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I want you. It's as simple and as complicated as that.
Die temperamentvolle Gigi hat eine Mission: Sie muss den eigenbrötlerischen Autor Kingston überreden, zur Hochzeit seines Bruders zu kommen. Doch als sie vor seiner Tür in Colorado steht, hält er sie nur für eine Ablenkung von seinem neuen Roman. Doch Gigi wirbelt sein Leben auf und löst unerwartet seine Schreibblockade. Spontan schlägt er ihr einen Deal vor: Sie bleibt bis zur Hochzeit, und er begleitet sie zur Feier. Was als Zweckgemeinschaft beginnt, wird schnell mehr. In langen Gesprächen kommen sie sich näher – doch kann ihre Liebe zwischen LA und Colorado bestehen?
Die neue Romance von Melanie Lane – intensiv, leidenschaftlich und voller Gefühl.
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Seitenzahl: 600
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.
Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.
Wir wünschen viel Vergnügen.
Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team
I want you. It's as simple and as complicated as that.
Die temperamentvolle Gigi hat eine Mission: Sie muss den eigenbrötlerischen Autor Kingston überreden, zur Hochzeit seines Bruders zu kommen. Doch als sie vor seiner Tür in Colorado steht, hält er sie nur für eine Ablenkung von seinem neuen Roman. Doch Gigi wirbelt sein Leben auf und löst unerwartet seine Schreibblockade. Spontan schlägt er ihr einen Deal vor: Sie bleibt bis zur Hochzeit, und er begleitet sie zur Feier. Was als Zweckgemeinschaft beginnt, wird schnell mehr. In langen Gesprächen kommen sie sich näher – doch kann ihre Liebe zwischen LA und Colorado bestehen?
Die neue Romance von Melanie Lane – intensiv, leidenschaftlich und voller Gefühl
Melanie Lane stammt aus der schönen Stadt Hamburg, in der sie lebt und in ihrem eigenen Design Studio "schockverliebt" arbeitet. Sie ist begeisterungsfähig, laut, trinkt gerne Vino und verabscheut Schubladendenken. Als bekennende Feministin lebt sie Themen wie Gleichberechtigung und Diversität, was sich auch stets in ihren Titel wiederfindet. Sie liebt Sarkasmus, ist eine große Tierliebhaberin und Schreiben ist ihre absolute Leidenschaft. Neben ihren Romance Titeln, die im Aufbau Verlag erscheinen, veröffentlicht sie 2020 auch ihr Fantasy Debüt „Von Blut und Magie“ im Isegrim Verlag.
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Melanie Lane
Love Me Wild – Mit jedem deiner Worte
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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Triggerwarnung
Vorwort
01: C’est la fucking vie. — Gina Marie
02: You got this. — Gina Marie
03: Don’t let idiots ruin your day. — Gina Marie
04: Someone please call 9 wine wine. — Gina Marie
05: I’m a ray of fucking sunshine. — Gina Marie
06: Silence is the most powerful scream. — Kingston
07: This shit is bananas. — Gina Marie
08: À la folie. To insanity. — Kingston
09: The deeper you dig, the darker it gets. — Gina Marie
10: Forbidden things have a secret charm. — Kingston
11: Intimacy is not purely physical. — Gina Marie
12: You’re on my mind again. Lovely, dirty thoughts. — Kingston
13: Merde. Shit always sounds better in French. — Gina Marie
14: You scare me. — Kingston
15: How do I politely ask him to slam me against a wall and make out with me? — Gina Marie
16: People say a lot. So I watch what they do. — Kingston
17: I was not made to be subtle. — Gina Marie
18: Call me antisocial, but don’t call me. — Kingston
19: The only pain I want, is pain au chocolate. — Gina Marie
20: Clever as the devil and twice as pretty. — Kingston
21: In a society that profits from self-doubt, liking yourself – being yourself – is a rebellious act! — Gina Marie
22: Do you ever crave someone? Not for sex. But for their touch, kiss, voice, or even just presence? — Kingston
23: They were utterly intoxicated by each other. — Gina Marie
24: I want you. It’s as simple and as complicated as that. — Kingston
