Literarische Grundbegriffe - Yomb May - E-Book

Literarische Grundbegriffe E-Book

Yomb May

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Beschreibung

Das erfolgreiche und vielgenutzte Nachschlagewerk bietet knappe und verständliche Definitionen zu Epochen, Gattungen, Erzähltechniken, rhetorischen Gestaltungsmitteln, kurz: zu den relevanten Fachbegriffen für die Analyse und Interpretation literarischer Texte. Mit nützlichen Querverweisen und vielen Textbeispielen zur Veranschaulichung. Geeignet für den Unterricht in der Oberstufe oder das Literaturstudium. Der erfolgreiche Band aus der Universal-Bibliothek erscheint jetzt in der Reihe "Kompaktwissen XL" in größerem Format mit lesefreundlichem Layout, vollständig überarbeitet, aktualisiert und um mehr als 50 Begriffe erweitert.

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Seitenzahl: 144

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Yomb May

Literarische Grundbegriffe

Kompaktwissen XL

Reclam

2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2021

 

Kompaktwissen XL | Nr. 15243

2012, 2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-961927-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015243-0

www.reclam.de

Inhalt

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis und Zeichenerklärung

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

U

V

W

Z

Literaturhinweise

Literaturlexika

Literaturgeschichten und Interpretationshilfen

Vers & Metrik

Rhetorik

Zum Autor

Vorwort

Zum Kernbereich des Unterrichtsfaches Deutsch gehört die Beschäftigung mit Literatur. Unerlässlich für den Umgang mit literarischen Texten ist daher die sichere Kenntnis und Anwendung der einschlägigen literaturwissenschaftlichen Grundbegriffe. Denn hieraus bildet sich das Fundament, auf dem gründliches Textverstehen, fundierte Textanalyse und Interpretation dauerhaft vollzogen und mit der gewünschten Eindeutigkeit kommuniziert werden können.

Ziel des vorliegenden Lexikons ist es, Schülerinnen und Schüler zuverlässig und praxisorientiert mit dem begrifflichen Instrumentarium der Literaturwissenschaft vertraut zu machen. Anschaulich erklärt werden in mehr als 500 knappen und allgemeinverständlichen Definitionen wichtige Grundbegriffe und Fachausdrücke, mit denen Lernende am häufigsten zu tun haben und die sie deshalb gut beherrschen sollten. Dadurch lässt sich eine wichtige Prüfungsanforderung leicht erfüllen, die Fähigkeit nämlich, die literarischen Gattungen Epik, Lyrik und Dramatik sowie Sachtexte in ihren wesentlichen Dimensionen und gattungsspezifischen Besonderheiten präzise zu erfassen und treffend zu beschreiben.

Von ebenso zentraler Bedeutung ist zeit- und literaturgeschichtliches Hintergrundwissen. Dieses ermöglicht sowohl adäquates Verstehen von einzelnen Werken in ihren jeweiligen gesellschaftlich-historischen Zusammenhängen als auch ihre genaue Einordnung in die richtige Literaturepoche oder literarische Strömung. Aus diesem Grund bietet das vorliegende Buch eine Kompaktdarstellung der in der Schule behandelten Epochen und Strömungen der deutschen Literaturgeschichte. Im Mittelpunkt stehen dabei epochenspezifische Grundzüge und ästhetische Leitideen sowie häufig wiederkehrende Themenkreise und Motive. Auf ausgewählte repräsentative Autoren und Werke der jeweiligen Epoche wird ausdrücklich hingewiesen. Wo es sinnvoll und möglich ist, rundet ein kurzes Textbeispiel, das zugleich Leseanreiz ist und Einblick in die zeittypische Denk- und Schreibweise vermittelt, einen Epochenüberblick ab.

Auch in den Artikeln über literarische Gattungen und Erzähltechniken sowie über sprachliche Darstellungsmittel dienen zahlreiche, sorgfältig ausgewählte Beispiele aus klassischen Schullektüren der praxisnahen Veranschaulichung. Alle Beispiele stehen in einem grau hinterlegten Feld. Auf diese Weise verschaffen sich Schülerinnen und Schüler genaue Einsichten in das Wesen, die grundlegenden Form- und Gestaltungsprinzipien verschiedener Textarten sowie in die Funktionsweise von rhetorischen Figuren als Interpretationshilfe. Diese Basiskompetenz ist Voraussetzung für die sachlich fundierte, fachsprachlich angemessene und ausdifferenzierte Textarbeit im Fach Deutsch in allen Jahrgangsstufen, aber ebenso für den Literaturunterricht in allen Fremdsprachen.

