Lore-Roman 181 - Katja von Seeberg - E-Book

Lore-Roman 181 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Ist der Wunsch der jungen Prinzessin Marie-Theresa von Straiz-Argenstein nicht verständlich? Sie möchte einmal keine Prinzessin sein! Zwar lebt sie in herrlicher Bergwelt, umgeben von Luxus, doch ihr einziger Gesprächspartner ist die sittenstrenge Familie, die sich auf eine Verbindung zur ehemaligen Kaiserin Maria Theresia berufen darf. Hier steht das Leben noch ganz im Zeichen einer längst vergangenen Zeit. Die hübsche dunkelhaarige und blauäugige Prinzessin Theresa aber sehnt sich nach Freiheit. Sie sehnt sich, aus dem goldenen Käfig auszubrechen und wenigstens einmal einen Blick in die andere Welt zu werfen. Und sie ahnt nicht, dass ausgerechnet eine Reise nach Heidelberg das Abenteuer ihres Lebens werden soll ...


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Inhalt

Cover

Nur einmal keine Prinzessin sein

Vorschau

Impressum

Nur einmal keine Prinzessin sein

Sie sehnt sich nach der»anderen Welt«

Von Katja von Seeberg

Ist der Wunsch der jungen Prinzessin Marie-Theresa von Straiz-Argenstein nicht verständlich? Sie möchte einmal keine Prinzessin sein! Zwar lebt sie in herrlicher Bergwelt, umgeben von Luxus, doch ihr einziger Gesprächspartner ist die sittenstrenge Familie, die sich auf eine Verbindung zur ehemaligen Kaiserin Maria Theresia berufen darf. Hier steht das Leben noch ganz im Zeichen einer längst vergangenen Zeit. Die hübsche dunkelhaarige und blauäugige Prinzessin Theresa aber sehnt sich nach Freiheit. Sie sehnt sich, aus dem goldenen Käfig auszubrechen und wenigstens einmal einen Blick in die andere Welt zu werfen. Und sie ahnt nicht, dass ausgerechnet eine Reise nach Heidelberg das Abenteuer ihres Lebens werden soll ...

»Wir haben alles besprochen, meine Liebe. Du kannst mit den Reisevorbereitungen beginnen.«

Fürst Hubertus nickte seiner Gemahlin zu und verließ das Damenzimmer im ersten Stock des Schlosses Argenstein.

»Warte, ich komme mit dir«, rief Fürstin Elisabeth ihm nach und erhob sich rasch aus dem zierlichen Empiresessel.

»Wohin willst du denn?«, erkundigte sich ihr Mann.

»Oh, nur ins Souterrain. Ich möchte in den Wirtschaftsräumen noch einmal nach dem Rechten sehen, ehe wir abreisen. Vielleicht fällt mir das eine oder andere auf, was ich Frau Hasselberg noch ans Herz legen möchte.«

Elfriede Hasselberg hieß die erprobte Wirtschafterin, die seit Jahren den fürstlichen Haushalt leitete.

Nebeneinander gingen der Fürst und die Fürstin den teppichbelegten Flur entlang. Auf der Treppe, die in elegantem Bogen zur Halle hinunterführte, ließ der grauhaarige Fürst seiner Gattin den Vortritt.

Vielleicht war eine der Messingstangen, von denen der rote Läufer gehalten wurde, nicht sorgfältig genug befestigt gewesen, die Fürstin stolperte und knickte um. Sie stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus und rutschte einige Stufen hinunter, dann blieb sie hilflos liegen.

»Elisabeth!« Zutiefst erschrocken und in großer Sorge war der Fürst in Sekundenschnelle an ihrer Seite und kniete neben ihr nieder. »Liebste, was ist? Du bist ja ganz blass. Tut es sehr weh? Wie konnte das nur geschehen?«

»Oh, mein Fuß! Mein rechter Fuß!«, stöhnte die Fürstin und umklammerte mit einer Hand eine Strebe des geschnitzten Treppengeländers so fest, dass die Knöchel unter der Haut weiß hervortraten.

»Ein Arzt muss her! Du brauchst sofort einen Arzt, Elisabeth.«

Der Fürst sprang auf und sah sich suchend um.

