Liebe ohne Grenzen - Isabel Fischer - E-Book

Liebe ohne Grenzen E-Book

Isabel Fischer

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Beschreibung

Die junge, unscheinbare Hochzeitsfotografin Linda reist mit ihrem Chef für eine Woche nach Abu Dhabi, um dort eine einheimische Hochzeit fotografisch zu begleiten. Sofort fühlt sie sich in den Bann dieses beeindruckenden Wüstenstaates mit seinen prachtvollen, märchenhaft anmutenden Bauten und den in der Sonne glänzenden Sandhügeln gezogen. Aber nicht nur das Land hat es ihr angetan. Auch der ältere Bruder der Braut, Hassan, mit seinen ungewöhnlich blauen Augen, der ihre Leidenschaft für Pferde teilt und dessen Charme sie sich einfach nicht entziehen kann, geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Aber darf sich Linda mehr als eine kleine Schwärmerei für diesen gutaussehenden Mann aus bestem Hause zugestehen? Schließlich liegen nicht nur viele tausende Kilometer sondern auch kulturelle und gesellschaftliche Konventionen zwischen ihr und Hassan, die es zu überwinden gilt. Und nicht jeder in ihrem Umfeld ist mit einer Annäherung der beiden einverstanden...

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Isabel Fischer

Liebe ohne Grenzen

Für immer Dein

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Impressum neobooks

Kapitel 1

Es ist Freitag Abend und ich sitze – ziemlich verblüfft – vor meinem Laptop und starre auf eine Email meines Chefs. Ich hatte mir, wie so oft, mit einer DVD – eine romantische Komödie – und einer Tüte Chips auf der Ausklappcouch meines Einzimmerapartments einen gemütlichen Freitag Abend gemacht und wollte vor dem Schlafen gehen nur noch einmal kurz meine Emails abrufen. Nicht dass ich eine spannende Nachricht zu erwarten hatte, aber nachdem man einen wunderschön kitschigen Film mit Rund-um-Happy-End gesehen hat, wagt man ja doch immer mal wieder ganz heimlich und leise auf eine romantische Botschaft von seinem Traummann zu hoffen, obwohl dies in meinem Fall doch ziemlich unwahrscheinlich ist.

Hierzu muss ich jedoch sofort klarstellen: Mein Chef ist definitiv nicht mein Traummann!! Er ist gelernter und – darauf besteht er – studierter Fotograf, Mitte fünfzig, leicht untersetzt, hat graues, wirres Haar und ist ein ziemlich tüchtiger Geschäftsmann. Wahrscheinlich einer der Gründe, dass ich heute mit 24 Jahren noch genauso viel – oder eher genauso wenig – verdiene wie vor drei Jahren als ich in seinem Fotostudio als nur gelernte Fotografin – auch darauf besteht er – angefangen habe.

Allerdings muss man auch sagen, dass er seinen guten Geschäftssinn wohl nicht besonders anstrengen muss, soweit es um mich geht. Ich bin mit solchen Sachen nämlich eher zurückhaltend, man könnte auch schüchtern oder sogar feige sagen. Als er mich damals bei meinem Vorstellungsgespräch nach meiner Gehaltsvorstellung fragte, bekam ich einen knallroten Kopf, mein Herz klopfte wild in meinem Hals und ich bin mir sicher, dass auch Schweißperlen auf meiner Stirn standen. Nach einer unbehaglich langen Schweigepause konnte ich dann doch noch zwischen meinen Zähnen hervor pressen: „Ich nehme was Sie bezahlen wollen. Ich möchte den Job nämlich unbedingt haben“. Mit dieser Antwort schien er mehr als zufrieden zu sein. Er grinste, rieb sich die Hände, sagte eine Summe, ich nickte und unterschrieb noch am selben Tag meinen Arbeitsvertrag.

Er sagte mir, dass dies die richtige Arbeitseinstellung sei und er eine Mitarbeiterin wie mich, mit solch einer Leidenschaft für die Fotografie – bei der das Finanzielle nur eine Nebensache sei – gesucht habe. Rückblickend betrachtet war ich wahrscheinlich die einzige Bewerberin auf diese Stelle. Aber man soll ja die Vergangenheit ruhen lassen.