In die Stichwortliste aufgenommen wurden deshalb v. a. solche Begriffe, die den Lehrplänen und Richtlinien der Bundesländer entsprechen und die somit von besonderer Bedeutung für den Literaturunterricht sind. Die Begriffserklärungen und Beispiele konzentrieren sich daher auf das unterrichts- und prüfungsrelevante Standardwissen. Durch Querverweise () gewinnt der Benutzer schnellen Einblick in die begriffliche Vernetztheit der wichtigsten literarischen Phänomene.

Abkürzungsverzeichnis und Zeichenerklärung

ahd.

althochdeutsch

bes.

besonders

dt.

deutsch

engl.

englisch

frz.

französisch

Ggs.

Gegensatz

griech.

griechisch

Jh.

Jahrhundert

i. d. R.

in der Regel

ital.

italienisch

jap.

japanisch

lat.

lateinisch

mhd.

mittelhochdeutsch

port.

portugiesisch

span.

spanisch

u. a.

und andere

vgl.

vergleiche

vs.

versus

z. B.

zum Beispiel

siehe auch

È

metrisches Zeichen für eine Senkung (unbetonte Silbe)

metrisches Zeichen für eine Hebung (betonte Silbe)

//

metrisches Zeichen für eine Zäsur (Einschnitt im Vers)

a, b, c usw

Zeichen für einander entsprechende Verse im Reimschema

A

Absolute Dichtung (lat. absolutus ›losgelöst‹): Bezeichnung für literarische Werke der ►Prosa und ►Lyrik, die frei von konkreten Wirklichkeitsbezügen gestaltet sind. Ihr Ziel ist ›l’art pour l’art‹, d. h. Kunst um ihrer selbst willen. Durch die Behandlung der reinen Schönheit der Sprache, des Klangs und des ►Rhythmus wird der Absolutheitsanspruch der Kunst hervorgehoben. Die a. D. kommt vor allem in den literarischen Strömungen des ►Fin de Siècle, der ►Décadence und des ►Symbolismus vor.

Weisse schwalben sah ich fliegen •

Schwalben schnee- und silberweiss •

Sah sie sich im winde wiegen •

In dem winde hell und heiss.

 (Stefan George, Vogelschau, 1892)

 

Absurdes Theater (lat. absurdus ›widersinnig‹): Dramenformen bes. der 50er und 60er Jahre des 20. Jh.s, die sich durch die Abkehr von ►aristotelischen und ►epischen Dramen sowie den Protest gegen die bürgerliche Scheinsicherheit auszeichnen. Bevorzugte Themen sind die Sinnlosigkeit und Entfremdung des Menschen in der modernen Gesellschaft. Dies spiegelt sich oft in der widersinnigen ►Handlung, in der chaotischen Komposition und der inhaltsleeren Sprache der betreffenden Werke wider.

Samuel Beckett, Warten auf Godot (1953);

Alfred Jarry, König Ubu (1896);

Wolfgang Hildesheimer, Die Verspätung (1961).

 

Adaption/Adaptation (lat. adaptare ›anpassen‹): Veränderung und Anpassung der ursprünglichen Form eines künstlerischen Werkes in einer anderen ►Gattung oder in einem anderen Medium. Jede A. ist eine ►Interpretation der Vorlage und ihre mediale Transformation. Die häufigste (aber nicht die einzige) Form der A. ist die ►Literaturverfilmung.

 

Akkumulation (lat. accumulatio ›Anhäufung‹): Form der Worthäufung, die durch die ►Aufzählung mehrerer Unterbegriffe eines Oberbegriffs entsteht. Die A. wird oft zur Intensivierung einer Aussage durch mehrere Einzelempfindungen gebraucht.

Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!

 (Johann Wolfgang Goethe, Faust I, 1808)

Hat er mir Frösch gefangen? Hat er Laich? Keinen Süßwasserpolyp? Keine Hydra? Vestillen? Cristatellen?

