Lillys magische Schuhe, Band 3: Die zauberhaften Flügel - Usch Luhn - E-Book

Lillys magische Schuhe, Band 3: Die zauberhaften Flügel E-Book

Usch Luhn

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Diese magischen Schuhe schenken dir Mut, Selbstvertrauen und Stärke. Wenn du Lillys Hilfe brauchst, wirst du ihre geheime Schuhwerkstatt finden … Sofia liebt das Klettern – nicht einmal ihre ängstlichen Eltern können sie davon abhalten. Warum also ausgerechnet Sofia ihre Hilfe braucht, ist der magischen Schuhmacherin Lilly zunächst ein Rätsel. Doch plötzlich verliert Sofia ihr ganzes Geschick. Ob das mit dem Staub zu tun hat, den eine merkwürdige Dame mit Frettchen durch die Stadt wirbelt? Jetzt helfen wirklich nur noch magische Schuhe … Entdecke alle Abenteuer in der magischen Schuhwerkstatt: Band 1: Die geheime Werkstatt Band 2: Die verbotenen Stiefel Band 3: Die zauberhaften Flügel Band 4: Der tanzende Drache Band 5: Der funkelnde Berg Band 6: Die verschwundene Schildkröte Band 7: Das kostbare Pferd Band 8: Die glitzernde Insel Adventskalender: Das Meer der Wünsche

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 151

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag © 2021, Ravensburger Verlag Text © 2021 Usch Luhn Originalausgabe Cover- und Innenillustrationen: Alica Räth Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.ISBN978-3-473-47189-8www.ravensburger.de

„Eine Feuerwache?!“, rief Lilly überrascht. „In einer Feuerwache kann man doch nicht wohnen!“ Sie rutschte von Monsieur Archibalds Rücken und betrachtete das alte Backsteingebäude, vor dem der Drache gelandet war, ungläubig.

„Ein Feuerwach!“, jubelte Monsieur Archibald und riss sein Maul auf. „Meine liebe Schwan, das ist ja schick! Magnifique, wie die Franzose sagen. Hier kann isch endlisch Feuer machen so viel, wie isch mag. Madame Wu, Sie sind eine genial Haus-Finder!“ Er strahlte die kleine Schildkröte an, die neben ihm auf dem Boden saß.

Frau Wu wackelte mit ihrem Kopf. „Es war nicht einfach, auf die Schnelle einen Unterschlupf zu finden, der groß genug für unsere Werkstatt ist. Schließlich sollen sich die Schuhe nicht auf die Schuhspitzen treten. ‚Leder muss Luft zum Atmen haben‘, wie Meister Clemens immer sagt. Aber danke für das Lob. Ich weiß es zu schätzen!“ Sie zwinkerte geschmeichelt.

„Ich finde, die Wache sieht total ungemütlich aus“, widersprach Lilly. „Ich hatte gehofft, dass ich ein hübsches Kinderzimmer bekomme. Dieses ständige Herumreisen ist nämlich sehr anstrengend und außerdem macht es mich traurig. Kaum habe ich Freunde gefunden, müssen wir wieder los.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ach, Lilly“, sagte Clemens Wunder und zog seine Nichte fest an sich. „Du kennst doch die Gründe für unsere Flucht. Komm, wir schauen uns erst mal um. Du bist müde von dem langen Flug auf Monsieur Archibalds knochigem Rücken – es geht ja schon die Sonne auf! Wenn du ein paar Stunden Schlaf nachgeholt hast, sieht die Welt sicher ganz anders aus. Ich verstehe, dass du Florentine und Sören vermisst – das waren wirklich zwei besonders nette Kinder. Aber auch hier braucht uns jemand. Bald wird ein Mädchen bei uns auftauchen, Sofia. Wir müssen unbedingt magische Schuhe für sie anfertigen. Wie du weißt, ist das nicht einfach. Also ruh dich aus! Frau Wu hat dir sicher ein nettes Plätzchen zurechtgemacht.“ Er stieß das hohe Tor auf.

„Jippie!“, kreischte der Drache und stürmte voran. „Alarme incendie, Feueralarm!“ Er führte ein albernes Tänzchen auf.

