Liebhaber der Finsternis - Fay Ellison - E-Book

Liebhaber der Finsternis E-Book

Fay Ellison

4,3

Beschreibung

Die vom Leben und den Männern enttäuschte Engländerin Leah wendet sich verzweifelt an den Vampir Corbin, der sie durch eine Verwandlung von ihren Emotionen befreien soll. Aber der engelsgleiche Cian ist der Vampir, der ihr vom ersten Augenblick unter die Haut geht. Sie verbindet sich mit ihm und wird zum Spielball der Lust, denn ihre Wandlung hat ihren Preis. Menschenblut allein genügt nicht. Um zu überleben, müssen die einst gefallenen Engel des Vampirclans ihr einen Teil ihres Blutes überlassen. Als Gegenleistung erklärt sie sich bereit, mit jedem der zwölf Engel eine Vollmondnacht im Jahr zu verbringen. Doch Leah ist fasziniert von Cians Bruder Corbin, und muss feststellen, dass auch Untote lieben können. Sie gerät zwischen sämtliche Fronten, als Cian sie nicht aus seinem Bann entlassen will und die Engel ihre Vollmondnächte einfordern.

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Liebhaber der Finsternis

Erotischer Vampir-Roman

Fay Ellison

Copyright © 2011 Sieben Verlag, Ober-Ramstadt

ISBN Taschenbuch: 978-3-86443-069-5

ISBN e-Book-PDF: 978-3-864430-70-1

ISBN e-Book-Epub: 978-3-864430-71-8

Umschlaggestaltung: © Andrea Gunschera

Grafiken: © Sergey Yakovlev – Fotolia.com

Korrektorat: Susanne Strecker, www.schreibstilratgeber.com

www.sieben-verlag.de

Wir sind keine EngelWenn wir stürzen – fallen wir nichtWir fangen einander auf

Für meinen Mann in Liebe

England

Vier Tage bis Vollmond

Die Nacht war wolkenverhangen und es roch nach frisch aufgehäufter Erde und welkenden Blumen. Kalter Nebel kroch in Schwaden über die Gräber und verlieh dem uralten Friedhof zusätzliche Magie.

Es war keine Wetterbesserung in Sicht, aber zumindest regnete es in dieser Nacht nicht. Schlechtes Wetter konnte Leah jedoch nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Ereignislose Nächte waren dieser vorangegangen.

Sie fragte sich nicht das erste Mal, ob die Recherchen, die sie in den vergangenen Wochen betrieben hatte, fehlerhaft waren. Auch an dem Gerede, dass sich in dieser Gegend Vampire herumtrieben, begann sie zu zweifeln. Handelte es sich um Altweibergeschwätz, erlogen, um kleinen Kindern und Frauen Angst zu machen? Oder war es noch schlimmer, wollten selbst Geschöpfe der Dunkelheit nichts von ihr wissen? Sie war zu alt, sich etwas vorzumachen. Die schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit hatten ihr jegliche Illusion geraubt. Es gab keine Prinzen auf weißen Rössern, die dahergeritten kamen, um sie wie im Märchen glücklich bis ans Lebensende zu machen. Es gab anscheinend nicht einmal einen normalen Mann, der dazu in der Lage war. Der Schmerz in der Brust wallte erneut auf. Sie hoffte inständig, hätte sie erst einmal ihr Ziel erreicht, dass der Schmerz nur noch einer schemenhaften Erinnerung gleichkäme. In den vielen Aufzeichnungen war immer wieder die Rede davon, dass Vampire gefühllos, kalt und unerschütterlich sind. Genau das schwebte ihr vor. Vielleicht würde sie dem einen oder anderen Ex-Geliebten das Fürchten lehren, wenn sie ihn des Nachts besuchen kam. Oh ja, bei diesem Gedanken ging es ihr besser. Was für eine Vorstellung! Sie war verzweifelt, aber nicht so verzweifelt, sich das Leben zu nehmen. Es ging darum, das Leben so zu gestalten, wie sie es sich vorstellte. Der Traum von einer Familie mit Kindern hatte sich nicht mit denen ihrer Ex-Männer gedeckt. Deshalb hatte sie ihn schließlich verworfen und durch diesen neuen ersetzt. Es war ein gutes Gefühl, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und es gab noch einen weiteren Punkt, warum sie ein Vampir werden wollte: Sex! Wenn sie sich endlich wie ein Mann benehmen könnte, kam das der Vorstellung des neuen Ichs entgegen. Natürlich gab es genügend Frauen, denen es nichts ausmachte, einen One-Night-Stand nach dem anderen zu haben, aber sie gehörte nicht dazu. Sie war immer mit Gefühl bei der Sache gewesen. Meist war sie bis über beide Ohren verliebt, bevor sie überhaupt einen Gedanken an intimen Körperkontakt verschwendete. Genau das würde sich ändern. Die letzte Trennung war über ihre Kräfte gegangen. So tief hatte sie noch kein Mann verletzt. Undenkbar, dass diese Wunde je heilen könnte. Vielleicht hätte sie Verständnis gehabt, wenn sie hässlich wäre. Aber das Gegenteil war der Fall, sie war schlank, grazil, hatte smaragdgrüne Augen und einen klugen Kopf. Lange, honigfarbene Haare flossen ihr über die Schultern. Eigentlich besaß sie alles, was eine attraktive Frau ausmachte. Und doch war es nie genug gewesen, um einen Mann dauerhaft an sich zu binden. Ein erfolgreiches Studium in Design war der Einstieg zu einem eigenen Modegeschäft gewesen. Gut, sie war keine bekannte Designerin geworden, aber sie verdiente ihr eigenes Geld und war unabhängig vom Einkommen eines Mannes. Ab und an hegte sie den Verdacht, dass genau das das Problem war. Letztendlich war es egal, denn nun hatte sie keinen anderen Wunsch, als sich den Unsterblichen anzuschließen. Sie wollte keine Emotionen mehr besitzen, auf denen Männer herumtrampelten wie auf einem Fußabtreter. Sie hatte genug. Ihr Herz wurde zu sehr gebrochen.