 (Georg Büchner, Woyzeck, 1836/37)

 

Akrostichon (griech. akros ›Spitze‹, stichos ›Vers‹, Pl.: Akrosticha): Wörter, Namen oder Sätze, die sich aus den Anfangsbuchstaben bzw. -wörtern der Verse oder Strophen eines Lieds oder Gedichts ergeben. Vor allem im ►Barock ein beliebtes Stilmittel.

Die Strophenanfänge von Befiehl du deine Wege (1653) von Paul Gerhardt ergeben den Satz aus Psalm 37,5: »Befiehl dem Herren dein’ Weg und hoff auf ihn, er wird’s wohl machen«.

 

Akt (lat. actus ›Handlung‹): Größerer, zusammenhängender Handlungsabschnitt eines ►Dramas. Das traditionelle Drama ist in A. (auch ›Aufzüge‹ genannt) eingeteilt, die ihrerseits in ►Auftritte oder ►Szenen unterteilt sind. Klassische Dramen gliedern sich in fünf (►Fünfakt-Schema) oder in drei A. (►Dreiakt-Schema).

 

Akzent (lat. accentus ›Hinzugesang‹): Hervorhebung eines Wortes, einer Wortgruppe oder eines Satzes im Tonfall. Der Wortakzent wird durch die Stammsilbe definiert (z. B. »lesen«; der Satzakzent wird durch die ►Intention der Aussage bestimmt, wobei das Betonte meist entweder am Anfang oder am Ende eines Satzes steht. Der Versakzent ergibt sich aus dem ►metrischen Schema, d. h. aus dem regelmäßigen Wechsel von betonten Silben (►Hebungen) und unbetonten Silben (►Senkungen) in einem ►Vers. Die Hebungen ergeben sich aus der natürlichen Wortbetonung.

 

Alexandriner: Sechshebiger Reimvers, der aus einem Wechsel von sechs unbetonten (►Senkungen) und sechs betonten Silben (►Hebungen) besteht. Der A. weist eine deutliche ►Zäsur (//) in der Versmitte auf und wurde zur Darstellung antithetischer Aussagen bes. im ►Barock verwendet.

Was itzund prächtig blüht // sol bald zutretten werden.

Was itzt so pocht und trotzt // ist Morgen Asch und Bein;

 (Andreas Gryphius, Es ist alles Eitel, 1637)

 

Alkäische Strophe: Nach dem griechischen ►Dichter Alkaios (um 600 v. Chr.) benannte vierzeilige Strophenform. Sie besteht aus zwei elfsilbigen, einem neunsilbigen und einem zehnsilbigen ►Vers. Die a. S. ist ein antikes Odenmaß, vgl. ►Ode.

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

Mich nicht hinab geleitet; Einmal

Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

 (Friedrich Hölderlin, An die Parzen, 1799)

 

Allegorie (griech. allegorein ›anders, bildlich reden‹): Bildhafte Darstellung eines Gedankens oder eines abstrakten Begriffes.

Die Figur der Justitia mit einer Augenbinde (für Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person), Waage (für das Abwägen des Urteils) und mit Schwert (für eine zu verhängende Strafe); der Sensenmann (für den Tod).

 

Alliteration (auch ›Stabreim‹): Wiederholung des Anfangslauts zweier oder mehrerer Wörter.

Lust und Leid und Liebesklagen

 (Joseph von Eichendorff, Die Nachtblume, 1831)

 

Allwissender Erzähler ►Auktorialer Erzähler.

 

Alternation (lat. alternare ›abwechseln‹): Strenger Wechsel von ►Hebung und ►Senkung nach jeweils einer Silbe im ►Metrum eines ►Verses.

Fest gemauert in der Erden

Steht die Form, aus Lehm gebrannt.

 (Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke, 1800)

 

Anachronie: Liegt vor, wenn die Reihenfolge des Erzählens nicht mit der chronologischen Abfolge des Erzählten übereinstimmt. A. entsteht durch ►Rückblenden (Analepsen) oder ► Vorausdeutungen (Prolepsen). Häufig eingesetzt z. B. bei ► Detektivromanen. Auch ►Rahmenerzählungen erzeugen A.

Anachronismus (griech. anachronizein ›in eine andere Zeit versetzen‹): Bewusste oder unbewusste Darstellung von ►Figuren, Ereignissen oder Vorstellungen in einer falschen Zeit. Mit dem A. kann eine komische Wirkung erzielt oder die zeitlose Aktualität des behandelten ►Stoffes unterstrichen werden.