Die Geräusche auf der Treppe sowie der Schrei der Fürstin waren gehört worden. Der Diener Johann kam in die Halle geeilt. Das ungewohnte Bild, das sich ihm bot, ließ ihn zunächst verblüfft stehen bleiben. Aus dem Esszimmer hastete ein anderer Diener herbei.

»Tragen Sie die Fürstin in ihr Schlafgemach hinauf!«, befahl Fürst Hubertus. »Sie ist ausgeglitten und scheint sich den Knöchel gebrochen zu haben. Ich muss sofort mit Dr. Hertlinger sprechen. Wo finde ich seine Telefonnummer, Johann?«

»Auf der ersten Seite des Telefonverzeichnisses, Hoheit«, antwortete der alte Diener. »Soll ich nicht schnell dort anrufen?«

Doch der Fürst wies mit einer gebieterischen Handbewegung zur Treppe hinauf.

»Nein, kümmern Sie sich zuerst um meine Frau! Ich erledige das schon selbst.«

Auf einer zierlichen Rokokokommode befand sich der Telefonapparat in der Halle. Ohne Mühe fand der Fürst die Nummer des Hausarztes.

Fürst Hubertus nahm den Hörer von der Gabel und wählte die Nummer, während die beiden livrierten Diener seine Frau vorsichtig zwischen sich auf die verschränkten Arme hoben und sie behutsam hinaufzutragen begannen.

Der Fürst von Straiz-Argenstein hatte Glück. Der alte Landarzt, der ein sehr tüchtiger Mann war, hatte seine Hausbesuche nach der Vormittagssprechstunde bereits beendet und war schon wieder daheim.

»Ich komme sofort«, erklärte er, nachdem er gehört hatte, um was es sich handelte.

Die Kammerfrau der Fürstin war noch damit beschäftigt, diese möglichst bequem zu betten, als der Wagen des Arztes vorfuhr.

Der Diener Johann, der bereits wieder unten in der Halle war, öffnete dem Mediziner die Tür und geleitete ihn dann bis vor die Tür zum Schlafzimmer der Fürstin.

»Wir haben Ihre Durchlaucht zu Bett gebracht«, meldete er. »Seine fürstliche Hoheit ist bei ihr. Sie scheint große Schmerzen zu haben. Jede Bewegung lässt sie zusammenzucken.«

»Wahrscheinlich handelt es sich wirklich um einen Knöchelbruch«, vermutete der Arzt und folgte dem Diener treppauf, so rasch er konnte.

Das Schlafzimmer der Fürstin war ein Traum in Weiß, Gold und Rosa. Die immer noch schöne Frau, der die Kammerfrau ein spitzenbesetztes Nachtgewand übergestreift hatte, lehnte bleich in den Kissen. Das Gesicht war schmerzverzerrt.

Nach einer flüchtigen Untersuchung entschied der Arzt: »Hier muss eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Es scheint sich um einen Drehsplitterbruch zu handeln, dessen Einrichtung sicherlich schwierig sein wird. Es hilft nichts, Durchlaucht, aber das muss im Krankenhaus gemacht werden, wo alle erforderlichen Einrichtungen vorhanden sind. Erlauben Sie bitte, dass ich von Ihrem Telefonapparat aus nach einem Krankenwagen telefoniere!«

»Bitte, tun Sie, was notwendig ist, Doktor!«, erlaubte sie ihm. Und dann fragte sie beklommen: »Muss ich dort bleiben oder kann ich, wenn ich einen Gipsverband erhalten habe, nach Hause entlassen werden?«

»Ich nehme das letztere an, Durchlaucht. Ich kann mir vorstellen, dass Sie lieber hier in der vertrauten Umgebung sein möchten.«

»Sie sagen es, Doktor. Ich ziehe einige eventuelle Unbequemlichkeiten in meinem Heim der besten Pflege in einem Hospital vor.«

Dr. Theodor Hertlinger wählte bereits die Nummer des Bezirkskrankenhauses in der oberösterreichischen Kreisstadt und informierte die dortige Aufnahme über das baldige Eintreffen der erlauchten Patientin. Anschließend rief er die Feuerwehr an und bat um einen Wagen für den Krankentransport.