25: It’s hard to resist a bad boy who’s a good man. — Gina Marie
26: I wanna fuck you senseless. — Kingston
27: Not perfect but myself. — Gina Marie
28: Is it killing you like it’s killing me? — Kingston
29: When his gentle side makes you weak and his dominant side makes you wet. — Gina Marie
30: I want to taste you again. Like a secret or a sin. — Kingston
31: Do something with your life that would make a 1950’s straight white man angry. — Gina Marie
32: Friends don’t look at each other like that. — Kingston
33: In loving memory of when I gave a shit. — Gina Marie
34: Worry is a misuse of imagination. — Kingston
35: I could start fires with what I feel for you. — Gina Marie
36: Trouble never looked so god damn fine. — Kingston
37: I can make you shut up, but you might moan a little. — Gina Marie
38: Yes, I use sarcasm because killing people is illegal. — Kingston
39: And in the middle of my chaos, there was you. — Gina Marie
40: With writing, we have second chances. — Kingston
41: I like you. A lot. — Gina Marie
42: Oh, darling. Everybody sees how you look at her. — Kingston
43: I’d like to scream his name in anger, frustration and lust. — Gina Marie
44: Well. Fuck. — Gina Marie
45: Nobody cares until you’re rich, pretty or dead. — Kingston
46: You and I, we feel like unfinished business. — Gina Marie
47: I still wanna kiss you. — Gina Marie
48: She bent most of the rules. She broke the rest. — Kingston
49: Not what I expected but is it really that bad? — Gina Marie
50: Someone who overthinks is also someone who overloves. — Kingston
51: What exactly was I thinking? — Gina Marie
52: I never wanted more, until I met you. — Kingston
53: I’m in my smart girl era. — Gina Marie
54: At least nobody got hurt. — Gina Marie
55: Scream my name and scream it good. — Kingston
56: I think I love you. I like you. — Gina Marie
57: Things are beginning to change, and I am okay with it. I think. — Kingston
58: You haven’t seen the best of me, I am still working on my masterpiece. — Gina Marie
59: Sometimes you must do the things, you think you cannot do. — Kingston
60: Shit is hitting the fan … — Gina Marie
61: She found home between his arms. — Gina Marie
62: You got it bad. — Kingston
63: Every end of one chapter is the start of another. — Gina Marie
64: When I say forever, I mean it. — Kingston
65: Forever never sounded better. — Gina Marie
Epilog: 4 Jahre später — Gina Marie
Danksagung
Triggerwarnung und Content Notes
Impressum
Liebe Leser:innen,
in Love Me Wild – Mit jedem deiner Worte
sind potenziell triggernde Inhalte enthalten.
Hierzu findet Ihr am Ende dieses Buches entsprechende Hinweise.
Wir wünschen Euch ein schönes Leseerlebnis.
Eure Aufbau Verlage
»Love Me Wild« ist eine Geschichte, von der ich nicht gedacht hätte, dass ich sie jemals schreiben würde. Sie hat mich einfach überrollt. Es ist eine Geschichte, von der ich nicht wusste, dass ich sie gebraucht habe, und die sich so tief in meinem Herz verankert hat wie keine je zuvor.
Dieses Buch ist für all jene von euch, denen es ganz genauso gehen wird, denn »Love Me Wild« ist wie Taylor Swifts »Snow on the Beach« – weird but fucking beautiful. Empowernd und heilend. Kalt und heiß. Einfach Gigi & Kingston.
Viel Spaß beim Lesen <3
01
Gina Marie
Ist das dein scheiß Ernst, Ty?«
»Gigi.« Raphas leises Seufzen drang an mein Ohr. »Ausdrucksweise.«
»Ich scheiß auf deine Regeln, Rapha. Dein Verlobter will mich quer durchs Land jagen, um deinen sturen Bruder einzusammeln. Im Winter. In Colorado!« Ich umfasste das Handy fester und widerstand dem Drang, das Ding gegen die Wand zu werfen. »Was in aller Welt denkt ihr euch dabei?«
»Nicht einsammeln«, korrigierte Ty mich zum zweiten Mal. »Du sollst ihm lediglich ins Gewissen reden und ihn dazu bringen, in vier Wochen zur Hochzeit zu kommen.«
»Na, das ist natürlich was ganz anderes.«
Ich versuchte gar nicht erst, den Sarkasmus in meiner Stimme zu verbergen. Ty kannte mich mittlerweile gut genug. Er konnte mich gerade nicht sehen, aber er kannte meinen Tonfall.