Die Wanduhr in Novalis’ Heinrich von Ofterdingen (1802) stellt einen A. dar, weil solche Uhren zur Zeit der ►Handlung (im Mittelalter) noch nicht existierten.

 

Anadiplose (griech. anadiplosis ›Verdoppelung, Wiederholung‹): Betonende Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe eines Satzes bzw. eines ►Verses am Beginn des darauf folgenden Satzes oder ►Verses.

Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,

Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.

 (Johann Wolfgang Goethe, Seefahrt, 1776)

 

Anagramm (griech. anagraphein ›umschreiben‹): Umstellung der Buchstaben eines Wortes oder einer Wortgruppe, um ein neues Wort bzw. eine neue Wortgruppe mit neuem Sinn zu bilden, ohne einen Buchstaben wegzulassen oder hinzuzufügen. A. werden auch bei der Bildung von ►Pseudonymen verwendet. Eine Sonderform ist das ►Palindrom.

Besenstiel für ›Liebesnest‹.

 

Anakoluth (griech. anakoluthos ›ohne Folge‹): Sprachlich falsche Entwicklung eines Satzes, Fügungsbruch im Satz (Satzbruch). Durch den A. wird eine soziale Verhaltensweise oder ein stark emotionales Sprechen zum Ausdruck gebracht.

»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten« (Heinrich Heine, 1824) statt: »Ich weiß nicht, was es bedeuten soll«.

 

Analyse (griech. analysis ›Auflösung‹): Methodisch-systematisches Herausarbeiten von Strukturmerkmalen und Zusammenhängen eines (literarischen) Textes unter gezielten Fragestellungen.

 

Analytische Erzählung: Ähnlich wie das ►analytische Drama beginnt die a. E. mit einem rätselhaften Ereignis, dessen Vorgeschichte nachträglich erzählt wird und Schritt für Schritt zur Auflösung des Rätsels führt. Vgl. ►Rückblende. Die a. E. wird häufig in der ►Detektivgeschichte angewandt. Ggs. ►synthetische Erzählung.

 

Analytisches Drama (auch ›Enthüllungsdrama‹): ►Drama, das auf einem entscheidenden Ereignis in der Vorgeschichte des dargestellten dramatischen ►Konflikts aufbaut. Die Ursachen des dramatischen Geschehens bleiben dem Zuschauer/Leser, oft auch den ►Figuren selbst, zunächst verborgen. Die ►Handlung besteht dann darin, die vorausliegenden Ereignisse schrittweise zu klären (Analyse), was schließlich in den Untergang des ►Protagonisten (vgl. ►Tragödie) oder in die glückliche Lösung des Konflikts (vgl. ►Komödie) mündet. Ggs. ►Zieldrama.

Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug (1808);

Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise (1779).

 

Anapäst (griech. anapaistos ›zurückgeschlagen‹): Dreisilbiger antiker Versfuß (►Metrum) aus einer Abfolge von zwei ►Senkungen und einer ►Hebung. Der A. wirkt belebend. Schema: ◡ ◡ —.

Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt

◡ ◡ — ◡ ◡ — ◡ ◡ — ◡ ◡ —

 (Friedrich Schiller, Der Taucher, 1798)

 

Anapher (griech. anaphora ›Rückführung‹): Wiederholung des gleichen Wortes oder der gleichen Wortgruppe am Anfang zweier aufeinander folgender Sätze, ►Verse oder ►Strophen. Die A. dient der Eindringlichkeit der Aussage. Ggs. ►Epipher.

Weg ist alles, was du liebtest,

Weg, worum du dich betrübtest,

Weg dein Fleiß und deine Ruh.

 (Johann Wolfgang Goethe, Neue Liebe, Neues Leben, 1775)

 

Anastrophe (griech., ›Umkehrung‹): Umkehrung der sprachüblichen syntaktischen Wortstellung in der poetischen Sprache. Die Verwendung der A. dient dem ►Rhythmus, dem ►Reim oder der klaren Betonung bestimmter Satzteile.

Nicht Paulet nur und seiner Wächter Schar,

Ganz England hütet meines Kerkers Tore.

