Like Secrets in the Dark - Jennifer Wiley - E-Book

Like Secrets in the Dark E-Book

Jennifer Wiley

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Beschreibung

Jetzt das eBook zum Einführungspreis sichern! Ein gefallener Rockstar. Eine aufstrebende Event-Managerin. Ein Deal, der für jede Menge Herzklopfen sorgt … In der Rockstar-Romance »Like Secrets in the Dark« von Jennifer Wiley trifft Lennon auf den von Skandalen und Problemen gebeutelten Rockstar Blake. Eine mitreißende Slow-burn-Liebesgeschichte und der zweite, unabhängig lesbare, New-Adult-Liebesroman der New York Love Songs-Dilogie. Auf einer der legendären Partys in einem berüchtigten New Yorker Nachtclub bekommt die 22-jährige Event-Managerin Lennon etwas mit, das niemand wissen soll: Blake Meester – bis vor kurzem ein gefeierter Rockstar und Erbe des Clubs – droht alles zu verlieren. Seit Blakes Vater bei einem Hausbrand ums Leben kam, bei dem sich auch der Sänger Brandnarben zugezogen hat, meidet er die Öffentlichkeit. Und er hält die Testamentsanforderungen nicht ein, die da wären: keine Drogen, keine Skandale – und die Teilnahme an öffentlichen Terminen. Als Blake merkt, dass Lennon das Gespräch mit seinem Manager mitgehört hat, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Doch der Manager hat eine Idee, wie die Situation beiden nützen könnte … Emotionaler New-Adult-Roman mit den beliebten Tropes Broken Hero und Fake Dating Berührend und mitreißend erzählt Jennifer Wiley von Blakes inneren Kämpfen und von gespielten Gefühlen zwischen ihm und Lennon, die sich mit der Zeit auf einmal gar nicht mehr so fake anfühlen … Entdecke auch den 1. Band von Jennifer Wileys New-Adult-Dilogie New York Love Songs: In der Rockstar-Romance »Like Fire in the Night« wird Lennons beste Freundin Ivy Cohen über Nacht zum Star, und Journalist Milo soll ihre dunkle Vergangenheit enthüllen.

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Seitenzahl: 458

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jennifer Wiley

Like Secrets in the Dark

Roman

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Ein gefallener Rockstar. Eine aufstrebende Event-Managerin. Ein Deal, der für jede Menge Herzklopfen sorgt …

In der Rockstar-Romance »Like Secrets in the Dark« von Jennifer Wiley trifft Lennon auf den von Skandalen und Problemen gebeutelten Rockstar Blake. Eine mitreißende Slow-burn-Liebesgeschichte und der zweite, unabhängig lesbare, New-Adult-Liebesroman der New York Love Songs-Dilogie.

Auf einer der legendären Partys in einem berüchtigten New Yorker Nachtclub bekommt die 22-jährige Event-Managerin Lennon etwas mit, das niemand wissen soll: Blake Meester – bis vor kurzem ein gefeierter Rockstar und Erbe des Clubs – droht alles zu verlieren. Seit Blakes Vater bei einem Hausbrand ums Leben kam, bei dem sich auch der Sänger Brandnarben zugezogen hat, meidet er die Öffentlichkeit. Und er hält die Testamentsanforderungen nicht ein, die da wären: keine Drogen, keine Skandale – und die Teilnahme an öffentlichen Terminen. Als Blake merkt, dass Lennon das Gespräch mit seinem Manager mitgehört hat, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Doch der Manager hat eine Idee, wie die Situation beiden nützen könnte …

Emotionaler New-Adult-Roman mit den beliebten Tropes Broken Hero und Fake Dating

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Content Notes – Hinweis

Widmung

Zeitungsartikel

Zeitungsartikel

Zeitungsartikel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Zeitungsartikel

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Zeitungsartikel

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Zeitungsartikel

Danksagung

Liste sensibler Inhalte / Content Notes

Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb findet ihr am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.

 

Für meine Mama, die kreativste Frau, die ich kenne.

Mit deinen unermüdlichen Projekten und deiner Leidenschaft für Stoffe und Farben machst du die Welt bunter.

Rockstar Corey Meester stirbt in Feuer

 

Es sind erschreckende Bilder, die das Fünfzehn-Millionen-Dollar-Anwesen des ehemaligen Rockstars Corey Meester (Sänger und Gitarrist der Band Serpent Grave und Besitzer des berüchtigten Nachtclubs The Serpent) zeigen. Die Ursachen für das verheerende Feuer in den Hamptons sind noch unbekannt, aber eine traurige Gewissheit gibt es: Corey Meester ist bei dem Brand ums Leben gekommen. Seine Leiche wurde in den frühen Morgenstunden geborgen.

»Es ist ein schrecklicher Verlust für New York City, die Musikwelt, aber ganz besonders auch für mich persönlich«, sagte sein jahrelanger Manager Scott Bilson.

Fragen zum Zustand von Coreys Sohn, Blake Meester, der Gerüchten zufolge ebenfalls bei dem Brand anwesend war und nun mit Verbrennungen im Southampton Hospital liegt, blieben unbeantwortet. »Die gesamte Familie Meester muss diesen schweren Verlust verarbeiten, bitte sehen Sie vorerst von weiteren Fragen ab«, sprach Scott für die Familie.

Die geplanten Konzerte von Blake, der mit seiner letzten Single Soft Sensation direkt auf Platz eins der Charts eingestiegen ist, wurden bereits abgesagt.

Trauerfeier ohne Sohn. Was steckt hinter Blakes Abwesenheit?

 

Am frühen Sonntagmorgen nahm die Welt Abschied von Rockstar Corey Meester. Die engste Familie, Freunde und Geschäftspartner versammelten sich an diesem verregneten Septembertag in der Carnegie Hall, wo unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Trauerfeier stattfand. Coreys ehemalige Band Serpent Grave stand dafür ein letztes Mal zusammen auf der Bühne und soll für ihren Gitarristen und Leadsänger dessen Lieblingslied gespielt haben.

Hunderte von Fans versammelten sich unterdessen an den Überresten von Coreys Haus in den Hamptons und nahmen auf ihre Weise Abschied, indem sie Blumen und Kerzen niederlegten und zusammen weinten.

Während die ganze Welt sich verabschiedet, fehlte jedoch die wohl wichtigste Person in Coreys Leben bei der Trauerfeier: Sohn Blake Meester war nicht anwesend, dabei erhofften sich viele besorgte Fans endlich ein Lebenszeichen von ihm. Gerüchten zufolge soll er sich nach dem Brand noch immer im Southampton Hospital befinden, doch Manager Scott Bilson verweigerte bislang jede Stellungnahme zu Blakes Gesundheitszustand. Sind seine Verletzungen so schwer, dass er seinem Vater nicht die letzte Ehre erweisen konnte? Oder steckt mehr hinter seiner Abwesenheit?

Ist das das Ende von Blake Meester und seiner Musik?

 

Fans sind noch immer schockiert über die Bilder, die Blake bei der Entlassung aus dem Southampton Hospital zeigen. Vor drei Monaten wurde der Rockstar endlich an der Seite seines Onkels Roman Meester (Besitzer des Manhattan Meester Hotels) aus dem Krankenhaus entlassen. Die Fotos zeigten besorgniserregende Verbrennungen in Blakes Gesicht und an seinem linken Unterarm, die ihn wohl für immer an das Feuer in den Hamptons und damit an seinen schrecklichen Verlust erinnern werden. Fragen zu seinem Gesundheitszustand und zu seinem Vater blieben weiter unkommentiert, die Fans hoffen dennoch auf ein Comeback des Nummer-eins-Stars.

Nun zeigen sich diese Fans im Internet mehr als enttäuscht von ihrem Idol, das früher täglich via Social Media mit seiner Fangemeinde kommuniziert hat. »Wir machen uns solche Sorgen, er soll wenigstens sagen, ob es ihm gut geht«, schrieb eine Userin. »Als alle Konzerte abgesagt wurden, hatte ich Verständnis, aber der Brand ist nun sechs Monate her … Langsam bin ich einfach nur noch enttäuscht. Bedeuten wir Fans ihm denn gar nichts? Oder geht es Blake so schlecht, dass er sich nicht melden kann?«

Berechtigte Fragen, auf die sein Manager Scott Bilson jede Aussage verweigerte. Insidern zufolge soll Blake die Geschäftsführung von Coreys Nachtclub The Serpent übernommen haben. »So schlecht kann es ihm dann ja nicht gehen«, meldete sich eine weitere Userin zu Wort. »Ich bin jedenfalls durch mit Blake. Scheiß auf seine Musik. Wir sind ihm ja sowieso egal …«

Sollte Blake Meester doch noch sein Comeback planen, sollte er sich langsam bei seinen Fans melden und Schadensbegrenzung betreiben.

Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

Kapitel 1

A Soul Full Of Ashes

Blake

Der Klingelton meines iPhones kommt direkt aus der Hölle. Stöhnend versuche ich, meinen Arm auszustrecken und das verdammte Ding zum Schweigen zu bringen, aber ich erwische nur meine Nachttischlampe. Erst ein paar verwirrte Sekunden später registriere ich, dass mein Smart-phone gar nicht auf dem Nachttisch, sondern neben mir im Bett liegt.

Blinzelnd öffne ich die Augen und starre auf das Display. Zwölf Uhr Mittag. Ich habe wieder einmal meinen Wecker überhört und drei Stunden länger geschlafen, als ich eigentlich wollte. Typisch.

Scotts verpasster Anruf reiht sich neben eine Nachricht meines Onkels Roman, der mich daran erinnert, dass meine Zusage für die Jubiläumsfeier seines Hotels aussteht. Zudem wartet eine Nachricht meiner To-do-App auf mich, die mich jeden Tag daran erinnert, was ich zu erledigen habe.

 

15 Uhr: monatlicher Drogentest

17 Uhr: Psychotherapie bei Dr. DuGray

20 Uhr: Besprechung im Serpent

 

Jeder dieser Termine klingt grässlich. Kein Wunder, dass ich verschlafen habe.

Noch vor einem Jahr hätte ich zu dieser Uhrzeit längst ein ausgedehntes Kardiotraining, ein Interview oder ein Fotoshooting hinter mir gehabt. Der alte Blake ist immer pünktlich aufgestanden, selbst nach den ausschweifendsten Partys. Der Terminkalender war voll, die Motivation hoch.

Der neue Blake hingegen spürt keine Euphorie mehr und nimmt sich jeden Tag aufs Neue vor, es morgen besser zu machen.

Ich quäle mich aus dem Bett und schlurfe ins Wohnzimmer. Die Mittagssonne scheint bereits in die meterhohe Fensterfront meiner Wohnung und lässt die Skyline von Manhattan erstrahlen. Ich habe trotzdem nur einen müden Blick dafür übrig. Stattdessen setze ich Kaffee auf, gehe ins Badezimmer und stelle mich unter die eiskalte Dusche. Mein kleiner verzweifelter Versuch, mich irgendwie für den bevorstehenden Tag zu rüsten, obwohl ein großer Teil von mir sich am liebsten sofort wieder die Decke über den Kopf ziehen würde.

Ich halte mein Gesicht in den Strahl der Wasserfalldusche. Früher habe ich mich danach wie neugeboren gefühlt, heute hilft es mir höchstens dabei, meine Gedanken zu sortieren. Ich werde wohl oder übel Scott zurückrufen müssen. Schon seit Tagen drücke ich mich davor, weil mir im Grunde klar ist, was mir mein Manager sagen will: dass das Label langsam die Geduld mit mir verliert … ich meine Pflichten, die ich vertraglich zugesichert hatte, nicht vollumfänglich erfülle … mir droht, bald alles zu verlieren.

Längst legt sich die Schwere dieser Aussagen wie ein Schraubstock um meinen Hals und brüllt mir zu, dass ich dringend die Kurve kriegen muss.

Nur weiß ich nicht, wie.

Ich drehe das Wasser ab, binde mir ein Handtuch um die Hüfte und steige aus der ebenerdigen Dusche. Der Spiegel ist beschlagen, und ich bin froh darum, denn ich könnte den Anblick meiner Narbe auf der Stirn gerade nicht ertragen. Nur meine Haare können die Rötungen der Haut ein wenig verdecken, aber bevor ich sie entsprechend stylen kann, stehe ich jedes Mal meinem Spiegelbild gegenüber und frage mich, wer der Mann, der mir entgegenblickt, eigentlich ist.

Die Ärzte im Krankenhaus haben mir versichert, ich wäre ein Glückspilz, denn nicht viele Menschen schaffen es aus einem lichterloh brennenden Haus und haben nur eine kleine Verbrennung an der Stirn und eine mittelschwere Verbrennung am Unterarm ohne Funktionseinschränkungen.

Andere kommen gar nicht aus brennenden Häusern.

Wegen einer Zigarette, einer Fehlentscheidung.

Wegen mir.

Im Krankenhaus haben mir alle gesagt, dass ich mir Zeit nehmen soll, um über meinen Verlust und meine Verletzung hinwegzukommen. Das Ironische ist, dass die Leute diesen Satz gar nicht ernst gemeint haben.

Nach zwei Wochen wurde ich gefragt, ob ich ein öffentliches Statement zu Dads Tod abgeben und mich bei meinen Fans melden will – wollte ich nicht. Ich wurde operiert, und mein nekrotisches Gewebe wurde entfernt. Drei Monate später, kurz nach meiner Entlassung aus der Reha, kam zum ersten Mal die Anfrage von meinem Label, ob ich mich wieder fit genug fühle, um Musik zu machen. Immerhin standen noch Konzerte und die Produktion eines zweiten Albums an – ich habe alles abgesagt. Vier Monate nach dem Brand, bei dem mein Vater ums Leben kam, wurden mir allerhand Auflagen erteilt, die ich erfüllen muss, um mein Erbe zu behalten, und seitdem werde ich ständig daran erinnert, dass ich mich endlich wieder in meinen Alltag einfinden muss.

Aber nimm dir ruhig Zeit für deinen Verlust, Blake. Nur eben nicht zu lange.

Man sagt, dass Zeit alle Wunden heilt, aber offenbar gibt die Gesellschaft einem vor, wie viel Zeit genug ist.

Sie denken wohl, wenn mein Körper die Heilung abgeschlossen hat, kann sich wieder Normalität einstellen. Aber die Normalität ist eben nicht normal, weil jetzt alles anders ist. Weil Dad nicht mehr lebt, weil unser Haus nicht mehr existiert. Weil die Brandwunden an meinem Arm vielleicht zugewachsen, aber die Haut tot ist. Ich spüre kaum noch etwas, wenn ich sie berühre.

Meine Seele ist randvoll mit kalter Asche, nur sieht das niemand.

Ich seufze schwer, dann nehme ich mir mein Aloe-Vera-Gel, das ich mir dreimal am Tag auf meine Narbe schmiere. Die operierte Haut kann nach den Verbrennungen keine Feuchtigkeit mehr speichern, also muss ich sie versorgen.

Danach rubble ich mir die Haare trocken und lege sie wieder über meine Stirn. Der Spiegel ist nicht mehr beschlagen, der Mann hinterm Glas sieht müde aus.

Aber er darf nicht müde sein.

In zwei Stunden muss ich erneut beweisen, dass ich eine meiner Auflagen erfülle und keine Drogen mehr anrühre. Anschließend geht es zum Psychologen, der von mir verlangt, meine seelischen Narben genauso offen darzulegen wie meine körperlichen. Nur damit ich vor Gericht glaubhaft machen kann, dass ich an meiner psychischen Stabilität arbeite. Abends muss ich in dem Nachtclub, der meinem Vater gehört hat, nach dem Rechten sehen und ein Mitarbeitergespräch mit einem neuen Barkeeper führen.

Ich muss irgendwie funktionieren, auch wenn alles in mir nach Ruhe verlangt.

Noch mit dem Handtuch um die Hüfte hole ich mein iPhone und lese Romans Nachricht. Das Manhattan Meester Hotel wird einhundert Jahre alt, und der Vorstand der Meester Group erwartet mich dort. Ich muss dorthin, immerhin sehen die Klauseln in Dads Testament vor, dass ich an öffentlichen Feierlichkeiten teilnehme, auch wenn wir alle wissen, dass ich dort nicht reinpasse. Der Name Meester steht für ein Imperium. Für einen Vater, der mit zwanzig schon Sänger und Gitarrist einer der erfolgreichsten Rockbands der USA war. Für eine Familie, die Luxushotels in New York und Florida besitzt. Wir stehen für Wohlstand, Harmonie und Vertrauen, mich brachte man hingegen schon immer eher mit wilden Partys und Skandalen in Verbindung.

Die Wahrheit ist, dass die Leute im Vorstand weder den alten noch den aktuellen Blake in der Führungsetage des Serpents sehen wollen. Eigentlich wollen sie meinen Dad zurück, der sie niemals enttäuscht hat, immer alles im Griff hatte und diesen Nachtclub mit einer Leidenschaft und Qualität geführt hat, die ich wohl niemals erreichen werde.

Es wäre besser gewesen, wenn er das Feuer überlebt hätte. Nicht ich.