»Ich würde es selbst machen«, erwiderte er, um einen ruhigen Tonfall bemüht. »Aber du weißt, dass wir mitten in den anstrengenden Hochzeitsvorbereitungen stecken, dann die neue Wohnung und Raphas Prüfung … wir können hier gerade wirklich nicht weg.«
»Aber Violett – «, begann ich, nach meinem letzten Strohhalm greifend und prompt unterbrochen.
»Violett hat in den nächsten Wochen ein wichtiges Meeting nach dem anderen, und Jax unterzeichnet den Vertrag für sein Restaurant.«
»Außerdem hat er eine neue Gruppe Jugendlicher im Gemeindezentrum aufgenommen«, warf Rapha wenig hilfreich ein.
»Ja, aber Kingston ist nicht mein Bruder«, murrte ich leise.
»Wäre er dein Bruder, wäre er vermutlich nicht so egoistisch, uns per WhatsApp abzusagen. Vier Wochen vor der Hochzeit! Ohne uns überhaupt einen Grund zu nennen.«
»Gut, dass ich keinen Bruder habe …«
»Gigi!«
»Hör auf, sie anzuschreien, Tyler.« Rapha atmete geräuschvoll aus. »Du hast keinen Bruder, aber ich. Und ich hätte ihn wirklich gerne dabei, Gigi. Es würde mir viel bedeuten.«
Verdammt! Jetzt kam er mir auf diese Tour … ich sah Raphas flehenden Blick regelrecht vor mir. Ich saß in die Zwickmühle.
Ich hatte absolut keine Lust, nach Colorado zu fliegen und Kingston in den Arsch zu treten, damit er zur Hochzeit kam. Ich war von New York nach L. A. gezogen, damit ich in den Wintermonaten eben nicht durch Schnee und Matsch stapfen und mich in die dicksten Klamotten einwickeln musste! Ich wollte nicht nach Colorado fliegen. Dort war es gerade bitterkalt – noch kälter als in New York. Dennoch spürte ich, wie ich innerlich nachgab. Es war einfach unmöglich, Tyler Gibson etwas abzuschlagen. Violett war der beste Beweis dafür. Nur hatte sie durch Tys Hartnäckigkeit – und einen One-Night-Stand – die Liebe ihres Lebens gefunden. Darauf war ich nicht aus. Definitiv nicht. Alles, was ich tun würde, wäre, Flugmeilen sammeln und ein, zwei Meetings versäumen. Meetings, die ich ohnehin von überall führen konnte. Zum Arbeiten brauchte ich lediglich meinen Laptop und WLAN. Was Ty ganz genau wusste, dieser manipulative Mistkerl.
»Gigi, Darling …«
»Komm mir nicht mit diesem Darling-Mist. Ich bin nicht Vi.«
»Nein. Vi wäre längst im Flugzeug.«
»Autsch, Tyler. Nicht nett.«
Aber korrekt.
»Du kannst es ab«, erwiderte er, plötzlich ernst. »Lass mich, Rapha, sie kann das ab. Und genau deshalb bist du die richtige Person, um Kingston ins Gewissen zu reden«, richtete er seine Worte wieder an mich. »Du lässt dich von seiner mürrischen Art und seinem Gehabe nicht einschüchtern.«
Jason, mein Ex, war der letzte Mensch gewesen, von dem ich mich hatte einschüchtern lassen. Das würde mir nicht wieder passieren. Basta. Ich würde mich von niemandem mehr kleinmachen lassen, egal ob Mann oder Frau.
»Ty, ich – «
»Bitte, Gigi. Bitte!«
Rapha stimmte in Tys Flehen mit ein.
»Jungs!« Ich wurde lauter. »Jungs!«
»Ja?« Tys Stimme klang hoffnungsvoll. Und so süß, dass ich mit den Augen rollte.
