Liebeswirren am Donaustrand - Hilde Braunsfeld - E-Book

Liebeswirren am Donaustrand E-Book

Hilde Braunsfeld

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Beschreibung

Ein verfänglicher Zettel in der Jackentasche führt zu einer Ehekrise, eine Verwechslung zu einem unerwarteten Neuanfang. Und Doktor Susanne Kampmann – männerfeindliche Kinderärztin – sorgt zusätzlich für Verwirrung. Die Ehe von Gerti und Jürgen dtoht zu zerbrechen, als die brave Hausfrau einen verfänglichen Zettel in der Jackentasche ihres Ehemannes findet. Dr. Kampmann schickt ihre Freundin in ihr Feriendomizil nach Österreich um Abstand zu gewinnen. Doch dort nehmen die Ereignisse einen turbulenten Verlauf . . . Ein herrlich nostalgischer, humorvoller Liebesroman von Altmeisterin Hilde Btaunsfeld.

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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Liebeswirren am Donaustrand

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Liebeswirren am Donaustrand

 

 

 

 

 

 

 

Hilde Braunsfeld

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2023

 

 

 

Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling

Covergestaltung: Hermann Schladt

 

Verlagsportal: www.novobooks.de

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig

 

 

„Meine Liebe!“ Doktor Susanne Kamp­mann, von Beruf Kinderärztin und sehr tüchtig, sagt es kühl, sachlich und mit einer Portion Geringschätzigkeit. „Meine Liebe, langsam aber sicher wirst du eine alte Schachtel. Du solltest dir endlich dar­über klar werden und nicht so tun, als hättest du die ewige Jugend und Schön­heit gepachtet.“

Sie zieht die schmalen Augenbrauen ui die Höhe und nickt bekräftigend zu diesen schicksalschweren Worten. Ihr Bild im leicht trüben Glas des Dielenspiegels nickt zurück.

„Na also“, murmelt Doktor Kampmann. „Da wären wir uns ja wieder ein­mal einig. Nichts geht doch über eine ge­wisse Verständigungspolitik. Ja, ja, was ich noch sagen wollte, wenn du so weiter- machst wie bis jetzt, mein Kind, mit all deiner verdammten Tüchtigkeit, deinem lausigen Fleiß und deiner schon fast sprich­wörtlichen Energie, dann wirst du eines Tagcs gewiss eine Kinderklinik besitzen und Frau Professor sein.“

Aber diese Aussicht scheint die Frau im Spiegel nicht sonderlich zu begeistern. Im Gegenteil. Die nur Doktor Kampmanns kritischem Blick sichtbaren Fältchen auf der Stirn und die Krähenfüße an den Augen scheinen sich zu vertiefen und geben dem Gesicht einen fast grämlichen Aus­druck,

Um ihn zu verwischen, schneidet Dok­tor Kampmann eine Grimasse. Sie möch­te über ihre verdammte Sentimentalität, an der sie sonst kaum krankt, lachen, aber es gelingt nicht so richtig.

Sie ist viel zu müde dazu. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend haben heu­lende Kinder und jammernde Mütter die Praxis bevölkert. Jetzt möchte Doktor Kampmann eigentlich nur noch eins: wei­che Pantoffeln an die Füße ziehen, sich in einen Morgenrock hüllen und sich ein bisschen verwöhnen lassen.

„Möchtest du Kaffee, mein Herz? Oder hättest du Appetit auf ein Gläschen Wein? So, warte, ich stelle die Lampe um, damit ihr Licht dich nicht blendet. Ist es so recht, Susanne?“

Es wäre schön, wenn es jemand gäbe, der so zu ihr spräche. Aber — es spricht niemand so zu ihr. Wer sollte es auch tun? Sie ist ja allein, ganz allein in der großen Wohnung. Die Aufwartung, Frau Krause, geht um fünf Uhr. Nur die tickende Uhr an der Wand gibt der Lautlosigkeit der Räume ein wenig Leben.

