Liebe und Schicksal im Königshaus: Die große Adelsroman-Saga: 1000 Seiten Romance - Earl Warren - E-Book

Liebe und Schicksal im Königshaus: Die große Adelsroman-Saga: 1000 Seiten Romance E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

König Erik von Norland feiert in Kürze sein 50jähriges Thronjubiläum. Die adlige Familie Bentwaldt will das gebührend feiern. Aber im Vorfeld zeichnen sich Besorgnis erregende Ereignisse ab. Zum einen meldet sich plötzlich ein angeblicher Sohn von König Eriks älterem und seit vielen Jahren in Südamerika verschollenem Bruder Johann. König Erik muss befürchten, dass dieser vermeintliche Neffe ihm den Thron streitig machen wird. Aber das ist nicht die einzige schockierende Neuigkeit. Denn König Eriks Enkelin Natalie erfährt, dass der Mann, den sie für ihren leiblichen Vater gehalten hat, gar nicht ihr Vater ist. Ein Skandal jagt den nächsten - und schwere Zeiten drohen dem Königshaus Norland.

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Seitenzahl: 1274

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Liebe und Schicksal im Königshaus: Die große Adelsroman-Saga: 1000 Seiten Romance

Earl Warren

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2017.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Königshaus Norland | Liebe, Adel & Intrigen | Band 1 | Skandal im Königsschloss | von Earl Warren

KÖNIGSHAUS NORLAND | Band 2 | Der Prinz ihres Herzens | Ein Roman von Earl Warren

Königshaus Norland | Band 3 | Prinzessin Jennifers große Liebe | Ein Roman von Earl Warren

Königshaus Norland | Band 4 | König Eriks Hochzeit | Ein Roman von Earl Warren

KÖNIGSHAUS NORLAND | Band 5 | Damatische Stunden für Prinzessin Ines | Ein Roman von Earl Warren

KÖNIGSHAUS NORLAND | Band 6 | Königliche Kreuzfahrt | Ein Roman um Liebe, Adel und Intrigen | von Earl Warren

KÖNIGSHAUS NORLAND | Band 7 | Der Lord und die Stripperin | Ein Roman von Earl Warren

Königshaus Norland | Band 8 | Die Grand Prix - Prinzessin | Ein Roman von Earl Warren

KÖNIGSHAUS NORLAND | Band 9 | Wiedersehen in Kenia | Ein Roman von Earl Warren

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About the Publisher

Königshaus Norland

Liebe, Adel & Intrigen

Band 1

Skandal im Königsschloss

von Earl Warren

––––––––

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Titelbild: Firuz Askin, 2016

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

––––––––

König Erik von Norland feiert in Kürze sein 50jähriges Thronjubiläum. Die adlige Familie Bentwaldt will das gebührend feiern. Aber im Vorfeld zeichnen sich Besorgnis erregende Ereignisse ab. Zum einen meldet sich plötzlich ein angeblicher Sohn von König Eriks älterem und seit vielen Jahren in Südamerika verschollenem Bruder Johann. König Erik muss befürchten, dass dieser vermeintliche Neffe ihm den Thron streitig machen wird.

Aber das ist nicht die einzige schockierende Neuigkeit. Denn König Eriks Enkelin Natalie erfährt, dass der Mann, den sie für ihren leiblichen Vater gehalten hat, gar nicht ihr Vater ist. Ein Skandal jagt den nächsten – und schwere Zeiten drohen dem Königshaus Norland.

––––––––

Das Königshaus Bentwaldt war eine der ältesten Monarchien Europas. Es regierte im Norden, in Norland, einem Küstenstaat, der früher Überseekolonien gehabt und in der Weltgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Diese hatte zwar etwas nachgelassen, aber auf Norland und auf die Königsfamilie schauten noch immer die Augen der Welt.

König Erik von Norland hatte vor kurzem seinem 74. Geburtstag gefeiert. Völlig gesund war er schon lange nicht mehr. Der tragische Tod seiner geliebten Gattin vor drei Jahren hatte seinem ohnehin schon angegriffenen Herzen einen schweren Schlag versetzt.

Eine Bypass-Operation zögerte er noch hinaus. Wer ihm einmal als Monarch nachfolgen würde, war noch ungewiss. Seine beiden Kinder René und Jennifer waren anders geraten, als er sich das vorgestellt hatte, und die Eskapaden zwei seiner vier Enkel bereiteten ihm ebenfalls einige Sorgen.

Seine Gattin konnte ihm keine Stütze mehr sein. Mit der Regierung von Norland und den früheren Kolonien hatte er zwar nur noch nominell zu tun, da es einen Premierminister und ein Parlament gab und diese über die Geschicke des Landes bestimmten.

Doch König Erik war sozusagen die Integrationsfigur. Die Regierungen wechselten, im Parteienzank und –hader gingen viele zugrunde. Aber das Haus Bentwaldt regierte seit fast 200 Jahren in ungebrochener Linie, und das Königreich Norland und Groß-Norland, wie es früher geheißen hatte, gab es seit über 800 Jahren.

Damals hatte Robert der Starke die Nordmänner unterworfen, die vor ihm hier waren, und sein Reich begründet, das trotz vieler Änderungen und Wirren noch immer bestand. Eine stolze Vergangenheit, dachte der alte König, als er durch die Gänge des Stammschlosses Bentwaldt Palace in der norländischen Hauptstadt Tjellborg am Tjoll-Fluss unweit des Fjell-Fjords an der Westküste von Norland schlurfte.

Der König war im flauschigen Hausmantel. Es fror ihn nicht, obwohl es kühl war in den Gängen des 320-Zimmer-Schlosses , das drei Stockwerke und Seitenflügel hatte. Es war drei Uhr morgens, und König Erik konnte wieder einmal nicht schlafen.

Er dachte an René, der 48 Jahre alt und der Kronprinz von Norland war. Mit seiner Gattin, der schönen und mondänen Desiré führte der als eigenbrödlerisch verschriene Thronerbe, der er hätte sein sollen, nicht gerade eine Musterehe. René lebte lieber zurückgezogen, obwohl er seine Pflichten erfüllte, und war ein engagierter Natur- und Tierschützer.

Als Tierfotograf hatte er sich einen Namen gemacht. Sein Liebstes war es, in einer Blockhütte in den Bergen im Landesinnern zu wohnen, mutterseelenallein oder mit gleichgesinnten Freunden, und mit der Kamera umherzustreifen und Bären, Rentiere, Dachse, Marder und dergleichen zu fotografieren.

Desiré hingegen liebte es, in der Gesellschaft zu strahlen und zu glänzen. In ihrem Schloss Gennard im Landesinnern gab sie oft glänzende Parties. Sie tummelte sich gern auf Wohltätigkeitsveranstaltungen und Galas. Das Filmfestival, das alle zwei Jahre stattfand, war ihr ein Hochgenuss. Sie setzte alles daran, dass es jährlich sein sollte, was jedoch König Erik, der den Rummel nicht mochte, bisher ablehnte.

Der Glanz und Glamour der internationalen Stars, die dann in Norland anreisten, fiel natürlich auf das Land zurück und bedeutete Publicity. Doch der alte König meinte, man wäre in Norland 780 Jahre ohne derlei Schnickschnack und Neureiche ausgekommen, da müsste es nicht übertrieben werden.

Er war konservativ.

Der 48jährige Kronprinz René und seine nach wie vor bildschöne 44 Jahre alte Gattin hatten drei Kinder – Bernt, 24, einen lebenslustigen Draufgänger, der zur Zeit als Leutnant bei der Norländischen Marine diente, den 22jährigen Prinzen John, der wie ebenfalls bereits durch Skandale und einen lockeren Lebenswandel heftig aufgefallen war, und Prinzessin Alexa, 18 Jahre, das Nesthäkchen.

Sie verhielt sich bisher noch sehr ruhig – zu ruhig, argwöhnte König Erik, den stille Wasser waren oft tief.

Seine und seiner tödlich verunglückten Gattin Andrea Tochter Jennifer war nun 38. Sie hatte aus einer geschiedenen Ehe eine Tochter – Natalie, 20, von der noch die Rede sein wird. Prinzessin Jennifer von Norland war ein Kapitel für sich. Die Hochtief-Prinzessin nannten sie manche Gazetten spöttisch, da sie auch tauchen konnte, einen Pilotenschein hatte und Berge bestieg – also auch in die Höhe und in die Tiefe ging. Auch die Rasende oder die Rennsport-Prinzessin wurde sie genannt. Die Medien berichteten gern über sie. Sie trat manchmal in Talkshows auf, viel zu grell geschminkt, wie ihr Vater fand.

Sie raste gern zu Land und zu Wasser – mit Offshore-Motorbooten und mit Formel-Eins-Boliden. Am Nanga Parbat war sie gewesen – die Medien schrieben ihr eine Affäre mit einem berühmten Bergsteiger zu, einem Hochgebirgs-Freak, der mehrere Bücher geschrieben hatte und immer noch Vortragstouren unternahm, wenn er nicht gerade seiner alpinen Leidenschaft frönte.

Der Bergsteiger war Norländer – Sigurd Haakonnen hieß er. Ein Recke von Gestalt, bärtig, urwüchsig, fünf Jahre jünger als Prinzessin Jennifer. In ihrem Schloss ging er aus und ein. Er und die ruhelose geschiedene und ledige Prinzessin waren verwandte Geister.

Man musste sich fragen, wo sie die Energie hernahm. König Erik fühlte sich in ihrer Nähe immer etwas unwohl, weil sie ein so unruhiger Geist war. Selbst ihn hätte sie auf seine alten Tage noch gern mit ins Hochgebirge oder in einem Bathyskapen in die Tiefsee mitgenommen, was er jedoch strikt ablehnte.