Sie zog die Decke fester um ihre Schultern. Fast hatte sie das Gefühl, als würde die Feuchtigkeit des Nebels bis in die Eingeweide kriechen. Aber es störte sie nicht, denn innerlich fühlte sie sich bereits tot, gestorben wie all die Menschen, die hier ruhten. Ein Blick auf die Uhr bestätigte, dass Mitternacht bereits vorüber war. Leahs Hoffnung, sich in ein Geschöpf der Finsternis zu verwandeln, schwand dahin. Hatte sie einen Fehler begangen? Hatte sie sich vorschnell von ihrem Geschäft und der Wohnung getrennt? Es war zu spät, sich den Kopf zu zerbrechen, es gab kein Zurück. So oder so würde es einen Neuanfang geben.

Langsam ließ sie den Blick über die verwitterten Gräber schweifen. Für sie würde es keinen Grabstein geben. Wozu auch, es würde sie keiner vermissen, offiziell war sie ausgewandert nach Australien. Die Besitztümer, wenn man sie denn so nennen konnte, hatte sie veräußert. Sie besaß nichts weiter als das, was sie am Leib trug und den kläglichen Rest, der in dem braunen Lederkoffer zu ihren Füßen Platz gefunden hatte. Wenn es heute Nacht nicht geschah, würde sie in dem Hotelzimmer auf die nächste Gelegenheit warten. Zeit war etwas, wovon sie ab sofort genug besaß. Es raschelte zu ihren Füßen und sie lauschte dem Wispern des Windes in den Zweigen der alten Eibe, während sie in Erinnerungen schwelgte.

Das letzte Jahr hatte diesen Sinneswandel hervorgerufen. Das erregende Flattern von Schmetterlingen in ihrem Bauch war verflogen, weil ihre Liebe nicht erwidert wurde. Als ihr Herz in tausend Teile brach, war das Gefühl so fürchterlich, dass sie beschloss, es für immer zu begraben. So etwas sollte sich niemals wiederholen.

Ein Geräusch hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Würden sich Mühe und Ausdauer auszahlen? Würden die Vampire sie in ihrer Mitte aufnehmen? Sie sah sich nicht um, verharrte in der Sekunde der Euphorie, die ihren Pulsschlag schneller werden ließ.

Eine starke, kalte Hand legte sich auf ihre Schulter und eine dunkle, alles umschmeichelnde Stimme zog sie unaufhaltsam in ihren Bann.

„Was tust du an diesem düsteren Ort zu dieser späten Stunde? Hast du keine Angst, dass dir jemand etwas zuleide tun könnte?“, raunte eine männliche Stimme dicht an ihrem Ohr.

Ihr Herz hämmerte wie verrückt, als hätte es sich in den vergangenen Sekunden erholt und zu einem Ganzen zusammengefügt. Zweifel machten sich breit und doch lockte diese Stimme und ließ sie vor Vorfreude erschauern.

„Nein, ich habe keine Angst. Ich sehne mich nach der Ewigkeit und nach einem kalten Herzen, das meinen Verstand nicht daran hindert, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn du ein Vampir bist, dann nimm, was ich dir anbiete und mache mich zu einer von euch“, antwortete sie, als wäre es die normalste Sache der Welt.

Sie wartete auf eine Reaktion und ließ die wärmende Decke von ihren Schultern gleiten. In diesem Moment bahnte sich der Halbmond einen Weg durch die Wolken und erhellte mit seinem silbernen Glanz diesen düsteren Ort. Langsam stand sie auf, wandte sich um und sah dem Fremden in die Augen. Sie hatte für diesen Zweck ein figurbetontes Outfit gewählt. Das hautenge Kleid verdeckte weniger als schicklich gewesen wäre und gewährte ihrem Gegenüber einen tiefen Einblick auf ihr wohlgeformtes Dekolleté. Es war eine eigene Kreation und offensichtlich verfehlte sie nicht die angestrebte Wirkung. Darunter trug sie fast nichts.

„Wie ist dein Name?“, fragte er mit belegter Stimme.

Sie sah seinen lüsternen, ungläubigen Blick. „Leah.“

„Corben“, antwortete er und verbeugte sich. „Wenn es dein Wille ist, werde ich dich mit Freuden zu einer der unseren machen, aber nicht hier und jetzt. Ich werde dich mit zu uns nach Hause nehmen. Die Nacht hat zu viele Augen und du fröstelst in deinem dünnen Gespinst. Ich aber will, dass du in der Glut meiner Umarmung verbrennst und dir wünschst, nie wieder die Wärme der Sonne auf deinem Antlitz zu spüren. Denn wenn du die Meine bist, wird ein Band uns verbinden und ich möchte, dass du es nicht als Fessel wahrnimmst, sondern als Bund einer ewig währenden Liebe.“

Die Ruhe, die sie umfing, war unnatürlich. Fast so, als wären alle Tiere geflüchtet oder vor Ehrfurcht verstummt. Es war die Stille, in der man eine Stecknadel fallen hören könnte.