Nach all dem Lärm tagsüber ist die Stil­le nun fast beängstigend.

Nein, sich jetzt in einen Sessel oder auf die Couch fallen zu lassen, wäre der An­fang vom Ende. Susanne spürt, dass sie keine Kraft mehr hat, ihren sentimen­talen Gedanken zu wehren. Sie werden sich über sie stürzen und ihr den Rest ge­ben. Vielleicht wird sie ein bisschen vor Überzeugung heulen, vielleicht wird ihr dies oder jenes einfallen, vielleicht wird sie sogar ihr einsames Leben bejammern und sich vorzustellen versuchen, wie an­ders sie es doch hätte haben können, wenn sie im vorigen Sommer Pippifax gehei­ratet und nun vielleicht schon einen Sohn oder eine Tochter gehabt hätte.

Ach, zum Teufel mit Pippifax! Er hät­te sie unterdrückt. Er hätte ein braves Hausmütterchen aus ihr gemacht. Er hät­te —- er hätte!

Nun, er hat ja nicht. Sie war energisch genug, den Verlockungen seiner werben­den Worte zu widerstehen und seinen Antrag abzulehnen.

„Ich bin aus innerer Berufung Kinder­ärztin geworden. Du wirst es begrei­fen, dass ich nicht alles einfach an den Nagel hängen kann, mein Studium, den Beruf und einfach alles — auch meine Selbständigkeit!“

Damals kam sie sich sehr überlegen vor. Aber damals ahnte sie auch noch nicht, dass sie von Jahr zu Jahr älter werden würde, dass es lange, trostlose Abende geben würde.

Doktor Susanne Kampmann atmet tief auf. Sie weiß, dass sie irgend etwas un­ternehmen muss, damit nicht auch dieser Abend wieder in einer trostlosen Me­lancholie versinkt. Sie beschließt, sich um­zuziehen und in ein Konzert zu gehen. Sie liebt Musik sehr und hofft, dass diese ihr helfen wird, den Katzenjammer zu überwinden.

Sie muss sich beeilen, wenn sie den Anfang des Konzertes nicht versäumen will. Schon zehn Minuten später steht sie vor dem Dielenspiegel und zieht bloß noch mit einem Lippenstift über die Mund­winkel hinweg.

Da klingelt es an der Wohnungstür. Doktor Kampmann erschrickt unwill­kürlich. Der Lippenstift verschmiert sich, und sie spürt sich ein bisschen ärgerlich werden. Da hat sie sich nun also aufge­rappelt, etwas zu unternehmen; nun wird sie dabei gestört. Am liebsten möchte sie gar nicht öffnen.

Aber — es könnte ja ein Patient sein, der ihre Hilfe braucht. Sie seufzt ein wenig und geht, um die Tür zu öffnen.

Vor ihr steht kein brüllendes Kind, keine angstvolle Mutti, vor ihr steht — Gertie Schmidt, Doktor Kampmanns be­ste, ja, eigentlich ihre einzige Freundin, mit der sie bereits gemeinsam die Schul­bank gedrückt hat.

Ihre Freundschaft hat sich über all die Jahre hinweg erhalten. Noch vor einer Viertelstunde wäre Susanne über diesen Besuch erfreut gewesen, der ihre Einsam­keit unterbrochen haben würde.

Aber jetzt wollte sie ausgehen, und sie ist gar nicht so sehr begeistert, dass Gertie ausgerechnet jetzt bei ihr erscheint. Aber ehe sich Susanne über ihre wahren Ge­fühle richtig klar wird, hängt ihr Gertie schon am Halse und bringt schluchzend hervor: „Susi, mein Leben ist vernich­tet, ganz und gar!“

Sie ist ganz aufgelöst.