»Ich gebe Ihnen jetzt noch eine Spritze, Durchlaucht«, sagte er. »Diese Injektion wird Sie weitgehend von Schmerzen befreien. Ich möchte vermeiden, dass Sie auf dem Transport ins Krankenhaus zu leiden haben.«

»Danke, Doktor. Ich weiß, man kann sich auf Sie verlassen«, sagte Fürstin Elisabeth und lächelte etwas mühsam.

»Und was wird nun aus unserer Reise?«, jammerte ihr Mann, der während der Untersuchung am Fußende ihres Bettes gestanden hatte.

»Du wirst allein fahren müssen, Hubertus«, erwiderte sie mit einem Schulterzucken. »Ich kann durch dieses dumme Missgeschick keinen Schritt mehr gehen. Das siehst du doch wohl ein, nicht wahr?«

»Ich muss es ja wohl«, brummte er. »Aber du bist es, die der Stadt Heidelberg das Kinderheim schenkt. Ich begleite dich doch nur dorthin. Du sollst es einweihen und ihm seinen Namen geben. Wer soll das denn jetzt an deiner Stelle tun?«

Er wandte sich mit ein paar erklärenden Worten dem Landarzt zu, der diesem kurzen Gespräch interessiert gelauscht hatte.

»Meine Frau ist eine geborene Komtesse von Neckingen«, rief er dem Doktor ins Gedächtnis zurück, was an sich allen bekannt war. »Ihre Familie stammt aus der Nähe von Heidelberg. Aus alter Anhänglichkeit schenkt sie ihrer Geburtsstadt jetzt das Haus Elisabeth, ein Heim für behinderte Kinder.«

»Ich bewundere Ihre Großzügigkeit, Durchlaucht«, sagte der Arzt mit einer achtungsvollen Verbeugung vor seiner Patientin. »Es ist natürlich jammerschade, dass Sie die gewiss sehr stimmungsvolle Einweihung dieses Hauses nicht selber vornehmen können. Aber ich glaube, diesen Gedanken müssen Sie sich ganz und gar aus dem Kopf schlagen. Vier bis sechs Wochen wird es dauern, bis Sie wieder richtig laufen können.«

»Dann bleibt nichts anderes übrig, Hubertus, dann wirst du mit Theresa fahren müssen«, entschied die Fürstin.

Der Fürst von Straiz-Argenstein schnitt eine kleine Grimasse. Er war keineswegs besonders entzückt davon, in Begleitung seiner neunzehnjährigen Tochter reisen zu müssen.

»Junge Mädchen sind unberechenbar«, murmelte er. »Was wird sie wohl alles anstellen unterwegs?«

»Äußere deine Befürchtungen bitte nicht laut vor unserem lieben Leopold!«, bat sie. »Du weißt genau, dass er an den allzu freien Umgangsformen seiner Schwester ständig Anstoß nimmt. Wenn es nach ihm ginge, müsste man sich noch so benehmen, wie am Hofe der Kaiserin Maria Theresia.«

Zwischen dem Fürstenhaus von Straiz-Argenstein und dem Hof in Wien hatten stets besonders enge Beziehungen bestanden. Die Familie von Straiz stellte dem Königshaus in jeder Generation einen Kammerherrn. Es waren immer Männer mit diplomatischem Geschick, auf die man sich in allen kritischen Situationen verlassen konnte.

Kaiserin Maria Theresia wusste der Familie Straiz-Argenstein dafür Dank und wurde die Taufpatin der ältesten Tochter.

Seitdem wurden die ältesten Töchter der Familie von Straiz-Argenstein immer nach der großen Kaiserin benannt. Fürst Hubertus und Fürstin Elisabeth hatten nur zwei Kinder, den Erbprinzen Leopold und die Prinzessin Marie-Theresa.

Hier auf dem oberösterreichischen Schloss wurde das Wort Etikette noch großgeschrieben. Hier stand das Leben noch ganz im Zeichen einer längst vergangenen Zeit. Die hübsche dunkelhaarige und blauäugige Prinzessin Theresa aber sehnte sich nach mehr Freiheit und hätte etwas darum gegeben, wenn sie ein ganz natürlicher, moderner junger Mensch hätte sein dürfen.

