Lore-Roman 164 - Ursula Fischer - E-Book

Lore-Roman 164 E-Book

Ursula Fischer

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Beschreibung

Barbara Wehrmeyer ist ein ungewöhnliches hübsches Mädchen aus gutem Hause. Sie braucht nicht zu arbeiten, hat Geld genug und lebt sorgenfrei in den Tag hinein. Während ihr Verlobter geschäftlich in Amerika verweilt, entschließt sich Barbara zu einem Urlaub in den Bergen. Als ihr das Winterwetter zu dröge wird, will sie weiter nach Italien fahren. Doch starker Schneefall macht ihren Plan zunichte. Sie verfährt sich, bleibt mit dem Wagen im Schnee stecken und kämpft sich orientierungslos durch den Schneesturm. Zu Tode erschöpft erreicht sie Stunden später eine Berghütte. Mit buchstäblich letzter Kraft schlägt sie gegen den Fensterladen, einmal, zweimal, dann sinkt sie erschöpft zusammen. Dass sie wenig später von starken Armen ins Innere der Hütte getragen wird und behutsam der nassen Kleidung entledigt wird, spürt sie nicht mehr ...


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Inhalt

Cover

Tochter aus gutem Hause

Vorschau

Impressum

Tochter aus gutem Hause

Roman um das Schicksal der schönen Barbara

Von Ursula Fischer

Barbara Wehrmeyer ist ein ungewöhnliches hübsches Mädchen aus gutem Hause. Sie braucht nicht zu arbeiten, hat Geld genug und lebt sorgenfrei in den Tag hinein. Während ihr Verlobter geschäftlich in Amerika verweilt, entschließt sich Barbara zu einem Urlaub in den Bergen. Als ihr das Winterwetter zu dröge wird, will sie weiter nach Italien fahren. Doch starker Schneefall macht ihren Plan zunichte. Sie verfährt sich, bleibt mit dem Wagen im Schnee stecken und kämpft sich orientierungslos durch den Schneesturm. Zu Tode erschöpft erreicht sie Stunden später eine Berghütte. Mit buchstäblich letzter Kraft schlägt sie gegen den Fensterladen, einmal, zweimal, dann sinkt sie erschöpft zusammen. Dass sie wenig später von starken Armen ins Innere der Hütte getragen wird und behutsam der nassen Kleidung entledigt wird, spürt sie nicht mehr ...

Hendrik Hillebrecht sah Marisa auf sein Haus zukommen und begann prompt zu strahlen. Sie bot allerdings auch einen Anblick, der jedes Männerauge entzücken musste. Für eine Frau war sie sehr groß, dabei schlank und äußerst elegant gekleidet.

Hendrik lief zur Tür und öffnete sie, bevor Marisa noch aufschließen konnte. Sie besaß selbstverständlich einen Schlüssel für das Haus, die Frau, die er einmal heiraten sollte, sobald er genügend verdiente.

»Ich habe dich schon gesehen«, stieß er atemlos hervor, als er sie an sich zog und leidenschaftlich küsste.

Marisa bekam kaum noch Luft, aber sie erwiderte seine Küsse mit gleicher Leidenschaft.

»Hast du schon Antwort bekommen?«, fragte sie, als Hendrik sie wieder freigab.

»Ja. Und rate mal, was in dem Brief steht.«

»Du hast den ersten Preis für deinen Entwurf bekommen.«

Hendrik lachte glücklich. »Du könntest Weltmeisterin im Raten werden. Ja, tatsächlich den ersten Preis. Zehntausend Mark!«

»Zehntausend Mark? Du, das muss gefeiert werden! Zieh dich um, wir gehen groß aus und spielen einmal feine Leute. Mir ist jetzt so danach. Zehntausend Mark!«

»Ja, hört sich an, als wäre es viel Geld, aber ...«

»Es ist doch nur der Anfang. Für den Bau bekommst du doch bestimmt ein paar hunderttausend Mark Honorar.«

Das Lächeln schwand vom Gesicht des jungen Architekten.

