Liebelei - Arthur Schnitzler - E-Book

Liebelei E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Mit "Liebelei" hatte Arthur Schnitzier 1895 seinen ersten großen Bühnenerfolg, in dem er die Form des sonst eher gemütvollen Wiener Volksstücks in ein brisantes sozialpsychologisches Drama zwang: eine scheinhafte Idylle um die Freunde Theodor und Fritz, hinter deren Fassade sich schnell die eigentliche Leere zeigt. Der Text folgt der Erstausgabe von 1896. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 76

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Arthur Schnitzler

Liebelei

Schauspiel in drei Akten

Reclam

2002 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960921-8

Inhalt

LiebeleiPersonenErster AktZweiter AktDritter AktAnhangEditorische Notiz

[5]Liebelei

[6]Personen

HANS WEIRING, Violinspieler am Josefstädter Theater

CHRISTINE, seine Tochter

MIZI SCHLAGER, Modistin

KATHARINA BINDER, Frau eines Strumpfwirkers

LINA, ihre neunjährige Tochter

Junge Leute:

FRITZ LOBHEIMER

THEODOR KAISER

EIN HERR

 

Ort: Wien. – Zeit: Gegenwart.

[7]Erster Akt

Zimmer Fritzens. Elegant und behaglich.

Fritz. Theodor.

Theodor tritt zuerst ein, er hat den Überzieher auf dem Arm, nimmt den Hut erst nach dem Eintritt ab, hat auch den Stock noch in der Hand.

FRITZ

(spricht draußen). Also es war niemand da?

STIMME DES DIENERS.

Nein, gnädiger Herr.

FRITZ

(im Hereintreten). Den Wagen könnten wir eigentlich wegschicken?

THEODOR.

Natürlich. Ich dachte, du hättest es schon getan.

FRITZ

(wieder hinausgehend, in der Tür). Schicken Sie den Wagen fort. Ja … Sie können übrigens jetzt auch weggehen, ich brauche Sie heute nicht mehr. (Er kommt herein. Zu Theodor.) Was legst du denn nicht ab?

THEODOR

(ist neben dem Schreibtisch). Da sind ein paar Briefe. (Er wirft Überzieher und Hut auf einen Sessel, behält den Spazierstock in der Hand.)

FRITZ

(geht hastig zum Schreibtisch). Ah! …

THEODOR.

Na, na! … Du erschrickst ja förmlich.

FRITZ.

Von Papa … (erbricht den anderen) von Lensky …

THEODOR.

Laß dich nicht stören.

FRITZ

(durchfliegt die Briefe)

THEODOR.

Was schreibt denn der Papa?

[8]FRITZ.

Nichts besonderes … Zu Pfingsten soll ich auf acht Tage aufs Gut.

THEODOR.

Wär sehr vernünftig. Ich möchte dich auf ein halbes Jahr hinschicken.

FRITZ

(der vor dem Schreibtisch steht, wendet sich nach ihm um).

THEODOR.

Gewiß! – reiten, kutschieren, frische Luft, Sennerinnen –

FRITZ.

Du, Sennhütten gibt’s auf Kukuruzfeldern keine!

THEODOR.

Na ja also, du weißt schon, was ich meine …

FRITZ.

Willst du mit mir hinkommen?

THEODOR.

Kann ja nicht!

FRITZ.

Warum denn?

THEODOR.

Mensch, ich hab ja Rigorosum zu machen! Wenn ich mit dir hinginge, wär es nur, um dich dortzuhalten.

FRITZ.

Geh, mach dir um mich keine Sorgen!

THEODOR.

Du brauchst nämlich – das ist meine Überzeugung – nichts anderes als frische Luft! – Ich hab’s heut gesehn. Da draußen, wo der echte grüne Frühling ist, bist du wieder ein sehr lieber und angenehmer Mensch gewesen.

FRITZ.

Danke.

THEODOR.

Und jetzt – jetzt knickst du natürlich zusammen. Wir sind dem gefährlichen Dunstkreis wieder zu nah.

FRITZ

(macht eine ärgerliche Bewegung).

[9]THEODOR.