Doktor Kampmann zieht die Freun­din in die Wohnung und schließt hinter ihr die Tür. Es kommen Leute die Treppe herunter, und sie hat es nicht gern, wenn ihretwegen ein Auflauf entsteht. Dann blickt sie das heulende Elend an und fragt: „Was ist denn passiert, Gertie?“

Aber die andere kann jetzt nicht ant­worten. Sie wird vom Schluchzen ge­schüttelt. Sie ist völlig erledigt und lässt sich willenlos von Susanne in ein Zimmer ziehen, auf einen Sessel drücken und die Jacke ausziehen.

Kopfschüttelnd steht Susanne neben ihr und blickt auf sie herab. Es muss irgend etwas geschehen sein, was Gertie über den Haufen geworfen hat.

Gertie und Susanne haben völlig ent­gegengesetzte Charaktere. Wo Doktor Kampmann energisch und resolut ist, wirk­te Gertie schon als Schulmädel weich und weltfremd. Das heißt, so völlig weltfremd konnte sie aber wohl doch nicht gewesen sein, denn bereits im zarten Alter von achtzehn Jahren war Gertie verlobt. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit, einen Beruf zu erlernen. Doch das war gut so. Gertie könnte man sich weder im Labor noch hinter einem Schreibtisch vorstellen. Eine Gertie kann eigentlich nur der Sonnen­schein, der Inbegriff eines trauten, ge­mütlichen Familienlebens und eines ge­pflegten Heimes sein. Gertie ist der sanf­te Hafen für einen Mann, der am Abend erschöpft heimkommt, die Pantoffeln an­zieht, die sie ihm fürsorglich herbeischleppt und dann im weichen Sessel oder an ihrer Brust neue Kraft und neuen Elan schöpft, um sich am nächsten Morgen wieder in den Kampf des grausamen Lebens zu stürzen.

Aber im Moment wirkt Gertie nicht wie ein Sonnenschein, sondern eher wie ein heftiger Gewitterregen. Ihre Haare sind zerzaust, und ihre Nase sieht ge­schwollen aus. Sie muss schon sehr viel geweint haben. Schließlich begreift Dok­tor Kampmann, dass Gertie kein Taschen­tuch bei sich hat. Sie drückt ihr eins in die Hand. Trotz ihrer Enttäuschung über das versäumte Konzert bringt sie es nicht fertig, der verstörten Gertie zu gestehen, dass sie eigentlich stört, und dass sie lieber Morgen wiederkommen soll.

Gertie hat Kummer, und einen solchen kann man nicht von einem Tag auf den nächstenen verschieben. Mit so etwas muss man gleich fertig werden.

Susanne beginnt auch gleich an dem praktischen Ende.

„Putz dir mal ordentlich die Nase, und dann schieß los, wo dich der Schuh drückt, mein Kleines“

Aber das ist leichter gesagt als getan. Gerti heult so, dass sie nur schluchzend hervorstoßen| kann: „Ich nehme mir das Leben, Susi. Ich geh ins Wasser! Ich dreh den Gashan auf"

Susanne hockt sich auf Gerties Sessel­lehne und runzelt die Brauen. Sie zündet sich eine Zigarette an und sagt dann kühl: „Für eins kannst du dich nur ent­scheiden, mein Herzblatt. Es ist biologisch unmöglich, zweimal zu sterben. Ehrlich gesagt — einmal genügt wirklich. Aller­dings finde ich, dass man da nicht beson­ders nachzuhelfen braucht. Das kommt sowieso für uns alle einmal, da brauchen wir uns nicht besonders anzustrengen. Wes­halb also willst du so etwas tun? Und — was würde Jürgen dazu sagen?“

Jürgen ist Gerties Mann. Bei seiner Erwähnung fährt Gertie in die Höhe. Ihre geschwollenen, verheulten Augen star­ren Susanne verstört an. Dann schreit sie: „Der? Pah, dem ist es doch ganz egal, was aus mir wird. Dem bin ich ganz gleichgültig.“

,Aha!‘ denkt Doktor Kampmann. .Ger­ties Kummer hat irgend etwas mit Jürgen zu tun. Was mag er ausgefressen haben?‘

Gertie klärt sie darüber auf. Sie ist ja hergekommen, um sich alles vom Her­zen zu reden, was sie bedrückt.