Sein Umhang hatte die Silhouette von dunklen Schwingen angenommen und die Luft knisterte, als wäre sie durch seine Anwesenheit elektrisch aufgeladen. Leah musste schlucken, denn dieses erotisierende Gefühl griff nach ihr und ließ in ihrem Schoß ein prickelndes Verlangen aufkeimen. Seit seiner Ankunft schien sie von innen heraus zu glühen. Es war diese gewisse Art, die sie nur zu gut kannte und die nur durch die leidenschaftliche Vereinigung zweier Menschen gestillt werden konnte. Am liebsten hätte sie sich an ihn gedrängt. Sie brannte darauf, von ihm berührt zu werden. Die Brustwarzen unter dem zarten Stoff hatten sich erwartungsvoll aufgerichtet und sehnten sich danach, von ihm liebkost zu werden. Die Frage, die ihr auf den Lippen brannte und die ihre Fingerkuppen kribbeln ließ, war, ob sich bei ihm auch etwas aufgerichtet hatte. Für eine Bestätigung hätte sie zugreifen müssen, denn für alles andere war es zu dunkel. Aber das traute sie sich nicht.

Ohne Scheu glitt ihr Blick über die imposante Erscheinung mit den wundervoll kantigen, maskulinen Gesichtszügen. Als sie seinen dunklen Augen begegnete, hatten diese nichts Angst einflößendes. Rabenschwarze volle Haare ließen ihn noch blasser erscheinen. Seine dunkle Kleidung ließ ihn mit der Nacht verschmelzen. Er war fast einen Kopf größer als sie und als er sie in seine Arme zog, zitterte sie vor Verlangen und der Hoffnung auf Erlösung. Er legte den Umhang um ihre Schultern und seine kalten Lippen an den Punkt ihres Halses, an dem ihr Blut heiß dahinfloss. Zu ihrem Bedauern hauchte er nur einen flüchtigen Kuss darauf. Dann zog er sie mit und wie im Traum flogen sie dahin.

Als Leah die Augen aufschlug, lag sie in einem überdimensionalen Bett mit Baldachin. Die roten Samtvorhänge waren zugezogen und ließen keinen Sonnenstrahl ins Zimmer dringen. Das spärliche Licht kam von einer Kerze, die in einem Halter neben dem Bett vor sich hinflackerte. Sie wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren und wie lange sie in diesem Traum geflogen war, aber sie wusste, dass sie noch aus Fleisch und Blut war. Sie spürte all die lästigen menschlichen Bedürfnisse, derer sie so müde geworden war. Auch das Ziehen in ihrem Schoß, das darauf wartete, endlich gestillt zu werden, war immer noch vorhanden, stellte sie frustriert fest. Corben, dachte sie sehnsüchtig und ließ ihre Finger über die zarte Haut ihrer Brust gleiten. Warum ließ er sie so lange warten? Erneut prickelte ihre Haut bei dem Gedanken an ihn und sie konnte nicht umhin, sich weiter abwärts zu streicheln. Als sie den zarten Stoff, der ihr Dreieck bedeckte, berührte, stellte sie fest, dass sie feucht war. Noch länger zu warten war undenkbar. Sie schob das Höschen beiseite und liebkoste die bereits geschwollene Klit mit ihrem Finger, stellte sich vor, dass es Corben wäre, der sie berührte. In ihrer Fantasie war er dominant und aufregend. Ein perfekter Liebhaber mit unendlicher Ausdauer, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Es entrang ihr ein Stöhnen. Immer stärker übte sie Druck auf den empfindlichen Punkt aus, bis sie sich nicht mehr zurückhalten konnte und ein kurzer, heftiger Orgasmus für vorrübergehenden Seelenfrieden sorgte.

Sie erschrak, als die Tür aufschwang und ein älterer Herr begann, die Vorhänge aufzuziehen. Hatte er irgendetwas mitbekommen von dem, was sie hier getrieben hatte? Kurz musste sie blinzeln, bevor sie einen genaueren Blick auf den Mann werfen konnte. Er war klein und füllig, seine Haare spärlich, seine Augen sahen trübe aus und sie hatte das Gefühl, dass sie etwas zu klein geraten waren. Dafür war seine Nase groß und unschön gebogen, fast wie der Schnabel einer Krähe. Als er sich nach ihrem Befinden erkundigte, sah er über sie hinweg, als wäre sie Luft. Er schob einen Servierwagen in das Zimmer, der mit allen Köstlichkeiten, die ein englisches Frühstück hergab, beladen war. Kein Mensch würde jemals diese Mengen an Lebensmitteln vertilgen können. Allerdings musste sie zugeben, dass es appetitanregend roch. Sie verspürte Hunger und doch weigerte sie sich, diesem Gefühl nachzugeben. Verriet es doch allzu deutlich, dass sie immer noch lebendig war. Als der Diener fort war, knabberte sie an einem Stück Toast und gönnte sich eine Tasse Tee. Sie war wütend über seine überhebliche Art. Er tat, als wäre sie ein unangenehmer Eindringling, dabei hätte sie sich gern mit ihm unterhalten. Es gab so viel, was sie ihn hätte fragen können. Aber nach seinem distanzierten Auftritt hatte sie keine Lust gehabt, sich ihm aufzudrängen. Würde sie eben Corben mit Fragen löchern. Und da war er wieder, fast so, als beherrschte er ihr Denken. Verflucht! Leah schlug die Decke zurück und sah sich im Raum um. Die Vermutung, dass sich im angrenzenden Zimmer das Bad befand, wurde beim Öffnen der Tür bestätigt und sie war froh, dass sie ihre immer noch vor Hitze glühende Haut unter der Dusche beruhigen konnte.