Ausgefallene Expeditionen hatte die extrem sportliche und wagemutige Prinzessin auch schon unternommen.

Mehr als Prinzessin Jennifers Rastlosigkeit und ihre Neigung zu dem Himalaja-Bezwinger Sigurd Haakonnen berunruhigte den König ihr Faible für Motorboot-Champions und Formel-Eins-Asse. Es kursierten allerlei Gerüchte. Einmal im Jahr beim Großen Preis von Norland hielt sich Prinzessin Jennifer beinahe mehr im Fahrerlager als sonst wo auf.

Auf ihrem Landsitz empfing sie zudem die Spitzensportler zu persönlichen Audienzen. Ein südamerikaner Formel-I-Champion hatte sie unfein als Großen Preis von Norland bezeichnet, als Wanderpokal. Daraufhin war König Erik, der sich fürchterlich aufregte, aus der Haut gefahren.

Der sonst so ruhige Monarch hatte dem Südamerikaner Landesverbot erteilt, wogegen sich wiederum das Parlament sträubte. Das Internationale Gremium, die Veranstalter der Formel-I-Rennen, erwog, Norland von der Liste der Länder zu streichen, die Formel-I-Rennen ausrichteten. Es gab einen Eklat.

Der uncharmante Argentinier verunglückte dann in Monza tödlich, was tragisch, für Norland jedoch ein Glück war. König Erik war nämlich nicht bereit gewesen, nachzugeben. Er drohte mit Rücktritt und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Konsequenzen, und er konnte den Staatshaushalt und das politische Geschehen erheblich stören.

Die früheren Kolonien waren längst selbständig. Doch er war noch immer der Herrscher, der sich nun anschickte, im kommenden Jahre sein 50jähriges Thronjubiläum zu feiern. Mit 24 hatte er den Thron von Norland bestiegen, seiner Mutter folgend, die sich nach dem frühen Tod seines Vaters nach nur dreijähriger Regentschaft von den Belastungen und Aufgaben überfordert fühlte, die die Krone von Norland mit sich brachte.

Eigentlich war Eriks zwei Jahre älterer Bruder Johann als Thronfolger vorgesehen gewesen. Doch dieser war bei einer Amazonas-Expedition spurlos verschwunden. Das war damals eine Weltsensation gewesen. Ausgedehnte und gründliche Suchaktionen hatten stattgefunden. Der norländische Thronfolger war jedoch nicht entdeckt worden, nicht einmal eine Spur von ihm.

Die Aufregungen um sein Verschwinden hatten die Nerven seiner königlichen Mutter völlig ruiniert.Nach drei Nervenzusammenbrüchen war die alte Königin dann zurückgetreten. Sie lebte schon lange nicht mehr.

Doch noch auf dem Sterbebett hatte sie zu Erik gesagt, der damals schon lange König war: „Johann lebt, jetzt, im Angesicht des Todes, weiß ich es ganz gewiss. Eines Tages wirst du ihn vor dir sehen.“

Kurz danach war sie gestorben. König Erik, 34 damals, waren ihre Worte noch lange im Kopf herumgegangen.

Es gab eine Alte Dame und Grand Lady im Schloss - die Mutter von König Eriks verstorbener Gattin Andrea. Das war die alte Lady Deanna, 95 inzwischen, ein Urgestein. Sie wohnte mit ihren sieben Pudeln in einen Seitenflügel des Palasts.

Ihre ausgefallenen, riesigen Hüte waren genauso bekannt wie ihre Bonmots, die teils von einer Schärfe waren, dass sie den Atem verschlugen. Die Königsschwiegermutter, wie sie genannt wurde, residierte noch jedes Jahr beim Pferderennen in Peristard, der exklusivsten Rennbahn des Königreichs. Dort saß sie unverkennbar auf der königlichen Tribüne und trotzte, unter einem Schutzdach allerdings, Wind und Wetter.

Manchmal allerdings hatte sie in den letzten Jahren geistige Aussetzer. Dann verwechselte sie die Namen und sprach ihren Schwiegersohn mit dem seines Vaters an. Oder sie brachte Politiker und das Zeitgeschehen durcheinander. Sie war eine begabte Hobbymalerin und sehr eigen.

Prinzessin Jennifers Tochter, das vierte Enkelkind König Eriks, war die zwanzigjährige, schöne Natalie. Sie galt als fleißig und strebsam und hatte sich bisher keine Eskapaden zuschulden kommen lassen, wofür die zwei männlichen Enkel zuständig zu sein scheinen. Natalie wollte ihren Magister of Economics machen und absoliverte derzeit bei einer Londoner Großbank ein Praktikum.

Danach hatte sie vor nach Harvard zu gehen, in die USA, um dort ihr Examen zu machen. König Erik war sich ausnahmsweise mit ihrer Mutter, seiner Tochter Jennifer, einig gewesen, dass sie in die Berufspraxis hineinschnuppern sollte, ehe sie noch jahrelang studierte.

„Der Campus ist nicht die Welt“, pflegte König Erik zu sagen.

Er selbst hatte vor vielen Jahren Wirtschaftswissenschaften und Geschichte studiert, war jedoch bei dem ersteren Fach nicht der Begabteste aller Studenten gewesen, wie er zugab. Sein Verhältnis zu seiner Tochter Jennifer war gestört.

Als sie mit 18 ein Kind erwartete, hatte er sie, was er aus heutiger Sicht nicht mehr getan hätte, gezwungen, eine standesgemäße Ehe zu schließen. Eine Schwangerschaftsunterbrechung war undenkbar gewesen. Eine Ehe mit dem Kindesvater auch. So wussten nur wenige Eingeweihte, dass der Graf Rolf von Olpe, den Prinzessin Jennifer dann heiratete und der sich zu der Vaterschaft bekannte, nicht Natalies wirklicher Vater war.

Auch Natalie selbst wusste das nicht. Sie hatte jedoch kein sehr herzliches Verhältnis zu ihrem vermeintlichen Vater, dem sie sich immer fremd gefühlt hatte. Rolf von Olpe, ein steifer, ständig lächelnder Mann hatte ihr keine Zuneigung entgegenbringen können.

Er war mittlerweile längst von Prinzessin Jennifer geschieden, oder sie von ihm, was ihm nur Recht war. Er hatte die Ehe durchaus aus Kalkül geschlossen. Für ihn ging die Rechnung auf, sie brachte ihm die Vorteile, die er sich erhoffte, auch als sie dann scheiterte. Seiner Ex-Frau und der Tochter, die nicht die seine war, fühlte er sich nicht verpflichtet.

Er hatte beider Herz nicht gewinnen können.

*

Die Geister der Vergangenheit suchten den König heim, als er schlaflos durch die Palastgänge wanderte.

Erik von Norland hatte einen Bruder gehabt – Johann, zwei Jahre älter als er. Eigentlich hatte dieser den Thron von Norland besteigen sollen. Jedoch vor knapp 50 Jahren war er bei einer Expedition im Amazonasgebiet spurlos verschwunden und mittlerweile für tot erklärt worden. Der Thronfolger Johann war ein Abenteurer gewesen, zudem ein Forscher, naturwissenschaftlich interessiert. Bei der Forschungsexpedition hatte man im Quellgebiet des Amazonas seltene Tiere und Pflanzen katalogisieren wollen.

Außerdem sollte der weiße Jaguar gesucht werden, über den es Gerüchte gab, und eine vorzeitliche Stadt im Dschungel, die es angeblich geben sollte. Der damalige Prinz Erik hatte die Gerüchte für Unsinn gehalten, Ammenmärchen, seinen Bruder jedoch nicht von der unheilvollen Expedition abhalten können.

Dann war Johann am Rio Negro verschwunden. Weshalb er das Lager verließ, ob ihn eine seltene Orchidee verlockte, die er sah, oder aus welchem Grund erfuhr man nie. Auch nicht, ob er Indios mit giftigen Blasrohrpfeilen zum Opfer fiel, die seine Leiche mitschleppten, um seinen Kopf in einen Schrumpfkopf zu verwandeln. Oder ob Jaguare ihn fraßen, ob er in einem Sumpfloch verschwand oder im Bauch einer Anakonda endete.

Es war nie herausgekommen. An seiner Stelle wurde Erik König von Norland, was eine umständliche Prozedur gewesen war und sogar Gerüchte verursacht hatte. Johann hätte normalerweise erst für tot erklärt sein müssen, gestorben, oder er hätte auf die Thronfolge verzichten müssen, um für seinen jüngeren Bruder den Platz frei zu machen.

Das erstere jedoch hätte eine jahrelange Wartezeit erfordert, die beiden anderen Möglichkeiten fielen aus. Deshalb war Erik zunächst Interimskönig geworden, eine Zwischenlösung, der der Thronrat zustimmte, der aus Adligen und Notabeln von Norland bestand. Johanns Witwe, mit der er eine kinderlose Ehe geführt hatte, hatte längst wieder geheiratet – einen italienischen Marchese Grafen. Auch Edith di Montefioris zweite Ehe, wie sie jetzt hieß, blieb kinderlos. Manchmal besuchte sie noch das Königliche Schloss bei Tjellborg, der Hauptstadt Norlands, die als Großraum 1,2 Millionen Einwohner hatte.

Das Schloss, in dem sie Köngin hatte werden sollen.

