Lilli - Nicole Sturm - E-Book

Lilli E-Book

Nicole Sturm

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Beschreibung

Die Tochter des Teufels, drei Finger hoch Jack Daniels, ein vollautomatisches Schrotgewehr mit Tellermagazin, eine unterbelichtete Hellseherin, ein Einkaufswagen voller Cornflakes, zwei klaustrophobiche Astronauten, 450 ml schwarzer Lack, ein brennender Beichtstuhl, dreizehn Macheten, ein Kühlschrank voller "Oh Gott", ein kleines Mädchen mit einem Stoffstinktier, der Rattenfänger, Prinzessin Salome und die Medusa, eine Einbauküche voller Kokain, zwei Jackentaschen voller Popcorn, ein weggeworfener Zigarettenanzünder, eine Live-Hinrichtung im Radio, eine Sanduhr voller Asche, eine Krankenschwester die von den Lippen eines Toten liest, diverse Messer, eine Familienpackung Tretminen, ein schwarzer Konzertflügel, der Abgrund unter dem Meer, ein vergessenes Ladekabel, eine cholerische Selbsthilfegruppe, ein höflicher und ein unhöflicher Soldat, ein rot blinkendes Licht, Jesus, ein Chor aus toten Kindersoldaten, eine mutige Schneeflocke und eine Schaukel die von einem Galgen hängt. Nicht alle sterben, aber ... ach, das glauben Sie mir ja eh nicht.

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LILLI

IN DER HÖLLE STEHT EINE SCHAUKEL

LILLI

IN DER HÖLLE

STEHT EINE SCHAUKEL

von Nicole Sturm

IN NOMINE

epubli

LILLI

In der Hölle steht eine Schaukel

von Nicole Sturm

Copyright: 2017 Nicole Sturm

published by: epubli

ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Inhalt

1 VΩrwort ist das falsche Wort

2 Wischen in Gang 7

3 Schwarz

4 Ausgehschleier

5 Verreck dran!

6 Reisesarg

7 Ich bin der Achim

8 Jagen

9 Regel 1

10 Kaputte Leute

11 Boxenstopp

12 Rotierendes Licht

13 Süßwasser

14 Meine Sense

15 Südflügel

16 Nicht die schon wieder

17 Haldich fest!

18 Wischen auf Gleis 1

19 Minensuchbonzen

20 Keine Milch

21 Arzt oder Priester?

22 Gute Frage

23 Hier kommt das Vögelchen

24 Gute Nacht Geschichten

25 33 - 45

26 Kaltes Benzin

27 Rechts sehen Sie das Gleis

28 K-leo-patra

29 Ohne Licht

30 Sense

31 Stoffstinktier

32 Todesliste

33 Das Licht im Kühlschrank

34 Typisch Kasper

35 Im All hört dich niemand klopfen

36 Nadel und Tinte

37 Über dir

38 Dybbuk

39 Audienz

40 Leuchtendes Rot

41 Taschen voller Popcorn

42 Nikolaus

43 Mutprobe

44 Oben im Haus

45 19 Minuten

46 aka Jesus

47 Ich werde sündigen

48 Happy Birthday

49 Epilog ist aber auch nicht richtig

1 VΩrwort ist das falsche Wort

1.November

Okay, stell dir vor, der Teufel hat eine Tochter.

Ist sie hübsch?

Bist du dumm oder so? Natürlich ist sie hübsch. Der Teufel ist doch voll der Weiberheld, ihre Mutter war bestimmt ein Engel, oder so.

Is' ja gut, die Tochter des Teufels ist … warte! Wie, alt ist sie?

Sie ist, was weiß ich, … an Halloween wird sie 21 Jahrhunderte alt.

Ist sie Emo?

Alter! Sie ist nicht Emo, okay?!

Aber sie ist Goth, Punkerin oder sowas.

Sie ist blass wie Papier und hat Haar so schwarz wie Edding.

Wie fucking Schneewittchen?

Genau. Wie scheiß Schneewittchen.

Wie heißt sie?

Verdammt, du fragst Sachen.