Sie schleudert Susanne entgegen: „Jür­gen betrügt mich!“

„Ach nein!“ sagt Doktor Kampmann und raucht ruhig weiter. Sie hat zwar gehört, was Gertie sagte, aber die ganze Tragik scheint ihr nicht richtig aufgegangen zu sein. „Er betrügt dich? Wie kommst du darauf? Ich kann mir das nicht den­ken!“

„Nicht wahr?“ jammert Gertie. „Er macht so einen anständigen Eindruck. Da­bei hat er es faustdick hinter den Ohren. Du kannst dir das überhaupt nicht vor­stellen.“

Susanne verzieht ein bisschen den Mund, um das sarkastische Lächeln zu unter­drücken, das Gertie wehtun würde, wenn sie es sähe. Denn —.Susanne kennt die Männer. Sie ist mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gegangen. Sie traut eigentlich jedem männlichen Wesen die toll­sten Dinge zu. Weshalb also hätte ausge­rechnet Jürgen Schmidt die Ausnahme von der Regel sein sollen?

Dabei hat Gertie recht, Jürgen macht einen ordentlichen Eindruck. Aber man weiß ja, gerade die stillsten Wasser sind am tiefsten. Arme Gertie, so muss sie also auch diese Erfahrungen machen. Su­sanne hätte es ihr nicht gewünscht.

Sie raucht ein paar Züge, dann fragt sie: „Wie bist du daraufgekommen, Ger­tie?“

Gertie nestelt in ihrer Jackentasche. Sie hat nicht einmal ein Handtäschchen bei sich.

Schließlich zieht sie ein Stück Papier heraus und reicht es Susanne, die es mit spitzen Fingern entgegennimmt.

„Da, lies! Diesen Wisch fand ich in der Tasche seines Bademantels. Du darfst nun nicht denken, Susi, dass ich herumge­schnüffelt hätte. Ach nein, nie wäre mir der Gedanke gekommen, dass Jürgen et­was zu verbergen haben könnte. Nun dies — durch reinen Zufall. Du musst wissen, mein Bademantel ist in der Rei­nigung, und ich pumpte mir mal Jürgens Mantel. Es ist ja auch nichts dabei, nicht wahr?"

Susanne schüttelt den Kopf.

„Aber nein, natürlich nicht, Schäfchen. Was sollte denn dabei sein, wenn du den Bademantel von Jürgen anziehst?“

Gertie schnupft auf.

„Jedenfalls fand ich bei dieser Gele­genheit den Brief, den du da in der Hand hältst. Lies nur.“

Es sind nur wenige Worte, die auf das Stück Papier gekritzelt worden sind. Aber sie genügen tatsächlich. Ja, sie ge­nügen vollkommen, um eine junge Frau ganz und gar aus den Angeln zu heben, um ihr zu beweisen, dass sie viele Jahre lang all ihre Liebe, ihre Treue, ihre Für­sorge und ihr Vertrauen einem Nichtsnutz, einem unwürdigen Mann geschenkt und geopfert hat.

Es steht da zu lesen: „Ich weiß, was Dir fehlt. Mein Herz gehört nur Dir. Ich danke Dir für alle Deine Liebe. Lola.“

„Die Dame scheint im Telegrafenamt beschäftigt zu sein, ihrem knappen Stil nach zu schließen“, murmelt Susanne. Aber trotz ihres saloppen Tons fühlt sie sich erschüttert. Arme, kleine Gertie.

Susanne drückt ihre Zigarette im Ascher aus.

Gertie sieht sic gespannt an.

„Was sagst du nun?“

Susanne zuckt mit den Achseln.