Jetzt musste Lilly doch lachen. „Für einen Lehrer bist du aber sehr kindisch.“

Der Drache riss erneut sein Maul auf und spie ein paar grüne Pfefferminzblasen. „Aber oui! Isch unterrischte ja auch ein Kind, also bin isch kindisch.“ Er zerschlug die Blasen mit seinen Füßen. „In einer Feuerwach Pfefferminz speien ist sähr, sähr peinlisch! Das muss sisch ändern, isch werde üben, wieder ein rischtiger Drache zu werden.“ Er rollte mit seinen Augen.

„Schluss mit dem Unsinn!“, unterbrach Frau Wu den aufgekratzten Drachen, der von der Flugreise gar nicht müde zu sein schien. „Die Böden müssen gefegt, die Materialien aus den Kisten geräumt und die Schränke an ihren Platz gerückt werden. Schließlich sollen die Schuhe ihre Sohlen auslüften. Darf ich das wieder alles alleine machen?“ Sie scheuchte Monsieur Archibald an die Arbeit. Die Schuhwerkstatt von Meister Wunder war gerade schon dabei, sich auf magische Weise von selbst auszubreiten.

„Oben im ersten Stock sind gemütliche Zimmer, Kind. Die Feuerwehrleute haben hier auch übernachtet“, sagte die Schildkröte freundlich zu Lilly. „Ich habe dein Bett schon vorbereitet. Vorne die erste Tür. Ich glaube, es wird dir gefallen. Träum süß! Ich kümmere mich mit Monsieur Archibald inzwischen um alles.“ Sie nickte Clemens Wunder zu.

Lillys Onkel nahm seine Nichte huckepack und trug sie hinauf. „Auf Frau Wu ist immer Verlass“, sagte er. „Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen sollte!“

Die Schildkröte hatte nicht zu viel versprochen. An der linken Wand des Zimmers stand ein großes Bett. Die Bezüge waren rot-weiß kariert und die Decke war einladend aufgeschlagen. Die beiden runden Fenster an der Stirnseite des Zimmers sahen wie lustige Bullaugen aus, man konnte sie aber ganz normal öffnen. Die Vorhänge waren aus dem gleichen Stoff genäht wie das Bettzeug.

Unter einem der Fenster stand eine Kiste mit altmodischem Spielzeug. Lilly entdeckte ein Feuerwehrauto darin und einen gelben Plüschbären mit einem Riss an der Seite, aus dem Sägespäne quollen. „Der arme Teddy!“ Sie zog ihn aus der Kiste. „Den müssen wir unbedingt reparieren. Hast du starken Zwirn?“ Sie setzte den Bären auf den kleinen Holztisch neben ihrem Bett.

Clemens Wunder nickte. „Ganz sicher. Aber das machen wir später. Jetzt horchst du erst mal ein wenig an deinem Kissen.“ Er zog die Vorhänge zu, damit die Morgensonne seine Nichte nicht beim Einschlafen störte. Dann wartete er, bis sie es sich bequem gemacht hatte, strich ihr liebevoll über das Haar und ging leise aus dem Zimmer.

Doch obwohl Lilly so müde war, dass ihr immer wieder die Augen zufielen, konnte sie nicht einschlafen. Die Gedanken schlugen in ihrem Kopf Purzelbäume. Schon wieder ein überstürzter Aufbruch. Und nun schon wieder ein neues Zuhause!

Keine Frage, Lilly war für dieses Leben gut ausgestattet. Clemens Wunder hatte bereits ihren Schrankkoffer heraufgebracht. Man konnte eine Stange hochklappen und die Kleider an Bügeln aufhängen. Der Koffer war so riesig, dass alle ihre Sachen darin Platz fanden – sogar die Bücher für den Unterricht bei Monsieur Archibald.

Die Kinder, die Lilly bisher kennengelernt hatte, hatten den Drachen schnell ins Herz geschlossen und fanden die Vorstellung, ihn als Hauslehrer zu haben, sehr verlockend. Doch Lilly wünschte sich sehnsüchtig, dass sie irgendwann in eine richtige Schule gehen konnte, mit stinknormalen Lehrern. Unterricht zu Hause und ohne Freunde konnte auf die Dauer nämlich sehr langweilig werden. Da half es auch nichts, dass ihr Hauslehrer ein Drache war, der sich sehr viel auf seine Abstammung aus dem französischen Adel einbildete.