Kapitel 2

The Colors Of My Life

Lennon

Denkt an die tupfenden Bewegungen.«

Dreizehn Leute sitzen vor ihren Leinwänden und folgen meinen Anweisungen. Ein Hauch von Knoblauch liegt in der Luft, ausgehend von den Antipastiplatten, die auf den Tischen bereitstehen. Dazu wurden Granetti, ein mittelkräftiger Rotwein und Wasserkaraffen gereicht. Das Licht ist ein wenig gedimmt und unterstreicht die gemütliche Atmosphäre, ohne zu viel der Sicht einzubüßen.

»Genau so«, sage ich in die Runde. »Verschiedene Schwämme können ganz unterschiedliche Effekte zaubern, also seid gerne experimentierfreudig.«

Ein paar Leute greifen zu der Schwammauswahl in der Mitte der Tische und wechseln Struktur und Farbe. Direkt vor mir sitzt eine Frau Namens Stacy, die zu spät zu meinem Malkurs erschienen ist und total gestresst war. Nun liegt ein glückseliges Lächeln auf ihren Lippen. Sie spürt also schon die Magie, die mit dem Malen einhergeht. Dann, wenn der Alltag leiser wird und sich die bunten Farben automatisch auf die Stimmung übertragen. Egal, wie schlecht der Tag bislang auch war.

»Ich werde ein bisschen rumgehen«, kündige ich an. »Wenn ihr Fragen habt, dürft ihr sie mir gerne stellen, aber lasst euch von mir nicht aus der Ruhe bringen. Spürt einfach den Prozess und genießt die Getränke und das Essen.«

Die Besitzerin vom La Grotta, dem kleinen italienischen Restaurant in der Bronx, nickt mir lächelnd zu, als ich beginne, durch die Reihen zu gehen.

Es ist meine erste Creative Night im La Grotta, und ich hoffe sehr, dass mir Antonella am Ende dieses Abends eine feste Kooperation anbieten wird. Ich brauche sie, wenn meine Selbstständigkeit als Event-Managerin endlich Früchte tragen soll.

Früher hatte ich vor, selbst Künstlerin zu werden. Meine halbe Jugend habe ich mich darauf vorbereitet: Ich habe Mal- und Zeichenkurse besucht, bei Ausstellungen mitgewirkt und mich für zahlreiche Nachwuchsprojekte beworben. Doch ein Praktikum bei Jerome Estelle, einem bekannten Künstler in Brooklyn, hat mir dann vor zwei Jahren die Augen geöffnet. Jeromes Alltag bestand aus Druck und Krisen, weniger aus schöpferischem Schaffen und der Freude an Kunst. Immer wenn eine Ausstellung anstand, fand er alles schrecklich und hat in Wutanfällen seine Werke vernichtet. Ich wollte nicht riskieren, meine Liebe zur Kunst derart zu verlieren, also habe ich mir meinen eigenen Weg gesucht, um mir diese Leidenschaft zum Beruf zu machen. Anfangs hatte ich noch den Plan, Kunstgeschichte zu studieren und später in einer Galerie zu arbeiten. Es wäre wohl der konventionellere Weg gewesen, anstatt mich ohne ein Studium sofort selbstständig zu machen. Aber die Aussicht darauf, nur über Kunst zu sprechen und mit ihr zu handeln, anstatt Kreativität zu leben, erschien mir zu trist. Selbst Kurse zu geben, ist hingegen bunt und bereichernd.

Die nächsten zwei Stunden versinken die Teilnehmenden in ihrer eigenen Welt. Gedankenversunkenes Schweigen liegt im Raum, das nur hier und da von meinen Anmerkungen unterbrochen wird. Sie tunken verschiedene Schwämme in unterschiedliche Acrylfarben und zaubern wundervolle Muster. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und so haben wir am Kursende ganz unterschiedliche Kunstwerke, die wir in der großen Runde besprechen und bestaunen.

Wir schließen den Abend mit ein paar reflektierenden Worten über den Tag, und dann beginnt der spannendste Teil des Abends: Ich beobachte, wie mein Kurs bei den Teilnehmern angekommen ist. Wenn die Visitenkarten und Flyer, die immer auf den Tischen ausliegen, mitgenommen oder eingescannt werden, war es ein erster Erfolg, der auf eine Wiederholung hoffen darf.

Heute sind es vier von dreizehn Leuten, die sich die entsprechenden Infos aufs Smartphone ziehen und mir sagen, wie sehr ihnen der Abend gefallen hat. Als sie das La Grotta verlassen, ist es jedoch nur eine einzige Meinung, auf die ich wirklich zähle. Antonella räumt bereits die leeren Gläser und Teller ab. Sie lächelt, wie sie es schon den ganzen Abend getan hat, aber ich kann absolut nicht sagen, was dieses Lächeln für mich und meine Kooperation bedeutet.

»Was für eine super Gruppe«, sprudelt es aus mir heraus. »Sie waren alle so offen und neugierig und haben meine Anweisungen toll umgesetzt.«

Tatsächlich ist das nicht immer so. Manche Leute an die Kunst heranzuführen, kann leicht sein, dann braucht es nur einen kleinen Schubs. Bei anderen hingegen stößt man auf Mauern und Unsicherheiten – entweder weil sie vorher noch nie etwas Künstlerisches ausprobiert haben und nicht daran glauben, dass sie gut genug dafür sind. Oder weil sie nur durch Freunde im Kurs gelandet sind und Kunst eigentlich langweilig finden.

»Ich hoffe, du bist auch zufrieden mit dem Abend?«, frage ich.

Finanziell wird es sich in jedem Fall für Antonella gelohnt haben. Der Kurs fand während des Ruhetags statt, es mussten dafür also keine Gäste weggeschickt werden. Abgesehen von ihrer Anwesenheit brauchte sie auch kein Personal, und sie bekommt trotzdem zwanzig Prozent der Ticketeinnahmen. Es sollte eigentlich danach schreien, mit mir eine feste Vereinbarung zu treffen. Alle zwei Wochen, vielleicht auch nur einmal im Monat. Für neue Gäste, die zeitgleich das Ambiente des Restaurants kennenlernen und einen ersten Eindruck vom Essen bekommen.

»Ich fand den Abend wirklich sehr inspirierend«, antwortet sie. »Du hast eine schöne Atmosphäre erzeugt, die gut ins La Grotta passt. Familiär und ungezwungen, einfach gemütlich.«

Mein Magen kribbelt erwartungsvoll.

»Dann könntest du dir vorstellen, das zu wiederholen?«

»Durchaus. Vielleicht könnten wir so etwas noch mal im Herbst anbieten?«

Ich versuche wirklich zu lächeln, obwohl das Kribbeln in meinem Magen gerade von bitterer Enttäuschung weggespült wird. Händeringend versuche ich diese Aussage positiv zu sehen. Immerhin will sie eine Wiederholung, das hier ist keine Ablehnung, kein Versagen.

Trotzdem reicht es nicht.

»Das würde mich wirklich sehr freuen«, erwidere ich dennoch. Alles ist besser als nichts.

Antonella und ich verbleiben damit, einen neuen Termin für den Oktober auszumachen, der noch viel zu lange hin ist. Noch sechs Monate, dabei brauche ich dringend feste Kooperationen, um stabile finanzielle Einnahmen zu erzielen. Wöchentliche Kurse, ein monatlicher Rhythmus. Etwas, worauf ich mich verlassen kann.

So wie die Lage gerade ist, müsste ich eigentlich auch meine Ticketpreise erhöhen, um die Materialkosten besser zu decken, aber ich traue mich nicht. Außerdem habe ich unzählige Podcasts über Selbstständigkeit und den Aufzug eines Business gehört, und alle sagen, dass man am Anfang immer erst investieren muss. Ich hoffe, sie haben recht und die Investition zahlt sich irgendwann aus. Nicht nur wegen des Geldes. Hauptsächlich, weil ich das hier unbedingt will.

Etwas niedergeschlagen packe ich meine Utensilien zusammen und verlasse das Restaurant. Mit Blick auf die Uhr entscheide ich mich dazu, noch nicht nach Hause zu fahren. Der Club meines Dads, das Silverside, liegt nur ein paar Blocks entfernt, und ich brauche jetzt dringend Ablenkung.

Kurzerhand rufe ich ein Uber und ignoriere mein schlechtes Gewissen, weil ich für die Fahrt Geld ausgebe, anstatt die Subway zu nehmen.

Der Fahrer mustert die getrocknete Farbe an meinen Händen und meinen Utensilien-Koffer etwas skeptisch, sagt aber nichts, als ich mich auf den Ledersitzen niederlasse. Während der zehnminütigen Fahrt murmelt er irgendetwas über das letzte Spiel der Yankees, und ich bin mir nicht sicher, ob er dabei mit sich selbst redet oder seine Erzählungen eigentlich mir gelten. Ich bemühe mich um ein möglichst freundliches Gesicht, auch wenn ich seinem Monolog nicht folge. Stattdessen drehen sich meine Gedanken immerzu im Kreis.