„Ein starkes Stück, mein armes Klei­nes. Übrigens, du hast den Wisch doch bestimmt gleich Jürgen unter die Nase gerieben, nicht wahr? Was sagt er da­zu?“

Gertie reißt die Augen auf, dann schüt­telt sie den Kopf.

„Jürgen — weiß noch nichts davon. Jürgen habe ich noch gar nicht danach gesprochen, und ich werde ihn auch vor übermorgen Abend nicht sehen. Er ist auf einer dreitägigen Geschäftsreise. Das heißt, vielleicht ist auch das bloß erstunken und erlogen, wie alles andere, was er mir erzählt hat.“

Die Augen der sanften Gertie blitzen. Vielleicht sind es die letzten Spuren ihrer Tränen, aber vielleicht ist es auch schon die Erbitterung über ihre verratene Lie­be, die langsam in ihr aufsteigt. Sie ballt die Hände zu Fäusten.

„Susi, ich glaub’, ich kratze ihm die Augen aus, wenn er kommt. Ich mach ihn kalt!“

Gerties gesunder Egoismus kommt wie­der zum Vorschein. Susanne ist befriedigt. Es ist schon viel gewonnen, wenn Gertie nicht mehr selber ins Wasser gehen will.

„Bis übermorgen abend“, sagt sie laut, „wirst du deine Selbstbeherrschung schon wiedergefunden haben!“

Gertie verzieht den Mund.

„So, meinst du? Glaubst du wirklich, ich bin dann über alles hinweg? O nein, so einfach ist das nicht. Schließlich war Jürgen mein ganzes Glück. Aber nun hasse ich ihn. Am liebsten möchte ich ihn nie wiedersehen.“

„Du fällst von einem Extrem ins an­dere“, murmelt Susanne. Aber Gertie hört gar nicht hin, sondern fährt fort: „Vom ersten Tag unserer Ehe an habe ich bloß für ihn gelebt.“

„Das war dein Fehler!“ sagt Susanne trocken und zündet sich die zweite Zi­garette an.

„So?“ fragt Gertie mit hoher Stimme. „Was hätte ich denn sonst tun sollen, Susi?“

Doktor Kampmann zuckt die Achseln.

„Man soll sich nicht mehr den Kopf über vergangene Dinge zerbrechen, Gertie. Man soll darüber nachdenken, was man in Zukunft besser tun kann.“

Gertie presst beide Hände gegen die Schläfen und wiegt den Kopf hin und her.

„Ich hasse ihn, diesen Schuft!“

„Willst du dich von ihm scheiden las­sen?“ fragt Susanne sachlich.

Gertie hebt den Kopf und starrt sie düster an.

„Scheiden? Daran hab’ ich noch gar nicht gedacht. Aber das wäre vielleicht zu einfach. Damit hätte ich das Feld geräumt, damit wäre dieser Lola der Weg frei gemacht. Nein, nein, Susi, ich glaube, scheiden lassen werde ich mich nicht. Aber strafen möchte ich ihn. Zeigen möchte ich ihm, was er mit mir verliert oder was er an mir gehabt hat. Bittere, blutige Tränen soll er noch vergießen, so schnöde an mir gehandelt zu haben. Wenn ich bloß wüsste, wie ich das bewerkstelligen soll. Am liebsten würde ich meinen Kof­fer packen und verreisen."

Susanne nickt. •

„Keine schlechte Idee!“

Gertie runzelt die Stirn.

„Bloß — wohin soll ich fahren, Susi? Bis jetzt bin ich immer nur mit Jürgen verreist. Er hat alles gemanagt. Kannst du mir nicht etwas empfehlen? Du hast mir doch im vorigen Sommer so von dei­nem Urlaubsaufenthalt vorgeschwärmt. Kann ich da nicht hinfahren? War es nicht irgendwo an der Donau, in Nieder­österreich?"

Susanne nickt.

