Love me, coach - Michael Schäfer - E-Book

Love me, coach E-Book

Michael Schäfer

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Beschreibung

Endlich nun die Fortsetzung des Buches 'Touch me, Coach' in dem es um das jugendlichen Schwimmass Evan geht, der die Liebe zu Louis, seinem eigentlich heterosexuellen Schwimmtrainer, noch immer nicht aufgeben kann und wird! Doch noch immer wird es nicht leichter für den kämpfenden Jungen. Im Gegenteil, denn sein bester Freund Dylan, als auch Toms Bruder Steve beginnen nun offensiv um Evans Herz zu streiten. Aber das ist noch nicht alles! Evan, der einmal durch den One-Night-Stand mit Dylan Blut geleckt hat, kann immer weniger seine kindlichen Sichtweisen aufrecht erhalten. Er ist umgeben von jungen durchtrainierten Männern, die für den SV Bergfeld ins Rennen gegen den Blutsrivalen KSV Gotteshagen geschickt werden. Sie gehen gemeinsam duschen, trainieren gemeinsam und bei jeder sich bietenden Gelegenheit senden sie erotische Signale für den hin und her geworfenen Evan aus, der in der Flut seiner neuen Gedankenwelt unterzugehen droht. Das Sommerturnier des KSV rückt immer näher und Louis hat nicht vor, dieses Sommerfest ohne seine Schwimmer stattfinden zu lassen. Unerheblich, welche Höllen Evan durchzustehen hat.Ob Evan sich diesen Herausforderungen stellen kann? Wer wird am Ende das Rennen um Evans Herz machen? Wird es gar Louis sein, der seine vielen Bedenken über Bord werfen kann und endlich Evan das erlösende 'Ja, ich will!' mitteilt?

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Michael Schaefer

Love me, Coach!

Himmelstürmer Verlag

eBookMedia.biz

eISBN EPUB: 978-3-942441-12-4

Copyright © Himmelstürmer Verlag

2. E-Book Auflage, April 2010

Coverfoto: © http://www.fotolia.de

Das Modell auf dem Coverfoto steht in keinen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches und der Inhalt des Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Modells aus.

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg

www.olafwelling.de

Inhalt

Die Hauptfiguren und was bisher geschah...Erste NachwehenEin neues LebenDas DateLustobjekteEinen Schritt nach vornEvan und die Sache mit der SuchtSchloss GotteshagenAlte FaktenDunkle WegeGesuchte AufmerksamkeitEin Profi kommt selten alleinZwei in einer fremden WeltDu bist nicht alleine ...Ein GeständnisDie OffensiveIm Angesicht des “Feindes”KlarheitEin folgenschweres VersehenGoodbyeDas Turnier des SommersLauf, Sieg und VerlustDer 8. LaufGrenzerfahrungWer die Vergangenheit sucht ...

Die Hauptfiguren und was bisher geschah...

Evan Dergut, 16 Jahre

Evan hatte als Kind zwei sehr gute Freunde. Zum einen sein jugendlicher Nachhilfelehrer Julian Detroi, den er über alle Maßen verehrte, und seinen Klassenkameraden Dylan Feritas, der ihm mehr als einmal zur Seite stand, um sich gegen die „Großen“ aus der 4. Klasse behaupten zu können. Weil Evan immer schon ein sehr schüchterner, fast naiver Junge war, war er oft im Zentrum des Spotts. Es war einfach, ihn zu unterdrücken und sich ihm gegenüber behaupten zu können. Nach der Grundschule zogen sowohl Julian als auch Evan in eine andere Stadt und hatten nur noch regelmäßigen Briefkontakt. Als Evan 16 Jahre alt wurde, stand ein Wechsel seines Schwimmvereins an, da er schon als Kind ein ganz hervorragender Schwimmer war. Der Stadtmeister, den er mit 15 Jahren erreichte, bewies sein unschlagbares Talent. Doch er wählte nicht den Elite-Verein seiner Gegend, den KSV Gotteshagen, sondern ging in den wesentlich kleineren SV Bergfeld. Er hatte in einem von Julians letzten Briefen erfahren, dass er als ehrenamtlicher Leichtathletiktrainer in diesem Verein arbeiten würde. Dort traf er aber auch auf Louis Detroi, seinen neuer Schwimmtrainer und der jüngere Bruder von Julian. Er verliebte sich bei einem der ersten Trainingstermine in den heterosexuellen Louis, ohne zu wissen, dass er der Bruder seines Kinderfreundes war. Aber auch Dylan tauchte wieder auf.

Dylan Feritas, 16 Jahre

Dylan und Evan hatten sich als Kinder nach einem, von Dylan erfolgreich abgewehrten Kampf gegen andere Jugendliche, der eigentlich Evan galt, ein Heiratsversprechen gegeben. Dieses besiegelten sie mit ihrem ersten Kuss im Alter von sieben Jahren. Evan nahm diesen Kuss und das Heiratsversprechen natürlich nicht ernst, konnte als Kind die ganze Tragweite auch gar nicht erfassen. Für Dylan allerdings war es klar, dass er irgendwann nur Evan heiraten würde. Ein Jahr nachdem Evan die Stadt wechselte, zog auch Dylans Familie wegen besserer beruflicher Möglichkeiten aus Stuttgart weg und nach Bergfeld. Dylan entwickelte sich großartig und galt in seiner Realschule nicht nur als sportliches Multitalent, sondern auch als der begehrteste Junggeselle auf der Schule. Ohne dass es Evan ahnen konnte, war auch Dylan Mitglied im SV Bergfeld geworden und trainierte unter Evans Kinderfreund Julian in der Leichtathletikgruppe. Als sich Evan und Dylan wiedersahen, versuchte Dylan verstärkt, Evans Gunst zurückzuerhalten, der allerdings schon ganz andere Wünsche hegte, denn er wollte Louis und niemand anderen als seinen Geliebten haben. Damit richtete sich Dylan auf einen Kampf gegen Louis ein.

Louis Detroi, 22 Jahre

Louis, Evans Schwimmtrainer und ausgebildeter Rettungssanitäter des SV Bergfeld, nahm den Kampf gegen Dylan gar nicht erst auf, sondern agierte eher listig und im Hintergrund. Als er erfahren hatte, dass Evan sich in ihn verliebt hatte, sah er dies als Phase an und kämpfte nicht gegen Evans offensichtliches Werben an. Er sagte ihm zwar, dass er heterosexuell sei, doch er wirkte anfangs nicht entschlossen genug gegen Evans durchaus tiefe und feste Liebesabsicht an. Für Evan war dies eine Herausforderung und er schwor sich, Louis seine wahre Liebe zu zeigen, auch wenn es Jahre dauern würde. Er wusste von Julian, dass Louis Bettgeschichten mit vielen unterschiedlichen Frauen hatte, doch ernsthafte Beziehungen nicht führen wollte. Er wollte sein junges Singleleben genießen und sich nicht langfristig an eine einzelne Frau binden lassen. Die Tatsache, dass Louis sein Gehalt durch seine Geschäftsführertätigkeit eines Privatclubs in der Bergfelder Schwulenszene bezog, bestärkte Evan auch darin, nicht so einfach aufzugeben. Louis selber hatte aber auch ganz andere Probleme zu meistern. Er versuchte, trotz der echten Freundschaft zwischen ihm und Tom Berthold, Julian von Tom fernzuhalten. Er wollte seinen Bruder nicht mit anderen teilen müssen. Doch er wusste auch, dass dies ein Kampf gegen Windmühlen war.

Julian Detroi, 24 Jahre

Julian liebte Tom Berthold, den jungen Ringer-Trainer des SV Bergfeld über alles und spielte mit den Gedanken, irgendwann Tom zu heiraten. Julian war es aber auch, der Louis verdeutlichte, dass Evan ganz sicher keine einfache Phase durchmachte, sondern es sehr ernst mit Louis meinen würde. Daraufhin versuchte Louis für Evan eine Chance zu eröffnen, sich mit der Homosexualität auseinanderzusetzen. Er zog Dylan als auch Evan zu sich in den Privatclub, in der Hoffnung, dass Evan hier vielleicht eine Plattform hatte, sich jemand anderen als ihn zu suchen oder aber doch mit Dylan etwas Festeres zu beginnen. Zudem diente Julian, der ebenfalls öfters in der Bar war, als perfekter Zuhörer und Ratgeber für Evans Probleme, da die beiden sich ja schon von Kind an kannten.

Tom Berthold, 23 Jahre

Der Liebhaber von Julian. Er ist Bodybuilder und ebenfalls Trainer im Club.

Steve Berthold, 18 Jahre

Toms jüngerer Bruder Steve. Steve war ein Klassenkamerad von Evan und wollte nach den Sommerferien sein Abitur nachmachen. Steve kam als Quereinsteiger erst sehr spät in Evans Klasse im Gymnasium, sah da aber auch schon, dass die Klassenkameraden Evan das Schulleben nicht unbedingt leicht machten. Steves Hund Geshan „überfiel“ Evan auf dem Weg vom Verein nach Hause und riss Evan zu Boden. Steve bot Evan an, seine schmutzigen Sachen zu waschen und gleichzeitig die Zeit zu nutzen, um Evan besser kennen zu lernen. Bei Steve angekommen, erlebte Evan, dass Steve auch ein Junge war, der in seiner Gunst ganz oben stehen könnte, wenn er nicht schon Louis als seinen Lebenspartner auserkoren hätte. Als Steve versehentlich auf ihn gefallen war, küssten die beiden sich und verschlimmerten Evans Seelenzustand noch. Aber auch Steve wurde unruhig und stellte fest, dass dieser Kuss auch für ihn mit vielen Gefühlen verbunden war. Doch Steve war zu diesem Zeitpunkt noch in einer Beziehung mit der 18 Jahre alten Conny.