Bei diesen Besuchen sagte sie jeweils zu König Erik: „Mein Gefühl sagt mir, dass Johann noch lebt. Der Amazonas-Dschungel hat viele Geheimnisse. Leider setzte dieses Gefühl erst ein, als ich meine zweite Ehe bereits geschlossen hatte. Giovanni lässt mich nichts vermissen. Doch er ist ein ganz anderer Mensch als Johann, der meine große Liebe war.“

„Was würdest du tun, wenn Johann plötzlich wieder auftauchte?“, fragte König Erik bei einem solchen Gespräch einmal scherzhaft.

„Dann hätten wir alle beide erhebliche Probleme.“

Daraufhin hatte König Erik geschwiegen. Denn das hätte die ganze Monarchie umgestürzt oder in erhebliche Turbulenzen versetzt, wäre es jemals der Fall gewesen. Denn Johann hätte sich auf sein Erstgeburtsrecht berufen und verlangen können, den Thron zu besteigen. Ob er damit durchgekommen wäre, stand auf einem anderen Blatt.

Verschiedentlich waren Schwindler aufgetaucht, die angaben, Johann von Norland zu sein. Doch seit dem Auftreten des Letzten davon waren über zwanzig Jahre vergangen. Die Hochstapler hatten für Wirbel gesorgt, waren jedoch entlarvt worden.

Eine turbulente und umtriebige Familie sind wir Bentwaldts, dachte der alte König, als er durch die Gänge seines Palasts wanderte. Lang genug dazu waren sie. Der König stützte sich auf einen Stock aus Edelholz mit silbernem Knauf.

Er dachte an Johann.

Er spürte sein Herz. Ich muss zu Professor Morgand, dachte er, das war sein Herzspezialist, den er jeweils aus der Schweiz einfliegen ließ oder ihn dort in seiner Privatklinik aufsuchte, wenn er ihn brauchte. Gern hätte Erik von Morland die Krone abgeben, doch an wen?

Sein Sohn, der ihm zwar nie widersprochen hatte, den er jedoch für verschroben hielt, war beim Volk nicht besonders beliebt. Den Naturschutzprinzen, wie sie ihn nannten, oder den Moorprinzen, weil er sich oft in den Hochmooren von Norland aufhielt, wollten die Norländer nicht auf dem Thron. Prinzessin Jennifer kam schon gar nicht in Frage. Zumal sie keinen standesgemäßen Gatten vorweisen konnte.

Die nächste Generation – da musste man abwarten, was sich da noch entwickelte, und es war schon einiges passiert und kündigte sich noch mehr an. Eine Weile werde ich noch auf dem Thron von Norland ausharren müssen, dachte der alte König. Das 50jährige Thronjubiläum im nächsten Jahr muss ich schaffen.

In demselben Jahren würde zudem das 200 jährige Regierungsjubiläum des Hauses Bentwaldt sein. Das musste man unbedingt standesgemäß bewältigen, um die Monarchie zu festigen, und auch zum Wohle von Norland. Nur wenige Monate waren es bis dahin nicht. Die Zeit verflog rasch.

König Eriks Hauptanliegen in der Zeit, die ihm noch blieb, war, seine Monarchie zu festigen und einen würdigen Nachfolger oder eine würdige Nachfolgerin zu finden. Das würde nicht leicht sein. Leider stand ihm seine Gattin nicht mehr zur Seite. Vor drei Jahren war sie bei einem Flugzeugabsturz, einer Bruchlandung eigentlich, auf einem Acker ums Leben gekommen.

Wegen eines technischen Fehlers war der achtsitzige Lear-Jet abgestürzt. Der Pilot konnte ihn noch abfangen, so dass er nicht am Boden zerbarst und in einem Feuerball explodierte. Doch in die Lunge Königin Andrea von Norlands bohrte sich eine Rippe, was sie umbrachte.

Die Lunge kollabierte, die Königin erstickte. Der Pilot hatte nur Kratzer und Schrammen erlitten, war jedoch eingeklemmt und konnte ihr nicht helfen. Als sie geborgen wurden, war es zu spät.

Das Flugzeug hatte nur die zwei Insassen gehabt.

Der verzweifelte Pilot berichtete später König Erik, die letzten Gedanken und Worte seiner Gattin, die 66 Jahre alt geworden war, hätten ihm gegolten.

„Sagen Sie Erik, dass ich ihn immer geliebt habe, dass er der König bleiben und seine Aufgabe erfüllen soll“, hatte die Sterbende dem Piloten zugeröchelt. „Sagen Sie ihm...“

Auf Norländisch hatte sie „Ich liebe dich ewig, mein Herz. Über den Tod hinaus werde ich bei dir sein“ zugeflüstert. Eine sehr intime Botschaft, die der Pilot unter Tränen unter vier Augen dem König überbrachte.

„Ich habe versagt“, hatte er dann gestöhnt. „Ich will nicht mehr leben. Ich bin schuld an dem Tod von Königin Andrea.“

Erik von Norland erinnerte sich daran, als ob es gestern gewesen sei. Er hatte dem Mann, der sich ihm zu Füßen warf, aufgehoben, obwohl er selber gebrochen und voller Schmerz war.

„Fassen Sie sich“, hatte er zu ihm gesagt. „Es ist ein Unfall gewesen. Niemand wirft Ihnen etwas vor.“

„Aber – die Königin ist tot, und ich lebe.“

„Es ist Gottes Wille!“

Daran dachte der König auch jetzt, als er den Königssaal im Hauptflügel betrat. Hierher kam er mitunter des Nachts, wenn er nicht schlafen konnte. Im Lampenlicht betrachtete er sich dann die Bilder früherer Herrscher und Herrscherinnen von Norland und von Mitgliedern der verschiedenen Herrscherhäuser. Jahrhunderte schauten dann auf ihn herab. Im dämmrigen Königssaal fühlte der König sich jeweils beruhigt.

Dann setzte er sich hin, so auch jetzt, stützte die Hände auf seinen Stock und schaute die Bilder der früheren Könige und Königinnen von Norland an. Er überlegte sich, welche Schwierigkeiten, Fährnisse und Wirren sie in ihrem Leben hatten erfahren und bewältigen müssen, welche Rückschläge und Krisen.

Natürlich auch Freud und Leid. Während des furchtbaren 30 jährigen Krieges hatten die Herrscher und eine Herrscherin von Norland, die damals nicht dem Haus Bentwaldt entstammten, die Geschicke des Landes und ihrer Untertanen gelenkt und gesteuert. Durchs von der Kriegsfurie heimgesuchte Europa waren ihre Heere gezogen, von einem Herrscher geführt, der dann auf dem Schlachtfeld fiel.

Nach diesem furchtbaren Krieg hatten die Norländer sich lieber aus solchen Auseinandersetzungen herausgehalten. Manchmal jedoch waren sie nicht zu vermeiden gewesen. König Erik schaute auf das Gemälde, das Katharina von Norland zeigte, die auch Katharina die Große – von Norland – genannt worden war.

Etwa zur Zeit Friedrichs des Großen, des stolzen und unerschütterlichen Preußenkönigs, war sie eine bedeutende Herrscherin gewesen. Mit dem Alten Fritz hatte sie zeitweise in kriegerischer Fehde gelegen und ihm zähneknirschend eine Insel in der Ostsee abtreten müssen, was sie ihm nie vergessen hatte.

„Man soll ihm eine Handvoll Sand von unserer Insel Asgard in den Mund stopfen“, hatte sie gesagt, als sie die Nachricht vom Tod des Großen Friedrichs erhielt. „Damit sein Hunger danach endlich gestillt ist.“

König Erik verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln, als er daran dachte. Die stolze und stattliche Katharina hatte zwar Frieden schließen und vergeben, doch nicht vergessen können.

Der alte König nickte ein wenig ein. Der Allerjüngste war er schließlich nicht mehr. Schritte weckten ihn auf. Er fuhr zusammen.

Ein livrierter Diener, vollständig angezogen, mit moderner Frisur selbstredend, eilte herbei, gefolgt von dem großgewachsenen, beleibten Kronrats-Vorsitzenden Olav Mettlund. Mettlund, Anfang Fünfzig, ein sogenannter Freier Baron, also nicht ursprünglich einmal vom König ernannt, hatte die Nachfolge seines Vaters angetreten, der vor ihm der Kronrats-Vorsitzende gewesen war.

Er war ein enger Vertrauter des Königs, zudem in die Verwaltung des Vermögens des Hauses Bentwaldt und dessen Geschäfte involviert, die aus Grundstücken, Jagd- und Pachtrechten, Fischereirechten, Reedereien, einer Bank und vielem anderen bestanden.

Olav Mettlund trug dunkle Kleidung. Es war Spätherbst. Der grauhaarige Kronrat und Königliche Rat mit der spiegelnden Glatze verbeugte sich.

„Hoheit, wir haben Sie gesucht.“

„Weshalb?“, fragte König Erik. Und ergänzte sofort: „Sind es gute Neuigkeiten oder schlechte, die Sie mir bringen, Olav?“

„Das weiß ich noch nicht. Ein Telegramm und eine E-Mail aus Buenos Aires sind eingetroffen.“

„Mitten in der Nacht?“

„Es kam schon vor einer Stunde. In Buenos Aires ist es jetzt 23.30 Uhr Ortszeit.“

„Immer noch spät.“

„Jemand hat es anscheinend nicht abwarten können. Wegen des Eiltelegramms wurde ich aus dem Bett geholt.“

Mettlund wohnte nicht im Schloss. Er hatte eine luxuriöse Villa im Villen- und Prominentenviertel von Tjellborg. Er musste sofort zum Schloss gefahren sein, das im Westen der Hauptstadt stand und vom mehrere Hektar großen Königlichen Park umgeben war.

Er gab seinem König das Telegramm und die ausgedruckte Mail. Die letztere hatte einen Anhang gehabt. Dieser zeigte, wie König Erik durch die Lesebrille sah, die er nun aufsetzte, das Königliche Wappen des Hauses Bentwaldt.