 (Friedrich Schiller, Maria Stuart, 1800)

 

Anekdote (griech. anekdoton ›Unveröffentlichtes‹): ►Kleinform der epischen ►Dichtung, in der eine ►Episode aus dem Leben einer bekannten historischen Persönlichkeit oder ein wichtiges Ereignis knapp und prägnant dargestellt wird. Dabei kommt es nicht auf die historische Wahrheit, sondern auf den Aufbau an, der straff auf eine heitere ►Pointe hinführt.

Heinrich von Kleist, Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege (1810).

 

Anrede: Wendung an den Leser oder das Publikum im Text. Die A. dient der Nachdrücklichkeit.

Seht den Felsenquell,

Freudehell,

Wie ein Sternenblick

 (Johann Wolfgang Goethe, Mahomets Gesang, 1789)

 

Anspielung: Halbversteckte Andeutung auf eine Person, Situation oder Begebenheit, die der ►Autor beim Leser als bekannt voraussetzt. Eine A. kann als neutrale Umschreibung (vgl. ►Periphrase) oder als Mittel für eine versteckte ►Kritik gebraucht werden.

 

Antagonist (griech. antagonistes ›Gegenspieler‹): Gegenspieler des ►Protagonisten in erzählenden und dramatischen Texten. Als Kontrastfigur zeichnet sich der A. durch Eigenschaften und Handlungsweisen aus, die einen negativen Einfluss auf das Leben des Protagonisten ausüben und oft dessen Untergang herbeiführen können.

Elisabeth als A. von Maria Stuart in Schillers Drama Maria Stuart (1800);

Mephistopheles als A. von Faust in Goethes Drama Faust I (1808).

 

Antiheld (auch ›negativer Held‹): ►Hauptfigur in einem dramatischen oder epischen Text, die sich nicht durch heroisches, sondern vielmehr durch passives Verhalten auszeichnet. Der A. ist meist ein Außenseiter, schwach, arm und Opfer seiner Umwelt. Ggs. ►Held.

Die Figur des Woyzeck in Georg Büchners Drama Woyzeck (1836/37);

die Figur Thiel in Gerhart Hauptmanns Novelle Bahnwärter Thiel (1888);

Josef K. in Franz Kafkas Roman Der Process (1925).

 

Antiklimax (griech. ›Gegenleiter‹): Abstufung (bezüglich Bedeutung, Größe o. Ä.) von Begriffen oder Wörtern nach unten (›abfallende Steigerung‹). Die A. hat oft eine scherzhafte Absicht.

Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen

 (Johann Wolfgang Goethe, Faust I, 1808)

 

Antithese (griech. antithesis ›Gegensatz‹): Zusammenstellung entgegengesetzter Begriffe, Gedanken oder Vorstellungen, z. B. Diesseits vs. Jenseits. Die A. dient dem Kontrast und ist eine charakteristische Denkfigur der Barockdichtung (vgl. ►Sonett), da sie sich zur Darstellung des dualistischen Lebensgefühls und der gespaltenen Weltsicht gut eignet. Vgl. ►Barock.

Was dieser heute baut, reist jener morgen ein;

Wo itzund Städte stehn, wird eine Wisen seyn.

 (Andreas Gryphius, Es ist alles Eitel, 1637)

 

Antizipation ►Vorausdeutung.

 

Antonomasie (griech. antonomasia ›Umbenennung‹): Ersetzung eines bekannten Eigennamens durch ein charakteristisches Beiwort oder durch eine Umschreibung. Mit der A. wird eine wiederholte Namensnennung vermieden. Die A. ist eine Form der ►Anspielung.

Der Allmächtige (für Gott).

 

Aphorismus (griech. aphorizein ›abgrenzen‹): Prägnant formulierter Gedanke meist in einem einzelnen Prosasatz, der in geistreich-witziger Weise eine pointierte Erkenntnis ausdrückt. Häufig wird der A. in ►rhetorischen Figuren wie ►Paradoxon, ►Antithese, ►Metapher, ►Emphase und ►Ironie präsentiert. Die unerwartete Wendung dient dazu, den Leser zu kritischem Nachdenken anzuregen.

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.

 (Marie von Ebner-Eschenbach)

 

Aposiopese (griech. aposiopesis ›Verstummen‹): Bewusstes Verschweigen einer wichtigen Aussage durch den Abbruch des Satzes. Die A. kennzeichnet i. d. R. die leidenschaftlich-emotionale Erregtheit des Sprechers. Vgl. ►Ellipse.