Seit diesem äußerst unerfreulichen Gespräch über mein Gehalt haben wir beide dieses Thema – zum Leidwesen meines Kontostands – nie wieder angesprochen. Allerdings macht mir meine Arbeit, sogar die Zusammenarbeit mit meinem Chef, großen Spaß. Und wie ich von meinen Freundinnen weiß, ist das mehr als die meisten Menschen in unterbezahlten Jobs von sich behaupten können.

Zwar hat mein Chef auch ein kleines Fotostudio in der Stadt. Er hat sich aber schon vor vielen Jahren auf Hochzeitsfotografie, insbesondere auf türkische und arabische Hochzeiten, spezialisiert. Er meint in diesem Bereich eine ganz besondere Nische gefunden zu haben, die außerdem gut bezahlt wird. Und da kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich ist es so, dass türkische und arabischen Hochzeiten weitaus pompöser ausfallen als die durchschnittliche – doch meist eher schlicht und nach Möglichkeit günstig gehaltene – deutsche Hochzeit. Und wer für die sich über mehrere Tage hinziehenden Hochzeitsfeierlichkeiten mit 200 bis 800 Gästen ein kleines Vermögen investiert, der ist auch nicht kleinlich was die Vergütung der Fotografen angeht. Schließlich sind diese Fotos eine Erinnerung für die Ewigkeit und außerdem hervorragend dafür geeignet, den wenigen Leuten aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis, die nicht Teil der Hochzeitsgesellschaft waren, zu zeigen, welch ein rauschendes und kostspieliges Fest man seinen Kindern bieten konnte.

In den letzten Jahren sind mein Chef und ich tatsächlich zu einem großartigen Team zusammengewachsen. Zunächst hatte er es im Alleingang versucht. Er hatte nur einmal, schon Jahre vor mir, eine Fotografin eingestellt, die dann jedoch relativ schnell schwanger wurde, in den Mutterschutz verschwand und nie mehr wiederkehrte, weil sich Kind Nummer zwei ankündigte. Man kann sagen, dass er jungen Frauen gegenüber also etwas skeptisch gegenüberstand, was deren Verlässlichkeit in Bezug auf ihren Job angeht, als er mich kennenlernte. Er musste dann aber doch einsehen, dass er es in seiner Nische ohne eine weibliche Fotografin an seiner Seite wohl nicht weit bringen würde. Denn es gibt viel zu viele private Momente zwischen der Braut und anderen Frauen beider Familien, die es fotografisch zwar festzuhalten gilt, zu denen ein Mann, schon gar keiner außerhalb der Familie, jemals Zutritt bekommen würde. Als mein Chef mir dann beim Vorstellungsgespräch gegenüber saß und mich ausgiebig von oben bis unten gemustert hatte, war ihm wahrscheinlich sofort klar, dass ich ohnehin kein spannendes Privatleben haben würde und somit an den Wochenenden immer für die Hochzeiten zur Verfügung stehen und schon gar nicht schwanger werden würde.

Es gibt noch ein weiteres Attribut, das mich für meinen Beruf als Hochzeitsfotografin prädestiniert: Ich bin quasi unsichtbar. Dies haftet mir eigentlich schon seit meiner frühen Jugend an. Ich bin in einem kleinen Örtchen als mittleres von drei Kindern sehr behütet aufgewachsen. In der Ehe meiner Eltern und auch bei uns Kindern gab es keine Skandale. Darauf waren unsere Eltern auch stets bedacht. Sie predigten uns ständig, dass wir doch wohl kaum zum Dorfgespräch werden wollten und wir hielten uns – jedenfalls überwiegend - an diese Regel.