Komm schon, ich brauch 'nen Namen, um mir das richtig vorzustellen.

Sie heißt … irgendwas Altes … aus dem Alten Testament oder so.

Maria Magdalena?

Nein, das ist aus dem neuen Testament.

Ok, dann heißt sie nicht Maria Magdalena, wie heißt sie dann?

… Lilli.

Das ist doch kein biblischer Name.

Ist er wohl!

Du kiffst echt zu viel! Lilli ist die Hexe aus »Buffy - Im Bann der Dämonen«.

Du meinst Marshalls Frau aus »How I met your Mother«. Ich rede von Adams erster Frau.

Wer?

Lillith.

Was?

Vor Eva hatte Adam eine andere Frau.

Auf welcher Verschwörungsseite hast du den Scheiß denn gelesen?

Das ist keine Verschwörerscheißer, das steht in der Thora?

Wo?

Im Alten Testament.

Ach so, ok, also, die Tochter des Teufels sieht geil aus, ist kreidebleich, hat schwarze Haare und heißt Lilli. Ich geh mal davon aus, dass die nur schwarze Klamotten trägt.

Kein Zweifel.

Okay, okay, und sie ist böse?

Wie definierst du böse?

Ja, Alter, wenn das die Tochter des Teufels ist, dann muss die doch durch und durch böse sein.

Wenn ihre Mutter ein Engel war, ist auf jeden Fall auch etwas Gutes in ihr, wenigstens ein bisschen, aber ein Unschuldslamm ist sie auf keinen Fall.

Is' ihr Vater denn so einer, der seinen Speer poliert, wenn ihr erster Freund durch den Höllenschlund spaziert.

»Seinen Speer poliert?«

Du weißt was ich meine, der Teufel hat doch so 'nen Speer.

Wenn dann hat der Teufel 'nen Dreizack und davon steht auch nichts in der Bibel, das sieht man nur in Cartoons.

Sitzt der Typ jetzt mit seiner Schrotflinte im Wohnzimmer oder nicht?

Ich denke, wenn ich die Tochter des Teufels daten würde und sie mir ihren Vater vorstellt, wäre eine Knarre mein geringstes Problem.

Das nehme ich mal als Ja. Okay, was wolltest du wissen?

Fuck, jetzt hab ich vergessen, was ich fragen wollte. Warte, gleich fällt's mir wieder ein.

2 Wischen in Gang 7

21.September

Ich brauche eine Kettensäge.

Da sind Sie bei mir genau richtig, junge Frau. Da gibt es zwei entscheidende Fragen. Was wollen Sie damit zerlegen und was darf es kosten?

Die Augen des inzestuösen Baumarktverkäufers kleben deutlich zu lang auf dem engen, schwarzen Kleid, der blassen Kundin mit den pechschwarzen Zöpfen.

Ich brauche ein Allroundmodell, nicht zu schwer, ohne Kabel, Geld ist kein Thema.

Beim Blick in ihre kalten, dunkelgrünen Augen fährt eine Gänsehaut über seinen ganzen Körper. Er beginnt leicht zu stammeln.

Bevorzugen, Sie, eine bestimmte Länge?

Sie hat nicht ein einziges Mal geblinzelt seitdem er Augenkontakt aufgenommen hat.

Reden Sie noch von Kettensägen?

Ich, ich …

Er dreht sich zur Seite und zeigt auf einen Karton.

Das ist genau das richtige für Sie. Relativ klein, aber mit viel Power.

Das dachte ich mir.

Durch die Anlage des Baumarktes ertönt eine leicht verkratzte Ansage.

Ein Mitarbeiter bitte in Gang 9. Ein Mitarbeiter … Ach, vergesst es, ich mach es selber. Immer die gleiche Schei…

Ich nehme sie.

Nach einer Sekunde im geistlichen Leerlauf reicht er ihr mit wackligen Fingern den Karton.

Haben Sie schon unsere Kundenkarte?

Haben Sie schon meine Kundenkarte?

Für wen … für wen arbeiten Sie denn?

Sie neigt ihren Kopf nach vorne und spuckt Blut auf den gefliesten Boden.