Der Tag kroch in unendlichen Minuten dahin, machte sie mürbe, stellte ihre Geduld auf eine harte Probe. Verzweifelt hatte sie sich durch die Fernsehkanäle gequält, aber so recht konnte sie sich auf keinen der Filme konzentrieren. Immer wieder waberte Corbens Gesicht durch ihre Gedanken und ließ die Begierde größer werden, bis sie glaubte, sie könnte es keinen Moment länger ertragen. Wann würde er zu ihr kommen? Wann würden seine Lippen endlich ihr Lebenselixier vergießen? War diese süße Pein ein Teil des Vorspiels? Sollte ihre Begierde sie um den Verstand bringen, damit das erste Mal mit ihm zu einer unvergesslichen Nacht wurde? Lange hielt sie es nicht mehr aus, er sollte sie endlich von diesem Verlangen befreien. Sie war ungeduldig wie ein junges Fohlen. Wartete nur darauf, dass sich ihr größter Wunsch erfüllen würde.

Ein blutroter Sonnenuntergang kündigte die Nacht an. Der Wind war im Laufe des Tages abgeflaut. Irgendwo bellte ein Hund. Hoch oben am Himmel kreiste ein Raubvogel, vielleicht ein Adler oder ein Bussard, sie wusste es nicht. Aber sie genoss diesen Anblick. Wusste sie doch, dass es das letzte Mal sein würde. Das wäre das Einzige, das sie vermissen würde. Nur mühsam konnte sie sich vorstellen, nie wieder die Sonne zu sehen oder die Pracht einer erblühten Rose. Schwer atmete sie aus. Der Zeiger der Uhr hatte sich seit dem letzten Blick kaum bewegt. Das war die reinste Folter. Es klopfte an der Tür.

„Herein.“

„Master Corben bat mich, Ihnen das hier zum Anziehen zu bringen.“ Er hielt ein durchsichtiges rotes Negligee in die Luft und hängte es an den Schrank. „Er erwartet Sie um acht Uhr zum Dinner. Wenn Sie mich nicht benötigen, ziehe ich mich jetzt zurück. Ich werde Sie abholen und in den Saal geleiten.“

Sie betrachtete das Kleidungsstück. Rot wie Blut. Irgendwie war ihr beim Überstreifen dieses erotischen Stück Stoffs mulmig zumute. Dinner? Was würde es angesichts dieser Bekleidung wohl zum Essen geben? Siedend heiß kam die Erkenntnis und mit ihr das ziehende Verlangen in ihrem Schoß. Als es endlich klopfte, verscheuchte sie diesen Gedanken. Hinter dem Butler herschreitend verließ sie das Zimmer. Mutigen Hauptes ging sie barfuß die nicht enden wollenden Stufen hinab. Das Treppenhaus hatte gewaltige Ausmaße und ein riesiger Kronleuchter erhellte den Weg. Die Wände wirkten dick und kalt. An dem nackten grauen Stein hingen unzählige Ölgemälde. Auf einem der Bilder erkannte sie Corben und sofort prickelte ihre Haut erwartungsgeladen. Als sie unten angelangt war und eine zweiflügelige Tür geöffnet wurde, war der Anblick ebenso beeindruckend wie der Rest des riesigen Hauses, von dem sie vermutete, dass es sich um ein altes Schloss handelte. Viel hatte sie aus dem Fenster heraus nicht erspähen können. Aber das wenige, was sie gesehen hatte, hatte gereicht, sich ein ungefähres Bild von den Ausmaßen des Anwesens zu machen.

Beklommen betrat sie den Saal. Als man sie entdeckte, verstummten die eben noch melodisch klingenden Gespräche. Leah hatte nicht damit gerechnet, dass jemand anderes als Corben anwesend sein könnte. Nun aber musterten sie zwölf Augenpaare. Sie fühlte sich ausgeliefert und wäre am liebsten aus dem Raum gerannt. Das hier war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte. Ein Schauder lief ihr den Rücken hinab. Als sich endlich Corben aus der Menge schälte, hüpfte ihr Herz. Mit schnellen Schritten kam er auf sie zu.

„Leah“, rief er aus. Im nächsten Moment nahm er ihre klamme Hand und begrüßte sie mit einem Handkuss. Augenblicklich stellten sich ihre Nackenhärchen auf und lustvolles Prickeln jagte über ihre Haut. „Du siehst bezaubernd aus.“

Er schmeichelte ihr. Sie vermutete, dass es sich um Vampire handelte und als Corben ihre Hand ergriff, bestätigte er diese Vermutung. Er stellte sie jedem Einzelnen vor. Sie würden bald einen Teil ihrer neuen Familie ausmachen. Am Anfang schlug sie schamhaft die Augen nieder. Einmal erschrak sie, als ein großer, von Narben entstellter Vampir sie düster taxierte. Aber Angst und Scham wurden schwächer und kurze Zeit später fühlte sie sich in ihrem Negligee frei und ungezwungen. Als sie beim letzten Vampir angelangte, stockte Leah der Atem.

Noch nie hatte sie etwas Schöneres erblickt. Er schien von innen heraus zu leuchten. Sein Körper hatte eine erotische Präsenz, die sie augenblicklich gefangen nahm. Sie hatte nur noch Augen für ihn. Ihre Lippen hingen an seinen blonden langen Wimpern und seinem engelsgleichen Haar, das ihn wie ein Heiligenschein umgab. Verdammt, wenn sie geglaubt hatte, Corben würde sie um den Verstand bringen, so war sie gerade vom Gegenteil überzeugt worden. Am liebsten hätte sie ihrem Gegenüber sofort die Kleider vom Leib gerissen, um ihn vor der gesamten Mannschaft zu vernaschen. Im Geiste sah sie sich nackt auf ihm. Sie wollte ihn reiten, bis sie stöhnend über ihm zusammenbrach. Die Hitze, die ihr Körper verströmte, glich dem eines Schmiedefeuers und war schier unerträglich. Die Beine wollten unter ihr nachgeben und ihr Blut geriet derart in Wallung, dass sie schon glaubte, an einem bösen Fieber erkrankt zu sein. Mit einer Hand versuchte sie, sich verzweifelt Luft zuzufächeln, hielt aber jäh inne, weil sie sich bewusst wurde, wie es auf die anderen Anwesenden wirken musste. Ein feiner Schweißfilm breitete sich auf ihrer Stirn und zwischen den Brüsten aus, doch es war die Feuchtigkeit in ihrem Schoß, die ihr Sorgen bereitete. Verwirrt über die Wirkung, die er auf sie ausübte, versuchte sie den Blick von ihm abzuwenden, aber so sehr sie sich bemühte, sie konnte sich nicht von seinen meerblauen Augen losreißen.