Es zog seinen Blick an, auch die Zeilen: „Lieber Onkel, mein Vater lebt leider nicht mehr, doch ich wurde aus dem Amazonas-Urwald in die Zivilisation, die sogenannte, gebracht und befinde mich in Buenos Aires bei Freunden. Es würde mich freuen, dich und meine übrigen Verwandten demnächst kennenlernen zu können. Dein Neffe Harald von Norland, alias Kiriowaji vom Stamm der Jacuráre-Indios.“

Der Brief war in fehlerfreiem Englisch verfasst. König Erik schaute verblüfft drein.

„Was?“, fragte er. „Was? Was? Was? Da will uns einer verar... äh, beschwindeln.“

Die Etikette und die gute Erziehung siegten. Den Ausdruck, den König Erik zunächst hatte sagen wollen, nahm er nicht in den Mund. Er war eines Königs unwürdig.

„Wieder ein Schwindler“, sagte er dann. „Johann ist tot, am Rio Negro ums Leben gekommen, schon vor vielen Jahren. Das ist nun der neunte Schwindler, der uns daherkommt – er behauptet nicht, Johann selber zu sein, aber sein Sohn, was eine neue Variante, im Prinzip aber nichts anderes ist.“

Der König, breitschultrig, immer noch eine stattlich, ehemals dunkelblond, jetzt distinguiert silbergrau, was sein Hoffriseur bewirkte, stampfte mit seinem Stock auf.

„Ein Hochstapler ist das“, wetterte er. „Ein Verrückter, ein Schwindler. Er will Geld oder Publicity für sich herausschwindeln, oder beides. Deswegen hättest du nicht herkommen müssen, Olav.“

König Erik redete seinen Vertrauten, den er von Kindesbeinen an kannte, je nach Lust und Laune entweder mit Vor- oder mit Nachnamen an.

„Ich dachte doch, Hoheit. – Da, lesen Sie nun das Telegramm.“

König Erik nahm es und las: „Lesen Sie bitte unverzüglich meine Mail und bringen Sie König Erik diese sowie die Anhänge. Harald von Norland.“

„Frech ist der Bursche“, schimpfte der König. „Gab es noch einen Anhang?“

„Jawohl, Hoheit, ein Bild. Ich habe es auf Fotopapier ausgedruckt. Hier ist es.“

Olav Mettlund zog es aus der Brusttasche. Es hatte Postkartengröße und zeigte einen langhaarigen, blonden jungen Mann. Er konnte nicht älter als Mitte Zwanzig sein, hatte blaue Augen und sah blendend aus.

„Hol mich der Teufel!“, entfuhr es dem König. „Da will sich einer einen Scherz mit uns erlauben. Das ist Johann in jungen Jahren.“

„Nein. Lesen Sie bitte die Mail. Zudem, Ihr Bruder hatte eine Narbe unter dem linken Auge. Dem jungen Mann auf dem Bild fehlt sie.“

„Sie kann wegretuschiert sein.“

„Hoheit, ich muss Sie berichtigen. Das Bild wurde mit einer Digital-Kamera aufgenommen, gestern erst. Sehen Sie hier die Datumsangabe. Ich bin nun kein absoluter Fachmann, aber ich würde sagen, es wurde von einem lebenden Menschen und nicht nur von einem Bild fotografiert. Zudem war die Fotografie vor fünfzig Jahren, als Kronprinz Johann verschwand, viel primitiver als heute.“

„Man kann im Computer alles fälschen, Mettlund, das weiß sogar ich, obwohl ich mich mit den Dingern nie größer beschäftigen wollte. Denken Sie nur an die Computeranimationen und digitalen Tricks, die Hollywood anwendet. Es gibt agierende Wesen, die nur aus dem Computer geschaffen wurden.“

„Trotzdem.“

Der König ergriff die auf Din-A-4-Papier ausgedruckte Mail. Er las: „Ich versichere hiermit an Eides Statt, der Sohn von Kronprinz Johann von Norland zu sein, der von Rechts wegen auf dem Thron dieses Landes sitzen sollte. Ich bin das einzige Kind Johanns und einer weißhäutigen Indianer-Prinzessin, der Königin der Jácurare und anderer Stämme am Rio Negro. – Mein Vater wurde ihr König. Er ist tot – erst auf dem Sterbebett vertraute er mir das Geheimnis meiner Herkunft an. Harald/Kiriowaji.“

König Erik schüttelte nur den Kopf. Er wusste, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Der Diener stand respektvoll im Hintergrund. Das Licht im Königssaal war stärker gestellt worden.

Der König stand auf. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, ging er auf und ab.

„Ein Witz ist das, aber ein schlechter“, sagte er. „Johann als König von einem Indianerstamm am Amazonas.“

„Am Rio Negro, Hoheit.“

„Das ist ein riesiger Zufluss des Amazonas und Amazonas-Gebiet, ich habe Erdkunde gelernt, Mettlund. Sein Sohn in Buenos Aires. Dem Alter nach, das der junge Mann auf dem Bild hat, müsste Johann ihn mit zirka Fünfzig gezeugt haben.“

„Das ist doch biologisch kein Problem, Hoheit.“

„Biologisch nicht, aber logisch. Warum sollte Johann sich sich all die Jahre am Amazonas verkrochen haben? Weshalb sollte er seinem Sohn erst auf dem Sterbebett enthüllt haben, dass er der Thronfolger von Norland gewesen ist? Wie passt das alles zusammen? Am Ende hätte Johann bei den Indios noch mehr Kinder in die Welt gesetzt und müssten wir befürchten, dass demnächst ein ganzer Indianerstamm in Schloss Bentwaldt einziehen will.“

Der König konnte mitunter sehr sarkastisch sein.

„Von mehreren Kindern ist in den Mitteilungen keine Rede“, sagte der Kronrats-Vorsitzende.

„Nein, Mettlund, das ist eine Ente . Dieser Kwikijaki oder wie er heißt, soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich mag ihn nicht sehen.“

„Das wird sich kaum vermeiden lassen, wenn wir den jungen Mann überprüfen und ad absurdum führen wollen“, antwortete Mettlund. „Sie sollten ihn wohl oder übel nach Norland bestellen, Hoheit.“

„Johann und König der Jácurare“, murmelte der umhergehende König, ergriff seine Stock, den er an den Tisch gelehnt hatte, und stampfte damit auf „Was für ein blühender Unsinn. Die Jaguare haben meinen armen Bruder gefressen, fertig und Schluss.“

„Wir müssen auf jeden Fall Klarheit schaffen, sonst geistert wieder ein Gerücht in der Weltpresse herum“, wagte Mettlund einzuwenden. „Der Kronrat muss informiert werden. Die Königliche Familie.“

Der Diener im Hintergrund stand außer Hörweite. Sicherheitshalber vergatterte man ihn trotzdem zu striktestem Schweigen. König Erik verbat sich, dass eine Meldung an die Presse durchsickerte.

„Meinethalben soll Kwikijaki soll ins Schloss kommen“, sagte König Erik. „Aber nicht sofort. Schieben Sie es eine Weile hinaus, Mettlund. Ich werde mich wohl oder übel mit ihm befassen müssen. Im Moment habe ich viel zu tun und andere Sorgen. Schon wieder ein falscher Johann oder in dem Fall ein Sohn von Johann. Nimmt das denn nie ein Ende?“

„Ihr Sohn, Ihre Schwiegertochter und Ihre Tochter, Hoheit, die Prinzen und Prinzessinnen, wann sollen sie eingeweiht werden?“

„Erst wenn Kwikijaki da ist oder ich es sage. Nehmen Sie unverzüglich mit ihm Verbindung auf, Mettlund. Er soll stillschweigen bis zu dem Treffen mit mir. Er soll sich unterstehen, eine Pressekonferenz oder eine Meldung an die Weltpresse zu geben. Sonst wird er seines Lebens nicht mehr froh. Was für eine Unverfrorenheit, was für ein Schelmenstück. Aber wir werden dem jungen Mann schon auf den Zahn fühlen. Und wenn er ihm dabei abbricht.“

*

Der König fragte weiter: „Gibt es noch mehr, was ich wissen müsste?“

Olav Mettlund druckste herum. Er schickte den Diener nun ganz aus dem Königssaal weg.

Erst dann rückte er mit der Sprache heraus.

„Mit der Ehe Ihres Sohnes steht es nicht zum Besten, Hoheit. Es gibt Scheidungsgerüchte.“

König Erik winkte ab.

„Diese kursieren immer mal wieder. René wird sie nie scheiden lassen, damit würde er auf die Thronfolge verzichten. Und Desiré, seine Gattin, ist zu vernünftig dazu. Sie haben sich arrangiert.“

„René könnte auch als Geschiedener noch auf den Thron. Heutzutage sind die Regeln nicht mehr so eng, wie man bei anderen Königshäusern gesehen hat.“

„Dass es Scheidungen gab, ja. Aber dass ein Geschiedener König wurde, nicht. In der Politik ist das anders, da ist es mittlerweile gang und gäbe, dass Politiker mehrfach heiraten.“

„Nicht in allen Ländern, Hoheit. Bei uns gibt es Konservative, die eine solche Thronfolge ablehnen würden. Prinz Bernt macht öfter mal von sich reden. Der Dienst bei der Marine hat seine Eskapaden etwas eingeschränkt, doch nicht völlig abgestellt. Über Prinz John hörte ich Gerüchte, die ihn mit der Gattin eines Fußballstars in Verbindung bringen.“

„Ausgerechnet. Mit wem denn?“

Mettlund sagte es seinem König. Es handelte sich um die Gattin des Kapitäns der Nationalelf, eine rassige Mulattin, die dieser auf Barbados kennengelernt und sehr rasch geheiratet hatte.