Ach du Scheiße! Geht es ihnen gut?

Können Sie mir einen guten Lackierer empfehlen?

Warum? Wollen Sie die Säge in Pink?

Nein, ich steh nicht auf Pink.

3 Schwarz

22.September

Haben Sie das auch in schwarz?

Die junge Verkäuferin starrt verwirrt auf das weiße T-Shirt in Lillis Hand.

Sie suchen ein schwarzes Shirt?

Haben Sie so etwas?

Wir haben hier hinten ein paar schwarze Sachen. Wir haben Shirts mit Kronen, mit Tieren, mit Sprüchen, ein paar mit Ausschnitt. Soll ich ihnen was raussuchen?

Was für Tiere haben Sie denn?

Ehm, Katzen, wir haben Vögel, Delphine, ich meine wir haben auch noch was mit Pferden.

Haben Sie Hyänen? Meine erste Hyäne hieß Zerberus, ich weiß, es ist ein alberner Name, aber er hat die Katze meines Bruders gefressen.

Verstört sieht die Verkäuferin zwischen dem Kleiderständer und Lilli hin und her.

Hyänen? Wie bei Simba?

Simba?

König der Löwen. Von Disney.

Lilli erinnert sich.

Ach so, nein, mein Vater hat uns immer verboten sowas zu gucken. Das ist schlecht für die Moral hat er immer gesagt.

Fassungslos starrt die Verkäuferin die ungewöhnliche Kundin an.

Sie haben … warten Sie … soll das heißen Sie haben als Kind nie einen Disney-Film gesehen?

Eine Sekunde lang kramt Lilli in ihren Erinnerungen.

Ich bin mir nicht sicher, einmal haben mein Bruder und ich uns runtergeschlichen und heimlich ferngesehen. Das war ein Film über irgendwelche Tiere im Wald. Er hieß …ich glaube irgendwas mit »Fluss«. Ich fand's gar nicht so schlimm.

Lilli steckt das weiße Shirt zurück auf den Kleiderständer. Die verstörte Verkäuferin geht langsam einen Schritt rückwärts.

Ich muss … kurz ins Lager. Schaffen Sie das ohne mich?

4 Ausgehschleier

23.September

In einem beeindruckend großen Wohnzimmer, mit schwarzen Marmorboden und weißen Ledersofas sitzen drei Goths. Zwei von ihnen haben es sich gemütlich gemacht und wissen nicht wo sie hinstarren sollen, der dritte durchstöbert das vierstöckige Schallplattenregal. Mit einem schwarzen Schleier aus Spitze vor ihrem Gesicht, schreitet Lilli durch die schwere Türe aus Kirschholz.

Ich habe meinen Schleier gefunden, wir können los.

Die zwei schwarz gekleideten Frauen auf dem Sofa sind sich nicht einig.

Wahnsinn, du siehst aus wie eine tote Prinzessin.

Vielleicht ein wenig overdressed für eine Party im alten Bunker.

Aufgedreht zieht der Goth, vor dem Plattenregal, die signierte Single »Creep« hervor.

Die Sammlung deines Vaters ist der Wahnsinn. Und die Fotos erst! Außer Ozzy Osbourne ist da ja wirklich jeder dabei. Ist dein Vater in der Musikindustrie?

Nein, aber er steht auf Heavy Metal.

Und die Harfe, war die von deiner Mutter?

Man Vater spielt auch Harfe, aber er ist nur selten hier. Er hat viel in den USA zu tun.

Auf dem Beistelltisch, neben der Couch, steht ein gerahmtes Familienfoto. Lillis Vater, ein gutaussehender Dressman, ihr Bruder, ein Mann dem man die Boshaftigkeit ansieht und Lilli, die sich halb tot lacht, stehen vor einem gestrandeten Schiffswrack. Alle tragen schwarz, nur die Schuhe ihres Bruders ziert ein rotes Nike-Logo. Die freundliche Goth hebt das Foto vom Tisch und dreht es zu Lilli.

Wart ihr da in einem Vergnügungspark?