Meine zwei Jahre ältere Schwester Lea war schon immer wunderhübsch und hatte in unserer Schule den Spitznamen „Engel“ – wohl wegen ihrer langen blonden Engelslocken. Die Verehrer standen bei ihr Schlange - in der Schule, auf jeder Party und wo wir sonst so hingingen. Um dennoch nicht zum Dorfgespräch zu werden, jedenfalls nicht in negativer oder verwerflicher Weise, suchte sie sich mit 16 den attraktivsten ihrer Verehrer aus, den 19 Jahre alten, charmanten und gutaussehenden Sohn des Bürgermeisters, und heiratete diesen nachdem sie ihren Schulabschluss gemacht hatte. Mittlerweile haben die beiden eine gut laufende Boutique und zwei bezaubernde Kinder, meine Neffen Max und Moritz, deren stolze Patentante ich bin. Mit dieser Bilderbuchromanze ist Lea dann doch zum Stadtgespräch geworden. Da aber jeder im Ort meine Eltern zu so einer wunderbaren Tochter nur beglückwünscht und regelmäßig Loblieder auf das Traumpaar und die sehr gelungene Erziehung meiner Eltern singt, sehen sie ihr dies nach.

Neben so einer Schwester wären wahrscheinlich viele Mädchen verblasst, aber bei mir kommt hinzu, dass ich wirklich so blass bin, dass man fast durch mich hindurchsehen kann. Ich bin einfach weiß. Sehr, sehr weiß. Und auch ich habe natürlich blonde Haare, allerdings sind diese wesentlich dünner und kürzer als die meiner Schwester und kerzengerade. Von Engelslocken kann ich nur träumen. Selbst wenn Lea vor Parties manchmal versucht hatte mich „aufzuhübschen“, wie sie es immer nannte, und mir die Haare auf Lockenwicklern aufdrehte, purzelten diese - als würden sie gegen meine Haare protestieren - bei der kleinsten Bewegung direkt wieder von meinem Kopf. Also gab meine Schwester das Projekt Aufhübschen wieder auf und nahm mich wie ich war. Unsichtbar!

Mein kleiner Bruder Lars, ebenfalls ein Blondschopf, ist ein kleines Mathematikgenie und studiert mittlerweile Luft- und Raumfahrttechnik an irgendeiner Eliteuniversität und bildet sich darauf ziemlich viel ein. Er ist aber der ganze Stolz meines Vaters, der ihn bei jedem Heimatbesuch in seinem Höhenflug noch bestätigt.

Meine Eltern lieben mich mit Sicherheit nicht weniger als meine Geschwister und lassen mich ihre Liebe und Unterstützung immer spüren. Aber ein Leben im Schatten von zwei so herausragenden Geschwistern ist nicht gerade die ideale Voraussetzung für ein starkes Selbstbewusstsein und ein großes Auftreten. Sobald die beiden einen Raum betreten, wissen die Leute, dass sie da sind. Sie sind offen, laut und stets präsent. Ich höre hingegen auf Familienfesten häufig: „Mensch, Linda, du bist auch schon da? Ich habe dich gar nicht kommen sehen.“ Und solche Aussagen bekomme ich nach ein bis zwei Stunden Anwesenheit zu hören.

Vielleicht entwickelte ich deshalb eine Leidenschaft für die Fotografie, damit ich mich hinter meiner Kamera verstecken konnte. Ich begann meine Fotografiekarriere also auf unseren Familienfesten, wo mich die Leute ja ohnehin meist nicht, oder erst wenn sich das Fest dem Ende zuneigte, sahen und so gelang es mir, wunderschöne und ungestellte Momentaufnahmen von meiner Familie einzufangen. Alle waren begeistert von diesen natürlichen Bildern und so wurde ich auch schnell im Bekanntenkreis weiterempfohlen, um auf Taufen und Geburtstagen die Fotos zu machen und konnte auf diese Weise mein Taschengeld etwas aufbessern.