König Erik seufzte.

„Ausgerechnet in diese“, sagte er. „Jetzt will sie nach einem Starkicker unbedingt einen Prinzen von Norland haben. Zudem gilt dieser Fußballer als hitzköpfig. Das könnte Probleme geben. Dabei war mein Enkel John immer recht fügsam, von ein paar Ausrutschern abgesehen, wie sie bei jungen Leuten vorkommen können. Er hat im Internat jeweils gute Noten gehabt und sein Abitur mit 1,3 Notendurchschnitt bestanden. Sein Bruder Bernt schaffte es erst im dritten Anlauf – und das nur, weil ich ihm sehr zusetzte, sich endlich einmal hinzusetzen, zu lernen und sich anzustrengen.“

Der Kronrat räusperte sich. Er äußerte sich nicht, dass Prinz Bernt das Abitur hauptsächlich deshalb bestanden hatte, weil er ein Prinz von Norland war und ein teures Internat besuchte, dessen Lehrkörper sich dem Königshaus sehr verbunden fühlte.

Der Rektor hatte bei der abschließenden Notenkonferenz gesagt: „Arzt oder irgend etwas sehr Anspruchsvolles will er ja nicht werden. Also lassen wir ihn durchs Abitur, zum König wird es wohl reichen, wenn er das wird.“

Eine Indiskretion hatte diesen Spruch an die Presse und damit die Öffentlichkeit gebracht.

„Ist noch etwas?“, fragte der König.

„Ihre Tochter Prinzessin Jennifer unternimmt im Landesinnern mit Sigurd Haakonnen wieder mal eine Gipfelbesteigung. Mit ihrem letzten... äh, Verehrer, dem belgischen Formel-I-Ass, hat sie gebrochen. Er schied bei der Weltmeisterschaft vorzeitig aus. Verlierer schätzt die Prinzessin nicht.“

„Haakonnen kennt sie schon länger. Er ist diskret und verschwiegen. Da wird wohl kein großer Schaden entstehen.“

Jedes Mal, wenn er an seine Tochter dachte, verspürte der König ein schlechtes Gewissen. Es handelte sich um ihre Tochter Natallie, das bestgehütete Familiengeheimnis der Bentwaldts. Von den Familienmitgliedern waren nur wenige eingeweiht.

„Wie sieht es mit Natalie und Alexa aus?“, fragte der König. „Unseren hübschen Prinzessinnen, der Freude meiner alten Tage?“

„Natalie, Jennifers Tochter, studiert fleißig in London und macht ihr Praktikum bei der Großbank. Renés und Desirés jüngste Tochter Alexa bereitet sich auf das Abitur vor. Sie ist im Internat bei Stockholm und des öfteren bei der schwedischen Königsfamilie zu Gast. Zur Zeit befindet sie sich allerdings im Skiurlaub in er Schweiz, wie Sie wissen, Hoheit. Da ist keine Gefahr. - Das wäre alles, Hoheit. Haben Sie noch irgendwelche Wünsche?“

„Nein, Mettlund. Sie können gehen. Und vielen Dank, dass Sie sich extra die Mühe gemacht haben, zu dieser Stunde in den Palast zu kommen.“

König Erik ahnte nicht, dass der 1,95 Meter grosse und schwergewichtige Kronrat Mettlund nicht so treu war, wie er das dachte. Sondern hinter seinem Rücken gegen ihn intrigierte. Das hatte teils politische Gründe, weil Mettlund mit dem Premier-Minister im Bund war, dessen Kreise der ehrenhafte und konservative alte König erheblich störte.

Ein anderer König auf dem norländischen Thron wäre diesbezüglich genehmer gewesen. Einer, der sich leicht lenken und beeinflussen ließ und nicht wie ein Fels in der Brandung des Parteienhaders und politischer Kurzzeitinteressen stand.

Zudem wollte Mettlund sich auch finanzielle Vorteile verschaffen. Er war unersättlich. Im Grund seines Herzens, obwohl er das niemandem zugab, neidete er dem König seinen Rang und sein Geburtsrecht.

Der Thronrats-Vorsitzende verabschiedete sich mit einer Verbeugung. König Erik blieb allein im Königssaal zurück. Das Licht wurde mit dem Dimmer wieder schwächer gestellt. Es ist leichter, einen Sack Flöhe zu hüten, als meine Familie zusammen und auf dem Pfad noch erträglicher Tugend zu halten, dachte König Erik. Bis zum tragischen Tod seiner Frau hatte sie ihm die Last der Regentschaft und die der Monarchie von Norland treulich und in Liebe zu tragen geholfen.

Die geteilte Last war die halbe Last gewesen, die geteilte Freude die doppelte. Der alte König kehrte in seine Gemächer zurück, die sich im Palasthauptgebäude befanden. Dort war auch sein Arbeitszimmer, 150 Quadratmeter groß, exklusiv eingerichtet, mit Stilmöbeln und edlen Hölzern, die Umgebung, in der er sich wohl fühlte.

Hektik verabscheute er, und er hatte schon früh in seinem Dasein als König lernen müssen, dass es manchmal besser war, wenig oder nichts zu tun, statt sich hektisch zu überschlagen. Unterwegs im Palast begegnete er einem Diener und einer Dienerin.

Sie passten auf ihn auf, als ob er ein kleines Kind sei, obwohl er sich das mehrmals verbeten hatten.

Er grüßte jedoch nur jeweils freundlich mit einem „Guten Morgen“, denn es war nun schon fast fünf Uhr morgens.

König Erik setzte sich nun in seinem Arbeitszimmer hinter den gewaltigen Schreibtisch. Er schaute das Wappen von Norland an der Wand an und das Bild seines Vaters, der zu früh verstorben war.

Ach, hättest du doch nur länger gelebt und regiert, Papa, dachte er. Sein Vater Siegfried war über 25 Jahre jünger als er jetzt gewesen, als er einem Krebsleiden erlag. 48 erst. Mit 25 war Erik schon König geworden, noch bevor sein Sohn René, der Thronfolger, gezeugt gewesen war.

Manches hatte der König auf die harte Tour lernen müssen. Materielle Sorgen hatte er nie gekannt, dafür jedoch andere, schwere, von denen sich der Normalverbraucher nichts träumen ließ oder die er nur ahnen konnte.

Von einem Monarchen wollten viele etwas. Im politischen Leben seines Landes spielten der König und seine Familie durchaus eine gewichtige Rolle. An ihnen orientierten sich viele.

Die meisten Probleme hatte König Erik jedoch seit vielen Jahren mit seiner Familie. Zuerst mit den Kindern, als diese flügge wurden, und jetzt mit den erwachsenen oder erwachsen werdenden Enkeln.

Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt, dachte der König. Noch schwerer, wenn er Oberhaupt einer derart verschieden gearteten, quirligen Familie war, die ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand.

Und allein war, ohne die Frau an seiner Seite.

Nach einigem Zögern griff König Erik zum Telefonhörer, nachdem er sich ein Glas Portwein eingeschenkt hatte. Auf die Zigarren, die er früher geraucht hatte, verzichtete er auf Anraten seines Arztes wegen des angegriffenen Herzens.

Der immer noch stattliche Mann mit der grau-silbernen Haarmähne und dem sorgfältig gestutzten Schnurrbart gab die Kurzwahl für ein Gespräch nach Frankreich ein, zur Côte d’Azur. Es war sehr früh, eigentlich noch mitten in Nacht, doch die, die er anrief, hatte eine Geheimnummer, und sie war immer für ihn da.

Nach dem dritten Rufzeichen meldete sich eine Frauenstimme.

„Ja?“

„Ich bin es, Erik. Entschuldige, wenn ich dich so früh wecke, Liebste.“

„Aber das kannst du doch immer.“

Die Stimme der Frau am anderen Ende klang rasch munterer. Erik war jetzt kein König mehr, sondern ein liebender Mann. Er sah Patricia in seiner Fantasie vor sich, wie sie in ihrem Bett saß in dem großen Schlafzimmer in ihrem Landhaus an der Côte d’Azur, wo sie sich oft aufhielt.

Sie mochte die ländliche Villa in der Nähe von Nizza, wo sie sich schon mehrmals getroffen hatten. Noch hielten sie ihre Liebe geheim.

Am Ende des einstündigen Gesprächs sagte Patricia zum König: „Komm zu mir, Erik, spanne ein paar Tage aus. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis dieser seltsame Prinz von Norland, der plötzlich aus dem Amazonas-Gebiet aufgetaucht ist wie ein Komet, nach Norland kommt.“

„Ja. Ich lasse ihm mitteilen, ich müsste in dringenden Angelegenheiten ein paar Tage verreisen.“

„Wegen einer Herzuntersuchung in die Schweiz, zum Beispiel.“

„Nein, das gibt gleich wieder Anlass zu Spekulationen über meinen Gesundheitszustand, wenn das publik wird. Dringend kann alles bedeuten. Was du nicht sagst oder schreibst, kann nicht gegen dich verwendet werden, habe ich von dem alten Schatzkanzler übernommen, der mich seinerzeit in die Regierungsgeschäfte einwies.“

„Das ist ein wahres Wort. Halte dir diesen obskuren Harald vom Leib. Ich erwarte dich voller Sehnsucht, Geliebter. Was macht dein Herz?“

„Wenn ich deine Stimme höre, geht es ihm gut, Schatz.“

König Erik schickte einen Kuss durch die Leitung wie ein verliebter Oberschüler. Patricia lachte. Das Herz ging ihm auf. Getröstet ging er danach zu Bett und schlief in den Morgen.

