Lockpick Pornography - Joey Comeau - E-Book

Lockpick Pornography E-Book

Joey Comeau

4,8

Beschreibung

Er zertrümmert Fernseher, bricht in Häuser ein, crasht Highschoolparties, schlitzt vor Kirchen Reifen auf, boxt einem Paris-Hilton-Double in die Magengrube und ruft mitten in der Nacht Leute an, um ihnen zu erklären, dass Gender nur Konstruktion und Illusion ist. Kein Zweifel, dieser junge Mann ist zornig. Aber selten zuvor wurde über einen zornigen jungen Mann auf so saukomische Art und Weise erzählt wie hier: Cartoon- und Muppetfiguren werden zwangsgeoutet, es wird erklärt, dass Cola Leute schwul macht und warum blonde Asiaten kanadische Pornos ruinieren. Während man über die Abenteuer des Helden lauthals lacht, spürt man dennoch die Verzweiflung, die ihn antreibt und fühlt sich in dieser Hinsicht ein wenig an den großen Don Quixote erinnert. Als unser Held den Sohn des fundamentalistischen Dr. Verge kidnappt, hat der Spaß allerdings ein Ende … So hochkomisch "Lockpick Pornography" ist, so intelligent stellt Joey Comeau darin Fragen zu Gender, Familienwerten, Minderheiten und Moral. Heiligt der Kampf für den Zweck jedes Mittel? Braucht es eine Gender-Guerilla, um "die Sache" voranzubringen?

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°luftschacht

Er zertrümmert Fernseher, bricht in Häuser ein, crasht Highschoolpartys, schlitzt vor Kirchen Reifen auf, boxt einem Paris-Hilton-Double in die Magengrube und ruft mitten in der Nacht Leute an, um ihnen zu erklären, dass Gender nur Konstruktion und Illusion ist.

Kein Zweifel, dieser junge Mann ist zornig. Aber selten zuvor wurde über einen zornigen jungen Mann auf so saukomische Art und Weise erzählt wie hier: Cartoon- und Muppetfiguren werden zwangsgeoutet, es wird erklärt, dass Cola Leute schwul macht und warum blonde Asiaten kanadische Pornos ruinieren.

Während man über die Abenteuer des Helden lauthals lacht, spürt man dennoch die Verzweiflung, die ihn antreibt und fühlt sich in dieser Hinsicht ein wenig an den großen Don Quixote erinnert. Als unser Held den Sohn des fundamentalistischen Dr. Verge kidnappt, hat der Spaß allerdings ein Ende …

So hochkomisch Lockpick Pornography ist, so intelligent stellt Joey Comeau darin Fragen zu Gender, Familienwerten, Minderheiten und Moral. Heiligt der Kampf für den Zweck jedes Mittel? Braucht es eine Gender-Guerilla, um „die Sache“ voranzubringen?

JOEY COMEAU, *1980, ist ein kanadischer Schriftsteller. Er ist Texter des Web-Comics A Softer World und Autor der Romane Lockpick Pornography, Overqualified, One Bloody Thing After Another und anderer mehr.

Lockpick Pornography ist seine erste Übersetzung ins Deutsche.

www.asofterworld.com

TOBIAS REUSSWIG, *1989 in Hagen, wuchs in Nienburg an der Weser auf. Er studierte Germanistik, Skandinavistik und Germanistische Literaturwissenschaft in Greifswald, wo er auch lebt. Neben dem Schreiben von eigenen Gedichten und kurzen Prosastücken beschäftigt er sich mit englischsprachiger Gegenwartsliteratur.

Joey Comeau

Lockpick Pornography

Roman

aus dem Englischen von Tobias Reußwig

Luftschacht Verlag

Titel der kanadischen Originalausgabe: The Complete Lockpick Pornography Copyright© 2012 Joey ComeauPublished by ECW Press 2120 Queen Street East, Suite 200, Toronto, Ontario, Canada M4E 1E2

© Luftschacht Verlag – Wien 2016 Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

www.luftschacht.com

Umschlaggrafik: Julian Tapprich juliantapprich.comSatz: LuftschachtISBN: 978-3-902844-92-7eISBN: 978-3-903081-03-1

Für Bryanna

Wir weiden uns an jenen mit Genuss, die uns bezwingen wollen

Credo der Addams Family

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

I

Nach der Hälfte der Fernsehdiskussion trete ich den Fernseher ein. Selbst ohne Ton halte ich es nicht aus. Aber es fühlt sich gut an, den Fernseher zu zerstören. Ich habe das Gefühl, politisch aktiv zu sein. Der Kopf des Kandidaten verschwindet in einer Wolke aus Glas und Lärm und ich stehe da und frage mich, warum ich mich von meinem Wissen, dass Gewalt die Dinge nur noch schlimmer macht, davon abhalten lasse, Gewalt anzuwenden.