Lilli sieht mit einem winzigen Grinsen auf das Bild.

Nein, aber es war ein großes Vergnügen.

Und dein Bruder tritt in die Fußstapfen deines Vaters?

Nein, aber er ist Mathelehrer geworden.

Vorsichtig stellt die Goth das Foto zurück und bemerkt dabei das blinkende Licht des Anrufbeantworters.

Hey Lilli, ich glaube da ist 'ne Nachricht auf dem AB. Wieso habt ihr überhaupt noch 'nen AB?

Das ist bestimmt von meinem Vater, drück einfach mal auf Play.

Sie drückt auf die Taste. Das kleine Band spult zurück, stoppt und beginnt sich gemütlich zudrehen. Eine tiefe liebevolle Stimme klingt knacksend aus dem kleinen Mono-Lautsprecher.

Hey Lillith, Verzeihung, Lilli, ich kriege das bis zum Jüngsten Gericht nicht hin. Ich bin gerade in Texas und es läuft alles wunderbar, ich habe das Gefühl, es wird mit jedem Jahr einfacher. Warte mal kurz. Ey, das ist antik, da muss mehr Spiritus drauf! … Lillith, ich habe auch schon ein Messer für dich, es hat Widerhaken, aber lass dich überraschen. Feier schön wild, ich lass es hier auch krachen. Fackel das Haus nicht ohne mich ab, ich hab dich lieb.

Das Band stoppt. Die Taste springt klackend hoch.

Keine weiteren Nachrichten.

Der dritte Goth wendet sich vom Plattenregal ab und sieht grinsend zu Lilli.

Dein Vater bringt dir ein Messer mit? Meine Eltern haben mir immer ein T-Shirt oder so ein Nummernschild mit meinem Namen gekauft.

Ja, ich hab als kleines Mädchen schon immer mit Messern gespielt.

Deine Eltern haben dich mit Messern spielen lassen?

Ja, aber sie haben mir das Schwert verboten. Ich schätze ich war eine ziemlich trotzige Siebenjährige.

5 Verreck dran!

24.September

Ok, setzt dich erst mal hin, ich wollte gerade …

Das eingefallene Gesicht des Dealers lehnt sich über den Tisch und zieht mit einem eingerollten Zwanziger eine Line Koks von einem kleinen, achteckigen Spiegel. Er wechselt das Nasenloch und zieht eine zweite Line. Mit weit aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen sieht er zu seiner neuen Kundin.

Du kannst froh sein, dass du Salome kennst, normalerweise verkaufe ich nicht an Leute, die ich nicht kenne. Ich hab auch nur wenig Zeit, ich seh' mir gerade eine Dokumentation im Internet an. Hast du dich schon mal gefragt, warum Zigarettenfilter orange sind? Keiner hat mir geglaubt, ich hab's immer gesagt, ich hatte nie Paranoia. Scheiße. Ich seh' klar. Mir kann man nichts vormachen. Weißt du, ich kenne die Leute, ich muss Menschen nur ansehen und weiß direkt was los ist. Ich seh' dich an und weiß direkt, dass du korrekt bist. Ich merk das sofort. Ich brauch noch eine.

Mit fünf eingefleischten Handbewegungen legt er die nächsten zwei Lines auf den Spiegel, zieht die erste in seinen Schädel und richtet sich kerzengerade auf.

Ich habe super Zeug da, ich kenn die Typen, die hier in der Gegend das Sagen haben. Was Besseres kriegst du hier nirgendwo und bei mir kriegst du sauberen Stoff. Die Anderen vergiften dich, ich bin sauber, vertrau mir. Ich bin die Adresse. Ich wollte eben noch … Ich komm gleich drauf. Wieviel brauchst du überhaupt? Nur was für dich oder Masse?

Masse.

Okay, wieviel Masse denn? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.

Wieviel für alles?

Wie alles?

Lilli nimmt ihre schwarze Sporttasche vom Boden, öffnet den Reißverschluss und legt drei fausthohe Batzen Fünfhunderter auf den Tisch.

Ach so, alles. Ich … Scheiße, wofür brauchst du denn so viel?