So kam ich sogar nach meinem Abitur zu einem dreimonatigen, kostenlosen Aufenthalt in England, da die Tochter einer entfernten Verwandten, die vor vielen Jahren nach England ausgewandert war, heiratete und ich mit der Fotografie von der Verlobungsfeier, über den Junggesellinnen-Abschied und der Hochzeiten bis zum Aufbruch in die Flitterwochen beauftragt worden war. Trotzdem blieb mir noch genug Zeit, meine Englischkenntnisse aufzufrischen.

Man kann also in gewisser Weise sagen, dass auch ich meine Nische gefunden habe. Dass ich letztendlich, nach meiner Ausbildung, in der Hochzeitsfotografie gelandet bin, war nur die logische Konsequenz daraus. Und ich liebe es! Wenn ich schon nicht meine eigene Romanze erleben darf, so kann ich wenigsten immer wieder, an jedem Hochzeitswochenende aufs neue, Teil einer wunderschönen Liebesgeschichte sein, deren Höhepunkte ich in Bildern festhalten darf. Am Hochzeitstag bzw. an den Hochzeitstagen sind ohnehin alle Augen auf die Braut gerichtet. Es ist trubelig, so viele Leute, die hin und her huschen und mich gar nicht beachten. Ich kann also immer wieder still und heimlich den Traum von 1001 Nacht miterleben und dabei die schönsten Momente der Braut festhalten, während mein Chef immer den Bräutigam begleitet. Alle meine Bräute sind südländische Schönheiten mit ihren dicken, glänzenden schwarzen Haaren und ihrem olivfarbenem Teint. Mit dem auffälligen Make-Up und den tollen Frisuren, den pompösen Brautkleidern ist jede von ihnen in meinen Augen eine orientalische Prinzessin. Und so fotografiere ich sie auch. Wunderschön und königlich!

Die Bräute waren allesamt immer begeistert und so haben mein Chef und ich uns tatsächlich in den letzten Jahren in unserer Region einen Namen gemacht. Die Hochzeiten wurden immer größer, eleganter – und zur Freude meines Chefs – teurer. Wenn ich so sehe, welches Honorar wir zum Teil für eine Fotostrecke einnehmen, sollte ich doch einmal den Mut aufbringen, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.

Selbstständig machen, lohnt sich für mich nicht. Davon brauche ich gar nicht erst zu träumen – worauf mich auch mein Chef regelmäßig hinweist. Erstens bin ich keine besonders gute Geschäftsfrau – man siehe mein Gehaltsgespräch – und zweitens bräuchte ich dann ebenso einen männlichen Fotografen im Team, wie mein Chef mich als Fotografin braucht, wenn ich weiterhin auf türkischen und arabischen Hochzeiten fotografieren will. So ist das nun einmal in dieser Welt. Mit Frauen wollen die wenigsten Geschäfte machen. Und als Arbeitgeberin, die für einen Angestellten verantwortlich ist und, noch schlimmer, diesen anweisen muss, wie er seine Arbeit zu erledigen hat, eigne ich mich beim besten Willen nicht. Solange mein Chef mich also nicht rausschmeißt, werde ich wohl bis zu seiner Rente mit ihm zusammenarbeiten und hoffentlich irgendwann den Mut aufbringen doch einmal eine Gehaltserhöhung anzusprechen.

Vor wenigen Monaten war es dann soweit. Uns gelang, wie mein Chef meinte, der Durchbruch. Über einen ehemaligen, scheinbar ausgesprochen zufriedenen Kunden, erhielten wir per Email eine Anfrage für eine Fotostrecke in Abu Dhabi. Wir sollten für eine ganze Woche gebucht werden. Flüge, Unterbringung im 5-Sterne-Hotel mit Verpflegung selbstverständlich inklusive. Vielmehr erfuhren wir über den Auftrag nicht. Es sollte uns dann alles vor Ort erläutert werden. Allerdings war der Email die für meinen Chef wesentliche Information beigefügt - unser Honorar! Ich habe ihn noch nie so schnell einen Vertrag zusammenstellen, unterschreiben, einscannen und verschicken gesehen. Dabei machte er schon Pläne, den Laden für diese Woche im April zu schließen. Da sei eh nicht viel los und etwas besseres könnte uns gar nicht passieren, sagte er. Ich wartete vergebens auf die Frage, ob mir dieser Auftrag und insbesondere die Reise auch Recht sei. Er setzte einfach voraus, dass ich ohnehin nichts besseres vorhatte und damit hatte er leider Recht, da es in meinem Privatleben gerade besonders trist aussah. „Okay, also dann eine Hochzeit in Abu Dhabi,“ dachte ich.