Dass König Erik eine Geliebte hatte, war eins der bestgehüteten Geheimnisse des Landes. Doch lange konnte es nicht mehr geheim bleiben. Er war immer noch ein vitaler Mann. Drei Jahre nach dem tragischen Tod seiner über alles geliebten Gattin konnte man von ihm nicht verlangen, dass er allein blieb.

Er wollte nicht wieder heiraten. Doch meistens bestimmten die Frauen, ob es zu einer Ehe kam oder nicht. Und ein König war auch nur ein Mann, wenn er verliebt war lenkbar und formbar in der Hand einer schönen und rassigen Frau.

Auch galt hier das Sprichwort: Alter schützt vor Torheit nicht.

*

Patricia Simone d’Ancourt, Gräfin mit mehreren Titeln, ein ehemaliges, noch immer bildschönes Mannequin, zündete sich eine Zigarette an, nachdem sie das Telefonat mit König Erik beendet hatte. Die Comtesse saß in ihrem großen Schlafzimmer das ganz in Weiß gehalten und mit Schleiflackmöbeln eingerichtet war, in dem exklusiv gestylten Bett mit dem in der Mitte zu einer Spitze hochgeschwungenen Oberteil.

Sie trug ein Negligé, das ihre aparten Formen betonte. Patricia Simone d’Ancourt war 48 Jahre alt, konnte jedoch mit etwas kosmetischer Nachhilfe für eine Anfangsdreissigerin durchgehen.

Sie war Witwe, ihr Mann, der vermögende Comte d’Ancourt, Firmenchef und Hansdampf in allen Gassen, ein Rennsportfan, hatte sich bei einem Bootsrennen den Hals gebrochen. Er hatte sich mit dem 600 PS starken Offshore-Motorboot wegen einer Welle, die er falsch berechnete, überschlagen. Bei der Geschwindigkeit, mit der er dahinraste, war das Wasser so hart wie Beton.

Patricia war eine Nichte der Duchesse Marambert, die wiederum eine enge Vertraute und Freundin der verstorbenen Königin Andrea von Norland gewesen war. Durch diese Freundschaft hatte Patricia die Königsfamilie von Norland kennengelernt.

Ihre Ehe mit dem Comte d’Ancourt blieb kinderlos, was an Patricia lag. Sie konnte keine Kinder bekommen. Die Kontakte mit der Königsfamilie von Norland waren sporadisch. Doch dann war Königin Andrea mit dem Flugzeug abgestürzt. Bei der Trauerfeier im königlichen Schloss geschah etwas Seltsames mit Patricia, die damals schon ein paar Jahre Witwe war.

Der Anblick des völlig gebrochenen Königs, der am Sarg seiner Gattin bitterlich schluchzte, rührte ihr Herz. Seltsamerweise empfand sie zuerst mütterliche Gefühle für den 26 Jahre älteren Mann. Sie hätte ihn am liebsten umarmt und wie einen kleinen Jungen getröstet, denn er war, wie sie spürte, furchtbar allein.

Niemand konnte ihm die dahingegangene Gattin ersetzen. Seine beiden Kinder und die Enkel vermochten ihm nicht den Trost zu geben, den er brauchte. Auch nicht den Halt und die Stütze.

Bald danach hatte Patricia König Erik in seinem Schloss besucht. Sie gewann sein Vertrauen. Zuerst sah er in ihr eine verwandte Seele, eine Gesprächspartnerin, der er sein Herz ausschütten konnte. Liebe war es erst später geworden, als König Erik, über ein Jahr nach dem Tod seiner Gattin, Zerstreuung suchend im Mittelmeer eine Yachtkreuzfahrt unternahm.

Die Königliche Yacht war von ihrem Kapitän nach Nizza gefahren worden. König Erik flog mit dem Flugzeug dorthin und ging an Bord. Die Comtesse Patricia ebenfalls. Er wollte nur ihre Nähe, und er gewann ihr Herz.

Niemand hatte erfahren, dass Patricia an Bord war. Der Kapitän und die Mannschaft schwiegen. In einer sternklaren Nacht, als sie am Vorderdeck standen und über das Meer und zum Sternenhimmel schauten, hatten sie sich bei der Hand gefasst.

Sie suchten die Kabine des Königs auf, wo sich alles weitere ergab. Erik, 72 damals, war am Morgen erschrocken gewesen, als er neben der brünetten und schlanken Patricia erwachte.

„Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist“, stammelte er. Patricia entsann sich genau. „Ich bin meiner Gattin nie untreu gewesen.“

„Du bist ihr nicht untreu, denn sie ist tot“, antwortete ihm Patricia. „Und sie würde nicht wollen, dass du allein bleibst. Du brauchst eine Frau, eine Gefährtin, Geliebte und Partnerin. Du bist kein Mann, der allein leben kann.“

„Aber ich bin nicht allein. Ich habe Kinder und Enkel und wohne in einem riesigen Schloss, das voller Bediensteter ist.“

„Das ist nicht das, was ich unter nicht allein verstehe, und weißt, was ich meine.“

„Aber... ich wollte eigentlich gar nicht... Ich habe es mir nie vorstellen können.“

Patricia hatte ihn zärtlich auf die Wange geküsst und sich an ihn geschmiegt.

„Den Eindruck hatte ich letzte Nacht nicht, dass du nichts von mir wolltest. Du bist nach wie vor ein vitaler und auch sehr attraktiver Mann.“

„Danke.“

Patricia liebte den König, wie eine Frau einen Mann liebte, mit ihrem Herzen und mit Leib und Seele. Sie hielten jedoch ihre Liebe geheim, trafen sich heimlich, Stunden, die sie sich stahlen, oder Tage. Wenn Patricia im Königlichen Schloss in Norland zu Gast war, schlich sich König Erik des nachts heimlich zu ihr ins Gemach.

Einmal hatte er anderthalb Stunden lang in einer Nische gestanden, hinter einer Ritterrüstung verborgen, weil sich die Nachtwache im Schloss und eine Kammermagd, was es dort noch gab, getroffen und im Flur geplaudert hatten. Dabei hatte sich der König eine heftige Erkältung geholt und war frierend und niesend bei Patricia erschienen.

Sie holte ihn ihr Bett, nachdem er an die Zimmertür geklopft hatte, und wärmte ihn.

„Aber warum hast du dich denn versteckt?“, fragte sie. „Es ist dein Schloss. Du kannst dich darin bewegen, wo immer du willst.“

„Ja, aber wie hätte ich denn erklären sollen, was ich spät nachts im Gästeflügel suche? Wo nur du einquartiert bist.“

„Du hättest gar nichts erklären brauchen, Erik.“

„Ja, das dachte ich mir dann auch, nachdem ich eine Viertelstunde hinter der Rüstung stand und mir eine Spinne im Genick herumkrabbelte, die ich dann erschlug.“

„Mein tapferer Held“, hatte Patricia gesagt und schallend gelacht.

„Zunächst hatte ich geglaubt, die beiden, die Magd und die Schlosswache, würden bald weitergehen. Ich hatte mich wegen der Schlosswache versteckt, einem unserer Leibgardisten. Dann kam die Magd. Und sie redeten, redeten, redeten. Zwei schreckliche Quasselstrippen.“

„Haben sie denn ein Verhältnis miteinander?“

„Nein, sonst hätten sie nicht so lange im Flur gestanden. Sie haben ganz einfach geklatscht. Aus purer Langeweile. Nachdem ich schon eine Viertelstunde da stand, wie hätte ich denn da hervorkommen und erklären sollen, weshalb ich mich hinter die Ritterrüstung verkroch? Sie stammt von Arnhold von Merlingen, einem indirekten Vorfahr von mir, und bei der Gelegenheit habe ich festgestellt, dass sie an der Rückseite rostig ist. Das werde ich rügen.  Also dachte ich, es sei besser, wenn ich versteckt bleibe. Und es dauerte, dauerte und dauerte. Die beiden fanden kein Ende. Es juckte mich, ich konnte mit Mühe ein Niesen unterdrücken. Ich fror. In der unbequemen Haltung verkrampften sich meine Glieder. Endlich, als ich schon drauf und dran war, die Rüstung umzuwerfen und einfach hervorzutreten, trennten die beiden sich doch.“

„Du bist mir ein schöner König. Versteckst dich in deinem eigenen Schloss.“

„Immerhin habe ich bei der Gelegenheit – Hatschi! – eine Menge vom Hofklatsch erfahren. Darunter Dinge über meine eigene Familie, die ich bisher noch nicht wusste. Dass die mondäne Desiré, Renés Gattin, es mit der Körperpflege nicht so genau nimmt und ihre schmutzige Wäsche einfach unter das Bett wirft.“

„Nein.“

„Die Kammerzofe kann sie dann hervorklauben, und sie hat schon mal etwas übersehen. Vor öffentlichen Auftritten allerdings badet Desiré sogar in Stutenmilch, was ich nun nicht wusste – und was mich ehrlich gesagt auch nicht interessiert.“

„Dienstbotenklatsch also. Haben sie auch über dich gesprochen?“

„Ich wäre so geizig, dass ich sogar geflickte Socken trage, hätte sie gehört, sagte die Kammermagd. Das ist eine Lüge. Ansonsten bin ich gut weggekommen. Gott erhalte uns unseren alten König, es kann nichts Besseres nachkommen, sagten die zwei übereinstimmend. Außer den angeblich geflickten Socken gibt es anscheinend nichts, was sie an mir bemängeln.“

„Darauf kannst du dir allerhand einbilden.“

„Doch was ich sonst erfuhr, Patricia, was sich in diesem Palast alles abspielt. Wer mit wem und wie ein Verhältnis hat oder hatte. Abgründe tun sich da auf, Abgründe. Und Fehden gibt es, von denen ich nie etwas ahnte. Der Schlosskaplan mag den Butler nicht, weil dieser ihn einen Popanz nannte. Der wiederum schimpfte ihn einen Säufer, der sich im Königlichen Weinkeller schamlos bedienen würde. Die beiden sind sich spinnefeind und reden kein Wort miteinander. Die Butlerstochter wieder, die ebenfalls im Schloss angestellt ist, intrigiert, um zur Schlossverwalterin aufzusteigen.“

Dies war eine hohe Position, auch eine sehr gut dotierte, da fast das gesamte Personal der Schlossverwalterin unterstand und diese auch für die Ausrichtung von offiziellen Gesellschaften und Anlässen verantwortlich zeichnete. Zur Zeit hatte eine bewährte ältere Angehörige des niederen Adels von Norland diesen Dienst inne.