Daniel (17 Jahre), Dominik (17 Jahre) und Miljan (17 Jahre)

Daniel, guter Freund von Evan und mit ihm in der Schwimmertruppe des SV. Bei der Regionalmeisterschaft trat Evan gegen Dominik, den Star des KSV Gotteshagen, an, verlor allerdings mit einer dennoch grandiosen Zeit. Aufgrund des Drucks von seinen Eltern und dem KSV hatte sich Dominik sehr geschunden und trainierte weit über seine körperlichen Grenzen hinaus. Die Quittung bekam er nur Sekunden nach dem Sieg, denn sein Körper versagte und Dominik drohte zu ertrinken. Evan tauchte hinter ihm her und rettete ihm so das Leben. Danach begann sich Dominik zu besinnen und wechselte recht schnell den Verein. Miljan, Schmetterlingsstilschwimmer, war ein guter Schwimmer eines anderen Vereins, doch schlug er sich nach einem Streit mit seinem Trainer auf Seiten des SV, weil ihm Daniel, beseelt von dem Gedanken eine machtvolle Truppe für die vier großen Disziplinen im Schwimmen zu haben, überzeugte, den Verein zu wechseln.

Angestellte und Animateure in der „Bar Pocco“

Louis’ „Bar Pocco“ beschäftigt einige Transsexuelle wie die 43 jährige Kathy, die auch „Mama“ oder „Managerin“ genannt wird.

„Angel“, 39 Jahre alt und ehemaliger Mann.

Der Ex-Mann und heutige „Sissy“, 44 Jahre.

Frederic, eine Ex-Frau und 29 Jahre.

Erste Nachwehen

Die Nacht auf der spanischen Insel ist sternenklar, der Mond scheint voll auf das Domizil, der hier abgestiegenen Gäste aus Hessen, hinab. Und doch wirkt das Bild unwirklich. Denn im Innern sind einige Dinge passiert, die noch immer präsent sind. Dylan, ein sechszehnjähriger Jugendlicher und seit etwa zehn Minuten keine Jungfrau mehr, streicht die noch immer feuchten Haare seines Freundes zurück, um sein engelhaftes Gesicht zu erblicken. Evan, ebenfalls sechzehn Jahre und der Grund, warum er die schöne Insel Mallorca besuchen durfte, schmatzt leise vor sich hin, wirkt abwesend. Dylan lächelt sanft und lässt die letzten Minuten vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Nichts deutete darauf hin, dass er und Evan ihren ersten gemeinsamen Sex erleben würden. Im Gegenteil, Evan war mit den Nerven am Ende, als die beiden seinen Wunschgeliebten Louis und eine fremde Frau in der Nemobar des Hotels aufspürten. Sie wirkten sehr vertraut miteiander, Louis hatte sogar all seine Verfühungskünste aufgewendet, um in dieser Nacht einen wegstecken zu können. Ungeachtet der Gefühle, die er bei Evan dadurch erwecken könnte. Seit einigen Monaten hing Evan förmlich an seinem Schwimmtrainer Louis, ignorierte die Tatsache, dass Louis heterosexuell ist und von wahrer Liebe ohnehin nichts versteht. Bei den Regionalmeisterschaft vor einigen Wochen schwamm Evan einen Europarekord in 50 Meter Freistil und holte damit auch die Regionalmeisterschaften der Junioren zu ihrem Verein SV Bergfeld. Louis musste dann sein Versprechen einlösen, Evan mit zum Betriebsausflug seiner Arbeitsstätte, der im Kreis Dannhausen bei Frankfurt/Main sehr bekannten privaten Schwulenbar „Bar Pocco“ mitzunehmen. Mindestens das hatte sich Evan verdient! Verdient hatte er allerdings nicht, dass Louis sich praktisch vor seinen Augen mit einer brünetten Schlampe herumleckte! Aber es nahm doch ein gutes Ende. Evan ließ nach seiner ersten Trauerzeit in seinem Hotelzimmer die Barrieren fallen und bat Dylan förmlich darum, mit ihm zu schlafen. Und es war sehr geil! Evan verlor sogar die Scheu vor dem dicken Glied seines Beschützers und, wenn es nach Dylan ginge, Verlobten und blies Dylan fast das Hirn aus dem Schädel! Eigentlich hatte sich die lange Wartezeit für Dylan rundum gelohnt. Als Kinder, wo sie sich das erste Mal küssten und damit für Dylan bereits verlobt waren, hatte zwar niemand damit gerechnet, dass Evan wirklich von einem Mauerblümchen zu einem krass-geilen Lanzenlutscher mutieren würde. Aber so spielt das Leben und der Beweis klebt noch immer auf der nackten Haut des Jugendlichen. Sein Samen mag erkaltet sein, die wenigen Körperhaare rund um seinen Lustprügel zusammengeklebt, aber die Erinnerung ist wohl sehr lange noch frisch.

Evan war Dylans erstes Mal. Er hätte es mit niemand anderen lieber erlebt als mit ihm. Okay, Dylan hatte Angst, als es ernst wurde, aber das hatte wohl jeder kurz vorm ersten Orgasmus durch Fremdeinwirkung. Doch zeigte sich dadurch Evan von seiner starken Seite und übernahm die Kontrolle im Bett. Evan hatte sicher auch Angst gehabt, aber er hatte wie beim Schwimmen den Angriff aufgenommen und sowohl sein, als auch Dylans Angst überwunden.

Jetzt ist Dylan auch darüber dankbar. Er spürt noch immer Evans liebliche Lippen an seiner Eichel, kann noch immer den Speichel auf der Haut erfühlen. Und vielleicht, wenn alles gut läuft, war das nur der Anfang ihrer Beziehung. Evan wird Louis endgültig abservieren und Dylan kann schon mal die Hochzeitsglocken hören. Ja, dieser Urlaub der Bargemeinschaft um ihren Geschäftsführer Louis und dessen Bruder und Evans Kinderfreund Julian, hat schon jetzt auf der Hälfte der Woche voll seine Erwartungen erfüllt. Zufrieden schließt Dylan seine Augen und krault zärtlich Evans Kopf.

Louis zieht das Bein an den Oberkörper und blickt aus dem großen Fenster in die Nacht hinaus. Noch immer trägt er seinen Anzug. Eigentlich hätte er diesen schon längst ausgezogen. Spätestens dann, als Louis die aufgeregt wippenden, vollen Brüste von Rhiana berührte und sie zärtlich knetete ... wäre zumindest seine Krawatte inklusive Hemd ein Opfer ihrer gemeinsamen Lust geworden. Oder aber als er mit den Fingern ihr trägerloses Kleid entfernte, um die erregten Knospen ihrer Weiblichkeit zu liebkosen. Er hätte aber spätestens nach dem zärtlichen Saugen ihrer Brustwarzen eine gierige Erregung spüren müssen!

Dabei fing alles so gut an. Man entdeckte einige Gemeinsamkeiten, Rhiana sprach von einem beflügelnden Job in der Modebranche und von ihrer bevorzugten Sportart Tennis. Alles lief gut, wirklich gut. Man zog sich gegenseitig an, die Blicke wurden tiefer, die Hände fanden immer häufiger die Haut des Gegenübers. Louis hatte ein Programm abgespult, das in der Vergangenheit durchweg zum Erfolg führte. Doch nichts!

Als Rhiana ihre Finger mit stöhnenden Lustlauten zu seiner Gürtelschnalle bewegte, sie öffnen wollte, legte er seine Hand auf ihre und zog sie zurück. Er konnte es nicht. Sein Verstand überschlug sich, sein Gewissen ackerte auf Hochtouren. In seinem Kopf waren immer die strahlenden Augen seines jungen Stars präsent. Evans Stimme durchfloss seinen Verstand. Die vielen Berührungen, die Schwärmereien ... und zum guten Schluss, als Louis gewaltsam versuchte seine innere Stimme zum Schweigen zu bringen ... Der Kuss in seinem Büro kurz nach der Regionalmeisterschaft! Evan hatte es geschafft, einen Kuss zu fabrizieren, der tatsächlich so schnell nicht in Louis’ Hirn bedeutungslos versickert war! Dabei war der Kuss nicht großartig anders als viele andere Küsse vorher. Gut, Evans Lippen waren etwas grobporiger, sein Duft ein wenig markanter und doch waren das nur feine Unterschiede. Jetzt, einige Zeit nach diesem Kuss, zeigte sich das ganze Spektrum dieses Kusses. Die Gefühle, welche Evan in diesen Kuss steckte, brachen in grausamer Klarheit über Louis ein. Vorher hatte er sie zwar bemerkt, sich aber geweigert diese Gefühle zu erforschen und somit bis heute erfolgreich verdrängen können. Nun haben sie dazu geführt, dass Louis seine brünette Errungenschaft zunächst unbewusst, später ganz bewusst abgelehnte.