»Ja. Wenn sie bauen würden. Nur – den Wettbewerb haben sie zwar ausgeschrieben, aber jetzt ist ihnen das Geld ausgegangen. Die Gemeinde ist verschuldet, und für ihr Rathaus wollen sie keine neuen Kredite aufnehmen. Die Sache liegt erst einmal auf Eis.«

»Wie dumm von denen. Da geben sie so viel Geld aus für den Wettbewerb, und dann können sie doch nicht bauen.«

»Als sie mit der Planung begannen, konnte niemand die Wirtschaftsentwicklung voraussehen. Vielleicht wird ja in einigen Jahren etwas daraus.«

»Aber die zehntausend Mark hast du doch?«

»Der Stadtdirektor hat freundlicherweise einen Scheck beigelegt. Ich habe ihn schon auf meinem Konto eingezahlt. Wurde auch Zeit, dass mal wieder etwas draufkam. Ich hatte schon um viertausend Mark überzogen, und der Bankmensch fand das gar nicht so witzig.«

»Dann bleiben dir also noch sechstausend. Wo wollen wir hingehen?«

»Ich denke, wir feiern zu Hause. Zum Essen habe ich etwas besorgt, ein paar Flaschen Wein sind auch noch da. Wer weiß, wie lange das Geld diesmal wieder reichen muss. Die Kredite sind so teuer, niemand kann bauen, und ich bin schließlich noch ein junger, ziemlich unbekannter Architekt. Aber auch die etablierten Leute klagen über Auftragsmangel.«

»Du bist ein schrecklicher Spießer«, stellte Marisa stirnrunzelnd fest. »Es wird schon wieder Geld reinkommen. Du, das nehme ich nicht hin, dass du den ersten Preis gewinnst und dann keinen ausgibst. Abgelehnt.«

»Marisa, wir müssen vernünftig sein. Irgendwann wird es ja auch einmal besser werden und ich einen besseren Verdienst haben. Nur im Augenblick ...«

»Das höre ich nun schon seit über einem Jahr: Irgendwann wird es besser. Du hast gut reden. Ich werde nicht jünger.«

»Wir könnten ja heiraten. An mir liegt es nicht, dass du immer noch Fräulein Tempelhoff heißt.«

»Hör auf damit.« Einen Moment wirkte Marisas bildschönes Gesicht geradezu verbissen. »Womöglich wünschst du dir auch noch Kinder, die mir die Figur verderben und mich um meinen Beruf bringen. Dann darf ich hier zu Hause sitzen, muss jeden Pfennig dreimal umdrehen, bevor ich ihn ausgebe, weil du nicht imstande bist, Geld zu verdienen.«

»Marisa ...«

»Entschuldige, hab es nicht so gemeint. Aber es stimmt doch. Andere machen auch heute noch Millionen, und du ... Du bist begabt, viel tüchtiger als die anderen Architekten, und was hast du davon? Alle hundert Jahre einmal einen kleinen Auftrag. Da darfst du die Bauzeichnung für eine Garage anfertigen, den Umbau eines Ladens überwachen. Das bringt doch alles kein Geld.«

»Irgendwann wird es schon besser werden. Hätten die das Rathaus bauen können ...«

»Aber sie können es nicht bauen, das zählt. Nie gehen wir richtig aus.«

»Entschuldige, das stimmt nicht.«

»Ich nenne es nicht ausgehen, wenn du mich in irgendein billiges Restaurant einlädst. Ich höre doch von meinen Kolleginnen, was sich alles so tut. Es gibt so schicke Bars, die ich nur vom Hörensagen kenne.«

»Ich sehe nicht ein, warum ich für eine Flasche Sekt siebzig oder achtzig Mark bezahlen soll, das ist glatter Wahnsinn. Wenn wir Sekt trinken wollen, können wir es auch hier, und tanzen auch.« Hendriks Stimme klang jetzt ärgerlich.