Er zog seine Mundwinkel amüsiert in die Höhe, machte eine vollendete Verbeugung und küsste ihre Hand. Als hätte sie sich die Haut verbrannt, zuckte sie bei der zarten Berührung seiner Lippen zusammen. Lieber hätte sie seinen Mund auf ihrem gespürt. Wenn es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gab, so hatte sie sie in diesem Moment ereilt. Nicht schon wieder, dachte sie verzweifelt. Genau das wollte sie verhindern. Inständig betete sie, dass der Spuk bald ein Ende nahm. Spätestens, wenn Corben sie zu einer der ihren gemacht hatte. Hoffte sie. Wie durch Watte nahm sie Corbens Stimme war.

„Leah, darf ich dir meinen Bruder Cian vorstellen.“

Brüder? Nie hätte sie so etwas für möglich gehalten. Sie waren völlig verschieden. Cian sah aus wie die aufgehende Sonne und Corben wie die tiefschwarze Nacht. Sie hatte das Gefühl, zu schweben, und in ihrem Kopf explodierten Sterne.

„Leah, ein schöner Name. Ich bin erfreut, deine Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe, es geht dir gut?“, säuselte der Engel und zwinkerte ihr zu.

Was sollte sie sagen? Sie nickte und ließ sich von Corben zur Tafel führen, die mit einem blutroten Tischtuch bedeckt war. An einem Ende lag ein weißes Spitzenkissen, mehr nicht. Als sie begriff, sah sie Corben zweifelnd an.

„Es ist zu spät, es gibt kein Zurück. Niemand, der ein schlagendes Herz sein eigen nennt, darf diesen Ort lebend verlassen. Du hast gewählt.“ Er machte eine einladende Handbewegung. „Wir werden vorsichtig sein, das verspreche ich dir. Wenn du morgen Abend erwachst, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.“

Das war die Bestätigung, auf die sie gewartet hatte und die sie bewog, den dargebotenen Stuhl zu besteigen und sich auf den Tisch zu legen. Als ihr Kopf auf dem Kissen ruhte, vernahm sie nur noch den gewaltigen Trommelwirbel ihres Pulses. Indem sie sich auf den Kronleuchter konzentrierte, versuchte sie, ihre Anspannung zu ignorieren. Nebenbei nahm sie wahr, wie die Vampire an der Tafel Platz nahmen. Wie lange würden sie sie noch warten lassen?

Die Vampire begannen mit einer Art Sprechgesang, der lauter und lauter wurde, bis er urplötzlich abriss. Corben erhob sich als Erster, nahm zärtlich ihr Handgelenk in seine kalte Hand und hob es an seinen Mund. Angst und Euphorie mischten sich zu einem Cocktail, der sie unruhig werden ließ. Als seine Zähne durch ihre Haut stießen, spürte sie Schmerz, dann wachsendes Verlangen. Sie wurde in einen Strudel der Lust gerissen. Ihre Mitte pulsierte und in ihrem Inneren verzehrte sich alles nach ihm. Sie spürte, wie seine Zunge über ihr Handgelenk leckte. Dann fühlte sie andere Hände und Münder. Sie alle bedienten sich an ihr, saugten und leckten an ihren Extremitäten. Leah spürte nach kürzester Zeit, wie sie immer mehr an den Abgrund zur Bewusstlosigkeit zu steuerte. Nun würde es nicht mehr lange dauern. Die Gewissheit breitete sich wie eine beruhigende Decke über ihr aus.

Als sie durch den Schleier des Rausches sah, wie Cian sich erhob, schien es, als würde er den anderen Vampiren ein Zeichen geben. Die Vampire ließen von ihr ab und zogen sich zurück. Nur Cian blieb an ihrer Seite. Er hob sie auf seine Arme und als besäße sie kein Gewicht, trug er sie hinfort. Sie schmiegte sich an seinen Hals und sog seinen erregenden Duft ein. Als er sie in ein Bett legte und sich vor ihr entkleidete, konnte sie den Blick nicht abwenden. Sein bronzefarbener Körper war schlank und durchtrainiert. Als er sein Glied entblößte, zog sie scharf die Luft ein. Es sah wundervoll aus. Seine Eichel glänzte wie Seide und sein Schaft war prall und hart. Leah fuhr mit der Zunge über ihre Lippen, ihr Atem ging schnell. Ihre Brüste schrien danach, von ihm entblößt und liebkost zu werden.

Er legte sich zu ihr ins Bett und strich ihr vorsichtig eine Locke aus dem Gesicht. Seine Worte drangen wie durch dichten Nebel an ihr Ohr. Sie konzentrierte sich mit der verbliebenen Willenskraft, da sie das Gefühl nicht loswurde, dass es wichtig war.