Er lässt sich auf das bisher unbenutzte Kissen sinken und starrt an die Decke. So hat er sich das ganz sicher nicht vorgestellt. Rhiana kommt aus dem Bad heraus. Sie hat ihr Abendkleid mit einem gemütlichen Seidenschlafanzug gewechselt und die Schminke entfernt. Noch immer ist sie attraktiv, noch immer strahlt sie eine große Selbstsicherheit aus. Sie ist der Typ Frau, den Louis gerne erobert. Eine Karrierefrau, die sich wenig Gedanken darüber macht, was der Herr des Abends am Tag danach macht und keine Telefonnummern herausgibt in der Hoffnung, dem Mann noch einmal zu begegnen. Sie rutscht auf die freie Seite des Bettes und schiebt das Kissen hoch, um den Rücken gemütlicher zu betten. Sie schweigt, öffnet das Nachtschränkchen und holt eine Lesebrille und einen dicken Schmöker hervor. Louis hat seine Augen noch immer an die Decke gerichtet. Im Moment versucht er eine Lösung für das Evan-Problem zu finden.

Rhiana setzt die Brille auf und öffnet das Buch am Lesezeichen. Sie zieht die Beine an, um das Buch besser ablegen zu können und versucht die Zeile zu finden, wo sie am Abend zuvor aufhörte. Noch immer rührt sich Louis nicht.

Als sie auch nach drei Minuten vergeblich versucht hat, sich auf den Text einzulassen, seufzt sie tief und schlägt das Buch zu.

„Wie lange hast du noch vor, wie ein Grab zu schweigen? Und kannst du das nicht auch in deinem Zimmer? Es hat nicht sollen sein, vergiss es einfach. Ich zumindest werde trotzdem gut schlafen können.“ Sie schaut ihn an und zieht die Brille von der Nase. Kurz betrachtet sie den attraktiven Mann an ihrer Seite, der anscheinend lieber gelb-weiße Decken betrachtet als lebende Wesen an seiner Seite. Dann schiebt sie das Buch auf den Tisch und legt die Brille dazu, dreht sich ganz zu ihm. „Louis, komm schon. Es ist kein Weltuntergang, dass du heute nicht kannst. Warum müsst ihr Männer immer gleich in Selbstmitleid versinken, weil ihr mal nicht euren Mann stehen könnt? Das ist doch völliger Unsinn. Solche Tage gibt es. Manchmal kann man sich von seinen Problemen nicht so einfach lösen. Du bist garantiert nicht der Erste und wirst auch bestimmt nicht der Letzte sein, der trotz Lust sich auf seinen Körper nicht konzentrieren konnte. Die nächste Frau wirst du dann doppelt so glücklich machen.“

Sie versucht ihn aufmunternd anzulächeln. Für sie ist das nun kein wirkliches Problem. Es gibt einige süße Männer hier im Hotel, die offenbar ohne Begleitung gekommen sind. Wenn es heute nicht geklappt hat ... morgen ist ein neuer Tag und eine neue Chance. Louis zeigt endlich eine Reaktion. Er richtet sich auf und streicht seine mittlerweile halbwegs vernichtete Frisur zurück, um die pieksenden Strähnen aus der Stirn zu entfernen. Er möchte nun eigentlich am Liebsten alleine sein. Sich ablenken und vielleicht morgen seine Konsequenzen ziehen. Wie auch immer sie aussehen werden. Er lächelt sie charmant an und meint: „Nimm es mir nicht übel, aber ich denke, so einfach wird das nicht werden. Der Abend war trotz allem sehr schön. Wir sehen uns morgen zum Frühstück.“

Er steht auf und wirft sich seinen Blazer über. Ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft, vielleicht noch ein Bierchen trinken und so den Kopf frei pusten. Das ist es, was er jetzt braucht. Keine tiefsinnigen Gespräche oder Analysen. Das kann er besser alleine und mit etwas Abstand dazu. Er wendet sich zur Tür, bleibt aber noch einmal stehen, um seine verflossene Nachtbeschäftigung anzublicken. Leise seufzend murmelt er: „Wirklich bedauerlich ...“ Damit verlässt er das Zimmer und bemüht sich krampfhaft darüber klar zu werden, wo er nach dem Spaziergang einkehren soll.

Evan öffnet halb die Augen, der Kopf liegt auf Dylans nackter Brust. Seine Augen brauchen ein paar Augenblicke, um klare Linien zu sehen. Sein Herz hat sich beruhigt, sein Körper mit angenehmer Schwere gefüllt. Er betrachtet halb fasziniert, halb müde das seitlich liegende Glied seines Beschützers. Eben war er um einiges größer. Ein starkes, zuckendes Stückchen Leben. Doch auch im Ruhezustand bildet das dicke Glied und die halb verdeckte Eichel einen Blickfang für Evan. Er weiß, dass er es garantiert noch häufiger sehen darf. Mit einem schwachen Lächeln über seine Gedanken schiebt er das Glied etwas mehr in Sichtweite seiner Augen. Viel hat sich dadurch nicht verändert. Durch das schwache Licht in Evans Zimmer glitzert die Spitze noch immer feucht. Bisher ist keiner von beiden aufgestanden und hat den Liebessaft auf der Haut weggeputzt. Es hätte den Moment zerstört, diese angenehme Nähe unterbrochen. So richtig bewusst ist sich Evan noch nicht darüber, dass er jetzt wohl erwachsen geworden ist ... auch wenn er vielleicht noch immer nicht mitreden wird, wenn seine nun ehemaligen Klassenkameraden über ihre Freundinnen diskutieren werden. Dylan ist ja keine Frau und glauben würde man es ihm eh nicht, zumindest nicht, wenn man Dylan kennengelernt hat. Er ist nicht der Typ dafür, sich einen Mann zu suchen. Er ist dafür selber viel zu „männlich“. Evan grinst leicht darüber. Was macht einen Mann aus, um als „männlich“ zu gelten? Für Evan nur ein Schlagwort, ohne wirkliche Bedeutung. Zumindest wird man bei Dylan nie vermuten, dass er sich nach einem Mann verzehrt hat. Zukünftig wird er das wohl nicht mehr brauchen. Vorausgesetzt, Evan kann trotz dem heute Erlebten und Gesehenen von Louis entfernen. Denn irgendwie ... regt sich in ihm langsam wieder die Frage „War das jetzt alles?“ Louis tat das, was er ankündigte, er suchte sich eine Frau. Und wenn er an Kathys Worte denkt, Worte die auch Louis später bestätigte, ist sie nur gut genug für eine gemeinsame Nacht gewesen. Der Schmerz darüber ist sicher noch lange nicht verklungen, aber die Leere in ihm hat einem neuen Willen Platz gemacht. Irgendwie weiß er, dass auch die Brünette nicht in der Lage sein würde, Louis die wahre Liebe zu zeigen. Dafür ist Evan zuständig ... aber nur, wenn er jetzt nicht aufgibt. Dylan hat den Kopf gehoben, als Evan sein Glied auf den Oberschenkel schob und grinst.

„Hast du noch nicht genug? Wenn du Bock hast, dann wiederholen wir das. Hatte genug Ruhepause. Am Besten, wir nutzen die Zeit und vertiefen unsere Erfahrung.“ Er schlingt seinen Arm um Evans Rücken und will seinen Kopf auf seine Höhe bringen.

Doch dann klopft es an die Tür und die beiden Jugendlichen preschen auseinander.

Evan springt auf und schaut sich panikartig nach seinen Sachen um. Fahrig ruft er: „Moment!“

Dylan ist ebenfalls aufgesprungen und greift nach dem erstbesten Kleidungsstück, was er erreichen kann, seine Jeanshose ohne Unterhose. Eilig steigt er hinein und schiebt mit dem Fuß das T-Shirt von Evan in seine Richtung, während Evan seine Unterhose verkehrt herum anzieht.

„Shit! Moment bitte!“ flucht er. Ohne den Fehler an der Kleidung zu korrigieren, streift er sich das T-Shirt über und wirft dann Dylan sein Hemd zu. Dylan fängt es auf und brüllt dann plötzlich laut und schmerzerfüllt auf. Evan wirbelt herum und starrt Dylan an. Dieser hat sich gekrümmt und fummelt am Reißverschluss der Jeans herum. Tränen laufen über seine Wange.

„Haut ... und Reißverschluss ... ergeben ... Schmerz”, keucht der Junge.

Evan legt unwillkürlich seine Hand auf seinen Schoss und nickt mitfühlend.

Dylan setzt sich auf das Bett und zieht sich das Hemd über. Den Reißverschluss lässt er offen und schiebt nur einen Zipfel seines Hemdes über den Hosenstall. Dennoch reibt er sich die eingeklemmte Stelle leidend.