»Natürlich, du begreifst gar nicht, dass das ein Unterschied ist. Und ich war so fest davon überzeugt, dass das Rathaus dich zu einem wohlhabenden Mann machen würde.«

»Hätte es auch, wenn nach meinem Entwurf gebaut worden wäre. Es sollte etwa sechs bis sieben Millionen Mark kosten. Wenn ich mir davon mein Architektenhonorar ausrechne ...«

Marisa nickte. »Du bist der geborene Pechvogel, Hendrik.« Sie schlang die Arme um seinen Nacken und presste ihr Gesicht an seine Wange. »Pech für mich, dass ich mich ausgerechnet in dich verknallt habe. Gibt doch so viele andere nette Männer mit Pinkepinke. Aber nein, die blöde Marisa hängt sich an einen Architekten mit Zukunft. Bloß dass dessen Zukunft vielleicht erst mit sechzig beginnt.«

»Irgendwann werden die Zinsen sinken, dann wird auch wieder gebaut. Auch an einem Einfamilienhaus kann man verdienen.«

»Ich will dir ja keine Vorwürfe machen, bloß – dass wir immer hier in deinem Haus herumhocken ... Ist ja ein schönes Haus, gebe ich zu, aber ich bin lieber unter Menschen.«

»Gut. Meinetwegen. Seien wir heute einmal leichtsinnig, gehen wir in eine Bar.«

»Hendrik!« Prompt begann Marisa Tempelhoff wieder zu strahlen. »Du bist wirklich ein Schatz. Was für ein Glück, dass ich passend angezogen bin! Du hast mir noch gar nichts Nettes über mein neues Kleid gesagt. Habe ich günstig bekommen können.«

»Wie teuer?«

»Fünfhundert. Wie geschenkt. So etwas kann nämlich nicht jede tragen, deshalb.«

Marisa trat einen Schritt zurück und drehte sich einmal um sich selbst.

»Was willst du mit den ganzen Kleidern, die du dir kaufst?«, fragte Hendrik. »Du hast doch schon alle Schränke voll hängen.«

»Sei nicht so kleinlich. Ich kann einfach nicht widerstehen, wenn mir solch ein Traum von einem Kleid für ein Spottgeld angeboten wird.«

»Fünfhundert Mark sind kein Spottgeld. Davon muss ich einen ganzen Monat leben.«

»Mir ein Rätsel, wie du das schaffst. Spätestens am Zwanzigsten bin ich immer pleite. Da lebe ich buchstäblich von trocken Brot und Wasser.«

»Mit Geld umgehen kannst du wirklich nicht.«

»Aber dafür habe ich andere Vorzüge, hättest du noch sagen müssen«, lachte Marisa ihn ungekränkt an. »Du bist manchmal ein richtiger Bär, weißt du das? Wundert mich, dass ich mich in dich verliebt habe. Du hast dir nie Mühe gegeben, richtig nett zu mir zu sein. Aber vielleicht war es gerade das.«

»Ich ziehe mich jetzt um, dann können wir losfahren.«

»Wir nehmen ein Taxi. Mit deinem Auto können wir nirgendwo hin, was sollen die Leute dann denken, wenn wir in solch einer alten Klapperkiste auftauchen? Du solltest das Geld nehmen und dir dafür einen vernünftigen Gebrauchtwagen kaufen. Deine Auftraggeber beurteilen dich nach deinem Auto und deinem Auftreten, und wenn du so ankommst, dann denken sie, mit dem kann nicht viel los sein.«

Hendrik wusste, dass mehr als nur ein Körnchen Wahrheit in Marisas Feststellung lag. Ihm selbst war es ziemlich gleichgültig, was für ein Auto er besaß, solange es nur fuhr. Und die sechstausend Mark, die ihm blieben, brauchte er unbedingt, bis er einen neuen Auftrag bekam.

»Warum versuchst du nicht, irgendwo als Angestellter unterzukommen?«, fragte Marisa, als sie später im Taxi saßen.

»Weil es keine Stellungen für mich gibt. Außerdem liebe ich meine Unabhängigkeit.«

»Natürlich. Und ich kann warten, bis du einmal das große Los gewinnst. Eigentlich bin ich viel zu schade für dich.« Um ihren Worten die Spitze zu nehmen, beugte sie sich zu Hendrik hinüber und gab ihm einen Kuss.

Der Fahrer beobachtete die beiden im Rückspiegel und beneidete den jungen Mann. Eine Klassefrau, das hatte er als Menschenkenner sofort gesehen. Der junge Mann sah ja auch nicht übel aus, aber eigentlich nicht so, als passe er zu ihr. Er sah nicht nach Geld aus.