„Was du spürst, ist das Gift. Es berauscht dich und lässt dich die Schmerzen der Bisse vergessen. Es hat noch einen weiteren Zweck, es verdünnt das Blut. Es kann sein, dass wir dich nicht zu einer der Unseren machen. Nur wenn alle zwölf Ältesten einen Teil ihres Blutes in den Kelch der Unsterblichkeit überantworten, wird dir die Ehre zuteil, eine von uns zu werden. Entscheidet sich einer von uns dagegen, wirst du heute Nacht in diesem Bett sterben und ich kann nichts dagegen tun. Aber ich werde sie auf jeden Fall zu einer der schönsten Nächte deines Lebens machen. Du hast mich erwählt und ich habe eingewilligt, mit dir diesen Bund zu besiegeln. Jeder der anwesenden Vampire hat es gespürt und respektiert. In einer Stunde werden wir beide wissen, ob es ein Bund für die Ewigkeit ist. Ich wollte, dass du dir dessen bewusst bist. Sollte es dazu kommen, dass du von deinem Leben Abschied nehmen musst, ist es von höchster Wichtigkeit, damit deine Seele nicht in der Zwischenwelt gefangen bleibt. Hast du das verstanden?“

Was redete er für einen Unsinn? Corben hatte es doch versprochen. Von diesem Umstand hatte er nicht ein Wort verlauten lassen. Wild schlug ihr Herz, die Angst, das Leben leichtfertig geopfert haben zu können, machte sie wütend. Allerdings war sie viel zu schwach, um Protest zu äußern. Sie musste darauf vertrauen, dass das Schicksal dieses Mal gnädig war. Beklommen bejahte sie. Er löste die Schleife ihres Nachthemds und fuhr mit seinen langen, sanften Fingern den Ausschnitt entlang. Sie drängte ihm ihren Busen entgegen. Ihre Brustwarzen waren so hart, dass es fast schmerzte. Als er mit dem Daumen über ihre Knospe strich, ergriff sie ein Feuer ungeahnten Ausmaßes. In ihr pulsierte die Lust und in ihrer Mitte zog es heftig. Sie fühlte, wie sie immer feuchter wurde. Er zog ihr vorsichtig das dünne Hemd vom Körper und bedeckte ihre Brüste mit andächtigen Küssen. Sie spürte, wie er jede Reaktion beobachtete, als wäre es für ihn wichtig, dass er nichts Verkehrtes tat. Sie brannte und hoffte, er würde ihr Feuer löschen, bevor die Flammen sie verzehrten und nichts mehr von ihr zurückließen.

Doch er ließ sich unendlich viel Zeit. Seine Hände fuhren in streichelnden Bewegungen an ihrem Bauch hinab, bis seine Finger ihre Spalte erkundeten, die sie ihm sehnsüchtig entgegenhob. Ihr entfuhr ein unkontrolliertes Stöhnen, als er mit einem Finger in sie glitt. Seine Lippen umschlossen ihre Brustwarze und sein Saugen und Lecken erregte sie noch mehr, als sie es für möglich gehalten hätte.

Dann plötzlich biss er zu und sie explodierte in einem unerwarteten Höhepunkt. Er saugte ihr Blut, und je länger er das tat, umso mehr berauschte es sie. Sie befand sich im Nu an der Schwelle zu einem weiteren Orgasmus. Seine Zunge versiegelte den Biss.

Als er seine Lippen auf ihren Mund presste, schmeckte sie ihr Blut. Seine Zunge war geschickt und ihre tat es ihm gleich. Ein nicht enden wollender Kuss beraubte sie ihres Atems und sie drückte ihn fest an sich. Eine ungewohnte Wildheit bemächtigte sich ihrer und sie krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken, was ihm ein dunkles Knurren entlockte und ihr eine Gänsehaut bescherte.

Seine Lippen wanderten über ihre Wangen zu ihrem Hals, und als er diese an Leahs Schlagader presste, hoffte sie inständig, er möge sie abermals kosten. Als hätte er ihren stummen Wunsch vernommen, entblößte er seine Fänge und trieb sie tief in ihren Hals. Leah schrie und stöhnte, als er zu saugen begann. Es war, als würde sie ein Teil von ihm. Als könnte sie spüren, wie ihr Blut durch seine Adern floss und sich mit ihm verband. War das das Band, das Corben erwähnt hatte?

Sie hörte auf zu denken, als Cian mit seiner Zunge eine heiße Spur über ihr Schlüsselbein bis zu ihrem Bauchnabel zeichnete. Ihr Körper sehnte sich nach Vereinigung und ihre Hand suchte sein steifes Glied. Ihre Finger schlossen sich um seinen mächtigen Schaft und sie streichelte die samtene Eichel. Als sein warmer Atem ihre Mitte streifte, jagten heiße Schauder über ihren Rücken. Seine Zunge tauchte zwischen ihre geschwollenen Schamlippen und teilten sie. Als die harte Spitze in sie stieß, heizte es ihre maßlose Lust bis zur Ekstase an. Als sich zwei seiner Finger dazugesellten, hätte sie ihn am liebsten angefleht, sie endlich zu lieben. Als sie glaubte, es nicht mehr ertragen zu können, züngelte seine Zunge wild und alles verschlingend an ihrer Klit. Lustvoll wand sie sich, drückte verlangend den Unterleib an seinen Mund. Sie entlud sich mit einem gewaltigen Schrei. Endlich war ihr inneres Gleichgewicht wiederhergestellt und sie genoss diesen vollkommenen Moment. Im Stillen hoffte sie, sie könnte sich nach ihrer Transformation an dieses Gefühl der Glückseligkeit erinnern.