Evan schlüpft in seine Hose, dunkelrot vor Scham. Die Person, die draußen vor der Tür steht, wird Dylans Schrei ebenso mitbekommen haben. Aber es ist jetzt eh zu spät. Eine Ausrede werden die beiden sicherlich finden. Er setzt sich neben Dylan auf das Bett, überprüft noch einmal, ob Dylan ausreichend bekleidet ist, bevor er laut sagt: „Ja, herein.“

Dylan zerrt seine Hand aus der Hose und tut möglichst unschuldig, als Julian und Tom, Julians langjähriger Geliebter, verwirrt ins Innere kommen. „Was ist passiert? Warum habt ihr so geschrien?“, will Julian mit eindeutiger Sorge im Blick wissen.

„Ich hab mir den Zeh angeschlagen. Nichts wildes”, sagt Dylan mit fester, aber leicht gepresster Stimme.

Julian mustert ihn nicht wirklich überzeugt.

Evan entdeckt an seinem Fuß die Boxershorts von Dylan. Sie liegt hervorragend sichtbar am Ende des Betts. Er angelt mit der Sohle nach dem Kleidungsstück und lässt es mit einer raschen Bewegung unter dem Bett verschwinden, in der Hoffnung unbemerkt geblieben zu sein. Mit einem kindlichen Grinsen sagt er: „Ihr seid schon wieder da? War es denn schön?“

Tom, der die Bewegung durchaus bemerkt hat ... aber vermutlich nicht, was Evan da verstecken wollte, bekommt eine gesunde Hautfarbe und legt die Hand in den Nacken, während Julian wild kichernd zu Boden blickt.

„Ähm ... ja doch, es war ein schöner Abend. Wir wollten eigentlich nur nach euch schauen und fragen, ob ihr noch Lust auf eine Cola oder so habt?“ Tom guckt fragend zu seinem Freund.

Anscheinend hat Julian das eben gerade beschlossen. Also hat er doch Toms Ratschlag ernst genommen und wird über Louis’ Worte, Evan vermutlich doch eine Chance zu geben, nicht sprechen. Wobei ... auch bei einer Cola kann man solche Themen anschneiden. Grund genug um Julian bittend anzublicken. Dieser jedoch hat etwas entdeckt, was ihm als ordnungsliebender Mensch sofort ins Auge springt. Anklagend deutet er auf sein eigenes Bett.

„Habt ihr euch auf meinem Bett gerauft? Das ist ja total zerwuselt. So habe ich das garantiert nicht zurück gelassen.“

Evan folgt seiner Geste und räuspert sich verlegen. Es war zwar nicht ihr Liebesnest ... aber es war der Ort, wo Evan Dylan überwältigte, als er wissen wollte, was mit Louis los war. „Tut ... tut mir leid. Ich ... ich bringe das sofort wieder in Ordnung. Und wir kommen bestimmt gerne auf eine Cola runter, oder Dylan?“

Dylan rümpft die Nase. „Ein Bier wäre mir lieber!“

Julian schüttelt bestimmend den Kopf. „Kommt gar nicht in Frage. Deine Eltern werden mich töten, wenn sie erfahren, dass du im Urlaub wie ein Loch gesoffen hast. Cola, mehr ist nicht drin.“

Dylan grinst frech. „Wenn ihr alle eure Klappe haltet, werden sie das auch nicht erfahren.“

Julian dreht sich halb um. „Es reicht, wenn ich es weiß. Wir treffen uns unten.“ Julian zerrt Tom mit sich und schließt die Tür von außen. Dann atmet er tief durch und schaut zu ihm hoch. „Denkst du das, was ich denke?“, fragt er leise.

Tom reibt sich das Kinn. „Die Indizien sprechen für sich. Ja, ich denke, ich muss dir zustimmen.“

Julian reibt sich die Haare zurück und sieht unglücklich aus. „Wir hätten die beiden nicht alleine lassen dürfen. Beim nächsten Mal wird vielleicht sogar Blut fließen! Dylan muss endlich aufhören, Evan zu bedrängen. Ich sollte unbedingt mit ihm reden.“ Unterlippeknabbernd macht er sich auf den Weg zur Treppe.

Tom hat den Zeigefinger erhoben, klappt den Mund zu und blinzelt verwundert, als Julian ihn stehen lässt. Eigentlich wollte er gerade einen Kommentar dazu ablassen, dass Evan jetzt wohl keine Jungfrau mehr ist. An eine Schlägerei zwischen den beiden hat er nun weiß Gott nicht gedacht.

Spät in der Nacht schleicht sich Louis in sein Zimmer und gähnt herzhaft. Er war garantiert für einige Stunden am Strand und hatte einfach nur seinen Gedanken freien Lauf gelassen und dazu zwei große Flaschen Mineralwasser getrunken. Das Bier, das er sich an der Bar bestellte, hatte er kaum angerührt. Es schmeckte ihm nicht mehr. So bezahlte er einen horrenden Preis für zwei Flaschen Mineralwasser und verließ die gut besuchte Hotelanlage. Das war nötig, denn Louis hat eine neue Strategie entwickelt, um die nächste Zeit gut zu überstehen. Und wenn einige Leute mitspielten, dann konnte das allen Parteien helfen. Leise und auf Zehenspitzen steuert er das Badezimmer an, um sich aus dem reichlich mitgenommenen Anzug zu befreien, die Haare unter Wasser zu halten und seine müden Glieder auszustrecken. Hinter ihm flammt die Nachttischlampe von Dylans Bett auf und Dylan hat sich in Schneidersitz aufgesetzt. Denn wie es das Schicksal, oder aber das Losglück wollte, mussten sich Louis und Dylan ein Zimmer teilen. Julian befürchtete nicht zu Unrecht, dass es Probleme gegeben hätte, wenn Louis und Evan, wie Evan wollte ... oder aber Dylan und Evan, wie es Dylans Wunsch war ... ein Zimmer teilen würden. Demnach ist nun Dylan bei Louis und Evan bei Julian ... und, ganz zu Julians Unmut, Tom und die Managerin der Bar Pocco Kathy gemeinsam in einem Doppelzimmer.

„Es ist drei Uhr morgens! War wohl ein wildes Bettgeplänkel, was?“

Louis sackt zusammen und dreht sich genervt zu ihm um. „Und selbst wenn, geht dich das nichts an. Hast du etwa die ganze Zeit hier auf mich gewartet?“

Dylan schüttelt ernst den Kopf. „Bestimmt nicht. Ich zumindest hatte einen sehr schönen Abend, nachdem ich Evan seelisch aufbauen musste, weil du unbedingt deine Angel auswerfen musstest.“

Louis seufzt tief und schaut zur halb geöffneten Badezimmertür. „Tut mir leid für dich, Dylan. Aber Evan muss damit leben. Ich bin sogar versucht zu glauben, dass er das auch gut kann. Ich werd morgen mit ihm reden. Für heute habe ich die Schnauze voll und bin nicht unbedingt gewillt, einem Teenager Rechenschaft abzulegen. Wir können unsere Diskussion morgen fortführen. Heute will ich einfach nur noch schlafen und du solltest das auch tun.“

Dylan grinst. „Ich denke, das hat sich erübrigt, Louis. Evan wird sich höchstwahrscheinlich zukünftig weniger um dich scheren.“

Nun hebt Louis doch den Kopf und guckt ihn lauernd an. „Ah ja? Was macht dich da so sicher?“

Dylan streckt die Brust raus und schaut ihn stolz an. „Evan hat endlich meine Qualitäten entdeckt und sich bei mir für alle Sorgen, die er mir bereitet hat, entschuldigt. Ich denke, damit bist du aus dem Rennen. Wir haben dich und die Fliedertante in der Nemo-Bar beobachtet und Evan hatte seine erste Liebeskrise. Und als Ehrenmann war ich natürlich an seiner Seite, während du lieber zwischen den Schenkeln der Brünetten verbracht hast.“

Louis schließt die Augen, seine innerliche Ruhe wird bei Dylans Siegeslaune deutlich auf die Folter gespannt. Doch Louis bekommt das trotz seiner Müdigkeit gut unter Kontrolle und sagt dann langsam: „Abgesehen davon, dass ich mein Leben perfekt genug selber beherrsche und keine Wachhunde oder meinetwegen auch Spione in Form von zwei Jugendlichen brauche, ist zwischen ihr und mir gar nichts passiert. Du kannst es glauben oder lassen, das ist mir herzlich egal.“ Er wendet sich ab und geht ins Bad. Louis hat damit schon wieder viel zu viel Information Preis gegeben. Sollte es stimmen, was Dylan so stolz behauptet, dann braucht sich Louis nicht weiter zu verrenken oder gar noch länger über Evan und ihn nachdenken. Andernfalls ist die zweite Runde eingeläutet worden. Man wird sehen, wohin diese Wege nun führen werden. Er wirft das Hemd mit Krawatte auf den Badezimmerschrank und lässt Wasser im Waschbecken laufen. Aber er spürt schon, während er das warme Wasser über seinen Kopf laufen lässt, dass Dylan ebenfalls im Bad ist. Dafür muss er nicht einmal den Kopf drehen. Dylan lehnt sich an den Türrahmen und fragt erstaunt:

„Ihr habt es nicht miteinander getrieben? Dabei sah es für uns so aus, als würdet ihr es gar nicht mehr abwarten können.“

Louis wirft seine nassen Haare zurück und angelt nach einem Handtuch. „Die Augen nehmen nur das auf, was sie sehen. Da ihr ausschließlich die Phase in der Bar mitbekommen habt, musstet ihr den Rest dazu erfinden. Denn danach wart ihr mit Sicherheit nicht mehr dabei.“ Er versteckt seinen Kopf unter dem großen Handtuch und rubbelt seine Haare trocken.