„Ja, dort war es.“

Die schöne Donau — und die schönen Mondscheinnächte an der Donau, die sie da erlebte. Lieber denkt sie nicht daran, sonst überwältigt sie das heulende Elend. Sie hätte es ja haben können, mehr von der Sorte solcher Nächte zu erleben.

Sie wollte es ja nicht. Ihre Selbständig­keit war ihr lieber. Nun hockt sie da mit ihrer Selbständigkeit und der ver­dammten Sehnsucht nach Pippifax.

„Ob ich da noch unterkommen könnte, Susi — ich meine, in dem Hotel, in dem du gewohnt hast? Es war doch or­dentlich?“

Susanne nickt abermals.

„O ja, ich kann dir das Haus empfeh­len, Gertie.“

„Und die Betreuung ist auch gut?“

„Ja, ja, sehr gut."

Dumme Gedanken, die sie dabei über­fallen.

Gertie streichelt der Freundin die Hand.

„Könntest du nicht ein gutes Wort für mich einlegen? Ich meine, du bist doch da bekannt. Vielleicht könntest du mal anrufen und fragen, ob ich dort ein Zim­mer bekommen kann?“

Da hat es bei Susanne gefunkt. Dies ist ein Weg, um mit Pippifax wieder in Verbindung zu treten. Sie braucht bloß aufzustehen, an den Telefonapparat zu gehen und sich vom Fernamt mit Dürn­stein an der Donau verbinden zu lassen. Dann besteht die Möglichkeit, Pippifaxens Stimme zu hören.

Ganz tief seufzt Susanne auf. Gertie missversteht dieses Seufzen.

„Susi, ich mache dir große Scherereien. Bitte, verzeih mir. Und du brauchst auch nicht zs telefonieren, wenn du nicht möch­test —!“

„Aber — ich möchte ja, Dummkopf!“ Susanne meint es ehrlich. So gern hat sie schon lange nicht mehr etwas gemocht. Aber trotzdem kann sie nicht verhindern, dass ihr das Herz bis in den Hals hinein klopft.

Eine Viertelstunde später klappt es mit der telefonischen Verbindung. Aber na­türlich ist Pippifax nicht selbst am Appa­rat. Das hat er gar nicht nötig. Dazu hat er seine Leute. Sie verlangt also den Besitzer des Hotels zu sprechen.

Das Fräulein am anderen Ende der Leitung scheint unschlüssig.

„Ich weiß net, ob der Herr Saxenburger grad zu sprechen ist. Er befindet sich in einer Versammlung.“

In einer Versammlung, das kann sie der Katz erzählen. Wer hat am Abend um neun Uhr denn noch eine Versamm­lung!

Jedenfalls keine, zu der der Herr Saxen­burger — was der bürgerliche Name Pippifaxens ist — geladen wird.

„Sagen Sie, wer ich bin, dann kommt er auch!“ verlangt sie, aber so sicher ist sie keineswegs. Wer ist sie denn schon, dass er sofort springt und alles im Stich lässt, wenn sie an der Strippe hängt?

Herzklopfend steht sie da, an einen Schrank gelehnt. Zum Sitzen hat sie keine Ruhe. Auf sich spürt sie Gerties erwar­tungsvolle Blicke gerichtet.

Wer weiß, was sie von ihr — Susanne — denkt? Aber wahrscheinlich gar nichts. Sie wird sich mit ihren eigenen Gedanken herumplagen.

Am anderen Ende der Leitung summt und brummt es. Stimmen sind zu hören. Aber es scheint eine Ewigkeit zu ver­gehen, bis es im Draht knackt, und Su­sanne daran merkt, dass jemand drüben den Hörer aufgenommen hat und sich räuspert. Es ist ein merkwürdiges Ge­fühl, sich vorzustellen, dass Pippifax in dieser Sekunde das gleiche tut wie sie nämlich telefonieren.

„Saxenburger!“ sagt jemand heiser und räuspert sich nochmals. Es klingt, als habe er Mühe, seine Zunge zu regieren. Er mag innerhalb seiner Versammlung ein bisschen zu viel getrunken haben.