Viele Geschäftsmodelle überleben das erste Jahr nicht. Auch mir wurde schon prophezeit, dass ich die Selbstständigkeit unterschätze. Vor zwei Monaten erst habe ich gehört, wie meine Tante Daphne meinen Dad gefragt hat, wie er es zulassen konnte, dass ich nicht aufs College gehe und mich stattdessen erst mit Praktika und nun mit »einem Hobby« beschäftige. Es war nur ein kleiner Trost, dass Dad mich und meine Events vehement verteidigt hat, aber weder meine Eltern noch meine beste Freundin Ivy, die mich bei meinem Schritt in die Selbstständigkeit unterstützt haben, wissen, dass die letzten fünf Monate viel härter waren, als ich es zugebe.

 

Das Silverside ist wie eine Leuchtreklame für die Erfüllung von Träumen. Früher hat mein Dad in einem angesagten Club in Manhattan hinter der Bar gestanden und sich Jahr für Jahr vorgestellt, irgendwann seinen eigenen Laden zu eröffnen. Lange Zeit dachte er, sich diesen Traum nie erfüllen zu können, bis der frühere Besitzer dieses kleinen Lokals in der Bronx pleiteging und gezwungen war, günstig zu verkaufen. Mein Dad hat zugeschlagen und mit unendlich viel Arbeit das Silverside aufgebaut. Sein ganzes Herzblut steckt in dem ausgewählten Barsortiment, dem Raumkonzept aus silbernen Möbeln und Tischen aus Chrom. Er hat Comedyabende und Open Mic Nights organisiert und versucht, sich einen Namen zu machen. Vor ein paar Monaten habe ich dann meine inzwischen beste Freundin kennengelernt, die mit ihren Gesangsauftritten im Silverside gleich zwei Träume auf einmal erfüllen konnte: Sie wurde damit über Nacht zum Star und hat einen Plattendeal mit einem bekannten Label bekommen, und Dad bekam exklusive Konzerte mit Ivy, die ihm nicht nur viel Geld, sondern auch jede Menge Presse eingebracht haben.

Ich höre Ivys raue Stimme bereits, als ich den Sicherungscode am Hintereingang eingebe und durch die Metalltür trete. Vor dem Haus warten Paparazzi und Fans darauf, Ivy nach ihrem Konzert zu treffen, aber sie wird noch einige Stunden beschäftigt sein.

Ich lande im leeren Backstagebereich, der mit einer dunklen Ledercouch und einem Teppich für eine gewisse Gemütlichkeit sorgt. Auf einer kleinen Bar stehen Wasser und Obst bereit, und an den Wänden lehnen Rucksäcke und Taschen von Ivys Bandmitgliedern.

Ich stelle meinen Koffer ab, nehme mir ein paar Weintrauben und setze mich auf die Couch. Mitten im Konzert den Backstagebereich zu verlassen, würde nur für Unruhe sorgen, und das will ich Ivy nicht zumuten. Gerade singt sie Faithless, es ist eins der letzten Lieder auf ihrer Setliste, also wird das Konzert ohnehin bald enden.

Innerlich brenne ich darauf, mit Ivy zu sprechen und mich vom Abend zu erholen, aber allein ihre durchdringende Stimme zu hören hat so etwas Vertrautes, dass sich der Kloß in meinem Magen sofort ein wenig löst.

Ich kann die Zusammenarbeit mit dem La Grotta nicht erzwingen. Nur weil Ivy auf ihrer Karriereleiter drei Stufen übersprungen hat und sofort ins Ziel eingelaufen ist, muss das nicht auch für mich gelten. Mein Dad und das Silverside sind der lebende Beweis dafür: Manche Dinge brauchen einfach Zeit.

In New York leben fast zwanzig Millionen Menschen, hinzu kommen unzählige Touristen, die sich in den Hotels, Restaurants und Bars aufhalten und ein Stück vom Big Apple abbekommen wollen. Die Menschen müssen nur noch erfahren, dass es mich und meine Creative Nights gibt, ich brauche also mehr Werbung. Dann wird New York vielleicht auch mein persönlicher Glücksbringer.

Kurzerhand schnappe ich mir mein iPhone, logge mich auf meiner Website ein und lade dort ein paar Fotos meiner letzten Kurse und ein paar positive Bewertungen hoch, die mich über meinen Feedback-QR-Code erreicht haben. Dann gebe ich den Druck von neuen Flyern und Plakaten in Auftrag. Sicher könnte ich einige der Flyer auf dem Chelsea Market verteilen. Dort tummeln sich meistens viele kreative Menschen, die Interesse an meinen Kursen haben könnten. Dann gehe ich in Cafés und Restaurants noch mal von Tür zu Tür und stelle mich vor. Ich mach es viel zu selten, weil es so zeitaufwendig und mitunter auch frustrierend sein kann, aber ich schulde mir und meinen Kursen vollen Einsatz. Jetzt oder nie, aufgeben ist keine Option.

»Vielen Dank!«, ruft Ivy ins Mikrofon und reißt mich damit aus meinen Gedanken.

Die Menge jubelt, Ivy kündigt die letzten zwei Songs des Abends an. Ich bestätige den Druckauftrag und summe dabei Ivys Song mit. Ihre Lieder – so düster die Texte auch sind – verbinde ich immer mit Motivation und Zuversicht.

Zehn Minuten später ist das Konzert vorbei. Die Ersten, die den Backstagebereich betreten, sind Effie, Josh und Gil, die Ivy während ihrer Konzerte instrumental begleiten. Mein Dad, der Gil und Josh schon seit rund vierzig Jahren kennt, hat die drei mit Ivy zusammengebracht. Ein Zusammenschluss, der funktioniert, aber nicht auf Dauer angelegt ist. Ivy wird von ihrem Label als Solokünstlerin vermarktet, und Gil, Josh und Effie haben kein Interesse daran, Vollzeit Musik zu machen, also wird es nach der großen Tour im September einen Wechsel geben, und Ivy wird dann mit anderen Leuten zusammenarbeiten.

Die beiden Männer begrüßen mich mit einem Handschlag, während Effie mich umarmt. Sie ist Joshs Tochter, daher sind wir miteinander groß geworden.

Noch einmal bewegt sich der Vorhang, und diesmal ist es Ivy, die hereinkommt. Sie wird aber gleich schon wieder zurück auf die Bühne gehen, um sich noch um ihre Fans zu kümmern. Die ganzen Konzerte hier rühren kräftig die Werbetrommel für Ivy und ihr Album, das bereits nächste Woche herauskommt. Die Fans können sich für die Konzerttickets bewerben, jeweils zweihundert Menschen haben die Chance, ein kostenloses Ticket zu gewinnen und sich nach den Konzerten ein Foto und ein Autogramm zu holen. Es ist Ivys Dankeschön an die Leute, die sie mit den Videos ihrer Auftritte berühmt und ihre Blitzkarriere möglich gemacht haben.

»Lennon, ich wusste gar nicht, dass du kommst.« Schwungvoll umarmt sie mich, so gut es eben geht, da sie durch ihre meterlangen Beine und die hohen Schuhe fünfzehn Zentimeter größer ist als ich.

»War auch eher spontan. Leider habe ich fast dein ganzes Konzert verpasst.«

»Ist ja nicht so, als kenntest du die Show inzwischen fast auswendig.«

Gil reicht ihr eine Wasserflasche, die sie zügig leert. Dann geht sie zum Spiegel, um ihr Make-up und ihre Haare zu begutachten. Mit den Fingernägeln fährt sie sich ein paar Mal durch die etwas zottligen, blonden Strähnen.

»Wir trinken gleich noch einen Cocktail zusammen, oder?«, schlägt sie vor.

»Da fragst du noch?«

Eigentlich trinkt sie nach ihren Auftritten am liebsten Kräutertee, der Balsam für ihre angestrengten Stimmbänder ist.

Ivy richtet noch mal ihr Oberteil, und dann tritt sie wieder auf die Bühne. Die Fans applaudieren und kreischen und werden nun sicher schon von meiner Mom auf die Bühne geführt, wo Ivy Autogramme verteilt. Jetzt kann auch ich den Backstagebereich verlassen, weil ohnehin alle nur Augen für ihre Lieblingssängerin haben und ich niemanden störe.

Im Club herrscht nach Ivys Show tropisches Klima mit einem Hauch von Nebelgeruch und Schweiß in der Luft. Auf dem Boden liegt Konfetti, und auf der Bühne umarmt Ivy gerade ein Mädchen, das sicher nicht älter als sechzehn ist. Sie hat vor Aufregung ganz rote Wangen und überreicht ihr einen Brief und ein Armband. Heute Abend wird Ivy beides wieder in ihren Karton unterm Bett legen, wo sie all ihre Fangeschenke sammelt.