Ihrem Bruder jedoch konnte es nicht steif und förmlich genug zugehen. Er trug seinen Adelsstolz offen zur Schau und sah recht hochmütig auf die weniger Hochgeborenen herab.

»Also schön, ich werde Theresa mitnehmen!«, seufzte Fürst Hubertus ergeben in sein Schicksal. »Dann gestatte bitte, Elisabeth, dass ich das Kind eben von dem unterrichte, was jetzt auf sie zukommt. Theresa ist ja noch ahnungslos. Gleich wird der Krankenwagen da sein, und dann möchte ich dich in der Limousine begleiten. Ich werde nicht eher beruhigt sein, ehe ich nicht das Ergebnis der Röntgenaufnahmen kenne und dich für einen kurzen Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus gut untergebracht weiß.«

»Das ist sehr lieb von dir, Hubertus. Deine Fürsorge tut mir wohl. Ja, geh, sprich mit Theresa, es muss ja sein!«

Der Fürst durfte also gehen, und Dr. Hertlinger tat es auch. Er wünschte seiner vornehmen Patientin gute Besserung und verschwand. Er übergab dem Diener Johann ein Attest, auf dem er seine Diagnose notiert hatte. Das sollte dem Bezirkskrankenhaus vorgelegt werden.

***

Eilig begab sich der Fürst zu dem Zimmern seiner Tochter, die ebenfalls im ersten Stock lagen, während die Kammerfrau der Fürstin für ihre Herrin einen Koffer mit dem Notwendigsten zu packen begann.

Prinzessin Theresa war es nicht gewohnt, dass ihr Vater an ihre Tür klopfte. Darum schaute sie auch sehr erstaunt auf, als er plötzlich auf der Schwelle stand.

»Du, Papa? Ist irgendetwas passiert?«, erkundigte sie sich. »Ich hörte so viele Stimmen auf der Treppe.«

»Deine Mutter ist gestürzt«, berichtete er ihr und erzählte mit wenigen Worten, was sich ereignet hatte. Ausgiebig sprach er dann über die Konsequenzen, die dieser Unfall hatte. »Du musst dich sehr schnell mit dem Gedanken vertraut machen, dass du übermorgen mit nach Deutschland fährst«, schloss er.

»Aber, Papa, der Zeitraum ist wirklich ein wenig kurz«, gab die Prinzessin zu bedenken.

»Es hilft nichts, es muss sein!«, machte der Fürst ihr klar. »Dieses Kinderheim hat deine Mutter aus ihren eigenen Mitteln erbaut. Es soll ihren Namen tragen. Es muss von einem weiblichen Angehörigen unserer Familie eingeweiht werden. Die Rolle deiner Mutter kann ich nun einmal nicht spielen, aber du als ihre einzige Tochter kannst durchaus an ihre Stelle treten.«

»Schon gut, Papa«, nickte die Prinzessin aufstehend. »Du bist dir aber doch hoffentlich klar darüber, dass eine so plötzlich anberaumte offizielle Reise gewisse Garderobenprobleme aufwirft.«

»Nun, ich denke, die sollten sich doch mit Hilfe deiner sehr tüchtigen Zofe lösen lassen. Ich höre schon den Krankenwagen kommen, Theresa, darum lasse ich dich jetzt allein. Ich will deine Mutter in die Bezirkshauptstadt begleiten.«

»Aber selbstverständlich, Papa. Ich an deiner Stelle würde sie auch begleiten«, stimmte Theresa ihm zu. »Ich werde mir dir kommen und Mama rasch einen Kuss geben. Sicher hat sie große Schmerzen. Sie soll wissen, dass ich mit ihr fühle.«

Fürst Hubertus hatte nichts dagegen einzuwenden, dass seine Tochter ihn zum Zimmer seiner Gemahlin begleitete.

Knapp eine Minute vor den beiden Sanitätern, die die Fürstin auf die Trage hoben, traf Prinzessin Theresa bei ihrer Mutter ein. Sie konnte gerade noch ein paar herzliche Worte sprechen und sie innig auf die beiden Wangen küssen.

»Sei tapfer, Mama, wenn es jetzt auch wehtun sollte. Das ist ja nichts, was sich nicht bald heilen ließe«, versuchte sie zu trösten.