Cian flüsterte ihren Namen zwischen ihren Schenkeln und saugte den Nektar auf. Als er ihre Beine weiter auseinanderdrängte, zitterte Leah vor Erschöpfung und sich neu bildendem Verlangen. Seine Fänge gruben sich tief in ihre Leiste, und als erneut Gift zu dem schon giftgeschwängerten Blut hinzukam, verlor sie jegliches Zeit- und Ortsempfinden. Es kam ihr vor, als schwebte sie auf einer Wolke aus Zuckerwatte und der Baldachin über ihr schien sich zu öffnen und dem Himmel darüber Platz zu verschaffen. Sie war körperlos, glücklich und von einem inneren Frieden umgeben, der ihr den Abschied, wie auch immer er ausfallen würde, leicht machte. Sie spürte, dass dieser Moment, in dem sie noch einen klaren Gedanken fassen konnte, der Zeitpunkt war, um loszulassen. Sie tat es und kam erneut.

Als Cian auf ihr lag und sein gewaltiges Glied wie von selbst in sie glitt, trieb jeder Stoß ihr Inneres aus ihrem Körper. Ihrer Seele war es unter diesem gewaltigen Gefühl zu eng geworden. Leah stöhnte unter seinen kräftigen Stößen. Sie spürte, wie seine Eichel an den empfindlichsten Punkt in ihrem Inneren stieß und dieser süße Schmerz trieb sie weiter an, sich unter ihm zu bewegen. Sie waren eine Einheit. Leah roch seinen feinen, herben Geruch, der sich mit dem ihren vermischte. Als sie die Augen aufschlug, sah sie in seinen ein gieriges Glitzern. Es war wie eine Liebeserklärung, galt es doch einzig und allein ihr. Cian liebte sie in einer unendlichen Ausdauer. Als sie glaubte, sie könnte es keine Minute länger ertragen, ohne in ihrer Lust zu explodieren, biss er sie erneut und sie spürte, wie er seinen Samen in ihr verströmte. Es dauerte lange, bis sie wieder zu Atem gelangte. Sie fühlte sich schwach und hilflos. Sie wusste, dass es keine Einbildung war, sondern dass es der Realität entsprach. Sie schwebte dicht am Abgrund, der sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits befand. Gleich würde der Moment kommen, der über ihr Schicksal entschied. Er legte die Decke über sie und streichelte sie beruhigend. Sie hörte den Butler beinahe nicht eintreten, denn als dieser die Tür öffnete, war kaum noch ein Lebenshauch in ihrer Brust.

Der Diener hielt ein Tablett in seinen Händen, darauf ein silberner Kelch, der das Symbol eines schwarzen Herzens trug. Er war fast randvoll mit dunklem Vampirblut. Als Cian dem Butler die alles entscheidende Frage stellte, betete sie ein letztes Mal zu ihrem Schöpfer.

„War die Abstimmung einstimmig?“, fragte Cian, der ihr in diesen Moment wie ein blonder Engel vorkam.

„Ja, Sir.“

„Gut Sam, dann stell das Tablett auf den Nachtschrank und entferne dich.“

„Leah, hör mir zu, willst du immer noch zu uns gehören?“

„Ja“, hauchte sie mit letzter Kraft.

Nur verschwommen sah sie, wie er mit seinen Fängen die Pulsader an seinem Handgelenk öffnete. Der blonde Engel ließ seinen Anteil der Unsterblichkeit in den Kelch fließen. Zäh, wie schwarzes Öl, tropfte es hinein. Anschließend versiegelte er seine Wunde und legte sich ins Bett. Er nahm Leah in den Arm, bettete ihren Kopf an seine Schulter und senkte seinen Mund abermals an ihre Kehle. Sie spürte den Biss nicht mehr, zu wenig Blut floss in ihren Adern. Er trank mit kräftigen Zügen den verbliebenen Lebenssaft. Ihr Herz schien sich immer mehr zu verkrampfen. Als es zu stolpern aufhörte, ergriff Panik sie und am liebsten hätte sie Cian von sich gestoßen, ihm Einhalt geboten und alles, was sie eben noch erbeten hatte, rückgängig gemacht. Ihr Mund schien wie ausgedörrt. Krampfhaft versuchte sie ein letztes Mal, Atem in ihre Lungen zu saugen. Doch es war vergeblich, es war, als füllten sie sich mit Sand anstatt mit Leben spendendem Sauerstoff. Es war ein Gefühl, als würde man lebendig begraben. Langsam und unaufhörlich überschwemmte die Dunkelheit sie. Dass er den Kelch mit dem Elixier des ewigen Lebens an ihre Lippen legte, bekam sie kaum mit. Erst als dieses zäh ihre Kehle hinabfloss und den Organismus mit neuem Leben anfüllte, regte sich etwas und ließ sie in einen dunklen, unruhigen Schlaf gleiten.

Leah verspürte übermächtigen Durst. Es fühlte sich an, als hätte sie ein glühendes Eisen verschluckt. Sie schrie und hob die Hände an ihren brennenden Hals. Erst dann nahm sie die Veränderung war. Sie sah die Farben des Regenbogens durchs Fenster leuchten. Als würden die Sonnenstrahlen durch ein Prisma in die Komplementärfarben gebrochen. Es verwirrte sie und sie suchte nach dem Grund für diese Erscheinung, fand aber keine Ursache für die Sinnestäuschung. Krampfhaft versuchte sie zu schlucken, aber so sehr sie sich anstrengte, es war kein Speichel, der ihre Kehle ölen konnte, vorhanden. Das Erwachen hatte sie sich anders vorgestellt. Auf jeden Fall überwältigender und wesentlich schmerzfreier. Oh Gott, dieser stechende Durst, es war, als würde sie verbrennen, als müsste sie erneut sterben. Flehend sah sie zu Cian hinüber, der bequem in dem am Fenster stehenden Sessel saß und sie belustigt betrachtete.