Es ist Mittag.

Bevor er ging, ließ Chris mich ihm versprechen, dass ich verschwinden würde, bevor sein Freund um sechs nach Hause kommt. Das heißt, ich habe sechs Stunden, um mich zu beruhigen, Richard anzurufen und ihn zu überreden, mich in eine Hetero-Gegend zu fahren, damit wir einen neuen Fernseher klauen können.

Früher beklaute ich Heteros aus politischen Gründen. Alles, was einem heterosexuellen weißen Yuppie gehört, wird durch Unterdrückung bezahlt. Das hetero-normative Besitzparadigma ist ein tyrannisches Glaubenssystem, das es verdient, an jeder Front unterlaufen zu werden, egal ob durch politischen Protest oder durch kleinere Diebstähle.

Inzwischen bin ich etwas ehrlicher, was das angeht. Ich kann zugeben, dass ich Heteros beklaue, weil ich sie ganz einfach nicht mag. Ich habe mir ein T-Shirt gedruckt, auf dem steht: „Ich breche in Hetero-Häuser ein, um in ihren Hetero-Küchen zu masturbieren.“

Der Fernseher gehört Chris’ Freund, deshalb hätte ich ihn nicht kaputt machen sollen. Aber ich hatte mir geschworen, den Fernseher einzutreten, falls der Quatschkopf noch einmal sagen würde, „Natürlich sollten wir den Schwulen gegenüber tolerant sein“, und wenn du dich nicht mehr auf dein eigenes Wort verlassen kannst, worauf kannst du dich dann noch verlassen?

Richard antwortet beim ersten Klingeln und ich sage: „Wo bist du? Ich brauche ein Auto.“ Ich kann etwas im Hintergrund hören; das tiefe, wiederholte Schlagen eines Bettes gegen die Wand, vermute ich. „Wer geht mitten beim Ficken ans Telefon?“, sage ich, und Richard lacht bloß.

Die Stimme im Hintergrund sagt, „Wer ist das?“, und ich höre Richard etwas sagen. Der Junge fragt: „Was hat er an?“

„Was hast du an?“, fragt mich Richard, und das war’s dann. Ich verschwende eine halbe Stunde mit mittelmäßigem Telefonsex.

Ich denke an Chris, während ich mir Richards übertriebenes Gestöhne anhöre. Letzte Nacht, als ich Chris gefickt habe, dachte ich an Richard. Es spielt in letzter Zeit keine Rolle, woran ich denke. Es ist bloß wichtig, dass es etwas anderes ist als das, was ich tue.

Ich werde wahrscheinlich niemals rausfinden, wer der Junge ist, den Richard fickt, und es ist mir auch egal. Er ist eine Requisite, bloß irgendein Mund an Richards Schwanz, während ich mir am anderen Ende der Leitung einen runterhole. Eine halbe Stunde lang. Chris’ Freund wird in fünfeinhalb Stunden hier sein. Richard sagt, dass er unterwegs ist und legt auf.

Der Freund hat einen eigenen Wäscheschrank, und ich wühle in ihm herum, auf der Suche nach einer frischen Socke, um mich sauber zu wischen. Als ich fertig bin, falte ich sie wieder glatt zusammen und lege sie zu den anderen. Der Fernseher ist kaputt; um irgendwas zu machen, schlage ich das Telefonbuch auf. Der erste Name ist Hubert J.