Meine Mom steht vor der Bühne bei den wartenden Fans. Sie werden immer in Gruppen von zwanzig Leuten aufgereiht, und Mom koordiniert alles. Sie winkt mir zu, als sie mich sieht, aber durch ihre Aufgabe kommen wir nicht dazu, uns zu unterhalten. Stattdessen gehe ich zur Bar, an der nun nicht mehr viel los ist. Milo, einer unserer Barkeeper, spült gerade ein paar Gläser. Er ist erst seit einigen Wochen bei uns, seit eine von Dads Barkeeperinnen wegen ihrer Schwangerschaft ausgefallen ist. Insgeheim ist Milo von allen Aushilfen hinter der Bar mein Liebling, und ich denke, dass Ivy das genauso sieht – auch wenn sie es bislang nicht zugibt. Dabei ist sie im Gegensatz zu mir sicher nicht nur auf eine Freundschaft mit Milo aus.

»Wenn das nicht der beste Cocktailmixer aller Zeiten ist«, begrüße ich ihn überschwänglich.

»Aber hallo.« Er mustert meine mit Farbe beschmierten Hände. »Warst du noch kreativ?«

»Ja, ich hatte hier in der Nähe einen Kurs.«

»Und? Hast du den Leuten wieder deine Spachteltechnik nähergebracht?«

Unwillkürlich muss ich grinsen. Milo kam vor ein paar Wochen zu einer meiner Creative Nights im Café Flowerstone, um mich zu unterstützen, was ich ihm sehr hoch anrechne. Allein damit hat er jede Menge Sympathiepunkte gesammelt.

»Heute gab’s die Schwammtechnik. Auch sehr zu empfehlen, falls du dir noch mal einen entspannten Abend machen willst.«

»Lust hätte ich. Aber dein Dad bezahlt mir nicht genug, um daraus was Regelmäßiges zu machen.«

Ja, das liebe Geld. Wenn das nicht wäre …

»Wo ist Dad eigentlich?«

Milo verzieht das Gesicht. »Es wurde uns ein SOS von einer der Toiletten gemeldet.«

»Großartig. Genau das, was man an einem vollen Konzerttag braucht.«

Ich ziehe mir einen Barhocker heran. Milo gießt mir ungefragt eine Cola ein, die ich dankend annehme. Ivy wird nun sicher noch eine Stunde beschäftigt sein.

Milos Blick ruht auf ihr, während er die Gläser weiterspült. Es lässt mich schmunzeln, denn es ist so offensichtlich, dass auch er Interesse an ihr hat. Schon bei seiner ersten Schicht hatte er nur Augen für sie.

»Lennon, das ist ja eine Überraschung!« Dad ist von den Toilettenräumen gekommen und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Sein langer Ziegenbart ist heute geflochten, und die Ärmel seines silbernen Hemds hat er hochgekrempelt.

»Wie lief der Kurs? Hast du eine feste Kooperation bekommen?«

»Noch nicht … aber es dauert sicher nicht mehr lange.«

Ich wünschte, meine Worte könnten mein Herz erreichen, das mir gerade in die Hose sackt.

»Sie haben mir schon mal einen zweiten Kurs im Oktober angeboten.«

»Das klingt doch sehr vielversprechend.«

Ich nehme einen Schluck Cola, um meine kleine Lüge zu überspielen. Oft denke ich darüber nach, Mom und Dad zu sagen, wie es wirklich um den Aufbau meines Business steht. Wie kräftezehrend und frustrierend es sein kann, wie viel Druck ich mir mache. Eigentlich gibt es in unserer Familie keine Geheimnisse oder Lügen. Es gab auch nie Verurteilungen. Würde ich Mom und Dad erzählen, dass ich noch zu wenig Kooperationen habe, würden sie mir meine Selbstständigkeit nicht ausreden, sondern alle Hebel in Bewegung setzen, um mir zu helfen. Vermutlich würden sie mir sogar Geld leihen, und manchmal frage ich mich, ob ich es mir leisten kann, ihre Unterstützung auszuschlagen. Es wäre so viel einfacher, ihnen alles zu erzählen. Dad kennt die Schwierigkeiten, die auf einen zukommen, wenn man eine Geschäftsidee etablieren möchte, doch aus erster Hand. Und trotzdem will ich es alleine schaffen. Ich will es mir selbst und allen anderen beweisen.

Vielleicht bin ich aber auch einfach zu stolz, die ganze Wahrheit zu sagen.

Kapitel 3

One Door At A Time

Lennon

Laut Internet gibt es in New York rund 4000 Cafés und 20000 Restaurants, was für mich insgesamt fast 25000 potenzielle Kooperationspartner ergibt. An diesem Morgen habe ich bereits bei dreißig von ihnen vor der Tür gestanden, habe meine Flyer und Plakate gezeigt und meine Arbeit erklärt. Zwölf Mal habe ich sofort eine Absage bekommen. Sechs haben mir etwas genervt gesagt, ich solle einfach mal einen Flyer dalassen, dann würden sie ihn sich mal ansehen. Die restlichen Leute haben sich wenigstens mit etwas Interesse meine Beschreibungen angehört und die Flyer ausgelegt. Immerhin etwas.

Mein Pony klebt mir bereits verschwitzt an der Stirn, was dem professionellen Bild, das ich gerne abgeben würde, ein wenig im Weg steht. Obwohl wir erst Anfang Mai haben, ist der Sommer in Manhattan früh eingezogen, und so grillt mich auf dem Weg von Café zu Restaurant zu Café der Asphalt.

Ich liebe New York zu jeder Jahreszeit, aber die ersten heißen Tage sind meist schwer zu ertragen, weil man sich an die Hitze der Bürgersteige und den leider penetranten Gestank der Mülltonnen erst gewöhnen muss.

Ich spiele mit dem Gedanken, mir einen Iced Matcha Latte zu gönnen, um die nächsten Stopps zu überstehen, aber der Gedanke, Geld auszugeben, obwohl ich mit dieser Mission eigentlich welches verdienen will, kommt mir zu verdreht vor. Ich kaufe mir in einem Deli nur eine Flasche gekühltes Wasser, die ich in einem Zug leere. Dann steuere ich die nächsten zehn Läden an, bei denen ich heute noch mein Glück versuchen möchte.

Vor einem kleinen Café mit einer großen Fensterfront und urigen Ohrensesseln bleibe ich stehen. An der Tür klebt noch ein Sticker, der eine Neueröffnung ankündigt. Patricia’s Golden Place.

Ich packe meine Wasserflasche weg und hole neue Flyer aus meinem Rucksack, dann betrete ich den gemütlichen Laden mit Teppichboden und Stehlampen, die mich an einen kunterbunten Flohmarkt erinnern, bei dem es in jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Im Café selbst ist nicht viel los, nur ein paar Frauen sitzen an den runden Tischen und unterhalten sich. Eine Frau mit roten, langen Haaren und einer Schürze kommt lächelnd auf mich zu.

»Willkommen im Golden Place. Kann ich dir etwas zu trinken oder zu essen anbieten? Der Kuchen ist zur Feier unseres Eröffnungsmonats im Angebot.«

Sie zeigt auf eine Vitrine mit wundervoll aussehenden Kuchen.

»Ist das Blueberry Cheesecake?«

»Nach meinem Hausrezept.«

»Der sieht richtig gut aus. Aber eigentlich wollte ich mich und meine Arbeit vorstellen«, versuche ich mich von meinem Lieblingskuchen abzulenken. »Mein Name ist Lennon Chambers, und ich bin selbstständige Event-Managerin. Ich arbeite mit einigen Cafés und Restaurants zusammen und biete dort Creative Nights an.«

Ich reiche ihr einen Flyer, den sie interessiert durchsieht.

»Die Teilnehmer genießen das Ambiente, Essen und Getränke, verbringen einen schönen Nachmittag oder Abend zusammen und können dabei ihrer Kreativität nachgehen. Dafür zeige ich ihnen bestimmte Maltechniken, die sie dann vor Ort ausprobieren können. Ich habe bereits einige feste Kooperationen, die meistens an den Schließungstagen stattfinden – so bleiben die Personalkosten niedrig, und der laufende Betrieb wird nicht gestört. Die Cafés und Restaurants bekommen dafür einen Anteil der verkauften Tickets und hoffentlich auch neue Kundschaft.«

»Das klingt wirklich, als würde es zu uns passen«, sagt die Inhaberin zu meiner Freude. »Meine Vision ist es, den Menschen einen Ort zur Verfügung zu stellen, der sich nach zu Hause anfühlt. Eine Begegnungsstätte, in der man einfach entspannen kann. Da würden ein paar kreative Impulse und zusätzliche Werbung nicht schaden. Wie wäre es, wenn wir direkt einen Termin ausmachen, an dem ein erster Kurs stattfinden kann? Dann sehen wir, wie es angenommen wird.«

Ich unterdrücke ein freudiges Quietschen.