»Du bist ein gutes Kind, Theresa«, lobte die Mutter.

Dann kamen die Sanitäter herein, und Prinzessin Theresa musste gehen.

***

Theresa kehrte in ihr Scheib- und Arbeitszimmer zurück und drückte auf einen Klingelknopf, dessen Signal die Zofe herbeirief.

Mizzi Amleitner hieß das junge Mädchen, das zwanzig Jahre alt war, rotblonde Locken und grüne Augen hatte und eine schlanke anmutige Figur wie die Prinzessin.

Seit Mizzi Amleitner sechzehn Jahre alt geworden war, stand sie im Dienste der Fürstentochter. In dieser Zeit waren die beiden jungen Menschen fast so etwas wie Freundinnen geworden. Jedenfalls hatte Prinzessin Theresa vor Mizzi keine Geheimnisse.

»Der Anlass für diese Reise ist natürlich recht traurig«, sagte Mizzi. »Aber freuen tut's mich doch, Durchlaucht, dass Sie auf diese Weise endlich einmal herauskommen und etwas von der Welt zu sehen bekommen. Bis jetzt haben Sie ja noch verflixt wenig Reisen gemacht. Das liegt daran, dass Ihre Eltern so schrecklich sesshaft sind und außerdem noch meinen, allzu viel Abwechslung und Vergnügen verdürbe den Charakter.«

»Wir müssen jetzt zur Sache kommen, Mizzi!«, mahnte die Prinzessin. »Was ziehe ich unterwegs an? Denn auf dem Heidelberger Bahnhof werden wir jedenfalls sehr zeremoniell empfangen werden. Was trage ich zum ersten Mittagessen? Was zu der Einweihung und was zum festlichen Bankett?«

Mizzi eilte hinüber in das Ankleidezimmer und öffnete die Schränke mit den Spiegeltüren. Prüfend betrachtete sie die zahlreichen Modellkleider und suchte mit sicherem Blick das Richtige aus.

»Nehmen Sie auch den Familienschmuck mit, Durchlaucht?«, wollte sie wissen.

»Ja, das hat mein Vater schon gesagt. Zu dem festlichen Bankett soll ich die kostbaren Brillantohrringe tragen.«

»Dazu müssen wir dann natürlich eine Hochsteckfrisur machen«, folgerte Mizzi sachlich. »Sie werden fantastisch aussehen, Durchlaucht. Jeder wird begeistert sein. Aber eigentlich hat Ihr aristokratisches Gesicht eine solche Aufmachung gar nicht nötig. Jeder kann Ihnen sofort ansehen, dass Sie einer der besten und vornehmsten Familien entstammen.«

»Aber das ist doch Unsinn, Mizzi!«, lachte die Prinzessin auf. »Meinst du wirklich, dass ich dir das glaube? Niemand kann allein aus den Gesichtszügen den Adel erkennen. Wenn du mir zum Beispiel eine rote Lockenperücke aufsetzen und mich mit dem gleichen Augen Make-up versehen würdest, das du bevorzugst, dann würdest du wahrscheinlich zugeben, dass wir aussehen wie Zwillingsschwestern.«

»Es könnte mich reizen, das einmal zu probieren«, schmunzelte Mizzi.

»Und mich erst«, rief die Prinzessin aus und dehnte die Arme. »Ach, wie gern würde ich einmal unerkannt durch Heidelberg streifen! Es muss eine wunderbare Stadt sein, eine Stadt voller Weinstuben und Studenten. Dort ist alles jung und lebendig im historischen Rahmen. Dort pulsiert das Leben, während ich hier auf Schloss Argenstein immer das Gefühl habe, eingesperrt zu sein und am wirklichen Leben vorbeizusteuern.«

»Ich kann Sie verstehen, Durchlaucht«, meinte die Zofe teilnahmsvoll. »Ich weiß, dass Sie unter der steifen Atmosphäre Ihres Elternhauses leiden. Vielleicht sollten Sie wirklich einmal versuchen, einen kleinen Ausflug in die andere Welt zu machen.«

»Würdest du mir helfen, Mizzi?«

»Sie wissen, Durchlaucht, dass ich alles für Sie tun würde«, antwortete die Zofe spontan.