»Ich mache es.« Was Ty von Anfang an gewusst hatte.
Rapha stieß einen kleinen Jubelschrei aus. »Danke, Gigi.«
»Jaja. Schickt mir die Details und sagt mir, wann es losgehen soll. Ich verschiebe die kommenden Meetings für ein paar Tage nach hinten. Ach, und Ty?« Ich grinste, obwohl mich niemand sehen konnte. »Das Ticket geht auf dich. Erste Klasse, versteht sich.«
»Alles, was du wünschst, Gina Marie. Alles, was du wünschst.«
Was ich mir vierundzwanzig Stunden später wünschte, waren ein Glas kalte Cola, meine Ruhe und – nach einem Powernap – vielleicht noch eine kurze Runde Spaß mit der süßen rothaarigen Flugbegleiterin. Was ich hingegen bekam, waren neugierige Blicke der anderen Passagiere, eine Fanta, weil Cola aus war (in der ersten Klasse, Herrgott noch mal!), und einen Flugbegleiterwechsel. Kurz vor Start wurde die flirtende Rothaarige durch einen jungen Mann ersetzt. Er war süß, jedoch so schwul, dass er dem Regenbogen beinahe eine achte Farbe schenkte.
Nach nicht einmal einer halben Stunde in der Luft traute sich die erste neugierige Passagierin zu mir. Eine Frau in meinem Alter, Mitte dreißig, von Kopf bis Fuß in Gucci gekleidet. Ihr Mann war bereits nach fünf Minuten eingeschlafen und schnarchte selig in seiner Box.
»Entschuldigen Sie bitte.«
Innerlich seufzend zwang ich mich zu einem Lächeln. »Ja?«
»Sind Sie nicht Gina Marie Davis? Das Unterwäschemodel?«
Natürlich. Ich hatte für viele große Marken in vielen Kampagnen Modell gestanden. Doch das Einzige, woran sich alle erinnerten, war das Shooting mit Ellen von Unwerth für die Vogue. Eine Reihe Schwarz-Weiß-Bilder, in denen ich in skandalös sexy Unterwäsche im Regen posiert hatte. Mitten auf dem Times Square. Dort hatten die Plakate später auch gehangen. Vielleicht erkannte die Frau mich daher.
»Die bin ich.«
»Sie sind so wunderschön.«
Beinahe wie in Trance musterte sie mich. Ich kannte diesen Blick. Zu Beginn war er mir unangenehm gewesen, dann hatte ich mich an ihm ergötzt, und heutzutage war er mir schlichtweg egal. Was sie als einzigartig schön empfand, hatte mir in der Schulzeit fiese Spitznamen eingebracht und für eine Essstörung gesorgt. Das konnte sie natürlich nicht wissen, daher erwiderte ich ihr Lächeln höflich.
»Sie sind selbst eine ganz schöne Granate, Honey. Ihr Mann ist ein Glückspilz.«
Die Frau strahlte. »Wir sind auf Hochzeitsreise«, verkündete sie stolz und berichtete mir die nächsten zwanzig Minuten davon, wie das Start-up ihres Mannes überraschend durch die Decke gegangen war und die beiden nun ihre Traum-Flitterwochen in der Karibik verbringen konnten.
»Und warum sitzen Sie dann in einem Flieger nach Colorado Springs?«
Sie kicherte leise. »Wir besuchen meine Schwester, bevor es losgeht. Sie konnte nicht zur Hochzeit kommen, weil – «
Ich blendete sie aus. Ihr Glück war anstrengend und ihr Bericht darüber fast noch anstrengender. Am liebsten hätte ich sie weggeschickt, wollte jedoch nicht als unhöflich oder arrogant rüberkommen. Nach weiteren fünf Minuten der Dauerbeschallung erhielt ich unerwartete Hilfe von Mister Achte-Farbe-des-Regenbogens.