„Guten Tag“, sage ich. „Es tut mir leid, Sie während der Mittagszeit zu stören, aber ich möchte Sie bitten, an einer Umfrage teilzunehmen. Als Entschädigung für Ihre Zeit würden wir Sie zu einem Essen für zwei in ein Restaurant in Ihrer Nähe einladen.“

„Welches Restaurant?“, fragt sie, und ihre Stimme ist zögerlich, als ob sie denkt, es wäre ein Trick. Vielleicht ist es ein Essen für zwei bei McDonald’s oder irgendwo sonst unter ihrer Würde. „Ich bin gerade beim Essen“, sagt sie.

„Jedes Restaurant im Stadtgebiet“, sage ich ihr.

„Gut.“

„Sind Sie verheiratet?“, frage ich. „Entschuldigung, sind Sie glücklich verheiratet?“

„Ja.“

„Richtig oder falsch“, sage ich. „Ein Mann sollte niemals eine Frau schlagen.“

„Richtig“, sagt sie ohne zu zögern. Ich mache eine kurze Pause, als ob ich ihre Antwort notieren würde. Tatsächlich sitze ich auf der Kante von Chris’ Küchentisch und verschmiere ihn. Er kann es nicht ausstehen: Nimm immer einen Untersetzer. Nimm immer einen Untersetzer.

„Falsch“, sage ich ins Telefon. „Nein. Nein. Nein. Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass Gender eine Illusion ist? Was ist, wenn eine kleine schwächliche Schwuchtel eine von diesen aufgeputschten Bodybuilder-Frauen mit einer Klitoris wie ein Ein-Meter-Schwanz boxt? Genau das sind doch Vagina-Dentata-Albträume, keine drei Schritte von der Wirklichkeit entfernt, oder nicht?“

„Wie bitte?“, fragt sie, aber es gefällt mir. Ich frage mich, wo Richard ist, und ob wir später ficken werden. Ich stelle mir die Frau vor, mit der ich rede, wie sie an ihrem Esstisch sitzt, während ich Richard bei den Schultern packe und nach unten drücke und meinen Gürtel aufmache. Ich stelle mir ein Lächeln in ihrem glatten Botoxgesicht vor, während sie Richard zusieht, der mich in den Mund nimmt. Sie gluckst gleichzeitig mit Richard mit der Zunge. Am Telefon sagt sie erneut: „Wie bitte?“

„Gender ist keine Dichotomie“, sage ich. „Manchmal wird ein Kind geboren und es ist ein Junge, und manchmal ist es ein Mädchen, klar, aber manchmal steht ein Arzt im Hintergrund, hinter einem dieser Abtrenn-Vorhänge und wirft eine Münze. Manchmal sagt die Mutter „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ und der Arzt sagt wirklich „Ja“. Das ist nicht die Pointe eines Witzes, Frau Hubert, das ist die Pointe des gesamten, fehlgeleiteten Gedankens, dass das Konzept von Junge oder das Konzept von Mädchen irgendetwas anderes sind als Konstrukte.“

Am anderen Ende der Leitung ist es still.

„Wie viele Ladungen Wäsche waschen sie durchschnittlich pro Woche?“, frage ich, aber sie hat schon aufgelegt. Es spielt keine Rolle. Draußen hupt Richard. Ich lege auf und schaue nach meinem Reißverschluss. Sie wird nicht einmal darüber nachdenken, was ich gesagt habe. Ihr Ehemann wird nach Hause kommen und sie wird nicht einmal daran denken zu sagen: „Irgendein Spaßvogel hat heute angerufen.“ Ich weiß nicht, warum ich meine Zeit verschwende.

Ich komme bis zur Tür, bevor ich beschließe, sie zurückzurufen, es noch ein letztes Mal zu versuchen. Frau Hubert. Ich nehme den Hörer in die Hand und drücke auf Wiederwahl.

„Hallo?“, antwortet sie, und ich warte. Ich hasse sie, weil ich weiß, dass sie auflegen wird, aber ich hasse sie noch mehr, weil ich weiß, dass sie es vielleicht nicht wird.

„Wenn ich meine Augenbrauen zupfe, werde ich mehr zur Frau“, sage ich. „Wenn Sie aufhören, Ihre zu zupfen, werden Sie weniger Frau. Wenn ich einen Mann ficke, oder seinen Freund“, sage ich, „und meine Brust rasiert ist, meine Augenbrauen gezupft sind und ich seine teure Unterwäsche zur Seite ziehe, damit sein Schwanz in meinen Mund springt, was ist das dann? Ist Gender wirklich nichts anderes als Titten?“

„Wer ist da?“, fragt die Frau.