»Sehr gerne.«

Ich folge Patricia an den Tresen, und wir einigen uns auf einen Probekurs in vier Wochen. Wir verabreden, dass ich ihr einen einmaligen Kooperationsvertrag per Mail zukommen lasse, und sie hängt eins meiner Plakate aus, auf das wir das Datum meines Kurses schreiben. Bleibt nur zu hoffen, dass jemand anbeißt. Ich jedenfalls tue es, denn angespornt von meinem Erfolg, kaufe ich Patricia doch noch zwei Stück Blueberry Cheesecake ab, um auch Ivy eine Freude zu machen.

 

Eine Stunde später betrete ich unsere Wohnung. Ivy liegt nach Luft ringend auf einer Yogamatte im Wohnzimmer und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Vor der mintgrünen Wand kommt ihre überhitzte Haut richtig zur Geltung. Sie sieht aus wie eine überreife Tomate.

»Dein Work-out erfolgreich beendet?«, frage ich und stelle den Kuchen auf den Tresen unserer offenen Küche.

Ivy wurde von ihrem Label angeraten, jeden Tag ein Kardiotraining zu machen, um für die Konzerte fit zu sein. Auch wenn es notwendig ist, um die vielen Shows körperlich durchzustehen, verflucht sie es ziemlich oft.

»Sag ich dir, wenn ich wieder sprechen kann, ohne nach Luft zu japsen.«

Ich setze mich neben ihre Yogamatte auf den Boden und schiebe ihr die Wasserflasche zu, aus der sie sofort ein paar Schlucke nimmt.

»Besser?«

»Definitiv. Wie lief es bei dir? Hast du deine Flyer verteilt?«

»Und sogar einen ersten Termin mit einem kleinen Café hier um die Ecke ausgemacht.«

»Das ist super! Dann hat sich die Aktion ja schon gelohnt.«

»Ich muss es viel öfter machen«, sage ich nachdenklich. »Vielleicht gehe ich gleich morgen noch mal los.«

»Ein guter Plan.«

»Was steht bei dir noch an?«

»Ich habe nachher dieses Interview bei Fox News Radio, um über meine Single zu sprechen. Keyla holt mich um fünfzehn Uhr ab.«

Keyla Jones, Ivys Marketing-Managerin, begleitet sie zurzeit bei fast allen Presseterminen. Sie ist ein absoluter Workaholic und will Ivys derzeitigen Hype unbedingt auskosten, so gut es geht. Interviews, Talkshows, Podcasts. Ein Wunder, dass wir uns überhaupt noch regelmäßig zu Gesicht bekommen.

»Hast du vor deinem Termin noch Lust, etwas zu essen? Ich könnte uns meine berühmten Kokos-Limetten-Nudeln kochen? Und ich habe uns Blueberry Cheesecake zum Nachtisch mitgebracht.«

»Gott, das klingt sehr gut. Ich hüpf nur schnell unter die Dusche.«

Ivy rollt ihre Matte zusammen und eilt ins Badezimmer, während ich schon mal Nudelwasser aufsetze. Angesichts Ivys fehlender Kochkünste koche ich uns meistens etwas. Wenn wir nicht gerade bei Lieferdiensten bestellen.

Im Badezimmer nebenan singt Ivy einen ihrer aktuellen Songs unter der Dusche. Es ist die perfekte musikalische Untermalung, während ich die Frühlingszwiebeln putze und schneide, eine Limette auspresse und die Schale fein abreibe. Als Ivy zurückkommt, habe ich die Frühlingszwiebeln längst angebraten und mit Kokosmilch, dem Limettensaft, etwas Sojasoße und Wasabi-Nüssen verfeinert. Ivy holt Geschirr heraus, ich vermenge die Pasta mit der Soße, und schon kann das Essen serviert werden. Mit befüllten Tellern gehen wir durchs Fenster, raus auf die Feuerleiter – zu unserem Lieblingsort in der Wohnung.

»Danke fürs Kochen. Das ist nach dem Sport jetzt genau das Richtige.«

Ich verkneife mir einen Kommentar darüber, dass der Trainer, mit dem Ivy ihre Work-outs durchgesprochen hat, sie dazu ermutigt hat, mehr Eiweiß zu essen, und dieses Gericht wohl nicht darunterfällt. Dafür schmeckt es wieder einmal himmlisch. Die Mischung aus Kokos und Limette ist cremig und erfrischend zugleich.

»Bist du aufgeregt wegen des Interviews?«, frage ich zwischen zwei Bissen.

»Irgendwie noch nicht. Vielleicht gewöhne ich mich ja langsam daran.«

»Ist ja auch dein ungefähr fünfzigstes Interview diesen Monat. Wird schon Routine.«

»Wem sagst du das. Ich hätte nie gedacht, wie viel Promo mit der Veröffentlichung eines Albums einhergeht.«

»Spätestens wenn wir den Release endlich feiern, vergisst du die ganze Arbeit.«

»Ich habe gestern noch mit Keyla gesprochen. Sie kann uns zwar doch nicht begleiten, aber unserer geplanten Party steht nichts im Wege. Sie hat uns einen Fahrer organisiert, der uns von A nach B bringt. Erst zum Times Square, um meine Werbeanzeige zu sehen, und dann geht’s ins Serpent.«

Allein die Erwähnung des Members-only-Nachtclubs lässt die Gabel, auf die ich gerade Pasta gewickelt habe, erzittern. Das Serpent ist einer dieser New Yorker Legenden – niemand weiß so recht, was sich hinter den Türen dieses exklusiven Clubs abspielt, aber es gibt viele Gerüchte. Stars, die dort ein und aus gehen. Die Rede ist von heimlichen Flirts und Affären, die nie an die Öffentlichkeit gelangen. Seit es diesen Club gibt, will ich dort Mäuschen spielen, und ich hätte niemals zu träumen gewagt, dass wir es für Ivys Album-Release-Party auf die Gästeliste schaffen. Ohne die Kontakte von Keyla, besser gesagt von Ivys Musiklabel, würden wir wohl auch niemals draufstehen.

»Wir brauchen auf jeden Fall Champagner«, sage ich. »Damit wir zusammen anstoßen können, wenn dein Albumcover auf dem Times Square erscheint.«

»Ich finde den Gedanken noch etwas befremdlich. Auch wenn ich es mir schon so oft ausgemalt habe …«

»Es wird großartig! Dann hast du es wirklich geschafft, Süße.« Ich beuge mich vor und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. »Und ich bin so was von stolz auf dich.«

»Ohne dich hätte ich es nie geschafft. Das weißt du, oder?«

»Stimmt.« Grinsend wickle ich weiter Pasta auf die Gabel. »Deswegen sag ich dir ja auch immer, dass ich eigentlich deine Managerin sein sollte. Ich habe dein Talent sofort erkannt ab dem Moment, in dem ich dich in Manhattan auf der Straße habe spielen sehen.«

»Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn du mir keinen Kaffee ausgegeben hättest …«

Oder die Couch zum Schlafen angeboten. Damals habe ich ja auch nicht gedacht, dass Ivy kurz darauf im Club meines Dads auftritt und es damit nach ganz oben schaffen würde. Das war auch absolut außerhalb meiner Vorstellungskraft, egal, wie sehr ich an sie geglaubt habe.

»Auf jeden Fall würden wir dann nicht auf der Gästeliste vom Serpent stehen«, sage ich. »Ich habe Effie wegen ihres Outfits beraten, sie steckt also schon mitten in ihren Vorbereitungen. Ich hoffe, Tweezy ist auch bereit?«

Ivy hat den Rapper über ihr Label kennengelernt und ebenfalls zu ihrer Party eingeladen.

»Auf ihn ist Verlass. Und da Keyla nicht mitkommt, habe ich Milo eingeladen.«

»Na endlich! Ich wusste doch, dass er dir gefällt. Wird auch Zeit, dass ihr euch annähert.«

Werden Ivys Wangen gerade rot?

»Es hat mich überrascht, dass er zugesagt hat. Aber ich freue mich«, murmelt sie.

Dann nimmt sie sich eine viel zu große Gabel Pasta, die sie eindeutig nur daran hindern soll, weiter über Milo zu sprechen, obwohl ich sie wirklich gerne noch etwas mit ihm aufziehen würde. Keine Ahnung, wieso sie nicht einfach zugibt, dass sie unseren Barkeeper toll findet, wenn es doch so offensichtlich ist.