Sie greift wieder in die Tasche und legt zwei weitere Stapel Geldscheine neben die anderen.

Reicht das für alles?

Er starrt auf das Geld, dann auf das Koks auf dem Spiegel und wieder zurück auf das Geld.

Okay, bleib sitzen! Ich … Aber du verkaufst das doch nicht hier in der Gegend oder?

Nein, ich werde gar nichts davon verkaufen.

Der Dealer steht mit rasenden Augen auf.

Ich geh alles holen. Ich wollte sowieso aufstehen. Bleib einfach sitzen! Ich geh's holen. Ich hab die Übersicht.

Er schlängelt sich an Sessel und Tisch vorbei und geht in die offene Küche. Er öffnet den ersten Schrank. Doch er ist leer. Der nächste Gedanke ist der Letzte, der ihm als halbwegs geistig gesunder Mensch durch den verwirrten Kopf geht.

Wo zur Hölle?

Er dreht sich um. Außer Lilli und einer schwachen Glühbirne, die von einem blanken Kabel von der Decke hängt, ist der Raum vollkommen leer. Die Fenster und Türen sind verschwunden. Der Dealer dreht sich wieder um, doch nicht nur der Messerblock ist nicht mehr an seinem Platz, die ganze Einbauküche ist weg. Als er den Kopf zurück dreht, steht Lilli nur noch einen Schritt von ihm entfernt.

Fuck! Wer schickt dich? Schickt dich Antons Bruder? Er kann das Geld haben, kein Problem, sobald er aus dem Knast kommt … Ich zahl auch Zinsen, er kann es in Koks haben oder cash, ich kann auch Heroin besorgen. Ich dachte … ich kann ihm ja das Geld nicht im Knast geben.

Lilli gibt ihm eine schallende Ohrfeige, die den verwirrten Pusher von den Füßen holt.

Wer mich schickt? Die komplette Einrichtung ist verschwunden, alle Ausgänge sind weg und du fragst, wer mich schickt? Was ist bloß verkehrt mit euch?! Jesus Christus!

Die Glühbirne erlischt. Durch die Dunkelheit schallt der Schrei des verängstigten Mannes. Als hätte man die Sonne angeknipst, strömt ihr Licht wieder durch die Fenster. Zitternd steht der Dealer in seiner Küche.

Scheiße, ich weiß wieder was ich wollte.

Mit dunkelblauen Lippen geht er hastig zum Schreibtisch, öffnet die oberste Schublade und greift nach der mattschwarzen Pistole. Er hält sich den Lauf an den Kopf und entsichert. Seine Augen stehen völlig still. Er hält den Atem an. Einen Moment lang bewegt sich nur der Staub, der durch den Raum schwebt. Ein Tropfen Blut rinnt aus seiner Nase. Sein Blick fällt auf die vorbereitete Line auf Tisch. Er nimmt die Waffe von seiner Schläfe und setzt sich auf seinen kalten Sessel. Ungesichert legt er die Pistole vor sich, greift nach dem Spiegel und zieht das Koks mit offenen Augen. Das Blut auf seiner Oberlippe tropft auf das Glas. Der stechende Schmerz in seinen Nebenhöhlen, lässt sein Genick verkrampfen.

Was?! Ahhhhh! Fuck! Ahhhhhh!

Er springt steif auf und fällt zappelnd über den Tisch. Seine Schneidezähne zerbrechen auf dem dünnen, staubigenTeppich. Regungslos, aber bei vollem Bewusstsein, bleibt er liegen. Lillis Schatten fällt auf sein Gesicht. Sie öffnet das erste drei Kilo schwere Bündel und kippt ihm langsam das Koks über Wange, Nase und Mund.

Du hättest dich erschießen sollen. Ich hab dir die Chance gegeben, aber du hattest ja was Besseres vor.

Sie reißt das zweite Paket auf und bedeckt den Rest seines Gesichtes. Kein Luftzug aus seiner Lunge bewegt das weiße Pulver.

Verreck dran!

6 Reisesarg

25.September

Darf ich Sie fragen wer verschieden ist?