»Also gut, dann ist der Entschluss bereits gefasst. Jetzt fange ich an, mich auf die Reise zu freuen, Mizzi. Es wird für mich eine Fahrt in ein herrliches Abenteuer werden.«

Die Prinzessin warf sich auf ihr Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Die schönen, veilchenblauen Augen schauten zu der stuckverzierten Decke empor. Sie überließ sich ihren Wachträumen, während Mizzi die für die Reise ausgewählten Kleidungsstücke in die eleganten Koffer zu packen begann.

Heidelberg! Der Name dieser Stadt war für Prinzessin Theresa immer von ganz besonderem Klang gewesen. In Heidelberg hatte ihr Vater ihre Mutter kennengelernt. Ihre Mutter hatte in der Nähe der alten Universitätsstadt ihre Kindheit und Jugend verbracht. Es war eine schöne, glückliche Jugendzeit gewesen, die das Dasein beschwingt und heiter machten. Die Romanze mit dem österreichischen Prinzen, der in Heidelberg studierte, war dann der Höhepunkt gewesen, das rauschende Hochzeitsfest auf Schloss Neckingen, dem Elternhaus ihrer Mutter, die strahlende Krönung.

Als kleines Mädchen hatte sich Theresa eingebildet, man brauche nur nach Heidelberg zu fahren, wenn man dem Glück begegnen wollte. Etwas von diesem Kinderglauben steckte heute noch in ihr. Sie hielt es für möglich, dass auch auf sie dort die Erfüllung ihrer Träume wartete.

***

Zwei Tage später traten Fürst Hubertus und seine Tochter die Reise an.

Fürstin Elisabeth war bereits wieder daheim. Man hatte sie nur im Krankenhaus behalten, um die Nachwirkungen der Narkose zu beobachten. Immerhin war sie fast fünfzig, und man war bedacht darauf gewesen, ernsthaften Kreislaufstörungen vorzubeugen.

Jedenfalls erwiesen sich alle Vorsichtsmaßnahmen als überflüssig, und so wurde sie wiederum in einem Krankenwagen nach Schloss Argenstein gebracht, weil sie auch nicht eine Sekunde lang stehen und den Fuß belasten durfte.

Ganz fest sollte sie drei Wochen liegen. Danach sollte der Gips entfernt und wieder eine Röntgenaufnahme gemacht werde. Sollte die Aufnahme zufriedenstellend sein, konnte sie einen Gehgips bekommen und damit herumhumpeln.

Doch zurzeit war sie davon noch weit entfernt, und sie würde es auch noch sein, wenn ihr Mann und ihre Tochter längst zurück waren. Die Reise nach Deutschland sollte mit Hin- und Rückfahrt nur ganze vier Tage in Anspruch nehmen.

Fürstin Elisabeth war froh, wieder in ihrem schönen Zimmer gelandet zu sein, dessen zarte Farben sie so sehr liebte. Nur hier vermochte sie sich wirklich wohlzufühlen, weil ihr alles vertraut war und sie die gepflegte, luxuriöse Umgebung brauchte. Beim kleinsten Wink flog das Personal und brachte das Gewünschte.

»Macht euch um mich keine Sorgen! Ich werde diese Ruhetage sehr genießen.« Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von ihren Lieben.

Der Fürst und die Prinzessin reisten in einem reservierten Erste-Klasse-Abteil, der Kammerdiener und die Zofe in einem anderen. An die Tür gehängte Schilder verwehrten Unbefugten den Eintritt. Sogar die Gardinen an den Scheiben der Türen wurden zugezogen, und die Kellner aus dem Speisewagen servierten ihnen das Essen auf einem Tisch mit Rädern im Abteil.

Nachmittags gegen siebzehn Uhr kamen sie in Heidelberg an.

Als sie sich der schönen alten Stadt am Neckar näherten, wurde Fürst Hubertus eifrig. Er feierte Wiedersehen mit vielen vertrauten Stätten, die er vom Zug aus sehen konnte, und erklärte seiner Tochter, wo er einst als Student mit ihrer Mutter spazieren gegangen war, und wo sie sich zum ersten Mal ihre Liebe gestanden hatten.