Angesichts des Radiointerviews, in dem sie sich später schon genug aufdringlichen Fragen stellen werden muss, bin ich aber gnädig und löchere sie nicht weiter.

»Wir müssen die Nacht im Serpent auf jeden Fall richtig auskosten«, sage ich zu ihr. »Das ist vermutlich meine einzige Chance, jemals dort zu sein. Ich will also die ganze Nacht tanzen und mir irgendeinen heißen Schauspieler angeln.«

Ivy lacht. »Du bist unmöglich, weißt du das?«

»Auf den jüngsten Paparazzi-Bildern vor dem Serpent war Jacob Elordi zu sehen. Und ich hoffe, Olivia Rodrigo wird da sein. Sie hat am Abend davor doch ein Konzert in New York.«

»Aber denk daran, dass wir an dem Abend eine von denen sind«, ermahnt mich Ivy. »Ich habe Keyla versprochen, dass wir uns benehmen, sie hat nämlich einige Beziehungen spielen lassen, damit wir alle auf die Gästeliste kommen.«

»Willst du mir unterstellen, ich hätte mich nicht unter Kontrolle?«

Sie gibt mir einen kleinen Schubs. »Genau das, du kleine Promijägerin.«

»Ich habe doch jetzt dich, um mein Interesse an Celebritys voll auszuleben.«

Das Schicksal hat es wirklich gut mit mir gemeint, ausgerechnet meine beste Freundin zum neuen Superstar zu machen. Immerhin habe ich schon mit fünfzehn diese ganzen Klatschzeitungen gelesen und mich immer darüber informiert, was es in der Welt der Stars und Sternchen Neues gibt.

»Das Allerwichtigste ist sowieso, dass wir eine richtig schöne Zeit zusammen haben und der Release deines Albums gebührend gefeiert wird.«

»Da sollten wir jetzt schon drauf anstoßen. Mit Kuchen.«

»O ja!«

Ich schnappe mir direkt unsere leeren Teller und gehe zurück in unseren Wohn-Ess-Bereich, um den Blueberry Cheesecake zu holen. Während ich zwei kleine Gabeln heraussuche, sehe ich noch mal zu Ivy, die von der Feuerleiter aus auf die Lower East Side schaut.

Ich möchte wirklich, dass wir dieses Album ordentlich feiern. Nicht wegen irgendwelcher Promis und Nachtclubs, sondern einfach weil Ivy dieses Glück, das sie über Nacht gefunden hat, verdient wie kein anderer.

Und weil es mir Hoffnung gibt.

Kapitel 4

Call Me Maria Martinez

Lennon

Das Serpent befindet sich in einem Backsteinhaus mit drei Stockwerken. Ein schwarzer Teppich führt vom Bordstein zur Eingangstür, vor dem ein Türsteher darauf wartet, jeden zu überprüfen, der einen Fuß in den Members-only-Nachtclub setzen will. Paparazzi lauern bereits vor dem Gebäude, weil jede Klatschzeitung scharf darauf ist zu erfahren, wer mit wem gefeiert hat, um dann wilde Spekulationen aufzustellen, was hinter diesen Mauern wohl vor sich gehen mag. Noch immer ist es unwirklich, dass ich gleich selbst Zeugin davon werde, wie die Stars von New York feiern, nachdem ich mich all die Jahre mit diesem Club befasst habe. Fast denke ich, dass es ein Traum ist. Der Champagner, der auf unserer kleinen Feier am Times Square geflossen ist, unterstreicht diese Gedanken nur noch. Als könnte ich jederzeit aufwachen und mir das alles nur eingebildet haben.

Aber als ich aus dem Wagen steige, fühlt sich der Boden unter meinen Füßen genauso echt an wie das blendende Blitzlichtgewitter, das für Ivy und Tweezy bestimmt ist. Effie, Milo und ich sind eher die Schatten, die hinter den beiden hergehen, aber es stört mich nicht im Geringsten. Ich fühle mich trotzdem absolut großartig, während ich in meinem roten schulterfreien Kleid über den Teppich schreite.

Ivy spricht mit dem Türsteher, der mit wachsamem Auge die Gästeliste durchgeht. Nervös streiche ich mir über meinen Dutt, der eng am Kopf anliegt. Zwei gelockte Haarsträhnen umrahmen mein Gesicht, und ich trage eine goldene Kette, die meine Mom mir zu meiner Quinceañera, der Feier zu meinem fünfzehnten Geburtstag, geschenkt hat. Ich fühle mich absolut bereit, endlich das Serpent zu betreten.

Der Türsteher kontrolliert unsere Ausweise, dann tritt er endlich zur Seite. »Alles klar. Ihr könnt reingehen.«

Er öffnet die Tür, und wir betreten einen schmalen Gang. Jeder Schritt wird von zunehmendem Bass begleitet. Ivy und ich tauschen aufgeregte Blicke, mein Herz wummert im Rhythmus der Musik, und dann befinden wir uns in einem abgedunkelten Raum ohne Fenster. Fieberhaft sehe ich mich um und versuche, alles zu erfassen: die dunkelrote Inneneinrichtung aus Sitzecken und Separees, die für Privatsphäre sorgen. Dichter Nebel liegt über der Tanzfläche, irgendjemand räkelt sich an einer von zwei Poledance-Stangen. Davor stehen Kylie Simson und Frederic Green, die beide in einer Amazon-Prime-Serie mitspielen und immer wieder dementieren, ein Paar zu sein, obwohl sie gerade eng umschlungen tanzen und sich dabei küssen. Ein paar Meter weiter tanzt der neue Star dieser Netflix-Serie, über die gerade alle sprechen.

Ich will die anderen auf meine Entdeckung aufmerksam machen, aber Effie und Tweezy sind bereits weiter zur Bar gegangen. Milo und Ivy stehen an einem Motorrad, das im Club ausgestellt wurde. Schon ein flüchtiger Blick auf die Fotowand dahinter reicht, um zu erkennen, dass dieser kleine Schrein ein Andenken an den früheren Besitzer Corey Meester ist. Er hat das Serpent gegründet, nachdem sich seine Band Serpent Grave aufgelöst hat. Er ist mitunter einer der Gründe, wieso ich unbedingt mal herwollte, weil ich mit ihm und seiner Musik groß geworden bin. Dad war wochenlang traurig, nachdem Corey bei einem Brand in seinem Haus gestorben ist. Es war grausam. Aber dieser Club ist sein Vermächtnis, alles wurde von ihm aufgebaut.

Ich trete hinter Milo und Ivy.

»Leute! Habt ihr gesehen, wer alles hier ist? Da drüben ist Jeremy Stone, der Schauspieler von dieser neuen Netflix-Serie. Gott, ist der heiß.«

Am liebsten würde ich zu ihm gehen und nach einem Autogramm fragen, aber es würde wohl gegen alles verstoßen, wofür das Serpent steht. Ich werde mich heute wohl oder übel zusammenreißen müssen.

Effie und Tweezy haben bereits eine der Sitzecken eingenommen und winken uns zu. Gerade wird ein Kübel mit Champagner zu ihnen gebracht. Bei der Hitze, die im Club herrscht, kommt das eiskalte Getränk wie gerufen, also gehen wir zu ihnen. Die Sitze sind aus weichem Wildleder. LED-Lichter umrahmen unseren Tisch, auf dem nun der Champagner ausgegossen wird. Industrial Music dominiert den Raum. Eine betörende Mischung aus Rock und Techno, die einen ganz eigenen Sog ausübt. Laut genug, damit der Bass im Körper zu spüren ist, trotzdem sind Gespräche immer noch möglich.

Gemeinsam stoßen wir auf Ivys Album an.

Effie lässt nichts anbrennen, kontrolliert den Sitz ihres Kleides und startet sofort einen Flirtversuch beim Barkeeper. Ivy und Tweezy vertiefen sich in ein Gespräch über die Musikbranche … und ich fühle mich wie ein Kind im Spielzeugladen, das gar nicht weiß, wohin es zuerst gucken soll. Es gibt zu viel zu entdecken, zu viel zu verpassen. Da sind Schauspieler und Models, Influencerinnen und Sänger. Alle, die in New York irgendwie für Aufregung sorgen, sind hier, und ich bin mitten unter ihnen – nur mit dem Unterschied, dass sie keine Ahnung haben, wer ich bin.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich mal im Serpent landen würde«, spricht Milo meine Gedanken aus.

»Es ist krass, oder? Eine ganz eigene Welt, und wir dürfen mal durchs Schlüsselloch gucken.«

»Findest du es manchmal seltsam, dass Ivy jetzt zu dieser Welt gehört? Als sie deine Mitbewohnerin geworden ist, war sie immerhin noch nicht berühmt.«

»Hm. Ein bisschen komisch ist es noch. Allein der Gedanke, dass sie im September auf Tour geht und dann weg sein wird. Aber ich gönne ihr den Erfolg aus ganzem Herzen.«

Milo sieht nachdenklich zu ihr. Sein Mundwinkel zuckt missbilligend, und ich ahne, wieso. Tweezys Hand liegt ziemlich nah an Ivys Arm.