»Ma’am, ich muss Sie bitten, sich wieder zu setzen, wir erwarten ein paar Turbulenzen. Nichts Gravierendes, es wäre jedoch sicherer, wenn Sie auf Ihren Platz zurückkehren. Und wie ich hörte, sind Sie auf Hochzeitsreise. Kann ich Sie eventuell zu einem Glas Champagner verführen?«
»Oh, ja. Natürlich. Und, mhm, sehr gerne. Ich meine, ja zum Champagner.«
Sie erhob sich etwas mühsam aus der Hocke neben meinem Sitz. Wie sie es geschafft hatte, über dreißig Minuten so zu verharren, war mir ein Rätsel. Mir taten die Knie schon vom Zugucken weh.
»Eine wunderbare Reise und noch mal herzlichen Glückwunsch«, sagte ich, dankbar dafür, dass ich endlich meine Ruhe hatte.
Nachdem die Frau zurück auf ihrem Platz saß, zwinkerte der Flugbegleiter mir übertrieben zu.
»Champagner?«
Ach, zur Hölle … wieso nicht.
Colorado Springs. Wow. Der Flughafen war genauso unscheinbar wie erwartet.
Die Berge dahinter waren nett, doch ich war mehr der Strandtyp. Ich war noch nicht mal draußen, doch allein durch die Fensterscheiben sah es eiskalt aus. Wenigstens schien die Sonne.
Ich durchquerte die Ankunftshalle und schob meine Sonnenbrille auf den Kopf, um besser sehen zu können. Mein Anschlussflug nach Aspen ging in nicht einmal dreißig Minuten. Ich überflog die Anzeigetafel. Mein Gate war zum Glück keine zehn Minuten entfernt, und so verlief das Umsteigen nahtlos und stressfrei.
Die Maschine war winzig und von reich bis superreich war alles an Bord.
Als Ty mir die Flugdetails geschickt hatte, hatte ich mich dazu hinreißen lassen, Aspen zu googeln. Aspen, Colorado. Wieso war ich in meiner gesamten Laufbahn als Model noch nie hier gewesen? Wahrscheinlich, weil ich Jobs im Schnee nicht mochte – oder Schnee im Allgemeinen, und die meisten Shootings sowie Laufstegjobs fanden nun einmal in New York, London, Mailand oder Paris statt.
Aber Aspen … als Ty und Rapha über Colorado gesprochen hatten, hatte ich ehrlich nicht erwartet, dass Kingston an einem der wohlhabendsten Flecken der Staaten lebte. Das war definitiv eine Überraschung gewesen, aber eine gute, denn in Aspen gab es Cafés, Restaurants und Hotels. Die von der teuren Sorte.
Meine Googlesuche war beendet worden, als ich ein Bild mit der Überschrift »Aspen – der wohl extremste Flughafen der USA« gefunden hatte. Daraufhin hatte ich den Tab geschlossen und meinen kleinen Trolley gepackt. Ich hatte keine Angst vorm Fliegen. Dafür war ich bereits zu oft geflogen, und ehrlich gesagt konnte ich sogar besser schlafen, wenn es wackelte. Solange der Flieger in einem Stück herunterkam, war es mir gleich, wie holprig es wurde.
Und es wurde holprig. Als das Flugzeug, nicht größer als ein Privatjet, auf der kurzen Landebahn aufsetzte, flogen wir ein paar Zentimeter in die Luft. Eine ältere Dame mit schweren, großen Chanel-Ohrringen und noch schwererem Parfüm japste. Ich hingegen war einfach erleichtert, dass die Reise nun beendet war. Fehlte nur noch der Mietwagen, dann hatte ich es geschafft.
Wo zur Hölle war diese Mietwagenfirma? Die Ankunftshalle des Flughafens war klein. Eine gebogene Decke, Holzbalken und ein hässlicher, altmodischer Teppich. Die großen LED-Reklamen und Schilder, wie man sie kannte, fehlten.
Ah. Ich entdeckte ein dezent leuchtendes orangefarbenes Schild mit einem großen Pfeil. Den goldenen Trolley hinter mir herziehend, folgte ich der Beschilderung, die mich direkt in eine schwach beleuchtete Garage führte. Es wäre womöglich unheimlich gewesen, hätten nicht mindestens zwanzig genervt aussehende Touristen vor mir in einer Schlange gestanden, um mit dem Mann am Schalter zu sprechen. Ihr Gepäck reichte von kleinen Trolleys wie meinem bis hin zu Sperrgepäck, das ich als Skier oder Snowboards erkannte. Wunderbar. Das würde eine Weile dauern. Links und rechts von uns befanden sich ähnlich lange Schlangen vor den Schaltern anderer Mietwagenfirmen.