Gehört hatte ich den Namen schon ein paar Mal. Mein Vater und mein Bruder guckten leidenschaftlich gerne Formel 1, wenn mein Bruder übers Wochenende zu meinen Eltern kam, um seine schmutzige Wäsche bei meiner Mutter abzuladen und sonntags wieder frisch gewaschen und gebügelt mitzunehmen. Ein klassisches Männerprivileg. Die armen Kreaturen sind ja nicht in der Lage eine Waschmaschine und ein Bügeleisen zu bedienen. Auf jeden Fall wusste ich daher, dass seit ein paar Jahren eines dieser Rennen in Abu Dhabi stattfand. Aber damit endete mein Wissen auch schon.

Weil ich diese Wissenslücke vor meinem Chef selbstverständlich nicht zugeben wollte, da wir ja quasi Türkei- und Arabien-Experten waren – er war dies tatsächlich – setzte ich mich abends nach der Arbeit an meinen Laptop und begann etwas zu recherchieren. Ich musste ja schließlich wissen, was mich in diesem fernen Land erwartete - ob ich dort als Frau Auto fahren durfte, ob ich mich komplett verschleiern musste, welche Verhaltensregeln es ganz allgemein gab. Erste wichtige Information: Abu Dhabi ist kein eigenes Land, sondern die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich, das größte der sieben Emirate.

Ich lass über Scheich Zayed, den Vater der Nation, über unglaubliches Wirtschaftswachstum in den letzten 30 Jahren und den damit verbundenen Reichtum der Einheimischen, über deren Leidenschaft für die edelsten aller Pferde, die Araber, sowie für Falken und die Falkenjagd. Ich sah Bilder von unendlichen Weiten, nur ein paar Sandhügel, goldschimmernd in der gleißenden Sonne, von unglaublichen Bauwerken, einerseits modern aber doch aus einer anderen Welt. Als ich mich mit brennenden Augen müde ins Bett legte, zeigte mein Wecker schon 1.30 Uhr an. Hatte ich mich so lange mit dem Thema Abu Dhabi beschäftigt? Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Ich war begeistert und fasziniert von dieser anderen Welt, die nur 6,5 Flugstunden von Deutschland entfernt war und doch viel weiter weg schien.

In dieser Nacht träumte ich von einem arabischen Prinzen und einer arabischen Prinzessin, von der Wüste, von wunderschönen schwarzen Araber-Pferden und einer Traumhochzeit in einem der goldenen Paläste, die ich auf der Tourismus-Website der Vereinigten Arabischen Emirate auf Bildern gesehen hatte. Und ich durfte diese märchenhaft erscheinende Welt in Bildern festhalten. Als mein Wecker am nächsten Morgen nach nur 5,5 Stunden klingelte fühlte ich mich ausgeschlafen und erholt – als ob ich einen Kurzurlaub in eine andere Welt hinter mir hätte.

Von diesem Moment an wuchs meine Vorfreude von Tag zu Tag und ich konnte unsere Abreise kaum noch erwarten.

Kapitel 2

Endlich war es soweit. Am 5. April war ich schon lange wach als mein Handywecker sich um 5.30 Uhr meldete. Hatte ich überhaupt geschlafen? Ich war schon beim Ins-Bett-Gehen so aufgeregt gewesen, dass an Schlaf eigentlich gar nicht zu denken war. Der Gedanke an die bevorstehende Reise ins Ungewisse hielt mich wach und ich versuchte mir auszumalen, was mich in Abu Dhabi erwarten würde.