»Keine Sorge.« Ich stupse ihn sachte an. »Da läuft nichts zwischen den beiden.«

»Wie kommst du darauf, dass mich das beschäftigen würde?«

»Ach bitte.« Ich verdrehe lachend die Augen. »Ich sehe doch, dass du sie magst. Und sie mag dich auch.«

Milo sagt nichts dazu, ertappt nimmt er einen Schluck Champagner. Ich kann nur hoffen, dass einer der beiden heute noch den ersten Schritt macht und sie endlich zueinanderfinden. Vielleicht wenn sie gezwungen sind, miteinander zu reden. Der Champagner drückt eh langsam auf meine Blase, wenn ich aufstehe, kann Ivy sich neben ihn setzen und in ein Gespräch verwickeln.

»Ich fürchte, ich muss dich kurz alleine lassen und zur Toilette gehen«, sage ich zu Milo, der noch immer an meinen Worten festzuhängen scheint. Ich lächle ihm entschuldigend zu, dann stehe ich auf.

Die Schilder führen mich an den Separees vorbei zu einem schmalen Gang, in dem die Musik immer leiser wird. Der Gang führt noch weiter geradeaus, doch die Toiletten liegen links von mir. Ich betrete die Frauentoilette und denke erst, mich doch im Raum geirrt zu haben, denn bei den edlen Steinbecken werde ich überhaupt nicht an die Clubtoiletten erinnert, die ich sonst von New York kenne. Kein Toilettenpapier auf dem Boden, kein Graffiti und keine Schmierereien an den Türen. Dafür gibt es einen Warteraum mit einer roten Ledercouch.

Auf einer Ablage am Waschbecken stehen Parfümflakons von Versace, die ich nach meinem Toilettengang sofort ausprobiere. Einer der Düfte riecht wunderbar herb, also sprühe ich mir einen kleinen Tropfen davon auf mein Handgelenk. Dann richte ich mein Kleid und ziehe meinen Lippenstift nach.

Ich bin gerade fertig geworden, als eine Frau hereingepoltert kommt. Fahrig sieht sie sich um und entdeckt mich. Ich lächle ihr vorsichtig zu.

»Maria«, seufzt sie erleichtert. »Du bist wirklich spät dran, du hast doch gleich das Treffen mit Scott Bilson.«

»Ähm … ich bin nicht …«

»Nicht fertig? Doch, du siehst wirklich wunderbar aus. Komm mit, ich bringe dich zu ihm.«

Sie hakt sich bei mir unter und zieht mich mit … und ich folge ihr etwas überfordert. Zweimal noch versuche ich, ihr zu sagen, dass ich nicht die bin, für die sie mich hält, aber sie redet ununterbrochen von diesem Scott und wie wichtig es ist, nun einen guten Eindruck bei ihm zu machen, wenn ich möchte, dass er mich unter Vertrag nimmt. Dabei gehen wir jedoch nicht zurück in den Club, sondern folgen dem Gang in die entgegengesetzte Richtung. Erst vor einem Absperrseil inklusive Securitymann stoppen wir.

»Maria Martinez«, sagt die Frau und meint damit offenbar mich.

Gerade will ich noch einmal klarstellen, dass ich nicht Maria bin, als der Securitymann zur Seite tritt, damit ich in den abgesperrten Bereich gehen kann.

»Na los«, sagt die Frau und nickt mir aufmunternd zu.

Meine Einwände prallen an meiner Neugier ab. Ich spüre das schlechte Gewissen, weil diese Frau gerade alle Karten auf das falsche Pferd setzt, aber gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass dies hier so etwas wie ein VIP-Bereich in einem Members-only-Club ist. Wenn im normalen Bereich schon berühmte Schauspieler und Models feiern, wer oder was erwartet mich dann hinter dieser Absperrung?

Es ist viel zu verlockend, für einen Augenblick Maria zu sein und es herauszufinden.

Ich richte mich ein wenig auf, um den Anschein zu machen, wirklich hierherzugehören. Dann marschiere ich einfach an dem Securitymann vorbei.

Zu meinem Leidwesen folgt mir die Frau von der Toilette.

Wir betreten zunächst einen Loungebereich. Die Musik aus dem vorderen Bereich ist hier nur Hintergrundmusik, während Ledersessel und kleine Couchtische zum Entspannen einladen. An einer eigenen Bar werden Spirituosen gemixt. Männer in Anzügen, viel zu formell angezogen für einen Club, sitzen in den Sesseln und trinken Whiskey und Scotch. Dabei sehen sie permanent auf die Uhr, als wären sie nur auf dem Sprung oder hätten noch Termine.

Auf einem der Sessel neben der Tür sitzt das Male-Model aus der neuesten Gucci-Werbung.

»Scott erwartet dich«, sagt die Frau von der Toilette und zeigt zu einem dunkelroten Vorhang, der den nächsten Raum verdeckt. »Du kannst dadrin auf ihn warten.«

Kurz kommen mir sämtliche Filme und Serien in den Sinn, bei denen junge Frauen in irgendwelche Hinterzimmer gelockt werden. Aber gerade tritt eine Kellnerin durch den Vorhang und wirkt recht entspannt. Fürs Erste spiele ich also das Spiel weiter mit und bin froh, die Frau hinter mir zu lassen.

Hinter dem Vorhang erwarten mich abgetrennte Sitznischen aus dunklen Ledersitzen und bordeauxroten Wänden. Die Menschen in den Separees wirken alle furchtbar geschäftig – wenn man die Unmengen an Alkohol ignoriert, der auf den Tischen steht. Whiskey, Wodka, Champagner – überall stehen teure Spirituosen und Eiskübel, während emsig Verhandlungen und Gespräche geführt werden, die angesichts der Tablets und Unterlagen auf den Tischen sicherlich nicht privater Natur sind.

Und das alles mitten in der Nacht.

Seit wann werden in Nachtclubs geschäftliche Treffen abgehalten? Ich dachte, für so etwas sind Golfclubs und Büros da. Oder brauchen bestimmte Geschäfte der Schönen und Reichen die Verlockung von Alkohol und ein paar Stunden auf der Tanzfläche? Ist das hier ein besonderer Service, wie die Zigarre, die ich so oft schon in Filmen gesehen habe, wann immer alte, reiche Männer ihre Zusammenarbeit besiegeln?

Da ist der Schauspieler aus dem neuesten Hollywoodstreifen und ein Sänger, dessen Namen ich vergessen habe. Zander Dee? Zander Dwight? Er war auf jeden Fall mit Ivy zusammen in den Charts. Auch sonst sind echt viele Männer hier … und jeder von ihnen könnte Scott Bilson sein. Auch wenn mir sein Name als Manager etwas sagt, habe ich kein Bild von ihm vor Augen, aber sicher würde ihm sofort auffallen, dass ich nicht Maria bin. Mein kleiner, aufregender Ausflug in diese andere Welt könnte also ziemlich schnell vorbei sein. Besser, ich genieße ihn noch ein wenig.

Ein paar Meter vor mir, am anderen Ende des Raums, liegt eine einzige Tür – etwas versteckt zwischen zwei Separees. Ein Mann mit dunklem Hemd geht geradewegs darauf zu, er ist der einzige, der keinen Anzug trägt. Der einzige, der eher in meinem Alter ist. Unwillkürlich gehe ich einen Schritt auf ihn zu, um ihn besser zu sehen. Seine fast schwarzen Haare fallen ihm ein wenig in die Stirn.

Sofort rast mein Herz, während ich ihn eingehender mustere. Ich will mir noch einreden, mich zu irren … immerhin habe ich den Sänger, für den ich ihn halte, seit Monaten nicht gesehen. Er zeigt sich nicht, ist abgetaucht. Also kann er es nicht sein, oder?

Aber mein geschultes Auge würde Blake Meester immer und überall erkennen, immerhin habe ich noch vor rund einem Jahr all seine Lieder rauf und runter gehört. In Endlosschleife, bevorzugt mit viel zu lauten, schiefen Gesangseinlagen meinerseits, während ich mir vorgestellt habe, ihn ein einziges Mal live zu treffen. Nur waren das eher Tagträume und unrealistische Wünsche, bei denen ich nie davon ausgegangen bin, dass sie sich einmal erfüllen würden.

Und jetzt sind sie zum Greifen nah?

Natürlich ist es auch absolut logisch, dass er hier ist, immerhin leitet er als Sohn des verstorbenen Corey Meester das Serpent