Was! Ich? Ich hätt ihn –? Unter meinen Hunden –? Mit diesen kleinen Händen hätt ich ihn –?

 (Heinrich von Kleist, Penthesilea, 1808)

 

Apostrophe (griech. ›Abwendung‹): Abkehr des Sprechers von der bisherigen Sprechhaltung durch direkte ►Anrede von (meist abwesenden) Dingen, Personen, Göttern oder Abstrakta.

Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste.

Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?

 (Johann Wolfgang Goethe, Römische Elegien, 1795)

Frühling, ja, du bist’s!

Dich hab ich vernommen!

 (Eduard Mörike, Er ist’s, 1832)

 

Archaismus (griech. archaios ›alt, altertümlich‹): Bewusste Verwendung veralteter, aus dem Sprachgebrauch verschwundener Wörter oder Wendungen. Der A. kann eine ironische Wirkung haben oder den Text altertümlich wirken lassen.

Zofe (statt Kindermädchen); Oheim (statt Onkel).

 

Aristotelisches Drama: Klassische Dramenform, die streng nach den von Aristoteles (384–322 v. Chr.) festgelegten Regeln gestaltet ist. Umgesetzt sind dabei die ►drei Einheiten von ►Handlung, Ort und Zeit (vgl. ►geschlossene Form) und der streng symmetrische Aufbau (vgl. ►Freytag-Pyramide) mit der ►Katharsis als Ziel in der ►Tragödie. Moderne ►Dramen, die von diesen Regeln abweichen, werden als ►nichtaristotelische Dramen bezeichnet. Ggs. ►Episches Theater.

 

Hauptunterscheidungsmerkmale zwischen dem aristotelischen (klassischen) Drama und dem epischen Theater (Brecht):

 

Formaler Aufbau

Handlung

Ort und Zeit

Wirkungsabsicht

Beispiel

Klassisches Drama (nach Aristoteles)

Strenge Gliederung in Akte und Szenen

Abgeschlossene Form der Handlung

Einheit von Ort, Zeit und Handlung (drei Einheiten)

Katharsis, emotionale Läuterung durch Mitleid und Furcht

Lessing, Nathan der Weise (1779); Schiller, Wilhelm Tell (1804)

Episches Theater (nach Brecht)

Lockere Folge von Szenen oder Bildern, Unterbrechung durch Songs, Kommentare etc.

Offene Form der Handlung, offenes Ende

Verzicht auf die drei Einheiten (versch. Handlungs-orte, Zeit-sprünge etc.)

Kritische Distanz zum Dargestellten, Theater als Ort der Erkenntnis für gesellschaftliche Veränderungen

Brecht, Mutter Courage und ihre Kinder (1941); Frisch, Andorra (1961)

 

Assonanz (lat. assonare ›anklingen‹): Gleichklang der Vokale betonter Silben (►Hebungen) in einem Vers. Die A. stellt einen Halbreim dar und dient der lautlichen Zusammenfügung von inhaltlich Zusammengehörendem.

Es sang vor langen Jahren

Wohl auch die Nachtigall

 (Clemens Brentano, Der Spinnerin Nachtlied, 1818)

 

Asyndeton (griech., ›Unverbundenes‹): Unverbundene Reihung von Wörtern, Satzteilen oder Sätzen. Das A. zielt auf eine Raffung der Aussagen ab und vermittelt eine von Leidenschaft gekennzeichnete Ausdrucksweise. Ggs. ►Polysyndeton.

Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft

 (Johann Wolfgang Goethe, Faust I, 1808)

Stehlen, morden, huren, balgen

Heißt bei uns nur die Zeit zerstreun.

Morgen hangen wir am Galgen,

Drum lasst uns heute lustig sein.

 (Friedrich Schiller, Die Räuber, 1781)

 

Aufbau ►Struktur.

 

Aufklärung: Die auf das ►Barock folgende gesamteuropäische Epoche zwischen 1720 und 1785. Die A. griff auf Ideen aus England (John Locke) und Frankreich (Voltaire und Montesquieu) zurück. Leitideen und Schlüsselbegriffe waren Rationalität, Vernunft, religiöse Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Weltbürgertum. Der einflussreiche Philosoph Immanuel Kant brachte das Programm der A. 1784 mit folgenden Worten auf den Punkt:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. […] Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

 (Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, 1784)