Ich griff in meinen Jutebeutel mit der Aufschrift »Don’t be upsetti, eat Spaghetti« und kramte mein Handy hervor.
Ich
Bin gelandet. 🙄
Ich schickte die Nachricht direkt in unseren Gruppenchat. Nicht etwa den von Violett, Tyler und mir, nein. Seitdem sich unsere Familie um Rapha und dann um Jackson erweitert hatte, gab es eine weitere WhatsApp-Gruppe.
Ty hatte sie FNYTLA genannt. From New York to Los Angeles.
Vi
Wie war der Flug?
Ty
Du bist die Beste! ♥
Jackson
Hast du die Mietwagenfirma gefunden, von der ich dir erzählt habe?
Ich
Du meinst Sixt? Eine der größten Mietwagenfirmen der Welt? Ja.
Flug war okay. 🥂
Jackson
Sei nicht so garstig, Gina Marie. Colorado wird dir gefallen.
Ich
Ich bin nicht garstig, Jackson. Nur nicht amüsiert darüber, dass ich euren Bruder einfangen muss.
Das war unser Ding, Jacksons und meines. Wir kabbelten uns, wo wir nur konnten. So hatte unsere Beziehung angefangen, und irgendwie war es so weitergegangen, obwohl ich den Lebenspartner meiner besten Freundin sehr gut leiden konnte. Jackson war bodenständig, nett und heiß, und er konnte kochen. Was gab’s da nicht zu mögen?
Außerdem waren er und Rapha verwandt, und jeder mochte Rapha. Man konnte gar nicht anders.
»Miss?«
Perplex sah ich von meinem Display auf und erkannte, dass die Schlange sich ein großes Stück nach vorn bewegt hatte. Vor mir warteten nur noch zwei Pärchen.
Ich entschuldigte mich bei dem älteren Mann hinter mir und rückte auf.
Rapha
Wir sind dir wirklich dankbar!
Ty
Wir lieben dich!
♥♥♥
Augenrollend schickte ich ein »Melde mich später« in die Gruppe und steckte das Handy weg.
Es war schön und gut, dass sie mir dankbar waren. Allerdings hatte ich noch nicht viel mehr getan, als ein paar Stunden in einem Flugzeug zu sitzen und ein Glas Champagner zu trinken.
Kingston, so sagte man mir, war nicht nur launisch, er galt als grob und unhöflich. Zumindest laut Vi. Um mir selbst ein Bild zu machen, hatte ich ihn vorab extra nicht gegoogelt. Ich wusste, was es hieß, von außen betrachtet und beurteilt zu werden. Oftmals auch verurteilt. Kingston Boyd erhielt von mir einen Vertrauensvorschuss, bis ich selbst abschätzen konnte, ob er ein Arschloch war oder nicht.
Auch seine Bücher hatte ich bisher nicht gelesen. Eventuell sollte ich mich nicht nur mit Snacks, sondern auch mit Lesestoff eindecken, sobald ich meinen Mietwagen hatte. Direkt nach unserem Telefonat gestern Mittag hatte Ty mir Kingstons Adresse geschickt. Der Mann wohnte sogar noch außerhalb von Aspen! Völlig inakzeptabel, also hatte ich mir spontan ein schönes, luxuriöses Hotelzimmer auf Tys Rechnung gebucht. Für zwei Nächte. Gleich heute nach meiner Ankunft würde ich Kingston einen Besuch abstatten. Morgen früh hatte ich einen Call, den ich nicht verschieben konnte, und keine Lust, heute Abend noch zurückzufliegen oder mein Meeting in einem Flugzeug zu führen. Die zweite Nacht war mein Puffer. Die Tatsache, dass Rapha und Ty mich herschickten, um Kingston ins Gewissen zu reden, sagte mir, dass der Mann nicht so einfach zu überzeugen war. Rapha war sein Bruder und von dem, was ich bisher mitbekommen hatte, liebten Kingston und Jackson ihren jüngsten Bruder sehr. Auch wenn sich die drei nicht sehr regelmäßig trafen. Was für Gründe könnte er also haben, nicht zur Hochzeit kommen zu wollen?