Lilly seufzte. Jeden Tag eine Schule zu besuchen, würde für sie erst möglich sein, wenn DIEGIERIGEN, die ihre Eltern gefangen hielten, endgültig besiegt waren. Lilly fühlte, wie ihr Herz plötzlich furchtbar wehtat. Das passierte immer, wenn sie an ihre Eltern dachte. Sie machte sich große Sorgen um sie.

DIEGIERIGEN wollten sich Onkel Clemens’ Schuhwerkstatt unter den Nagel reißen. Sie hatten ihre Eltern entführt und waren auch hinter Lilly her. Der Schuster beherrschte nämlich das Handwerk, magische Schuhe zu nähen, und Lilly hatte diese Fähigkeit ebenfalls und wurde von ihm ausgebildet.

Lilly war sehr stolz, dass sie diese Gabe geerbt hatte. Und jedes Mal, wenn sie einem Kind helfen konnte, indem sie zusammen mit ihrem Onkel magische Schuhe für es anfertigte, freute sie sich riesig. Aber sie vermisste ihre Eltern schrecklich und wollte einfach gerne mal an einem Ort ankommen, um zu bleiben.

Besonders beängstigend war, dass nicht einmal ihr Onkel wusste, wie viele GIERIGE es gab. Er hatte den Verdacht, dass sie sich nach Belieben verwandeln konnten, also verschiedene Gestalten annahmen. Das versuchte er gerade genauer herauszufinden.

Lilly zog sich die Bettdecke bis zur Nasenspitze. Dieses Mal brauchte also Sofia die richtigen Schuhe. Lilly war schon ganz gespannt auf sie. „Hoffentlich taucht Sofia bald auf!“, murmelte sie und schlief ein.

Sofias Herz machte seit der großen Pause freudige Hopser und zwar immer, wenn sie an den Brief in ihrer Tasche dachte. Er war von Rasmus: eine Einladung zu seinem Geburtstag am übernächsten Wochenende.

Hey, Sofia!

Ich habe Geburtstag!

Ich hoffe, du hast Lust auf einen kleinen Wettkampf im Kletterwald. Pack deine Turnschuhe ein, gute Laune und eine Portion Mut. Dann bist du die Richtige für meine Party.

Ich weiß, du bist schwindelfrei, aber schaffst du auch den Seilparcours?

Wäre cool, wenn du kommst!

Ahoi, Rasmus

Sofia konnte den Text auswendig vor sich hinmurmeln.

War das toll! Sie war noch nie von Rasmus eingeladen worden. Und einen Tag im Kletterwald wünschte sie sich schon ewig! Aber ihre Eltern waren nicht davon zu überzeugen – sie fanden den Park ungeeignet für Kinder.

In der letzten Samstagsausgabe der Tageszeitung war ein langer Bericht mit Fotos über den Park gewesen. Sogar Erstklässler durften dort klettern, natürlich mit Erwachsenen zusammen. Sofia hatte die Seite aufgehoben und über ihren Schreibtisch gehängt. Sie verstand die Sorgen ihrer Eltern nicht wirklich. Denn Sofia kletterte für ihr Leben gerne und zwar richtig gut.

Im Sportunterricht war nur Rasmus besser. Aber das war kein Wunder. Sein Vater war Kapitän auf einem großen Schiff und tuckerte die meiste Zeit des Jahres um die ganze Welt. Rasmus brüstete sich gerne damit, dass er schon als Kindergartenkind auf den höchsten Mast gestiegen war und von hoch oben ein Piratenschiff entdeckt hatte.

Das glaubte ihm Sofia zwar nicht, aber Rasmus konnte wirklich genial klettern. Letzte Woche hatte er den Volleyball, den Sofia vom Pausenhof in den Garten der pingeligen Frau Herzog geschlagen hatte, zurückgeholt. Mühelos wie Spiderman war er über die hohe Mauer geklettert.