„Alles ist gut, Leah, so sehen wir Vampire die Nacht. Es ist kein Trugbild, du musst dich daran gewöhnen.“

„Ich habe schrecklichen Durst“, flüsterte sie verzweifelt.

„Ich weiß, ich werde dir gleich etwas Nahrhaftes bringen. Du musst dich nur ein paar Minuten gedulden, dann bin ich wieder bei dir“, entgegnete er und verließ mit geschmeidigen Bewegungen das Zimmer.

Leah stand auf und schritt getrieben von Durst ruhelos umher. Sie hielt es nicht länger aus, der Schmerz in ihrem Hals war unerträglich. Einen Augenblick später hing sie unter dem Wasserhahn im Bad und nahm einen tiefen Schluck des kühlen Nasses. Doch statt dass es ihren Durst stillte, machte es ihn schlimmer. Es kam ihr vor, als hätte sie Salzsäure getrunken. Der Magen rebellierte und sie erbrach die giftige Flüssigkeit ins Waschbecken. Am Boden kauernd versuchte sie, die endlos dahinschleichenden Minuten zu überstehen. Der sonst kalte Marmorfußboden fühlte sich heiß an.

Endlich vernahm sie, wie sich die Tür öffnete. Schritte kündigten an, dass sich jemand näherte.

Kopfschüttelnd sah er zu ihr herab. „Dummerchen.“ Dann hob er sie auf die Arme und trug sie ins Bett zurück.

Erst jetzt nahm sie erstaunt zur Kenntnis, dass er nicht allein war, sondern von einem jungen, gut aussehenden Mann begleitet wurde. Außerstande, ein Wort über die Lippen zubringen, nur vom Durst getrieben, gierte sie nach Blut! Es war eine plötzliche Erkenntnis, die sie durchströmte. Es war, als könnte sie es riechen. Das Zahnfleisch brannte und lange Fänge wuchsen in Sekunden durch ihren Kiefer. Mit einem Satz und der Kraft, die sie eben noch für undenkbar gehalten hatte, war sie auf den Beinen und im nächsten Moment an der Seite des Fremden. Gierig leckte sie die aufgeplatzten Lippen, öffnete den Mund.

„Nicht so schnell“, hielt er sie zurück und drängte sich zwischen sie und die potenzielle Mahlzeit.

Widerwillig ließ sie es sich gefallen, weil Cian viel stärker war und sie mit seinem Körper an die Wand drückte. Ungeduldig fauchte sie ihn an, am liebsten hätte sie ihn in diesem Moment umgebracht, um endlich den Weg zu dem lebensnotwendigen Elixier freizuhaben. Sie nahm den drohenden Ausdruck in seinen Augen wahr. Wie ein Tier taxierte sie ihn, überlegte, ob sie es wagen konnte, an ihm vorbeizupreschen, um endlich ans Ziel ihrer Begierde zu gelangen.

„Ich weiß, du hast Durst. Aber bevor du deine Zähne in sein Fleisch bohrst, will ich dich warnen: Bringst du ihn um, wird das für uns beide unangenehme Konsequenzen haben. Also halte dich zurück. Hast du das verstanden?“

„Ja, ja“, nuschelte sie und versuchte, sich erneut dem Fremden zu nähern, scheiterte aber an Cians Kraft.

Anscheinend wollte er sie quälen. Wozu sollte sich der Mann erst ins Bett legen, es war ihr egal, wo sie ihre Mahlzeit einnahm, Hauptsache es ging schnell vonstatten. Endlich gab er sie frei. Wie im Zeitraffer gesellte sie sich zu ihm. Mit einer Hand drückte sie seinen Kopf ins Kissen und besah sich kurz den Hals. Das Blut rauschte unter seiner Haut, dröhnend in ihren Ohren wie ein Kaskadenfall, der in die Tiefe donnerte. Dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen und presste die Zähne an das rötlich schimmernde Fleisch, bis der Widerstand der Haut nachgab und das metallische Blut in ihren Mund sprudelte. Jeder Tropfen seines Lebenselixiers stärkte sie, verlieh ihr ein nie zuvor gekanntes Gefühl von Macht. Gierig trank sie und hörte das erregte Stöhnen an ihrem Ohr. Cian war hinter ihr und zog sie vorsichtig fort. Als seine Lippen über ihren Mund leckten, wurde ihr seine Nähe bewusst und sie reagierte prompt auf ihn. Er wirkte wie ein Magnet, von dem sie unaufhörlich angezogen wurde. Verlangen keimte auf und sie verzehrte sich nach seiner Berührung.

„Langsam, du musst ihm für seine Spende etwas zurückgeben. Wir sind es unseren Opfern schuldig. Denk an deine letzte Nacht, als du dich nach Sex gesehnt hast. Denk daran, was das Gift mit ihm macht.“

Dunkel kamen die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück und die Erkenntnis, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Emotionen, die sie für immer gehofft hatte, loszuwerden, waren immer noch vorhanden. Sie spürte Hunger, Verlangen und Wut? Würde sie es nicht besser wissen, hätte sie glauben können, noch am Leben zu sein. Wenn sie dazu in der Lage war, innerhalb kürzester Zeit ein solches Spektrum von Gefühlen abzurufen, was war dann mit Liebe, Verzweiflung und Trauer? Verdammt, sie fühlte sich betrogen. Und nun fragte sie sich, ob sie seine Aufforderung richtig verstand. Er wollte, dass sie vor seinen Augen mit diesem Unbekannten Sex hatte? Sie sah ihn an und er schien die Zweifel in ihren Augen zu erkennen.

„Wir können gemeinsam Spaß haben, lass uns teilen. Unbekannte Freuden warten auf dich. Was sagst du?“