***

»Warum verkaufst du dein Haus nicht? Oder wenigstens die blöde Hütte in Bayern?«, fragte Marisa, als sie weit nach Mitternacht zurückgekommen waren. »Du würdest allerhand dafür bekommen.«

»Du weißt doch, wie ich an diesem Haus hänge. Hier habe ich den schönsten Teil meiner Jugend verbracht.«

»Das klingt sehr sentimental. Dein Onkel, der dir den Krempel hinterlassen hat, ist glücklicherweise tot, und Toten ist es egal, was aus ihrem Erbe wird.« Marisa lachte ihn an, eine Frau, die sich nach der Flasche Sekt beschwingt und gelöst fühlte. »Dafür würdest du bestimmt fünfhunderttausend Mark bekommen. Allein das Grundstück ist ja schon ein Vermögen wert. Würde man das Haus abreißen und ein großes, modernes Appartementhaus dafür hinstellen ...«

»Nein, hör endlich auf davon. Du kennst meinen Standpunkt. Onkel Bertholds Villa ist ein Schmuckstück. Es wäre ein Verbrechen, sie einfach abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen.«

»Wenn du zur Bedingung machst, dass du das neue Haus baust? Überleg doch, wieviel Geld du dafür bekommen würdest.«

»Nein!«

Marisa Tempelhoff zog die Unterlippe zwischen die Zähne.

»Du bist ein Egoist, Hendrik!«, sagte sie dann. »Dieser blöde Schuppen ist dir wichtiger als ich. Nennst du so etwas Liebe?«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es liegt an dir, dass wir noch nicht verheiratet sind.«

»Ich will mich nicht einschränken. Wenn du erst genug verdienst, werde ich dich schon drängen, aus mir eine ehrbare Ehefrau zu machen. Wollen wir nicht noch ein Gläschen Wein trinken? Mach ein Feuer im Kamin an. Ich habe morgen frei, keine Aufnahmen, kann ausschlafen. – Ich möchte heute bei dir bleiben.«

»Ich hole sofort eine Flasche.« Im Kamin war alles fertig angelegt, Hendrik brauchte nur ein Streichholz anzureißen und das Papier anzuzünden. Dieses schöne Haus abreißen!, dachte er und schüttelte den Kopf, als er in den Keller ging. Solche Villen wurden heutzutage nicht mehr gebaut, weil sie, das gab Hendrik ehrlich zu, ein bisschen unpraktisch waren. Große Räume mit hohen Decken, die zu heizen natürlich sehr teuer war, breite Flure, reichlich Abstellräume, die Zimmer für das Personal oben ... Ein unpraktisches Haus – aber ein Haus, an dem Hendriks Herz hing.

Als er später im Sessel vor dem Kamin Platz nahm, stand Marisa auf und setzte sich auf seine Knie.

»Ich bin einfach verrückt nach dir«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Ich verstehe mich selbst nicht mehr ...«

Hendrik küsste sie, und beide vergaßen, in das flackernde Kaminfeuer zu schauen. Ihre Leidenschaft riss sie mit sich fort.

»Könntest du doch immer hierbleiben«, murmelte Hendrik später. Er drehte sich zu Marisa herum und stützte sich auf einen Ellbogen, um sie besser sehen zu können. »Du verdienst ja gut, und ich habe dieses Haus. Gelegentlich kommt ja auch bei mir Geld rein ...«

»Nein, so nicht. Bei aller Liebe nicht, Hendrik. Du weißt überhaupt gar nicht, was für eine Frau ich bin. Du irrst dich, wenn du in mir ein Heimchen am Herd siehst.«

»Das tue ich ganz bestimmt nicht«, versicherte Henrik lachend. »Du bist eine mondäne Dame von Welt.«

»Eben. Und die passt nicht in die Küche. Ich habe einfach keine Lust zur Hausarbeit. Könnten wir uns hier eine Putzfrau erlauben? In meinem Appartement geht es. Die gute Frau Leschke kommt einmal die Woche, aber hier hat eine Frau jeden Tag zu tun. Wer soll das bezahlen? Ich habe keine Lust, für meine Putzfrau zu arbeiten.«

»Wir kämen schon zurecht. Du fehlst mir so, wenn du nicht da bist ...«

»Dann gib dir Mühe, Geld zu verdienen. Oder verkauf dieses alte Haus.«

»Fang nicht schon wieder davon an.«

»Auf dieses Grundstück passen vierzig oder fünfzig Wohnungen. Was die allein an Miete bringen würden!«