Ich habe Europa bisher noch nie verlassen. Mit meinen Eltern haben wir Kinder meistens Urlaub in Italien – per Autoreise an den Gardasee und dort Unterbringung in einer Ferienwohnung – oder mal ganz exotisch in einem 4-Sterne-Hotel in Griechenland gemacht – dies tatsächlich per Flugreise. Seit ich selber mein Geld verdiene und somit auch selber für die Reisekosten aufkommen müsste, herrscht bei mir ohnehin Urlaubsflaute. Nur einmal – vor zwei Jahren – hatte mich meine Schwester zu einem Wellness-Wochenende an der Ostsee überredet. Ansonsten habe ich – wenn überhaupt – den Landkreis nur beruflich verlassen. Ich würde mich also nicht gerade als Frequent Traveler bezeichnen. Und selbst meine wenigen Auslandsbesuche waren kaum mit meiner Reise nach Arabien zu vergleichen.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass selbst meine kühnsten Vorstellungen weit hinter dem zurückbleiben würden, was mich in den nächsten Tagen erwarten sollte.

Das große Abenteuer begann bereits am Flughafen. Schon aus der Ferne konnte ich am Check-In Schalter eine ewig lange Schlange erkennen. Da ich dank meiner Trödelei im Badezimmer - morgens bin ich immer etwas langsamer unterwegs - keine Zeit mehr für ein Frühstück gehabt hatte, sah ich schon meine Gelegenheit, noch einen kleinen Zwischenstopp bei Starbucks einzulegen, schwinden.

Mein Magen knurrte und ich wohl auch, denn mein Chef sah mich überrascht an. Die Kombination von Hunger und Müdigkeit trugen nicht gerade zu meiner guten Laune bei und ich sagte seufzend: „Das wird wohl ewig dauern mit dem einchecken.“ Er grinste nur und meinte: „Ja, für die Leute in der Holzfällerklasse bestimmt. Gut, dass uns unser Kunde netterweise mit Business-Class-Flügen bedacht hat.“

Business-Class? So eine richtige Vorstellung davon hatte ich nicht. Aber aus der übertrieben guten Laune meinen Chefs schloss ich, dass uns etwas Gutes erwartete und ich wurde nicht enttäuscht. Der Check-In war im Handumdrehen erledigt. Alles überhaupt kein Problem. Zu Starbucks wollte mich mein Chef aber trotzdem nicht gehen lassen. Ich solle doch lieber die Lounge abwarten, meinte er. Na gut. Wir machten uns also auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle und folgten danach der Beschilderung zu den Business Lounges. Dort angekommen, musste ich meinem Chef Recht geben. Starbucks wäre eine Verschwendung gewesen. In der Lounge erwartete uns neben super freundlichen Servicekräften und gemütlichen Sesseln und Couches ein reichhaltiges Frühstücks- bzw. Brunchbuffet und eine Theke mit einer riesigen Auswahl von kalten und warmen Getränken. Und da war sie wieder, meine gute Laune. Guten Morgen, Linda! So lasse ich mir eine Reise gefallen.

Während ich noch die Auswahl sondierte und überlegte was ich mir holen sollte, hatte mein Chef schon die Initiative ergriffen und – natürlich wieder ohne mich zu fragen – zwei Gläser Champagner bestellt. Aber darüber konnte ich in diesem Fall gelassen hinwegsehen. Sonst gönnte ich mir immer nur den Standard-Prosecco von Aldi und wenn es bei meiner Familie einen besonderen Anlass zum Anstoßen gab, dann durfte es auch schon einmal der Aldi-Cremant sein. Champagner hingegen habe ich noch nie zu Hause gesehen und schon gar nicht probiert. So stieß ich an diesem Morgen also noch vor 9 Uhr mit meinem ersten Glas Champagner mit meinem Chef auf eine interessante und erfolgreiche Woche an und fühlte mich dabei unglaublich weltmännisch.