Dylan beißt sich auf die Unterlippe und wartet ab, bis Louis das Handtuch zurück an den Harken hängt. „Wirst du das Evan auch sagen?“

Louis grinst Dylan verwegen an und antwortet: „Na freilich. Denkst du etwa, ich werde ihn im Unklaren darüber lassen?“

Dylan schüttelt den Kopf. „Lass es einfach so, wie es ist, Louis. Ich denke, Evan hat genug unter dir leiden müssen. Warum willst du ihm nur wieder Hoffnungen machen, obwohl du doch absolut kein Interesse an ihm hast? Eigentlich kläre ich solche Dinge wie es unter Männern üblich ist. Aber da ich deinen Bruder und meinen Leichathletiktrainer Julian und einen Freund, Evan, habe, die mich danach nicht mehr mit dem Arsch anschauen würden, lasse ich das bleiben.“

Louis nickt zustimmend. „Eine weise Entscheidung, Dylan. Gewalt bringt keine Lösung. Weder hier noch an anderen Stellen im Leben. Und zu deiner Bemerkung. Ich habe dafür meine Gründe. Versichern kann ich dir jedoch, dass ich es nicht deshalb tue, um ihm Hoffnungen zu machen. Da ihr beide ja nicht in der Lage dazu wart, einfach abzuwarten, was passiert, muss mal wieder die gute Seele und Sanitäter des Sportvereins SV, also ich, einschreiten und Missverständnisse ausräumen. Und da verlasse ich mich besser auf mich, als dir das Feld zu überlassen, ob du es Evan sagst oder nicht. Denn ich bin mir sicher, dass du eher einen Vorteil daraus ziehen kannst, wenn Evan das nicht weiß. Und wir wollen ja fair bleiben, nicht wahr?“

Ein neues Leben

Keuchend lehnt sich Evan an die nassen Fliesen der Dusche. Er hat es schon wieder getan, dabei wollte er nur schnell duschen und danach Julian zum Büffet folgen, um den Tag gemütlich zu beginnen. Aber schon als er schlaftrunken nach seinen Badelatschen griff, entdeckte er die rot-schwarze Boxershorts von Dylan unter seinem Bett. Beide haben sie völlig vergessen, nachdem Julian und Tom in Evans Zimmer standen. Sie hatten sich nur kurz gewaschen und sind dann den beiden gefolgt. Jetzt aber hat diese Boxershorts den Grund dafür geliefert, dass Evan sich schlagartig wieder an den Sex zwischen ihnen erinnerte und seine Lenden haben aus der üblichen Morgenlatte eine neue sexuelle Episode entwickelt. Denn während er sich unter der Dusche reinigte und seine Gedanken und Gefühle erneut durchspielte, die er während seines ersten Males empfand, raste sein Herz wieder unkontrolliert und sein Glied zuckte auffordernd. Dieses Mal hingegen war die Selbstbefriedigung begleitet von echten, tatsächlich erlebten Empfindungen und Bildern. Und auch da hatte Dylan recht. Damals bei der Regionalmeisterschaft sagte er in der Abstellkammer bereits, dass Selbstbefriedigung nur dann wirklich gut ist, wenn man auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. Das macht den Handbetrieb vollständig. Sein heftigster Orgasmus seitdem er Selbstbefriedigung betreibt, bestätigt dies in allen Punkten. Noch während die Körperflüssigkeit im Abfluss verschwindet, drängen sich jedoch auch andere Gedanken in seinem Kopf. Er will noch mehr Erfahrungen sammeln, noch viel mehr Erfahrungen. Der Sex war gut, nein er war bombastisch. Und doch wird es garantiert auch noch andere Erlebnisse geben, andere ... sicher nicht weniger intensive Gefühle. Er will all diese Erfahrungen auch erleben. Denn an dem Spruch „Sex ist die schönste Nebensache der Welt“ muss ja etwas dran sein. Denn kennen tut diese Floskel jeder.

Bestätigen wird sie wohl auch fast jeder, der schon einmal Sex hatte. Plötzlich versteht Evan auch Louis besser als vorher. Seine Worte, dass er sein Leben genießen will, waren bestimmt auch darauf gemünzt, möglichst viele unterschiedliche Frauen erleben zu dürfen. Um zumindest ein wenig mehr zu sehen, als nur eine Person über einen langen Zeitraum. Jede Frau wird anders aufgebaut sein, beispielsweise verschiedene Brustgrößen besitzen ... unterschiedliche Vorlieben und Erfahrungen haben. Die Verallgemeinerung, dass Frauen alle gleich sind, sind natürlich absoluter Humbug. Sie mögen sich vielleicht in den Ansichten ähneln und doch sind es ganz andere Typen. Sowohl im Aussehen als auch im Verhalten. Jedoch zählt das nicht nur für Frauen. Auch Männer sind nicht alle gleich. Und da kommt Evan auf den Gedanken, den er kurz zwischen den Wolllustwellen sowie in der Erholungsphase danach hatte. Dylans Körper war erkundungswürdig. Nein, er war sogar regelrecht spannend. Denn er war anders als sein eigener Körper. Besonders deutlich wurde das, als er ungewollt die Beschaffenheit von Dylans Glied mit seinem eigenen Glied verglich. Während und auch nach seiner Erektion war es anders gebaut als Evans. Es gibt kein Wesen, was sich gleicht auf dieser Welt. Das eröffnet Evan ein ganz neues Spektrum in seiner Gedankenwelt. Doch dafür ist er nicht dankbar. Im Gegenteil, er könnte Dylan jetzt sogar dafür hassen, dass er ihm dies verdeutlichte. Evan greift grob nach dem Haarschampoo und rubbelt sich ein wenig zu heftig durch die Haare. Er ist tatsächlich wütend darüber. Denn dadurch wird er nun in Zukunft noch viel mehr auf Unterschiede zwischen den Männern, denen er begegnet, achten. Er kennt seine Neugierde. Wobei es nicht nur Dylan Schuld ist. Nein, viel früher war es bereits Louis, der ihn aus dem kindlichen Dornröschenschlaf riss. Ihm ist es zu verdanken, dass dieses begrenzte Weltbild des Jugendlichen gehörig ausgeweitet wurde. Früher hätte er garantiert nie auf Muskeln unter elastischer Haut geachtet. Er hätte auch niemals auf Reaktionen von Erwachsenen mehr als nötig geschaut und auch garantiert niemals seine Hand um das Geschlecht eines anderen gelegt. Damals hatte er deutlich andere Interessen. Andererseits jedoch ist diese Entwicklung auch ein natürlicher Prozess, um Erwachsen zu werden. Das ganze Spektrum eines Erwachsenen hat er noch lange nicht aufgenommen, doch täglich kommen neue Teile hinzu. Gestern war es ein gewaltiger Schub nach vorne. Ein Schub, der unter anderen Umständen und Begebenheiten vielleicht auch langsamer gekommen wäre. Damit muss sich Evan jetzt arrangieren und es innerlich akzeptieren. Evan wünscht sich nur, dass es nicht ganz so schnell präsent wäre.

Die Frühstücksgesellschaft ist reichlich geschrumpft, als Evan im Speisesaal auftaucht. Bis auf Julian, Tom und die transsexuelle Animateurin der Bar Sissy befindet sich keiner an ihrem Tisch. Die unbenutzten Essutensilien deuten auch darauf hin, dass er sie nicht verpasst hat. Er erwidert das begrüßende Lächeln von Julian und setzt sich neben ihn.

„Wo sind denn alle hin?“

Julian seufzt leise und schmiert sich sein Brötchen. „Louis und Dylan schlafen noch tief und fest. Ich wollte sie eben schon wecken, damit sie das Frühstück nicht verpassen. Aber habe es dann doch nicht geschafft.“ Er deutet auf einige belegte Brötchen auf einem großen Teller. „Daher habe ich ihnen einige Brötchen geschmiert. Wenn sie aufstehen, haben sie bestimmt Hunger und bis zum Abendessen dauert es ja noch eine ganze Zeit.“

Tom wischt sich einige Krümel von den Lippen und sagt sanft. „Du bist einfach zu gut für diese Welt.“

Julian stützt seinen Kopf ab und schaut Tom in die tollen braunen Augen. „Hör auf damit, das macht mich verlegen.“

Tom erwidert den Blick. „Aber es ist doch die Wahrheit.“

Julian kichert leise.

Evan lächelt leicht zu den beiden, schaut dann aber wieder nachdenklich auf seinen Teller. „Tom?“, fragt er leise.

Tom reißt sich von Julian los und nickt Evan auffordernd zu.