»Dann müssten etliche der alten, schönen Eichen gefällt werden.«

»Na und? Bringen die Miete? Die machen im Herbst nur Arbeit mit all den vielen Blättern!«

»Mag sein, aber trotzdem ... Sie sind schon in paar hundert Jahre alt, glaube ich.«

»Allerhöchste Zeit, dass sie wegkommen. Was ist wohl deine Hütte in Bayern wert?«

»Nicht viel. Knapp hunderttausend, schätze ich.«

»Und das sagt ein Mann, der praktisch nichts verdient. Hunderttausend sind für ihn nicht viel.« Marisas Stimme klang ärgerlich.

»Hunderttausend Mark sind bald ausgegeben. Die Hütte möchte ich auf jeden Fall behalten. Wir werden später unsere Ferien dort mit den Kindern verleben. Die Luft ist einmalig, sauber, klar ... Und dann die herrliche Ruhe! Alle hundert Jahre verirrt sich einmal ein Mensch dort hinauf.«

»Mir ist es ein Rätsel, wie du es in deiner Hütte ein paar Wochen aushalten kannst. Mir fällt nach zwei Tagen die Decke auf den Kopf. Dort möchte ich keinen langen Urlaub verbringen. Ich möchte nach St. Tropez oder nach Acapulco oder sonst wohin, wo etwas los ist.«

»Wenn wir erst Kinder haben, wirst du anders denken.«

»Hör mir auf mit Kindern.«

»Wünschst du dir keine?«

»Doch. Aber zugleich habe ich Angst davor. Aber darüber brauchen wir noch nicht jetzt zu sprechen.«

»Hast recht.« Hendrik konnte der Verlockung, die ihr Anblick bot, nicht länger widerstehen. Er beugte sich zu ihr hinab und begann zu zärtlich zu küssen.

***

Beim Frühstück saßen sie sich gegenüber, und Hendrik bediente die geliebte Frau. Er war früher aufgestanden und hatte Brötchen gekauft, dann den Tisch gedeckt, und bevor er das Kaffeewasser aufsetzte, hatte er Marisa geweckt. Er war froh, sie ein bisschen verwöhnen zu können.

Sie hatte einen sehr schweren und anstrengenden Beruf, das wusste er.

»Du bist wirklich ein Schatz, ein fast perfekter Hausmann«, stellte Marisa fest, bevor sie in das knusprige Brötchen biss. »Hast alles so sauber und aufgeräumt ... Ich schaffe das nie. Bei mir sieht es immer aus, als wäre gerade ein Wirbelsturm durchs Zimmer getobt.«

Hendrik wusste, dass sie nicht übertrieb, aber es störte ihn nicht. Sie war nicht ordentlich, aber dafür hatte sie tausend andere Vorzüge. Wieder einmal wunderte er sich, dass diese ungewöhnliche Frau sich gerade in ihn verliebt hatte.

»Ich glaube, das war der Postbote«, meinte er am späten Vormittag, als er das Klappern des Briefkastendeckels an der Haustür gehört hatte. »Mal sehen, was er gebracht hat.«

»Drucksachen. Man bekommt doch nur Drucksachen.«

»Diesmal nicht«, erklärte Hendrik strahlend, als er zurückgekehrt war. »Wehrmeyer interessiert sich für mich. Der Wollmensch.«

»Der Fabrikant, der seine Hallen vergrößern lassen will?«, fragte Marisa aufhorchend.

»Ja. Ich soll ihm ein paar Entwürfe machen. Auch für ein neues Bürohaus. Er hat von mir gehört. – Mensch, Marisa, wenn das klappen würde!«

»Klappt bestimmt nicht«, äußerte Marisa. »Er wird sagen, Ihre Entwürfe gefallen mir sehr gut, mein lieber Mann, aber bauen lasse ich von einem anderen. So ist es doch immer.«

»Einmal werde ich auch den großen Auftrag bekommen. Ich habe im Gefühl, dass es mit Wehrmeyer klappen wird.«

»Du und dein Gefühl ...«

Hendrik lachte über ihren Pessimismus. Und dann nahm er sie wieder in den Arm. Trotz seiner beruflichen Fehlschläge war er glücklich. Musste ein Mann, den eine Marisa Tempelhoff liebte, nicht einfach glücklich sein? Er jedenfalls hätte mit keinem anderen Mann auf der Welt tauschen mögen.

