimmt hatte. Den kleinsten Raum wollte er als Arbeitszimmer nutzen. Ob das wohl die alte Wohnung der Andersons gewesen war? Und wo wohnten sie jetzt? Vor allem: Wo wohnte Lilibeth?

Aus dem Schlafzimmerfenster konnte er den südlichen Teil von Nowhere überblicken. Eine kleine Klinik lag dort, dahinter eine Autowerkstatt. Gegenüber wurde gerade die neue Schule gebaut. Bis sie fertig war, fand der Unterricht in geliehenen Zirkuszelten statt.

Die Verhältnisse rund um seine neue Wirkungsstätte waren ziemlich chaotisch. Aber das konnte man auch von seiner Gefühlswelt sagen. Seine Gedanken hatten sich auf recht merkwürdige Wege begeben, als Lilibeth vorhin das Kopfkissen aufgeschüttelt und an sich gedrückt hatte, als wollte sie es umarmen.

Alex stellte seinen Koffer aufs Bett und fing an auszupacken. Im Augenblick machte er sich noch keine großen Sorgen wegen Lilibeth. Sobald er mit einem neuen Projekt beschäftigt war, würde seine Konzentration sich wieder ganz automatisch einstellen. Dann war er aller Erfahrung nach völlig blind und taub für alles, was in seiner Umgebung vor sich ging.

Nicht dass manchmal nicht auch Störungen von außen in seine Welt drangen. Seine letzte Erfindung hatte die Schule, in der er damals arbeitete, fast eine neue Cafeteria gekostet. Nur dank seiner schnellen Reaktion hatte er den Überdruck, der sich langsam im Boiler aufgebaut hatte, ablassen können. Leider hatte die Schulaufsicht diese heldenhafte Tat nicht so recht gewürdigt. Und deshalb war es ein sehr glücklicher Zufall gewesen, dass gerade zu diesem Zeitpunkt die Schule von Nowhere einen neuen Leiter gesucht hatte.

„Du hättest ihn uns wenigstens vorstellen können, bevor du zusagst.“ JoJo Anderson hängte ihre Jacke an den Haken neben der Theke, wo Lilibeth gerade mit Putzarbeiten beschäftigt war. „Ich vermiete nicht gern an wildfremde Menschen.“

„Mama, Alex ist der neue Schulleiter.“

„Na und? Bei Mimsy musste ich wenigstens nicht befürchten, dass sie wilde Orgien feiert.“

Lilibeth hätte guten Gewissens darauf gewettet, dass es zwischen Mimsy und Lucas auch nicht allzu zahm zugegangen war.

„Ich glaube nicht, dass Alex der Typ für Orgien ist, Mama.“ Obwohl ihre Fantasie natürlich insgeheim wenigstens andeutungsweise in diese Richtung ging.

JoJo hob die Augenbrauen. „Und wie alt ist der Herr?“, erkundigte sie sich mit einem leichten Stirnrunzeln.

Lilibeth spülte eine Tasse ab. „Keine Ahnung. Dreißig und ein bisschen, würde ich schätzen“, sagte sie vage.

„Liebes Kind, ich möchte nicht, dass du dir Hoffnungen auf einen jungen Mann machst, der nicht von hier ist. Wer von außerhalb kommt, kann einfach nicht würdigen, was er an unserer kleinen Stadt hat. Und es würde mir und Daddy das Herz brechen, wenn du jemals von Nowhere wegziehen würdest.“

„Mama, in Nowhere gibt es keine heiratsfähigen Männer.“ Wenigstens keine, die ihr gefielen. „Lucy und Buffy haben sich die beiden letzten geschnappt.“

„Carter war sowieso nicht gut genug für dich, Liebes. Bei Quade ist das natürlich etwas anderes.“ JoJo seufzte ausdrucksvoll. „Ich hatte so gehofft, dass …“

Lilibeth verdrehte die Augen. Was sollte sie sich über verpasste Gelegenheiten grämen, wenn ein leibhaftiger Kandidat bei der Hand war? Sie würde nicht zulassen, dass ihre Mutter ihn vertrieb. „Alex würde übrigens auch gern die Garage hinter dem Haus mieten.“

„Völlig ausgeschlossen. Du weißt doch, dass Daddy sie zum Abstellen nutzt.“

„Ja, von Gerümpel. Ich könnte mit Alex zusammen aufräumen, das ist sowieso dringend nötig.“

„Und was ist mit Tante Tillys Kaktussaft? Sie würde sich im Grab umdrehen, wenn wir ihn wegschütten würden.“

„Daran würde ich nicht im Traum denken.“ Das alte Rezept wurde, zusammen mit einigen haarsträubenden Geschichten, schon seit Generationen durch die Familie weitergereicht. Das Zeug brannte wie Feuer in der Kehle und war geeignet, einige Sünden abzubüßen. Und es war das einzige Mittel, Finellas Frühlingssalat genießbar zu machen, den die allgegenwärtige Vorsitzende des Elternbeirats praktisch zu jedem gesellschaftlichen Ereignis, das im Ort stattfand, lieferte.