Evan hebt den Blick und schaut ihn neugierig, aber auch ein wenig ängstlich ins Gesicht. „Dein Bruder Steve und du ... seid ihr euch sehr ähnlich?“

Tom wechselt einen überraschten Blick mit Julian und nickt leicht. „In vielen Beziehungen ja. Warum fragst du?“

Evan presst die Lippen zusammen und meint leise: „Ich habe dich und Julian schon oft beobachtet. Ihr beide habt eine tolle Beziehung, finde ich.“

Tom lacht leise. „Danke, auch wenn es lange genug gedauert hat, bis es so harmonierte wie du es kennst.“

Julian nickt in Erinnerung daran, aber schaut dann Evan durchaus besorgt an. „Warum sagst du das mit dieser traurigen Miene? Ist etwas passiert zwischen Steve und dir?“

Evan schiebt den Teller etwas von sich und fragt gerade heraus: „Ist es bei euch schon vorgekommen, dass Tom seine Interessen hinten angestellt hat, um dich nicht zu verärgern oder aber dir Sorgen zu bereiten?“

Julian hebt eine Augenbraue und nickt. „Ziemlich häufig schon. Aber immer wenn ich das bemerkte, habe ich mich ebenfalls zurückgenommen und wir kamen uns auf halben Weg entgegen. Ich glaube auch, dass das in einer Beziehung dazu gehört. Es ist also sicher nichts Besonderes.“

Tom beugt den Oberkörper vor und schaut Evan nun lauernd an. „Ich bin vielleicht nicht Julian, aber ich habe auch ein gesundes Feingefühl, meistens. Du fragst das doch sicher nicht einfach nur deshalb, um überhaupt etwas sagen zu wollen. Raus mit der Sprache, was ist los?“

Evan spielt mit dem Tischtuch herum, bemüht niemanden anzusehen. An und für sich ist das eine ganz blöde Idee, dieses Thema überhaupt anzusprechen. Jedoch hat sich Evan schon vor diesem Urlaub häufiger Gedanken darüber gemacht, auch als er in der Vergangenheit Toms Reaktion des Öfteren bei Julian beobachtet hatte, ob Steve damals nicht einfach nur Evan nach dem Mund geredet hatte und in Wirklichkeit durchaus Interesse an Evan hatte. Dies aber, weil Evan so verzweifelt auf Steves Worte reagiert hatte, relativierte, um Evan nicht in eine Krise zu werfen. Leise sagt er: „Ich bin nicht sicher. Steve erzählte mir, dass es zwischen Conny und ihm nicht mehr so gut laufen würde. Er berichtete auch, dass die Liebe zwischen den beiden nunmehr eine kleine Flamme und kein loderndes Feuer mehr ist, wie es einst war. Kurz danach sind die beiden auseinander gegangen. Und ich ... ich glaube, daran bin ich ebenfalls schuld.“

Julian senkt das Messer und schaut Evan fragend und verwirrt an.

Sissy, die die ganze Zeit schweigend zuhört, klatscht aufgeregt in die Hände und rutscht gleich um mehrere Stühle näher zu Evan. „Schmutzige kleine Geheimnisse. Details aus dem Leben eines Stars. Vertrau mir Herzchen, Skandale sind bei mir gut aufgehoben. Ich versichere dir, ich werde den Paparazzi nichts darüber erzählen.“ Sie wiegt den Kopf hin und her und setzt wieder ihren Schlafzimmerblick auf. „Obwohl ... wenn der Junge süß ist ...“ Sie kichert leise und streicht ihre blonde Mähne aus dem Ohr, um auch jede Kleinigkeit mitzubekommen.

Evan knabbert unsicher auf der Unterlippe herum. Eigentlich ist sowohl die Zeit, als auch die Gesellschaft nicht unbedingt geeignet, um seine Erlebnisse mit Steve zu erläutern. Andererseits jedoch hat ja auch Louis, allerdings nicht nur er, ihre Beziehung erschüttert. Evan wird die Entscheidung jedoch abgenommen, als eine gutgelaunte Kathy, wie Sissy Ex-Mann, mit einem viel zu großen heftig wippenden Sommerhut mit Kunstfrüchten, einem buntbedruckten Seidentuch um die Hüften und einem vermutlich ausgestopften weißen Bikinioberteil zu der Gruppe kommt.

„Hohoho, einen wunderschönen guten Morgen, Hasis. Entschuldigt meine nächtliche Abwesenheit, aber ich musste meine Seele einmal in der Disco am Ende der Stadt baumeln lassen. Kinder, das war ein Ereignis.“ Sie zieht aus ihrem Basthandtäschchen einen neuen Fächer mit Palmenmotiven heraus und fächert sich zur Bestätigung Luft zu. Sissy hat ein neues Opfer gefunden und schiebt ihr den Brötchenkorb sowie die Butter hin.

„Erzähl, Mama! Wen hast du abgeschleppt? Einen spanischen Knackpopo oder war es ein Landsmann?“

Kathy lacht leise. „Einen? Ich bitte dich, Liebes. Ich bin im Urlaub, meinst du, ich gebe mich da mit einem pro Nacht ab? Du ahnst gar nicht, wie viele einsame Herzen da draußen rumlungern. Also für den Rest der Woche habe ich erst einmal ausreichend Freude bereitet ... und erhalten.“ Sie kichert wild und schwelgt in Erinnerungen. „Unsere Leidensschwester Angel scheint wohl noch immer bei ihrem Texaner zu sein, oder habt ihr sie schon gesehen?“

Sissy hebt bedauernd die Schulter. „Angel kam heute Nacht auch nicht heim. Sie wird vermutlich, dank ihrer kompletten Umoperation, ihr Leben geniessen. Jetzt kann ich mich in den Hintern beißen, dass ich gestern Kopfschmerzen hatte. Dabei brauch ich so langsam auch mal wieder etwas Beschäftigung. Meine Haut wird schon ganz runzelig.“

Julian hält Evan die Ohren zu und zischt: „Hört auf damit, wir haben Kinder unter uns.“

Evan aber wehrt Julians Hände schwach ab. „Julian! Ich bin kein Kind mehr! Jugendlicher vielleicht, aber kein KIND!“ Er zieht eine beleidigte Lippe und guckt auf seinen Teller.

Tom lacht leise. „Warum glaube ich dir das nicht?“

Dafür erntet er einen bitterbösen Blick von Evan. Evan geht darauf aber doch nicht näher ein und zieht dann den Teller wieder zu sich, um endlich mit dem Frühstück zu beginnen. Innerlich ist er Kathy sehr dankbar darüber, dass sie dazwischen geplatzt ist. So muss er sich noch nicht mit dem Thema „Steve“ auseinander setzen. Jedoch wird das nur ein kurzer Aufschub sein. Evan wird mit Steve noch einmal reden müssen. Aber dafür muss er erst seine eigene Angst davor bekämpfen. Immerhin wäre Steve noch immer ein geeigneter Kandidat für Evans Zukunft, da er viele Eigenschaften besitzt, die er sehr schätzt. Aber zu spät auftauchte. Die Angst, dass er Steve verletzen könnte ... oder aber selber wieder unsicher wird, ist noch immer dominierend. Und sich wieder auf die Grübelbank setzen, seine alte Strategie, welche er nach dem Gespräch mit Kathy vor einiger Zeit entwickelte, kann er nun nicht mehr fortsetzen. Leider haben sich die Dinge geändert, nicht wirklich zu Evans Gunsten. Zudem kommt auch noch seine viel unmittelbarere Angst zum Tragen. Die Angst um Dylan. Denn jetzt, wo Dylan seinen Willen bekam und mit Evan geschlafen hatte, wird sich zeigen, wie sich Dylan zukünftig ihm gegenüber verhalten wird. Noch ist Evan, wenn auch mit Schmerzen verbunden, sicher, dass es sich zwischen ihm und Dylan wieder abkühlen wird. Das hat auch Kathy bestätigt. Aber nicht nur das wird sich zeigen ... auch wie Evan sich jetzt gegenüber Louis verhalten soll. Abgeschrieben hat er Louis noch lange nicht. Nein, noch in der Nacht hat sich sein Wunsch gefestigt, dass er Louis die wahre Liebe zeigen will. Denn jetzt kennt er die Beweggründe, warum Louis sein Singleleben so liebt. Evan aber will nicht zu einem „Lebemann“ mutieren. Dafür ist er nicht der Typ. Auch wenn die Verlockung sehr groß ist, wie Evan jedoch erst später feststellen wird.

Tatsächlich steht Louis erst kurz nach Mittag endlich auf, um zumindest den Rest des Tages mit seinen Leuten zu verbringen. Auch wenn sie manchmal richtig nerven, sie sind, einschließlich Evan und Dylan, so etwas wie seine Familie geworden. In seinem Zimmer ist es trotz der Klimaanlage zu dieser Stunde schon sehr warm und Louis zieht das klamme Bett ab. Nach der erfrischenden Dusche wird er sich bei der Rezeption einen neuen Satz Bettwäsche geben lassen. Dylan ist anscheinend schon wach. Denn sein durchwühltes Bett ist leer. Jedoch wird Dylan noch nicht lange auf sein, die Dusche und die Kacheln davor sind noch immer nass. Kopfschüttelnd wird ihm mal wieder deutlich, was er an seinem Bruder eigentlich hat. Julian würde solange wienern, bis sowohl Dusche als auch das restliche Badezimmer keinerlei Spuren mehr von Benutzung aufweisen. Mal ganz zu schweigen vom Bett, wo Julian wie mit einem Zentimetermaß arbeitet, um es sauber und ordentlich zu hinterlassen. Oft ist sein Ordnungsfimmel Grund für brüderliche Seitenhiebe. Louis ist zwar nicht schlampig, aber bei ihm kommt es nicht so darauf an, dass alles akkurat an Ort und Stelle steht. Er geht auch darüber hinweg, wenn ein Kopfkissen mal eine Falte hat oder die Bettdecke nicht hundertprozentig gerade liegt. Julian jedoch fühlt sich nur dann richtig wohl, wenn alles in septischer Ordnung und Sauberkeit vorliegt. Doch so unordentlich wie sein derzeitiger Zimmernachbar ist auch er nicht. Man merkt, dass Dylans Eltern wohl gerne hinter ihrem Jungen herputzen, so dass er keinen Grund dafür sieht, auch selbst ein wenig auf Ordnung zu achten. Louis grinst unter dem kalten Brausestrahl. Nein, er könnte garantiert nicht lange mit Dylan unter einem Dach leben. Zum Glück muss er das auch nicht.