***

»Holst du Vati runter?«, bat Susanne Wehrmeyer ihre entzückende Tochter.

»Gern. Dass Vati immerzu arbeiten muss!«

»Ich bin es nicht anders gewohnt. Und jetzt, wo er den Betrieb erweitern will ...«

»Versteh ich nicht, wir verdienen doch Geld genug.«

Susanne Wehrmeyer lächelte nur über die Worte ihrer Tochter. Voller Stolz schaute sie Barbara nach, als die hinauseilte. Wir haben Glück mit unserer Tochter, dachte sie, denn Barbara hatte ihnen eigentlich immer nur Freude bereitet.

Nur anfangs war sie ein Sorgenkind gewesen, viel krank, sehr zart, aber dann hatte sich ihr Gesundheitszustand gebessert, und sie war zu einem gesunden, ungewöhnlich hübschen Mädchen herangewachsen.

»Das Essen ist gleich fertig«, richtete Barbara ihrem Vater aus, der an seinem großen Schreibtisch saß, Bauzeichnungen vor sich. »Komm runter, sonst ist Trude mit dir böse, und das willst du doch sicherlich nicht riskieren.«

Über seine Schulter hinweg warf sie einen flüchtigen Blick auf die Zeichnungen. Sie interessierte sich überhaupt nicht dafür.

»Ja, ja ...« Ihr Vater konnte sich nicht so schnell von seiner Arbeit losreißen. »Da sehe ich noch ein Problem. Er hat seine Sache soweit recht gut gemacht, aber ...« Der Rest des Satzes verlor sich in einem Murmeln.

»Wozu brauchst du eigentlich einen Architekten, wenn du doch besser weißt als der, was du willst?«

»Man kann nicht alles selbst machen. Der junge Mann hat außerdem erstaunliche Ideen entwickelt. Na ja, mal sehen, wie es weitergeht. Ich werde ihn noch mal zu mir bitten, um meine Änderungswünsche mit ihm zu besprechen. Die Sache eilt ja noch nicht. Vor dem Frühjahr können wir doch nicht anfangen zu bauen, und bis dahin ...«

Barbara schaute ihren Vater an. »Du hast dich eigentlich fantastisch gehalten«, stellte sie dann anerkennend fest. »Ehrlich, du siehst toll aus. Wundert mich, dass du keine Freundin hast. Oder hast du eine, und wir wissen nur nichts davon?«

»Eine?«, fragte Werner Wehrmeyer schmunzelnd. »Du unterschätzt mich, Kleines.« Er legte liebevoll den Arm um ihre Schultern. »Was hast du heute gemacht?«

»Nichts Besonderes.«

»Du hast es eigentlich sehr gut.«

»Wie meinst du das?«, fragte Barbara verwundert.

Ihr Vater schüttelte leicht den Kopf.

»Du brauchst nicht zu arbeiten, hast Geld genug, bist mit Clausen verlobt ... Du hast im Leben eigentlich nie eine Enttäuschung erlebt, oder?«

Barbara schüttelte verständnislos den Kopf.

»Du bist heute aber komisch, Vati. Ihr wolltet doch nicht, dass ich einen Beruf ergreife oder studiere ... wozu sollte ich auch studieren? Und was?«

»Du hast zu nichts Lust. Eigentlich merkwürdig, dass dir dein jetziges Leben gefällt, dass es dir reicht.«

»Natürlich gefällt es mir. Ich wünsche mir nichts anderes. Ich hätte keine Lust, jeden Tag in ein Büro zu fahren wie du, dort womöglich den ganzen Tag auf einer Schreibmaschine herumzuhämmern ... Das Leben ist viel zu kurz, um es sich durch Arbeit zu vermiesen.«

»Wie klug du redest.«

»Bei dem Vater kein Wunder«, parierte Barbara lachend. »Komm jetzt, lass die dummen Zeichnungen, die laufen dir nicht fort. Du solltest auch nicht so viel arbeiten. Ich finde es schrecklich, dass ihr Männer so viel arbeitet. Raffael werde ich es nicht erlauben.«