Die Tür zum Drugstore ging auf, und Mazeppa kämpfte sich mit einem plastiktütenüberladenen Handwagen durch.

„Der Schrott bleibt draußen!“, befahl JoJo. „Ich dulde es nicht, dass du …“

„Schrei doch nicht so. Da wird man ja noch in Tallahassee taub! Du brauchst dich gar nicht aufzuregen, es nützt dir doch nichts. Ich werde meine Sachen auf keinen Fall vor der Tür stehen lassen, wo jeder sich nach Belieben daran bedienen kann.“

Lilibeth tauchte hinter ihrer Theke auf, um rettend einzugreifen. Es war eines der großen Rätsel in der Stadt, warum Mazeppa immer noch mit ihrem Einkaufswagen herumzog, nachdem sie jetzt ein sehr hübsches Haus und einen sehr netten Ehemann hatte, nämlich Murdock Murchinson, Carters Vater. Am Geld konnte es bestimmt nicht liegen. Vielleicht konnte sie sich einfach nicht von lieb gewordenen Gewohnheiten trennen.

„Kein Grund zur Aufregung.“ Lilibeth schob den Wagen innen neben die Tür. „Hier kann nichts passieren. Ich habe den Platz extra für dich reserviert.“

„Hm.“ Die alte Dame ließ ihren Wagen nach leichtem Zögern los. „Das heißt aber nicht, dass ich dich in meinem Testament bedenken werde. Mach dir keine Hoffnungen. Mein Geld habe ich schon für die neue Schule hergegeben. Obwohl es mit dem Bau ja nur im Schneckentempo vorwärts geht“, schloss sie vorwurfsvoll.

„Jetzt haben wir jedenfalls einen neuen Schulleiter, vielleicht kann er die Arbeiten beschleunigen. Du weißt ja: Neue Besen kehren gut.“ Als Mazeppa sich von ihrem Wagen trennte, atmete Lilibeth unwillkürlich auf. Ein Segen. Die Frau war mit ihrem Wagen ein klares Sicherheitsrisiko für die Regale. „Kann ich dir vielleicht helfen?“

Mazeppa sah zu JoJo hinüber und senkte die Stimme. „Es gibt doch Tropfen, die Männer wieder auf Trab bringen. Hast du zufällig welche da?“

„Wie meinst du das genau?“, wollte Lilibeth wissen.

Mazeppa warf wieder einen schnellen Blick zu JoJo hinüber. „Seit den Flitterwochen hat Murdock irgendwie nachgelassen, wenn du verstehst, was ich meine.“

Lilibeth sah sich ein wenig verwirrt um und entdeckte Alex in der Tür, die zum hinteren Gebäudeteil führte. Er trug ein Jeanshemd mit aufgerollten Ärmeln und eine ausgeblichene Jeans, unter der sich seine kräftigen Schenkel deutlich abzeichneten. Männlicher konnte ein Mann gar nicht aussehen.

„Ich fürchte, da kann ich dir nicht weiterhelfen“, antwortete Lilibeth leise. Mit solchen Tropfen könnte man ein Vermögen machen.

Alex kam lächelnd näher. „Sie müssen Lilibeths Mutter sein.“ Er streckte Mazeppa die Hand hin. „Von Ihnen hat sie also ihre Schönheit geerbt.“

Mazeppa kicherte, und aus dem hinteren Teil des Drugstores meldete sich JoJo mit deutlicher Empörung. „Keines meiner Kinder würde jemals aussehen wie sie. Nicht einmal andeutungsweise.“

Alex fuhr herum. Offensichtlich hatte er einen schweren taktischen Fehler begangen. Jedenfalls sah JoJo ihn an, als würde sie ihn am liebsten mit Blicken erdolchen.

Um zu retten, was noch zu retten war, eilte Lilibeth zu ihm und schob ihre Hand unter seinen Arm. „Sie haben einen so köstlichen Humor.“ Sie lachte ein wenig zu schrill. „Kommen Sie, ich mache Sie mit Mama bekannt. Sie findet es schrecklich aufregend, dass der neue Schulleiter ausgerechnet bei uns wohnen wird.“