Schon während der Dusche bekommt Louis immer bessere Laune. Die letzte Nacht rückt in weite Ferne. Heute ist ein neuer Tag und Louis hat so einiges vor. Zuerst seinem Bruder eine Freude machen, der neben seinem Bett eine Tüte mit Brötchen und frischem Obst gestellt und ihm einige Zeilen geschrieben hatte, wo er seine Leute finden kann. Danach wird er sich Evan zur Brust nehmen und mit ihm ein Eis essen gehen. Und um den Tag abzurunden wird er Frederic, Barmann und Ex-Frau, Henry, ebenfalls Barmann, und die Mädels zum abendlichen Lagerfeuer in eine Bucht nahe des Hotels schleifen und mit ihnen über ein Konzept für die Gaynights in der bareigenen Disco sprechen, was ihm seit einigen Wochen im Kopf herumspukt.

Julian und Tom sind mit Evan am Strand und aalen sich in der Sonne, als Dylan noch immer kauend und mit Badehose, Schnorchel sowie einem Wasserball zur Gruppe kommt.

Evan, der gerade von Julian eingerieben wird, hebt den Kopf, als ein Schatten über ihn fällt und versucht Dylan neutral anzugrinsen. Trotzdem er sich vorgenommen hat, dass er Dylan nicht anders als sonst behandeln will, bleiben seine Augen einige Augenblicke auf der prall gefüllten blauen Badehose hängen. Er weiß, was darunter lauert und das führt gleich dazu, dass es Evan wärmer wird, als es eigentlich hätte sein sollen. Dylan erwidert das Grinsen und begrüßt die Anwesenden mit einem Nicken. Zu Evan jedoch beugt er sich hinunter und wischt sich den Mund ab. Evan richtet sich halb auf, was Julian dazu bringt, seine Einreibung kurz zu unterbrechen.

Dylan peilt Evans Mund an, um ihn mit einem Kuss in der Öffentlichkeit zu „beglücken“.

Als Evan realisiert, was er vor hat, weicht er instinktiv zurück.

Dylan unterbricht seine Annäherung und guckt fragend.

Evan schaut sich mit hochrotem Kopf auf dem Privatstrand um. „Nicht hier!“ zischt er leise.

Dylan zuckt mit den Achseln. „Mir sind die Leute herzlich egal. Und eigentlich sollten wir doch schon über diese Phase hinaus sein, oder?“

Evan dreht demonstrativ den Kopf weg, „Louis kann jeden Moment hier auftauchen. Ich will das nicht.“

Dylan lässt sich in den Sand plumpsen und starrt den plötzlich wieder so reservierten Evan an. „Hallo? Hast du den gestrigen Abend etwa vergessen?“

Evan legt den Kopf wieder ab und antwortet leise: „Nein, aber ich bin nicht bereit, alles sausen zu lassen.“

Julian schaut fragend zu Dylan, der nun auch noch blass wird. „Was war denn gestern?“

Dylan knurrt enttäuscht und schaut Julian an. „Evan und ich haben Louis gestern beobachtet, wie er mit einer Frau herumgemacht hat. Nicht nur das, sie haben sich sogar geküsst und sind dann gemeinsam und Arm in Arm verschwunden.“ Dass gar nichts passiert ist, behält er erst einmal für sich. Noch hofft er ja, dass Louis alles so lässt, wie es jetzt erscheint, um Dylan freie Bahn zu geben. „Danach ist Evan zusammengebrochen und musste von mir wieder aufgebaut werden. Und gestern sagte er zu mir, dass ihm alles leid tut, was er mir angetan hat. Aber wie du hörst, scheint er sich erneut umentschieden zu haben. Nicht einmal der Sex zwischen ihm und mir wird seine Meinung geändert haben.“

Evan wird dunkelrot und richtet sich ruckartig auf. Das hätte nun nicht sein müssen!

Julian lässt die Sonnenmilch fallen und sein Mund bleibt halb geöffnet stehen, während er ungläubig zu Dylan blickt.

Tom rollt sein T-Shirt hinab und krabbelt einige Meter bis zu Evans Beine nach vorne, um es Julian nachzumachen.

Dylan wirft seine Sachen neben sich und breitet ein Handtuch aus. Es ist ihm herzlich egal, was Evan jetzt von ihm hält. Es ist nun einmal passiert und für Dylan war das der Beginn einer echten Beziehung mit Evan. Entsprechend groß ist natürlich seine Enttäuschung darüber, was er eben aus Evans Mund vernehmen musste.

„Wie ... wie bitte? Wann ... ich mein, wie ... bitte, was habt ihr getan?“ Julian ist völlig durch den Wind, er bemerkt nicht einmal wie die Sonnenmilch sein Handtuch versaut.

Tom, der das bereits schon gestern vermutet hatte, hebt die Sonnenmilch auf und schraubt sie zu. Seine Überraschung darüber hält wesentlich kürzer an und er sagt: „Tjo, Evan. Willkommen in der Welt der Erwachsenen. Hat es wenigstens Spaß gemacht?“

Julian schneidet Tom das Wort ab, als Evans Gesichtsausdruck von zornig zu verlegen wechselt. „Ist das wahr, Evan?“

Evan setzt sich hin und schlingt die Arme um die Beine. Leise sagt er: „Ja, ich war ... war total am Boden. Ich weiß nicht, ob ich mich dafür entschuldigen muss. Früher oder später ... wäre es ohnehin passiert, glaube ich. Aber als Louis mit dieser Frau verschwand und keinen Gedanken an mich verschwendete ... es war wohl auch aus dem Frust entstanden.“ Evan stammelt vor sich hin. Er weiß, jedes Wort, was er versucht zu finden, wird Dylan noch mehr verletzen. Er wird sich ausgenutzt vorkommen. Jedoch versucht der die Flucht nach vorne. „Es war sehr schön für mich. Und ich würde das gerne noch öfters erleben. Aber das weiß Louis auch. So wie er sich Frauen sucht ... suche ich meine eigenen Erfahrungen.“

Dylan überstreckt den Kopf und schaut in den Himmel. „Also war ich für dich eine ... Erfahrung, hm?“

Evans Lippen zittern leicht. „Ja, aber ich hätte meine ersten Erfahrungen mit niemand anderen lieber machen wollen. Dylan ... ich .... meine Liebe ...“

Dylan zieht den Kopf zurück und legt den Finger auf Evans Lippen. „Lass gut sein, Evan. Ich bin es von dir mittlerweile gewohnt, nur die zweite Geige zu sein. Zumindest gibt es etwas, was mir niemand nehmen kann. Ich war dein erstes Mal, so wie du auch mein erstes Mal warst. Das ist schon etwas besonderes.“ Er lächelt ihm entgegen, während Evan ihn traurig anschaut. „Aber glaub mal ja nicht, dass ich dich jetzt aufgeben werde.“

Evan sackt zusammen und blickt Dylan ehrfürchtig an. So stark ... so zielgerichtet. „Du ... bist verrückt, Dylan”, haucht er.

Dylan grinst frech. „Das hast du schon oft gesagt. Aber für mich gibt es etwas, was mich an dich bindet. Egal was zwischen uns vorgefallen ist oder vorfallen wird.“ Er schaut auch zu Tom und Julian, bevor er fortfährt: „Ihr habt alle geglaubt, dass ich Evan fallen lasse, nachdem ich ihn im Bett hatte. Ich aber sage, keiner von euch kennt mich wirklich. Seit Kindertagen bin ich für Evan sein Beschützer. Mein Job ist noch lange nicht beendet. Es kann sein, dass ich mir irgendwann jemand anderen suchen werde. Das kann ich weder planen noch vorhersehen. Nur klar sollte sein, dass ich Evan für keinen Mann der Welt oder auch Frau der Welt sitzen lasse.“ Er schaut Evan ernst an. „Glaub mir, Evan, was du kannst, das kann ich schon lange! So sollten Freunde nun einmal sein.“ Evan schaut Dylan in die hellbraunen Augen. Er kann nicht anders. Er ist völlig hin und weg von der strahlenden Gestalt seines Freundes. Denn Dylan spielt nicht den Großmütigen, um Ruhe hereinzubringen. Erneut hat er seinen Zorn oder Enttäuschung in pure Willenskraft umgewandelt und wird alles andere tun, als sein Wort zu brechen. Dylan sagt leise: „Wenn ich dich schon nicht heiraten darf, möchte ich dich zumindest als meinen besten Freund an mich binden. So haben wir beide alle Optionen offen. Auch die Option unsere gemeinsamen Erfahrungen zu vertiefen.“ Damit zwinkert er und wirft dem überraschten Tom den Wasserball entgegen. „Auf ins Meer. Zeig mal, dass du keine Landratte bist und unterhalte mich.“

Tom fängt den Ball eher als unbewusste Reaktion auf und schaut das Energiebündel verwundert an.