Du weißt nämlich gar nicht, wie fidel du da draußen gewesen bist – du warst geradezu bei Verstand – es war wie in den guten alten Tagen … – Auch neulich, wie wir mit den zwei herzigen Mäderln zusammen waren, bist du ja sehr nett gewesen, aber jetzt – ist es natürlich wieder aus, und du findest es dringend notwendig (mit ironischem Pathos) – an jenes Weib zu denken.

FRITZ

(steht auf, ärgerlich).

THEODOR.

Du kennst mich nicht, mein Lieber. Ich habe nicht die Absicht, das länger zu dulden.

FRITZ.

Herrgott, bist du energisch! …

THEODOR.

Ich verlang ja nicht von dir, daß du (wie oben) jenes Weib vergißt … ich möchte nur, (herzlich) mein lieber Fritz, daß dir diese unglückselige Geschichte, in der man ja immer für dich zittern muß, nicht mehr bedeutet, als ein gewöhnliches Abenteuer … Schau, Fritz, wenn du eines Tages »jenes Weib« nicht mehr anbetest, da wirst du dich wundern, wie sympathisch sie dir sein wird. Da wirst du erst drauf kommen, daß sie gar nichts Dämonisches an sich hat, sondern daß sie ein sehr liebes Frauerl ist, mit dem man sich sehr gut amüsieren kann, wie mit allen Weibern, die jung und hübsch sind und ein bißchen Temperament haben …

FRITZ.

Warum sagst du »für mich zittern«?

THEODOR.

Du weißt es … Ich kann dir nicht verhehlen, daß ich eine ewige Angst habe, du gehst eines schönen Tages mit ihr auf und davon.

FRITZ.

Das meintest du? …

[10]THEODOR

(nach einer kurzen Pause). Es ist nicht die einzige Gefahr.

FRITZ.

Du hast recht, Theodor – es gibt auch andere.

THEODOR.

Man macht eben keine Dummheiten.

FRITZ

(vor sich hin). Es gibt andere …

THEODOR.

Was hast du? … Du denkst an was ganz Bestimmtes.

FRITZ.

Ach nein, ich denke nicht an Bestimmtes … (Mit einem Blick zum Fenster.) Sie hat sich ja schon einmal getäuscht.

THEODOR.

Wieso? … was? … ich versteh dich nicht.

FRITZ.

Ach nichts.

THEODOR.

Was ist das? So red doch vernünftig.

FRITZ.

Sie ängstigt sich in der letzten Zeit … zuweilen.

THEODOR.

Warum? – Das muß doch einen Grund haben?

FRITZ.

Durchaus nicht, Nervosität – (ironisch) schlechtes Gewissen, wenn du willst.

THEODOR.

Du sagst, sie hat sich schon einmal getäuscht –

FRITZ.

Nun ja – und heute wohl wieder.

THEODOR.

Heute – Ja, was heißt denn das alles –?

FRITZ

(nach einer kleinen Pause). Sie glaubt, … man paßt uns auf.

THEODOR.

Wie?

[11]FRITZ.

Sie hat Schreckbilder, wahrhaftig, förmliche Halluzinationen. (Beim Fenster.) Sie sieht hier durch den Ritz des Vorhangs irgend einen Menschen, der dort an der Straßenecke steht, und glaubt – (unterbricht sich). Ist es überhaupt möglich, ein Gesicht auf diese Entfernung hin zu erkennen?

THEODOR.

Kaum.

FRITZ.

Das sag ich ja auch. Aber das ist dann schrecklich. Da traut sie sich nicht fort, da bekommt sie alle möglichen Zustände, da hat sie Weinkrämpfe, da möchte sie mit mir sterben –

THEODOR.

Natürlich.

FRITZ

(kleine Pause). Heute mußte ich hinunter, nachsehen. So gemütlich, als wenn ich eben allein von Hause wegginge; – Es war natürlich weit und breit kein bekanntes Gesicht zu sehn …

THEODOR

(schweigt).

FRITZ.

Das ist doch vollkommen beruhigend, nicht wahr? Man versinkt ja nicht plötzlich in die Erde, was? … So antwort mir doch!

THEODOR.

Was willst du denn darauf für eine Antwort? Natürlich versinkt man nicht in die Erde. Aber in Haustore versteckt man sich zuweilen.

FRITZ.

Ich hab in jedes hineingesehen.

THEODOR.