Das ernüchtert Susanne. Kühl nennt sic ihren Namen.

„Hier Doktor Kampmann, Berlin!“

„Hallo“, schreit Pippifax, „du bist es, Susann, altes Haus? Wie ist es, willst du nicht herkommen? Wir feiern gerade eine Verlobung. Du fehlst gerade noch. Weißt du noch, im vorigen Jahr —?“

Susanne will nichts wissen, sie will sich nicht erinnern. Es tut ihr ein bisschen weh, dass Pippifax mit ihr redet, als wenn sie gestern Abend Abschied vonein­ander genommen hätten und als ob nichts, außer guter Freundschaft, zwischen ihnen bestanden hat. Und sie heult manchmal noch um ihn. Schön verrückt ist sie!

„Nein“, erwidert sie kalt, „ich kann nicht kommen. Ich habe erst in einem Monat Urlaub. Du weißt, so einfach ist das bei mir nicht. Ich kann nicht bloß die Bude zumachen und durch die Welt gondeln. Außerdem will ich diesmal nach Frank­reich fahren.“

„Hübsch, sehr hübsch!“ freut sich Pippi­fax. Dabei hätte er es eher bedauern sollen, dass sie keine Sehnsucht hat, ihn wiederzusehen.

„Im übrigen rufe ich aus einem be­stimmten Grund an“, kommt sie auf den Zweck des Telefonates zu sprechen. „Hast du noch ein hübsches Zimmer frei?“

„Für dich immer, Susannchen, und wenn ich selbst mein Appartement räumen müsste und auf den Dachboden ginge.“ Er hat es schon wieder vergessen, dass sie ihm soeben eine Abfuhr erteilte.

Ihre Stimme wird noch eisiger.

„Ich will das Zimmer nicht für mich, sondern für meine Freundin."

„Ah, für deine Freundin. Dafür muss ich erst wissen, ob sie so nett ist wie du, Susannchen?“ Pippifax ist einfach un­möglich.

„Gertie ist ein reizender Kerl und schwer enttäuscht!“ sagt Doktor Kamp­mann zurückhaltend.

„Dann kann ich sie ja ein bisserl trö­sten!“ bietet sich Pippifax an. „Die Hauptsache ist, dass sie net blond ist. Du weißt, dafür schwärme ich nicht!"

Susanne sieht Gerties helles Haar an und grinst böse in sich hinein.

„Also, hast du etwas frei oder nicht?“ fordert sie eine Antwort.

Die bekommt sie dann auch.

Pippifax lacht amüsiert.

„Natürlich, Kleines. Ich habe noch was frei, aber schick deine Freundin bald her. Die Saison fängt an, und du weißt, dann geht es bei uns heiß her, und ich kann mich den einzelnen Gästen nicht mehr so gut widmen. Dabei wird dir mein Grund­satz ja wohl noch in Erinnerung sein, wie?“

„Gewiss“, würgt Susanne hervor. „Je­dem Gast seine eigene Art von Urlaubs­gestaltung organisieren, besonders den weiblichen Besuchern deines Hauses.“

„Fein, du hast es gut behalten, Tschapperl!“ freut sich Pippifax. „Man muss sei­nem Beruf halt auch Opfer bringen.“

„Ich glaube nicht, dass es so ein großes Opfer für dich ist, wenn du dich der Damen annimmst.“

Pippifax lacht herzlich.

„Immer nicht, Tschapperl! In deinem Fall zum Beispiel. Aber ich versprech dir, auch zu deiner Freundin nett zu sein. Sie braucht bloß halb so nett zu sein wie du. Übrigens, mach Schluss jetzt, sonst kommt dich das Gespräch zu teuer. Das nächste Mal könnte ich ja anrufen, wie? Bei mir wird das unter Geschäftsspesen verbucht. Lass dir ein Busserl durchs Telefon geben. Spürst ihn?“