„Und Frauen, die Brustkrebs bekommen, deren Titten abgeschnitten werden, die dieselbe Art von Brustersatz tragen wie ich, wenn ich als Frau ausgehe, sind die weniger als Frauen?“ Sie legt auf, und mein Zorn ist verwirrt, weil ich selber nicht mehr weiß, was ich glaube. Wenn Gender das wirklich ist, nur eine Illusion, warum ficke ich dann keine Frauen?

Im Auto fragt mich Richard, wohin wir fahren.

„Wir werden in ein Haus einbrechen und einen teuren Fernseher klauen“, sage ich. „Ich will etwas Silbernes und Digitales, mit mindestens 37 Zoll. Es kommt uns auf die Größe an und wir suchen nach etwas so Neuem und Teurem, dass wir darüber nachdenken werden, uns richtige Arbeit zu suchen, sobald wir es gefunden haben.“

„Ich habe Arbeit“, sagt Richard, während er den Wagen startet.

Ich ignoriere ihn. Richard arbeitet bei einer Telefongesellschaft als technischer Betreuer für einen Haufen Breitband-Internet-Kunden. Sein stolzes Gehalt nutzt er, um seinen abweichlerischen Lebensstil zu finanzieren. Anders als ich muss er nicht klauen, aber es gefällt ihm. Das gehört zu den Dingen, die ihn so attraktiv machen.

Wir laufen die Auffahrt zu diesem zweistöckigen Jugendstilhaus hinauf und Richard sagt: „Also, wir ersetzen den Fernseher, damit der Freund nicht weiß, dass du da warst?“

Ich nicke.

„Wird der Freund nicht merken, dass es ein anderer Fernseher ist?“ Ich bleibe stehen und denke einen Augenblick nach, dann zucke ich mit den Schultern.

„Dann ist es eben ein Entschuldigungsgeschenk“, sage ich. Als wir an der Vordertür ankommen, klingle ich. Keine Antwort. Wir drehen uns um, als ob wir nur darauf warten würden, dass jemand öffnet, und sehen uns in der Nachbarschaft um. Niemand, der seinen Rasen wässert oder uns aus den Fenstern anstarrt. Wir laufen um das Haus.

Hinten steigen wir die Stufen zur Veranda hinauf. Richard liegt auf dem Rücken in der Sonne, während ich meine Picks1 hervorhole und mich an die Arbeit mache. „Ich dachte, du müsstest heute morgen arbeiten?“, frage ich, während ich einen Pick auswähle.

Richard lacht.

„Hast du den Fotokopierer nicht gegen die Wand schlagen hören?“

Ich sehe es vor mir, die Klappe des Fotokopierers bricht ab, billiges Plastik unter ihren harten und brutalen Körpern. Sex ist immer besser, wenn man etwas kaputt macht.

Ich habe Schlösserknacken aus dem MIT 2-Handbuch zur Schlossöffnung gelernt. Ich habe es im Internet gefunden und man kann erkennen, dass es von jemandem geschriebenwurde, der queer ist, das Wort queer aber nicht mag. Vor dem eigentlichen Buch steht ein ethisches Vorwort, das sich wieder und wieder dafür entschuldigt, das es sich hier um ein Buch über das Knacken von Schlössern handelt. Es erklärt und entschuldigt sich, genau wie diese Wichser, die ich ständig im Fernsehen sehe, die über Schwulenehen sprechen, darüber, dass sie sich lieben und ganz genauso sind wie Heteros, genauso monogam und sexuell unterdrückt.

Ich habe die Picks über das Internet bestellt. Ich habe allerdings Probleme, mich darauf zu konzentrieren, welche Stifte gesetzt sind, da ich mir immer wieder Richard vorstelle, der den Jungen aus der Poststelle auf dem Fotokopierer fickt.

„Ich dachte, es wäre ein Bett gewesen“, sage ich. Dann ist das Schloss offen und ich drehe den Türknauf. „Wir sind drinnen.“

Richard hat sein Shirt hochgezogen, damit die Sonne auf seine Brust fällt, und er liegt eine Minute still da, bevor er zeigt, dass er mich gehört hat.