Da mußt du einen sehr harmlosen Eindruck gemacht haben.

FRITZ.

Niemand war da. Ich sag’s ja, Halluzinationen.

[12]THEODOR.

Gewiß. Aber es sollte dich lehren, vorsichtiger sein.

FRITZ.

Ich hätt es ja auch merken müssen, wenn er einen Verdacht hätte. Gestern habe ich ja nach dem Theater mit ihnen soupiert – mit ihm und ihr – und es war so gemütlich, sag ich dir! … lächerlich!

THEODOR.

Ich bitt dich, Fritz – tu mir den Gefallen, sei vernünftig. Gib diese ganze verdammte Geschichte auf – schon meinetwegen. Ich hab ja auch Nerven … Ich weiß ja, du bist nicht der Mensch, dich aus einem Abenteuer ins Freie zu retten, drum hab ich dir’s ja so bequem gemacht, und dir Gelegenheit gegeben, dich in ein anderes hinein zu retten …

FRITZ.

Du? …

THEODOR.

Nun, hab ich dich nicht vor ein paar Wochen zu meinem Rendezvous mit Fräulein Mizi mitgenommen? Und hab ich nicht Fräulein Mizi gebeten, ihre schönste Freundin mitzubringen? Und kannst du es leugnen, daß dir die Kleine sehr gut gefällt? …

FRITZ.

Gewiß ist die lieb! … So lieb! Und du hast ja gar keine Ahnung, wie ich mich nach so einer Zärtlichkeit ohne Pathos gesehnt habe, nach so was Süßem, Stillem, das mich umschmeichelt, an dem ich mich von den ewigen Aufregungen und Martern erholen kann.

THEODOR.

Das ist es, ganz richtig! Erholen! Das ist der tiefere Sinn. Zum Erholen sind sie da. Drum bin ich auch immer gegen die sogenannten interessanten Weiber. Die Weiber haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm. Du mußt dein Glück suchen, wo ich es bisher gesucht und gefunden habe, dort, wo es keine großen Szenen, keine [13]Gefahren, keine tragischen Verwicklungen gibt, wo der Beginn keine besonderen Schwierigkeiten und das Ende keine Qualen hat, wo man lächelnd den ersten Kuß empfängt und mit sehr sanfter Rührung scheidet.

FRITZ.

Ja, das ist es.

THEODOR.

Die Weiber sind ja so glücklich in ihrer gesunden Menschlichkeit – was zwingt uns denn, sie um jeden Preis zu Dämonen oder zu Engeln zu machen?

FRITZ.

Sie ist wirklich ein Schatz. So anhänglich, so lieb. Manchmal scheint mir fast, zu lieb für mich.

THEODOR.

Du bist unverbesserlich; scheint es. Wenn du die Absicht hast, auch die Sache wieder ernst zu nehmen –

FRITZ.

Aber ich denke nicht daran. Wir sind ja einig: Erholung.

THEODOR.

Ich würde auch meine Hände von dir abziehen. Ich hab deine Liebestragödien satt. Du langweilst mich damit. Und wenn du Lust hast, mir mit dem berühmten Gewissen zu kommen, so will ich dir mein einfaches Prinzip für solche Fälle verraten: Besser ich als ein Anderer. Denn der Andere ist unausbleiblich wie das Schicksal.

(Es klingelt.)

FRITZ.

Was ist denn das? …

THEODOR.

Sieh nur nach. – Du bist ja schon wieder blaß! Also beruhige dich sofort. Es sind die zwei süßen Mäderln.

FRITZ

(angenehm überrascht). Was? …

[14]THEODOR.

Ich hab mir die Freiheit genommen, sie für heute zu dir einzuladen.

FRITZ

(im Hinausgehen). Geh – warum hast du mir’s denn nicht gesagt! Jetzt hab ich den Diener weggeschickt.

THEODOR.

Um so gemütlicher –

FRITZENS STIMME

(draußen). Grüß Sie Gott, Mizi! –

Theodor. Fritz. Mizi tritt ein, sie trägt ein Paket in der Hand.

FRITZ.

Und wo ist denn die Christin’? –

MIZI.

Kommt bald nach. Grüß dich Gott, Dori.

THEODOR

(küßt ihr die Hand).

MIZI.