„Du musst mir unbedingt mehr berichten“, verlangte Patricia. „Aber zuerst koche ich dir einen Erkältungstee.“

„Den kannst du in der Schlossküche anfordern, die Tag und Nacht besetzt ist.“

„Das schaffe ich schon noch selbst, eine Kochnische gibt es nebenan. So verwöhnt bin ich nicht, dass ich für alles einen Dienstboten brauche.“

„Meine 95jährige Schwiegermutter ist es. Der Dienst bei ihr muss eine Tortur sein. Ständig müssen die Dienstboten springen – mal zieht es, mal ist dies, mal ist das. Und wenn Lady Deanna ausnahmsweise mal kein Malheurchen hat, ist etwas mit ihren Pudeln. Schlafen kann sie nicht, angeblich, wie sie sagt, schläft sie überhaupt nicht, obwohl nach dem, was ich in meinem Versteck hörte, man sie oft schnarchen hört wie einen Rosskutscher. Vorlesen muss man ihr, sie an- und auskleiden, ihr die Staffelei hundert Mal stellen, wenn sie ihrer Hobbymalerei nachgeht, bis sie endlich im richtigen Licht ist.“

„Es hat jeder seine Marotten“, antwortete die Comtesse Patricia und stieg aus dem Bett, um den Tee zu bereiten. „Und es wird niemand zum Dienst im Schloss gezwungen.“

„Es gibt wohl auch welche beim Personal, die mich schamlos bestehlen“, sagte der König.

„Was tust du dagegen?“, fragte Patricia von nebenan.

„Wenn es zu toll wird, sind Kontrollmechanismen vorhanden, die meistens greifen. Ein gewisser Schwund und ein Maß an Selbstbedienung ist natürlich immer da. Wenn du eine Kornkammer hast, hast du immer Mäuse. Man kann nur dafür sorgen, dass sie nicht überhand nehmen. Ich sehe das nicht so eng.“

„Daran tust du sehr gut.“

Während der König seinen Tee trank, ruhte die Comtesse Patricia nicht eher, bis er ihr den Schlossklatsch erzählt hatte, den er vorher erlauschte.

„Ich bin eine begeisterte Klatscherin“, gab die schöne Patricia zu. „Wie sollte man sonst seine Mitmenschen intim kennenlernen? Wer Klatsch und Tratsch völlig ablehnt, begeht einen schweren Fehler, denn er bringt sich um viele Erfahrungen. Doch sollte Mann oder Frau gewisse Grenzen beachten, wozu bösartige Verleumdungen gehören. Ich lese auch Klatschspalten, wie ich ehrlich gestehe, bin mir aber bewusst, dass hier mehr Dichtung als Wahrheit zu finden ist. Rein technisch und nur formell können die Menschen nicht miteinander umgehen. Sie wären sonst keine Menschen mehr.“

„Ja“, sagte der König, „es menschelt, auch hier in dem Schloss und in meiner Dynastie. Das habe ich heute – Hatschi! – gemerkt.“

Patricia schloss ihn in die Arme, und sie liebten sich, wobei die Comtesse wieder einmal über die Vitalität des Königs staunte. Er war keineswegs ein Greis.

Daran dachte sie nun, als sie an der Côte d’Azur die Rouleaus ihres riesigen Schlafzimmers elektrisch hochfahren ließ. In dem weitläufigen Garten mit auch im Spätherbst noch blühenden Büschen war es dunstig und neblig. Doch im Allgemeinen war das Klima auch im Winter an der Côte erträglich.

An der Côte d’Azur kann man zu allen Jahreszeiten ins Wasser, nur im Winter nicht, hieß es sprichwörtlich. Im November sind noch die Fische und die Engländer und die Deutschen drin. Im Dezember und im Januar ist es den Fischen zu kalt, da baden nur noch die Engländer und die Deutschen.

Patricia stellte sich im indirekten Lampenlicht vor den Spiegelschrank und überprüfte kritisch ihre Figur. Wie jede schöne Frau hatte sie ein paar Kleinigkeiten an sich auszusetzen. Aber im Grund genommen war sie schlank, gutgebaut und makellos.

Sie dachte an König Erik. Patricia Simone d’Ancourt war es Leid, nur seine Geliebte zu sein und sich verstecken zu müssen. Oder jedenfalls offiziell nicht die Frau an seiner Seite sein zu können.

In diesen frühen Morgenstunden, vor Tagesanbruch noch, als sie durch die bis zum Boden reichende Verglasung über die Terrasse in ihren Garten schaute, wurde Patricia sich dessen bewusst, was sie eigentlich wollte. Der geheime Wunsch war schon lange vorhanden gewesen.

Ich will Königin werden, gestand Patricia sich an. Erik soll mich heiraten und unsere Verbindung legalisieren. Was steht dem im Weg? Ich bin adlig und stamme aus bester Familie. Dass ich viel jünger als er bin, was schadet das? Seinen Kindern und Enkeln kann und will ich die Thronfolge nicht streitig machen.

Doch ich werde, wie lange auch immer, Königin sein.

Ihrem Leben fehlte ein Inhalt, oder er hatte ihm gefehlt, bis sie König Eriks Vertraute und seine Geliebte wurde. Jetzt wusste sie, was sie wollte.

Auch für ihn wird es gut sein, sich offen zu mir zu bekennen, dachte sie. Was ist das denn für ein Zustand für einen Mann von 74, der zudem noch König ist, die Frau, der sein Herz gehört, zu verstecken? Es wird eine glanzvolle Königshochzeit in Schloss Bentwaldt geben. Ich werde dort als die Königin meinen Einzug halten.

In der Kathedrale von Tjellborg, der Hauptstadt, wird uns der Erzbischof trauen. Patricia gab sich schönen Träumen hin.

*

Auch andere Mitglieder der Königlichen Familie oder ihr Verbundene hatten ihre Träume und Vorstellungen. Zudem ihre Probleme mit sich und der Welt. Im Landesinnern vom Norland, im Hochmoor, erwachte der Thronfolger Prinz René sehr früh am Morgen, wie es bei ihm die Gewohnheit war.

Er befand sich in seinem rustikal und sehr einfach eingerichteten Blockhaus, das mehrere Räume aufwies. Es gab zwar alle möglichen modernen Errungenschaften hier, zum Beispiel den Mikrowellenherd und ein Fotolabor, doch sie traten nicht in den Vordergrund.

Prinz René war hochgewachsen und hager, 48 Jahre alt, und schaute meist eher trübselig als heiter drein. Bei seinem rüstigen Vater, obwohl dessen Herz nicht mehr so recht intakt sein sollte, war ihm klar, dass er noch zehn, fünfzehn Jahre auf die Thronfolge warten musste, wenn er überhaupt je König von Norland wurde.

Nach einer Bypassoperation, wenn sie erforderlich wurde, zu lange durfte sie auch nicht hinausgezögert werden, konnte König Erik durchaus gut ein Alter von 85 oder 90 erreichen. René wünschte ihm das, von ihm aus konnte sein Vater gern 100 werden.

Doch zurücktreten und die Königswürde abgeben würde er nicht. Also blieb René der ewige Kronprinz und Thronanwärter, hatte lästige Repräsentationspflichten und konnte sich sein Leben nicht so einrichten, wie er es wollte.

Er war am Hinterkopf und in der Schädelmitte schon reichlich kahl. Ein Toupet zu tragen weigerte er sich, von einer Haarverpflanzung wollte er schon gar nichts wissen. Lang aufgeschossen, mit dünnen Beinen, die bestimmte Klatschreporter gern Storchenbeine nannten, war er keine Schönheit.

Die spitze und lange Nase trug dazu auch nicht bei. Der Prinz war immer ein sehr gehorsamer Sohn gewesen, und er hatte sehr viel und sehr lange auf seinen Vater gehört. Erst in den letzten Jahren ging er mehr und mehr eigene Wege, entwickelte sich zum Eigenbrödler, wie manche sagten.

Er schaute auf die ziemlich üppig proportionierte Rotblonde, die neben ihm im Bett lag. Draußen war es noch dunkel und neblig. Wer neben ihm lag, war nicht seine Frau Desiré, sondern es handelte sich um eine Jugendfreundin, die Freifrau Beatrice „Bea“ von Ottrein-Hahlöö, Gattin eines mittelmäßig erfolgreichen Industriellen, Leif Hahlöö, mit dem sie sich längst auseinandergelebt hatte.

Sie hatte jedoch zwei Kinder mit ihm, einen Sohn, der 24 und eine Tochter, die 23 Jahre alt war. Die Kinder waren erwachsen und gingen ihre eigenen Wege. Sie brauchten die Mutter nicht mehr so sehr.