Anscheinend hatte er bemerkt, dass auch Sofia gerne kletterte. Sonst hätte er sie ja nicht zu einem Wettkampf herausgefordert. Sofia konnte es gar nicht erwarten, ihren Eltern die Einladung zu zeigen. Wenn ein echter Kapitän bei der Feier dabei war, dann konnten sie doch eigentlich nichts dagegen haben. Schließlich musste Rasmus’ Vater ja sonst rund um die Uhr auf eine ganze Schiffsmannschaft aufpassen.

„Rasmus ist voll der Angeber mit seinem Kletterquatsch. Geh da bloß nicht hin. Das ist viel zu gefährlich!“, sagte Sofias beste Freundin Leonie, als sie nach der Schule zum Hort gingen. „Er hat sonst gar kein Mädchen eingeladen, nicht mal seine Cousine Emilie. Glaub mir, das wird total langweilig! Die spielen sicher nur so Jungszeug.“

Sofia schüttelte heftig den Kopf. „Quatsch! Beim Klettern geht’s nicht darum, ob du ein Mädchen oder ein Junge bist. Da kommt es auf Wendigkeit und Geschick an. Ich hab riesige Lust dazu! Ich will schon sooo lange in den Kletterwald. Und Rasmus ist kein Angeber. Du bist nur neidisch. Findest du Rasmus etwa süß?“ Sie kicherte.

„Unsinn, du spinnst doch!“, sagte Leonie und bekam ganz rote Wangen. „Ich wette, deine Eltern erlauben es dir sowieso nicht.“

Jetzt wurde Sofia sauer. „Natürlich sagen sie ja! Ist doch sein Geburtstag!“

„Echt cooler Geburtstag“, lästerte Leonie. „Im Kletterzoo …“

„Ich sag es ja, du bist neidisch“, wiederholte Sofia. „Weiß du was? Ich hab heute keine Lust auf Hort. Ich gehe lieber klettern üben. Das ist jetzt wichtiger. Falls Sabine nach mir fragt, sag ihr, dass ich mit Mama was erledigen muss. Tschüss!“ Sie ließ Leonie stehen und rannte einfach davon.

„Sofia, jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt“, rief ihr Leonie hinterher. „Und was ist mit dem Mittagessen? Krieg ich deinen Nachtisch? Sonst schwindle ich nicht für dich …“

Sofia drehte sich noch mal um. „Kannst du haben!“

Leonie war ihre beste Freundin und das schon seit dem Kindergarten. Aber in der letzten Zeit stritten sie sich ziemlich häufig. Der Mädchenkram, mit dem sich Leonie beschäftigte, interessierte Sofia null. Umgekehrt hatte Leonie keine Lust, mit Sofia die Übungswand im Park zu erklimmen. Viel lieber guckte sie sich Schminkvideos auf ihrem Handy an.

Sofia hatte zwar auch ein Handy, aber das lag meistens in ihrem Schreibtisch. Beim Klettern hatte sie sowieso keine Zeit zu telefonieren.

Der Weg in den Park führte sie an der alten Feuerwache vorbei. Sofia hatte vor einiger Zeit entdeckt, dass das Tor nur mit einem Riegel verschlossen war, und sich hineingeschlichen. Begeistert hatte sie herausgefunden, dass man in der leer stehenden Halle prima klettern konnte.

Es gab dort immer noch die langen Stangen, an denen die Feuerwehrmänner hinuntergerutscht waren, bevor sie zu einem Einsatz gefahren waren. Die Stangen waren aber nicht das Einzige, an dem man emporklimmen konnte. An den Wänden waren eine Sprossenwand wie in einer Turnhalle und unterschiedlich lange Leitern angeschraubt. Von der hohen Decke baumelten dicke Seile. Die Seile hatten in Abständen große Knoten, sodass man Zwischenstation machen und verschnaufen konnte. Feuerwehrleute mussten ja fit für ihre Einsätze sein und deshalb klettern üben.

Obwohl Sofia sicher war, dass es nicht erlaubt war, schlich sie sich immer wieder in die alte Feuerwache und trainierte unbeobachtet.