„Also los“, sagt er und setzt sich auf, „ziehen wir’s durch.“

Ich liebe es, wenn er so redet, als ob wir Fernsehkriminelle wären, die gerade „ein Ding drehen.“ Ich will dann immer Strumpfhosen mitbringen, die wir uns übers Gesicht ziehen können, aber sowas kann ein gutes Paar Strümpfe völlig ruinieren.

Spielzeug liegt auf dem ganzen Teppichboden verstreut, es gibt geschmackvolle Uhren und Gemälde und ein ordentliches Mikrowellen-Kühlschrank-Ofen-Küchenset. Die ganze Küche besteht aus Chrom und ich wünschte, wir hätten einen Lieferwagen mitgebracht. Ich stehe in der Tür und hätte Lust, hinaufzugehen und alle Klamotten und Papiere und versteckten Pornos zu holen und sie in einen Umzugswagen zu stopfen. Ich hätte Lust, ihr Haus zu klauen.

Sie würden nach Hause kommen und ich würde etwas Popcorn machen und Pornos auf ihrem Fernseher schauen.

Ich mache mich an die Arbeit und durchsuche ihr Besteck, Richard fängt an, das Spielzeug aufzuheben und in eine Plastikkiste an der Wand zu räumen. Wenn die Familie nach Hause kommt, wird sie ein aufgeräumtes Haus und einen fehlenden Fernseher vorfinden. Richards Fingerabdrücke werden überall sein und meine auch.

Ich kann meine Fingerabdrücke schon auf dem Besteck sehen, und ich drücke meinen Zeigefinger auf die breite Seite eines Buttermessers. Die Öle meiner Haut hinterlassen einen perfekten Abdruck, deutlich und komplex. Sie haben teures Besteck, aber es ist schwer und irgendwie kitschig, also lasse ich es liegen.

Richard legt das letzte Spielzeug in die Kiste und sieht sich den Fernseher an. Es ist ein Flachbildschirm und kostet mehr, als Richard an Miete zahlt. Ich wohne auf den Sofas von anderen Leuten. „Der wird garantiert in den Kofferraum passen“, sagt er, „sehen wir uns zuerst einmal um.“

Wir haben etwas Zeit.

Oben, im Elternschlafzimmer, hängt eine große Replik von Davids Marat, nackt, die Hand neben der Steinbadewanne hängend, die Feder haltend. Es gibt einen Nachttisch auf jeder Seite des Betts. Auf seiner Seite liegen ein Tagebuch und ein Stift und ein Tom-Clancy-Roman. Auf dem Tagebuch liegt ein Haar.

Ich schlage es irgendwo auf und lese. Gute Frau, gute Kinder, gutes Leben. Früher konntest du darauf wetten, dass du beim Einbrechen in ein paar Häuser die Schattenseite des Mittelklasselebens aufdeckst. Dreht man mittlerweile

überhaupt noch Filme über irgendetwas anderes? Heute gibt es Pillencocktails, um die Mittelklassenängste loszuwerden. Ich blättere auf die letzte Seite und greife nach dem Stift.

Vielleicht wird die Polizei einen Spezialisten für die Analyse von Handschriften heranziehen, um die Notiz, die ich hinterlasse, zu untersuchen. „Wir wollten Hardcore-Schwulen-Pornos ansehen und still wieder gehen, aber ihr hattet keine, also haben wir den Fernseher mitgenommen.“

Ich frage mich, was der Spezialist über mich herausfinden würde. Sehen Sie, wie die Buchstaben hier alle über der Linie stehen? Das ist Arroganz. Oder Selbstbewusstsein. Oder ein großer Schwanz. Es ist schwer zu sagen. Weiterhin ist auffällig, dass nur Großbuchstaben benutzt wurden. War es am Ende ein Grundschüler, der noch keine Schreibschrift gelernt hat?

Ich schließe das Tagebuch und lege das Haar vorsichtig zurück.

Richard brüllt „Hey, schau mal hier“ aus dem Schrank. Es ist ein begehbarer Schrank und eine ganze Wand wird von Schuhen eingenommen. „Die sind nicht besonders gut sortiert“, sagt er. Er hebt ein Paar vom Boden auf und macht sich an die Arbeit.