Julian nuschelt leise: „Geht ruhig, ich komme gleich nach.“

Tom wendet den Blick zweifelnd zu Julian, der ihm noch immer verwirrt entgegen lächelt. Mit einem kurzen Nicken zieht er sein T-Shirt aus, schiebt seine für Julian viel zu weite Badeboxershorts hoch und folgt Dylan, der mit einem halben Kopfsprung an eine tiefere Stelle im Meer verschwindet.

Julian schaut zu Evan, der noch immer mit weit entfernten Augen vor sich hinstarrt. Hat er das gerade tatsächlich richtig verstanden? Dylan denkt gar nicht daran, Evan fallen zu lassen? Trotzdem doch alle .... einschließlich Kathy, das prophezeit hatten?

Müde räkelt sich Steve in seinem Bett und blinzelt in die Sonnenstrahlen, welche ihm nachhaltig verdeutlichen wollen, dass er schon viel zu lange geschlafen hat. Mit einem Seitenblick zur Uhr an der Wand springt ihm eine 13 und eine 37 mit rot leuchtenden Lettern entgegen. Geshan, Steves geliebter Hund, wedelt wild mit dem Schwanz, als er die halb geöffneten Augen seines Herrchens bemerkt und begrüßt ihn mit einer nassen Zunge quer über das Gesicht, was Steve nun wirklich wach macht. Er schlingt die Arme um den Kopf seines Hundes und beschäftigt sich zunächst mit seinem wohl treuesten Freund. Geshan hat aber einige dringende Bedürfnisse, welche nur noch wenig Aufschub haben. Er zieht seinen Kopf aus Steves Umarmung heraus und rennt zur Eingangstür, dreht sich mehrfach um seine eigene Achse und bellt ihm auffordernd zu. Steve lächelt seinem Hund entgegen und setzt sich dann auf.

„Gleich Geshan, lass mich nur kurz ins Bad. Ich verspreche dir, es wird auch nicht lange dauern.“ Er schlägt die Decke zurück und erhebt sich schlurfend. Zum wiederholten Male versichert er sich, dass der nächste Rollenspielabend nicht mehr bis vier Uhr am nächsten Morgen dauern darf. Gleichzeitig weiß er jedoch auch, dass sich er und seine Leute wohl nur vierzehn Tage daran halten, bevor wieder ein Marathon auf dem Programm steht. Sie spielen viel zu gerne solche Rollenspiele. Ausreichend genug, um die vorangeschrittene Zeit nicht oder nur kaum zu beachten, wenn es gerade eine spannende Stelle gibt, durch die sich die Helden schlagen müssen.

Nach einer kurzen Haut- und Mundpflege zieht sich Steve schnell frische Sachen über und holt die Leine von der Garderobe. Darauf hat Geshan nur gewartet. Er macht Terror für drei Hunde, bellt laut und erwartend, dreht sich wild um seine Achse und verhindert zunächst mit neuem Gesichtsschlecken das Anleinen. Lachend muss sich Steve aus diesen Liebesbekundungen befreien, damit sie endlich gehen können. Er schiebt das Handy in die Jeanstasche und verlässt mit Geshan dann das stille Haus. Auch seine Eltern haben sich für einen vierzehntägigen Urlaub in ihr Ferienhaus in den Bergen entschieden und Steve das Haushüten überlassen. Während der Hund das Herrchen durch die Wohngegend in Bergfeld zieht, überlegt Steve seine Pläne für heute. Er hat zwar keine Freundin mehr, aber trotzdem genug zu tun. Darunter Einkaufen, Wäsche waschen, die Wohnung putzen und wenn er dann nicht schon erschlagen genug ist, steht noch das Abendtraining im KSV auf dem Programm. Es sind nur noch knapp sechs Wochen, bevor der KSV sein alljährliches Sommerfest veranstaltet. Wie immer mit hoch dotierten Wettläufen in allen Sportarten, die der KSV in seinem Vereinsprogramm hat. An und für sich kann man dieses Sommerfest getrost als Gotteshagener Stadtfest bezeichnen. Etwa zur selben Zeit findet auch die Stadtkirmes im Zentrum der Kleinstadt statt. Es wird sogar ganz bewusst vom KSV angepeilt, um möglichst viele Leute auf das weitläufige Vereinsgelände zu locken und mit ihren Leistungen und finanziellen Möglichkeiten zu protzen. Gleichzeitig nutzt der KSV dieses Sommerfest auch zur „Rekrutierung“ neuer Sklaven, da auch andere Ortschaften aus dem Kreis Dannhausen sich jedes Jahr auf dem KSV-Gelände verirren, um die teilweise richtig spannenden Wettkämpfe kostenlos verfolgen zu dürfen. Wären da nicht die hohen Gewinnsummen und die Umgebungsveranstaltungen, kaum ein Verein würde der Einladung des KSV folgen. Die Sponsoren der Vereine haben natürlich Interesse daran, dass ihre Werbung auf Trainingsanzügen, Trikots und T-Shirts von möglichst vielen Zuschauern gesehen werden. Unerheblich, wie negativ die Vereine zum KSV, nicht nur beim Schwimmen, stehen. Klar, der KSV hat es allen anderen Vereinen im Kreis nicht leicht gemacht. Sie sind von sich überzeugt, können auch gelegentlich schlecht für sich laufende Turniere und Wettkämpfe mit viel Geld zu ihren Gunsten drehen und haben den Sinn des Sports schon lange für die Wirtschaftlichkeit geopfert. Garantiert hängt das aber auch mit dem Neid zusammen, den der Elite-Verein ganz bewusst heraufbeschwört. Ihre Sportler sind sehr gut, sie haben Individualtraining und ausreichend Platz, um sich in ihren bevorzugten Sportarten intensiv auf Wettkämpfe vorbereiten zu können. Steve kennt das Prozedere des KSV seit fast sieben Jahren. Bis heute hat sich daran wenig geändert. Etwa sechs Wochen vor dem Sommerfest wird den Sportlern zunächst ein zusätzlicher Trainingsabend angeboten, der sich vervielfältigt, je näher das Sommerfest rückt. Zum Glück sind nur drei Trainingstermine in der Woche Pflicht und die anderen optional. Bis auf Sonntags ist jeden Tag irgendein Training im Verein. Die Sportler, die einen professionellen Vertrag beim KSV unterzeichnet haben, haben nicht einmal am Sonntag trainingsfrei. Aber solche Koryphäen werden beim Sommerfest meistens nur mit Anwesenheit glänzen und nicht mit ihren gewaltigen sportlichen Leistungen. Sie agieren in anderen Ligen. Es hilft nichts, wenn sie gegen Amateurvereine antreten und sie in Grund und Boden stampfen. Ungewollt wandern seine Gedanken von dem Glamour internationaler Sportgrößen zu dem regionalen Hoffnungsmarkt und damit automatisch zu Evan. Seit der Regionalmeisterschaft ist eine Menge passiert. Als Evan die Dopingkontrollen, die es auch auf regionalen Ebenen gibt, wenn man einen europaweiten Rekord gebrochen hat, unbedenklich überstanden hat, ging die Beziehung mit Conny, seiner Freundin, vollständig in die Brüche. Steve hatte einige Tage nach dem Gespräch mit Evan die Beziehung für beendet erklärt, da sie auch trotz Steves Ablehnung, ob er etwas gefühlt hatte bei dem „Versuchskuss“ der beiden, kurz nach der Regionalmeisterschaft, nicht mehr zu retten war. In der Loslösungsphase hatte sich Steve dann geschworen, vorerst keine neue Beziehung mehr zu beginnen. Er hatte die neue freie Zeit dafür genutzt, um lange zurückgestandene Dinge und Freundschaften aufzufrischen und sich rundzuerneuern. Das war dringend notwendig. Er hatte gar nicht bemerkt, wie tief Conny in sein Leben eingegriffen hatte. Heute kann er sich nicht mehr erklären, warum Conny ihn eigentlich verändern wollte. Sein Leben vor ihr war weder besonders wild noch zurückgezogen. Seine Eltern haben ihn sehr gut erzogen und er war keine graue Maus in der Gesellschaft. An und für sich eine gute Partie. Aber gut, das ist heute auch unwichtig geworden. Und soweit Steve von seinen Freunden erfahren hatte, hatte Conny schon lange ein neues Opfer gefunden, dessen Leben sie nach ihren Wünschen umgestalten konnte. Jedoch konnte sich Steve auch in den Hintern beißen, dass er Evan ziehen ließ. Sie sahen sich täglich in der Schule, waren sogar in derselben Projektgruppe und haben gemeinsam Frösche seziert. Steve hatte absichtlich versucht, die Nähe zu Evan aufrecht zu halten und integrierte ihn öfters in Gespräche, welche er mit Klassenkameraden führte.