Heute war so ein Tag. Sofia überhörte das hungrige Grummeln ihres Bauches und lief noch ein wenig schneller.

Vor der Feuerwache stand ein großer Kastanienbaum. Im Herbst hatte sie hier die dicksten Kastanien für den Werkunterricht aufgesammelt. Derzeit war er von Blütenkerzen übersät, aus denen hoffentlich ganz viele Kastanien entstanden. Erstaunt stellte Sofia fest, dass sich eine große Anzahl Leute um den Baum versammelt hatte. Sie starrten nach oben in die Krone und diskutierten aufgeregt miteinander.

Sofia blieb stehen und guckte mit. „Was ist denn los?“, fragte sie neugierig.

„Meine arme Mimi traut sich nicht mehr runter“, jammerte eine Frau in gelbem Mantel. Sie klapperte mit einer Dose Katzenfutter. „Mimi“, flötete sie, „Mimi, komm zu Frauchen, lecker Fressi!“

Sofia entdeckte hoch oben in der Baumkrone eine Katze, die sich offensichtlich verstiegen hatte. Mimi stieß einen jämmerlichen Laut aus. Nach Hunger hörte sich das nicht an, eher nach Angst.

„Die schafft es nie alleine runter!“, sagte ein Mann mit schwarzem Schnurrbart. „Außer sie springt – und dann bricht sie sich alle Knochen.“ Ein entsetztes Murmeln ging durch die Menge. „Ich rufe die Feuerwehr!“ Er zog ein Handy hervor.

„So ein Einsatz kostet aber sehr viel Geld“, gab die Bäckersfrau zu bedenken, die von der anderen Straßenseite herbeigerannt war. „Besser, die Besitzerin entscheidet.“

Die Frau im gelben Mantel zuckte mit den Schultern. „Was soll ich machen?“ Sie schluchzte leise auf. „So eine lange Leiter hat nur die Feuerwehr.“

Sofia fasste einen Entschluss. „Ich klettere rauf!“ Sie stellte ihre Schultasche ab und spuckte in die Hände. Bevor sie jemand daran hindern konnte, hatte sie sich auf den untersten Ast geschwungen und schlängelte sich geschickt durch das dichte Laub nach oben.

„Kind, pass bloß auf!“, rief die Katzenmutter mit vor Aufregung ganz hoher Stimme.

„Verrückt! Die Kleine ist total verrückt!“, rief der Schnurrbart-Mann und tippte aufgeregt auf seinem Handy herum.

Je höher Sofia stieg, umso besser konnte sie die Katze erkennen. Sie war winzig und hatte ein flauschiges graues Fell. Ihre Augen leuchteten in einem außergewöhnlichen Hellblau.

„Hallo, Mimi“, flüsterte Sofia.

Die Katze antwortete mit einem genervten Miau, als wollte sie sich darüber beschweren, dass Sofia sich so lange Zeit gelassen hatte.

„Regel Nummer 1“, sagte Sofia gespielt streng. „Klettere nie höher, als du es dir zutraust. Jetzt guckst du nämlich dumm aus der Wäsche. Stell dir vor, so was würde mir im Kletterwald passieren! Dann hätte Rasmus echt was zu lachen.“ Sie streckte die Hand nach Mimi aus und packte sie am Fell. Die Katze ließ es geschehen, ohne sich zu sträuben. „So, meine Süße. Ich setze dich jetzt auf meine Schulter und du krallst dich an meiner Jacke fest. Ich brauche nämlich beide Hände zum Runterklettern.“

Anscheinend kapierte Mimi sofort, was Sofia mit ihr vorhatte. Denn sie kauerte sich auf Sofias linke Schulter und schlug ihre Krallen durch den Stoff bis auf ihre Haut.

„Aua“, schimpfte Sofia. „Das tut weh!“ Sie atmete tief durch und begann den Abstieg. „Regel Nummer 2: nie nach unten gucken“, belehrte sie die Katze auf ihrer Schulter. „Und Regel Nummer 3 hast du selbst schon bemerkt: Wieder runterklettern ist mindestens doppelt so schwer wie raufzukommen. Deshalb nicht Regel Nummer 2 vergessen und sich langsam und vorsichtig nach unten tasten.“ Und genau das machte Sofia.