Die Freifrau Beatrice – sie war von Geburt Freifrau und hatte einen Bürgerlichen geheiratet – war schon seit vielen Jahren die Geliebte des Moorprinzen, wie ihn die Medien mit spöttischem Unterton nannten. Dabei war René ein sehr engagierter Umweltschützer, Tierfotograf und Naturforscher, auch kein schlechter Mensch, doch eben nicht das, was sich die Norländer unter ihrem zukünftigen König vorstellten.

Er schaute auf Beatrice nieder, die selig schlief. Sie hatte reichlich Sommersprossen, eine große Schönheit war sie nicht, doch René liebte sie von Herzen. Er war eine recht monogame Natur, nur dass diese Monogamie längst nicht mehr seiner angetrauten Ehefrau galt.

Er kitzelte Beatrice, bis sie erwachte und protestierte.

„Lass mich noch eine Stunde schlafen, René, bitte, es ist glockenfrüh.“

„Nein, mein Sahnetörtchen, du hast mir versprochen, früh aufzustehen, damit wir die Elche im Hochmoor beobachten können. Ich werde sie mit meiner Spezialkamera fotografieren. Im letzten Jahr habe ich mit meinen Tierfotos bei der Fotoausschreibung der Königlichen Akademie in Tjellborg den 1. Preis gewonnen, was natürlich wieder hässliche Gerüchte gab, ich hätte nur den 1. Preis gewonnen, weil ich der Kronprinz von Norland bin. – Das hat mich tief verletzt. Dieses Jahr und in Zukunft werde ich daher nur außer Konkurrenz teilnehmen.“

Beatrice, die nun wacher war, küsste ihn auf den Mund.

„Bärchen“, sagte sie zu ihm, das Kosewort, das sie für ihn immer gebrauchte, „jeder, der etwas von Fotografie versteht, weiß, dass du zu Recht gewannst. Du bist einer der besten Tier- und Naturfotografen der Welt. Du hast viel für die Erhaltung der Umwelt in Norland getan, unserer urwüchsigen Wälder, die eine gierige Holzindustrie, zu der leider auch mein Gatte gehört, am liebsten ganz abholzen würde. Um schnell wachsende Sorten nachzupflanzen, die nie die Qualität unserer herrlichen alten Norland-Tannen erreichen. – Es ist eine Schande und genau, wie du es immer propagierst, René: Der Regenwald ist fern, hier gilt es, die Wälder von Norland zu schützen.“

Ihre Hände glitten über seinen sehnigen Körper und erregten ihn, was Beatrice deutlich spürte und genoss.

„Ich sehe dich noch vor dir, wie du vor drei Jahren einer Holzfällerkolonne entgegentratest, die mit einem ganzen Konvoi und mit Motorsägen, Bulldozern und allen möglichen technischen Geräten ausgerüstet anrückte. Nur eine Handvoll Naturschützer waren an deiner Seite, und sie flohen, als die Holzfäller stur voranrückten. Du aber wichest nicht. – Ich wäre an deiner Seite gewesen. Aber du hattest es leider verboten.“

Prinz René seufzte.

„Der Skandal war so schon groß genug, Sahnetorte.“

„Hier stehe ich, René von Norland, euer zukünftiger König!, hast du den Holzfällern entgegengerufen. Ich stehe hier für den Wald, der noch die Heimat von Wisenten, Bären und Adlern ist, die in den Felsen nisten. Von Elchen und Rotwild, Heimstatt seltener Pflanzen, Wahrzeichen und der Stolz von Norland. – Bevor ihr den Wald umbringt, müsst ihr vorher mich töten!“

„Ja, ja“, sagte René. „Ich habe die Holzfäller weggeschickt. Mit einer Eingabe zum Obersten Gerichtshof wurde der Wald dann zum Naturschutzgebiet erklärt, nachdem ich einen Riesenskandal machte. Aber wie bin ich dann durch den Kakao gezogen worden. – Der Waldkönig, der Moorprinz, der Vater der Wisente und wie sie mich alles genannt haben. – Die Holzindustrie hasst mich, ich werde geschmäht und verhöhnt...“

Beatrice spürte seinen bitteren inneren Schmerz. René war nämlich sensibel.

„Gräme dich nicht“, sagte sie. „Du hast das Rechte getan. Du bist ein integrer, anständiger Mensch. Die meisten anderen würden nachgeben oder ihre Augen verschließen. Du aber stehst für deine Überzeugung ein und verteidigst die Werte, die dir etwas bedeuten.“

Da brach es aus René hervor: „Du siehst das so, aber wer noch? Meine eigenen Söhne, Bernt und John, lachen mich aus, wenn sie unter sich sind. Du immer mit deinen Bäumen und Tieren, hat mir Bernt ins Gesicht gesagt. Damit kannst du im High-Tech-Zeitalter keinen Blumentopf mehr gewinnen. Er fasste sich sogar an den Kopf.“

„Was?“, fragte Beatrice empört. Sie war hitzköpfig. „Du hättest ihm sofort eine Ohrfeige geben sollen, die er sich merkt, dieser Lümmel.“

Wieder seufzte der Prinz.

„Er ist 24. Ich habe meine Kinder gewaltfrei erzogen und nie geschlagen. Im ganzen Leben noch nicht.“

Beatrice drückte ihm einen Schmatz auf den Mund.

„Du bist zu gut für die Welt, Bärchen. Mein Ältester, wenn er mir den Vogel gezeigt hätte, er ist so alt wie dein Sohn, dann hätte ich ihm mit der Reitpeitsche eins übergezogen.“

Sie meinte ihren ältesten Sohn.

„Du bist eben anders als ich, Sahnetorte“, sagte Prinz René.

Dann folgte lange Zeit Liebesgeflüster. Nach einer Weile erhoben die beiden sich, erledigten ihre Morgentoilette und zogen sich wetterfeste Kleidung an, denn es war regnerisch, stürmisch und kalt im Hochmoor. Der Wind pfiff eisig von Norden, und es würde bald schneien.

Prinz René nahm seine Fotoausrüstung. Er schaute auf seine Uhr.

„Ob die Elche noch da sind? Wir haben Zeit verloren.“

Beatrice schaute ihn vorwurfsvoll an.

„Das nennst du Zeit verlieren? Manchmal frage ich mich wirklich, was ich an dir finde. Eine Elchkuh ziehst du mir vor.“

„Ich habe es nicht so gemeint, Sahnetorte. Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe. Es ist unser Drama, dass ich der Thronerbe von Norland bin. Deshalb kann ich nicht offen zu dir stehen und mich nicht von Desiré scheiden lassen, für die ich schon lange nichts mehr empfinde. Ach, wenn ich ein einfacher Holzfäller oder Waldarbeiter wäre, dann wäre mein Leben viel weniger kompliziert.“

Solche Anwandlungen hatte er mitunter. Er neigte ein wenig zum Trübsinn. Die burschikose Beatrice in ihrer wetterfesten Lodenkleidung wollte dergleichen nicht hören.

„Du bist Kronprinz und kein Waldarbeiter, René, was soll denn der Unsin? Und warum kannst du dich nicht scheiden lassen? In anderen Könighäusern hat es auch schon Scheidungen gegeben, denk nur an Prinz Charles und an Prinzessin Di, die dann tragisch starb. Die Windsors haben es überstanden.“

„Ja, aber wir sind die Bentwaldts und nicht die Windsors. Hier ist Norland, nicht England. Mein Vater würde nie in die Scheidung einwilligen.“

„Hörst du noch immer auf ihn? Schaffe klare Verhältnisse, René, sei ein Mann! Stehe zu deinen Gefühlen. Du kannst es nicht jedem Recht machen und dich immer beugen.“

„Bei der Holzfällerkolonne war es einfach, ihr zu trotzen. Aber mein Vater und die Traditionen unseres Hauses sind schlimmer und stärker. Bedenke nur den Skandal. Er würde unsere Monarchie bis in die Grundfesten erschüttern. Wir sind beide verheiratet. Über den Punkt haben wir doch schon mehrfach gesprochen, Bea. – Sahnetorte, warum fängst du denn jetzt damit an? Die Elche...“

„... können warten. Ich kann mein Leben nicht nach den Elchen ausrichten. Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen, René. Liebst du mich, oder liebst du mich nicht?“

„Ich liebe dich mehr als mein Leben.“

„Dann zeige es mir. Stehe zu mir – öffentlich. Reiche die Scheidung ein. Stell deinen Vater und den Kronrat vor vollendete Tatsachen.“

„Es könnte meinen Vater ins Grab bringen. Sein Herz ist angegriffen.“

„Es wird ihn nicht umbringen. Dann ist seine Bypassoperation, um die er ohnehin nicht herumkommen wird, etwas früher. Die Strapazen der 200-Jahres-Feier der Dynastie Bentwaldt und seines 50jährigen Thronjubiläums im kommenden Jahr sind größer als die des Skandals, den deine Scheidung verursachen würde.“

René erkannte den Ausweg, der sich ihm bot, und griff auf seine bewährte Verzögerungstaktik zurück, von der er nur selten abwich.

„Lass uns bis nach der 200-Jahres-Feier und dem Thronjubiläum meines Vaters warten, Liebste. Er leidet immer noch sehr unter dem Tod meiner Mutter, der ihn fürchterlich traf.“

Beatrice schaute ihren Geliebten von der Seite an.

„Nicht mehr so sehr, wie du meinst, Bärchen“, sagte sie mit einem bestimmten Unterton.

„Was willst du damit sagen?“

„Ich habe Gerüchte vernommen, die ihn und die Comtesse Patricia d’Ancourt betreffen. Sehr eindeutige und aus zuverlässiger Quelle stammende Gerüchte.“

René lachte auf.