Der Champagner prickelte so schön. Erst im Mund, dann in meinem Bauch. Es wurde alles ein bisschen wärmer und schöner an diesem eigentlich sehr kühlen und grauen Aprilmorgen und ich merkte, wie meine Anspannung – Schluck für Schluck – nachließ und einer großen Vorfreude wich. Egal was uns erwarten sollte, es würde grandios werden und wir würden grandiose Fotos machen.

Als wir unsere Gläser gerade geleert hatten, wurde unser Flug schon aufgerufen und wir machten uns auf den Weg zum Flugzeug, wo wir in den gemütlichen und geräumigen Business-Class-Sitzen Platz nahmen. Wahnsinn! Kein Vergleich zu den Ferienfliegern, die ich von früheren Reisen kannte. Wir waren umringt von purem Luxus und von Leuten, für die dies offenbar alltäglich war. In allen möglichen Sprachen bestellten sie ganz selbstverständlich bei den Flugbegleiterinnen Getränke, Extra-Decken, Jogginganzüge und gaben ihre Essenspräferenzen an.

Um nicht offensichtlich herauszustechen – was ich wahrscheinlich dank meiner weißen Haut, meinen hellblonden Haaren und wohl insbesondere dank meiner Nicht-Markenkleidung dennoch tat – bestellte ich noch ein weiteres Gläschen Champagner und leerte dieses bevor wir das Rollfeld verlassen hatten. „Da ist wohl jemand auf den Geschmack gekommen.“ kommentierte mein Chef dies augenzwinkernd und stürzte sein Glas ebenfalls hinunter.

Auch er schien sich langsam zu entspannen und streckte mir die Hand entgegen: „Das ist wohl langsam überfällig. Ich bin der Roland. In den nächsten Tagen werden wir uns wohl ohnehin überwiegend auf Englisch unterhalten und beim Vornamen ansprechen. Dann können wir es jetzt auch gleich offiziell machen.“ Ich nahm seine Hand, stellte mich – obwohl er meinen Namen natürlich kannte – als Linda vor und und lehnte mich danach zufrieden in meinem Sitz zurück.

Seit Jahren musste ich mich ständig bei allen möglichen Leuten dafür rechtfertigen, dass mein Chef und ich immer noch „per Sie“ miteinander waren. Meine Schwester fragte in regelmäßigen Abständen nach, ob wir uns nun endlich duzen würden und wenn ich dann verneinen musste, fragte sie immer ganz mitleidig: „ Meinst du er kann dich nicht leiden und arbeitet nur mir dir zusammen weil du eine Frau bist, und so, mhhh, wie du halt bist?“ Na dankeschön.

Ich weiß, dass meine Schwester dies nie böse meinte. Sie machte sich ernsthafte Gedanken darüber, weil es auf der ganzen Welt – jedenfalls in ihrer kleinen glücklichen Welt – fast niemanden gab den sie nicht duzte. Ich freute mich jetzt schon darauf ihr von diesem historischen Ereignis zu berichten.

Dankenswerterweise wurde ziemlich bald ein üppiges Frühstück serviert, denn der Champagner hatte seine Spuren hinterlassen und mir war schon leicht schwindelig geworden. Nach dem Frühstück brachte ich meinen Sitz in die Schlafposition – unglaublich, dieser Flugzeugsitz war tatsächlich gemütlicher als meine Schlafcouch – und gab meiner Müdigkeit nach. Als ich aufwachte, waren wir schon fast im Landeanflug auf Abu Dhabi. Es war dunkel draußen, deshalb konnte ich außer einem Lichtermeer am Boden nicht viel erkennen. Der perfekte Flug endete mit einer perfekten, weichen Landung und als wir aus dem Flugzeug ausstiegen, strömte uns angenehm warme und trockene Luft entgegen. Sommerluft im April – ich liebte dieses Land auf Anhieb.

In der Ankunftshalle war es laut und voll. Es warteten viele Männer mit Schildern, auf denen die Namen von ankommenden Passagieren standen, um diese abzuholen und zu ihrem Hotel zu bringen. Auch unsere Namen fanden wir auf einem der Schilder, gehalten von einem schlanken, dunkelhäutigen Mann im schwarzen Anzug.