Niemand ist gestorben.

Lilli zieht ihre schwarzen Spitzenhandschuhe aus, während der junge Bestatter sie kurz von Kopf bis Fuß mustert. Bis jetzt hat er diese Frage noch keinem Kunden gestellt, seriös versucht er sich ein fröhliches Grinsen zu verkneifen.

Möchten sie den Sarg für sich selbst kaufen?

Nein, er ist für einen Freund der Familie. Er hat schon einen, aber mein Vater geht bald in den Ruhestand und ich denke, für die lange Reise braucht er einen kompakteren. Ich habe den weißen Sarg in ihrem Schaufenster gesehen, ich weiß er würde es nicht öffentlich zugeben, aber er steht auf weiß.

Verwirrt aber professionell beginnt der Bestatter das Verkaufsgespräch.

Ja, der ist sehr stilvoll und stabil. Haben Sie sich schon Gedanken über den Innenraum gemacht? Dort hinten steht das gleiche Modell.

Lilli und der Bestatter gehen ein paar Schritte zu der eleganten Holzkiste. Der Verkäufer öffnet routiniert den Deckel.

Der ist jetzt ganz in weiß, aber ultramarinblau passt auch sehr gut dazu. Wir haben auch vergoldete Griffe, aber das ist Geschmackssache.

Nein, kein Gold, er hat seine eigene Vorstellung von Luxus. Ich nehme ihn so wie er hier steht. Können Sie ihn als Geschenk einpacken?

Das … das ist unser Vorführmodell. Haben Sie es denn so eilig?

Ich schiebe nicht gerne Sachen vor mir her.

Lilli öffnet ihre kleine flache Handtasche und zieht eine Geldklammer hervor.

Liefern Sie den Sarg auch?

Ja, selbstverständlich.

Sie öffnet die Klammer, zieht einen Zehner heraus und drückt dem Verkäufer das restliche Geld in die Hand.

Liefern Sie auch ins Ausland?

Ja, das geht auch. Wohin sollen wir ihn liefern?

Rumänien. Haben Sie was zu schreiben?

7Ich bin der Achim

26.September

Hallo Lilli, es ist total toll, dass du da bist. Wir haben hier so selten Freiwillige, also manchmal kommen junge Mädchen und gehen mit kleinen Hunden Gassi, weißt du, ihre Eltern verbieten ihnen ein eigenes Tier oder sie sollen erst einmal üben. Mein Vater hat mir auch damals einen Hund verboten, aber ich habe gebettelt und gebettelt und gebettelt, bis er nachgegeben hat. Jetzt habe ich drei Hunde. Ich hatte auch mal eine Mieze, aber Herr Schnüffelmann hat sich nicht mit ihr vertragen. Hattest du als Kind schon Hunde?

Ja, ich hatte drei.

Das hätte ich auch damals gerne gehabt. Gleichzeitig oder nacheinander?

Lillis rechter Mundwinkel zieht sich leicht nach oben.

Das ging so ineinander über.

Die leicht untersetzte Mitarbeiterin des ländlichen Tierheims öffnet die Gittertüre.

Hier haben wir die kleinen Hunde. Wir haben auch einen Dalmatiner, aber der kann fast nicht mehr laufen. Wirklich ein armes Geschöpf.

Die zweite Gittertüre öffnet sich.

Hier haben wir die größeren Hunde, die meisten sind völlig umgänglich, aber sie sind alt oder krank. Es ist heutzutage sehr schwer für uns, die Tiere zu vermitteln. Die Leute wollen Welpen und keinen lahmenden Greis mit chronischer Augenentzündung. Und? Hast du dir schon einen neuen Freund ausgesucht?

Lilli sieht auf die schwere, graue Metalltüre in der Ecke des Raumes.

Was ist hinter der Tür?

Die Tierpflegerin stockt kurz.

Das ist … weißt du, wir nennen das den Eingang zum Hundehimmel. Das sind die Unvermittelbaren.

Darf ich sie sehen?

Ja, ok, warum nicht, aber sei vorsichtig.