Erst als sie auf dem vorletzten Ast stand, begannen die Zuschauer zaghaft zu klatschen. Vereinzelt hörte Sofia sogar Bravorufe.

„Nicht zu laut!“, warnte die Katzenmutter. „Sonst erschreckt sich Mimi.“

Unsinn!, dachte Sofia. Mimi fühlt sich gerade ziemlich wohl auf meiner Schulter. Sie stieg auf den letzten Ast und schwang sich auf den sicheren Boden. Keine Sekunde zu früh nahm die Frau im gelben Mantel Mimi überglücklich in Empfang, denn ein Feuerwehrauto mit ohrenbetäubend lautem Martinshorn brauste über die Kreuzung und bremste vor dem Kastanienbaum.

„Die habe ich aber nicht gerufen!“, rief die Katzenbesitzerin erschrocken. Sie lächelte Sofia an. „Ich bin so froh!“, sagte sie und vor Erleichterung liefen ihr ein paar Tränen über die roten Wangen. „Du kletterst ja geschickt wie ein Eichhörnchen. Das ist wirklich toll! Mimi und ich sagen Danke.“ Sie winkte mit Mimis Pfote.

„Brauchen Sie noch Hilfe?“, fragte ein Feuerwehrmann und kam auf Sofia und die Katzenbesitzerin zu.

Die Frau schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind.“ Sie guckte schuldbewusst. „Aber dieses tapfere Mädchen hat meiner Mimi das Leben gerettet. Sie ist todesmutig bis oben in die Krone geklettert.“

Der Feuerwehrmann musterte Sofia mit Interesse. „Das war nicht ungefährlich!“, sagte er. „Kannst du wirklich so gut klettern? Dann musst du eigentlich zur Feuerwehr. Wir können mutige Mädchen sehr gut gebrauchen. Schau doch mal bei uns vorbei!“

Sofia wurde rot vor Freude. „Danke, das mache ich gerne“, sagte sie.

Die Menschenmenge zerstreute sich. Schließlich standen nur noch Sofia, die Frau im gelben Mantel und Mimi unter dem Kastanienbaum.

„Ich hab gar nichts, womit ich mich bei dir bedanken könnte“, sagte die Frau. „Nur Katzenfutter.“ Sie schwenkte fröhlich die Dose. „Aber vielleicht laufen wir uns ja mal wieder über den Weg. Mimi muss nach diesem Stress dringend Mittagsschlaf machen und ich auch. Tschüss!“ Sie ging eilig Richtung Kreuzung davon.

Sofia guckte noch einmal hinauf in den Kastanienbaum. Wirklich ganz schön hoch! Ein Schauer lief ihr über den Rücken, aber gleichzeitig war sie sehr stolz, dass sie das Kätzchen gerettet hatte.

Eigentlich hatte sie ja nun schon genug trainiert, aber kurz in der Feuerwache vorbeischauen und die Stange runtersausen – darauf hatte Sofia jetzt sehr große Lust. Sie nahm ihre Schultasche und lief hinüber. Es war ja nicht weiter als ein Katzensprung.

Erst als sie direkt vor dem Eingang stand, bemerkte sie, dass das Tor nur angelehnt war und der Riegel lose herunterbaumelte. Na, so was! Vielleicht hatten andere Kinder auch entdeckt, dass man in der Wache prima spielen konnte? Oder das Gebäude war wieder neu vermietet? Hoffentlich nicht! Dann wäre es nämlich vorbei mit Sofias geheimem Trainingsplatz.

Sofia überlegte kurz, ob sie lieber in den Park weiterlaufen sollte. Aber eigentlich wollte sie alleine sein. An der Kletterwand im Park würde sie sicher Kinder aus ihrer Schule treffen. „Ich guck einfach mal!“, sprach sie sich selbst Mut zu und stieß das rote Tor auf.

Sofia blieb wie angewurzelt stehen. In der Feuerwache sah es ja ganz anders aus!