»Miss, was kann ich für Sie tun?«
Lächelnd rückte ich auf und strahlte den Mann hinter dem Schalter an. Er sah erschöpft aus.
»Ich mache es Ihnen ganz einfach«, sagte ich. »Ich nehme das schönste Auto für drei Tage. Völlig egal, was es kostet. Vollkasko. Packen Sie jeglichen Chichi, den Sie haben, noch obendrauf. Und zwanzig Dollar Trinkgeld für einen anständigen Kaffee und einen Bagel.«
Kurz musterte er mich, als hätte ich den Verstand verloren. Er wusste nicht genau, ob er mich ernst nehmen sollte. Das ging vielen so. Mein Äußeres schrie Supermodel, aber mein Klamottenstil war eine Mischung aus schickem Schlabberlook und Thriftshop mit gelegentlichem Glamour. Dabei war die Bluse, die ich trug, von Cavalli, nur aus einem anderen Jahrzehnt.
Innerlich seufzend schob ich meine schwarze American Express über den Tresen. Ich würde Ty jeden Cent dieser Reise in Rechnung stellen. Die Augen des Mannes weiteten sich überrascht, dann erwiderte er mein Lächeln.
»Das schönste Auto?«
»Und das teuerste.«
02
Gina Marie
Staunend parkte ich meinen schnittigen SUV am Straßenrand, um einmal durchzuatmen und mich zu orientieren. Das Navi hatte mich in den Stadtkern von Aspen geführt. Keine weite Fahrt, da der Flughafen zentral lag. Gerade mal fünfzehn Minuten war ich gefahren, und das auch nur, weil ich an drei roten Ampeln gestanden hatte.
Mit einem leisen Seufzen lehnte ich mich zurück. Hübsch. Das musste ich zugeben. Die Kulisse, die sich mir hier offenbarte, war beeindruckend. Dann öffnete ich die Fahrertür und wusste sofort, wieso ich bisher nie hier gewesen war. Erst recht nicht im Januar. Es war furchtbar kalt. Die Luft, die mir entgegenschlug, war so eisig, dass sie mir in der Lunge brannte. Sofort schloss ich die Tür wieder und lehnte mich stöhnend zurück. Ich musste einchecken. Mein Hotel lag nicht weit von hier in einer Nebenstraße. Außerdem musste ich wissen, wo ich parken konnte, doch erst einmal wollte ich noch ein paar Erledigungen machen. Ich brauchte einen großen Kaffee, etwas zu essen und ein paar Meter entfernt hatte ich einen Buchladen entdeckt. Da Kingston hier wohnte, würden sie mit Sicherheit mindestens eines seiner Bücher auf Lager haben. Um das alles anzugehen, musste ich jedoch aussteigen.
Ich erschummelte mir ein paar weitere Minuten in der Wärme meines Wagens, indem ich Vis Nummer wählte.
Nach dem zweiten Klingeln ging sie ran.
»Gigi, hi!«
»Sag mir bitte noch einmal, warum genau ich das hier tue?«
Violett lachte. »Weil du Tyler liebst. Und Rapha.«
»Mhm.«
»Wie kalt ist es?«
»Zu kalt.«
Es raschelte am anderen Ende der Leitung. »Man könnte fast meinen, du hast dein ganzes Leben in L. A. verbracht und nicht in New York, Miss It-Girl.«
»Muss ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass ich Kleider und beständiges Klima lieber mag als brennende Hitze und Blizzards? Lass mir ein paar warme Minuten in der Sicherheit meines Autos und erzähle mir, was du gerade machst.«
»Du drückst dich vorm Aussteigen?«
»Ja.«
Vi lachte. »Brian und ich packen Geschenke ein.«
»Wessen Geburtstag habe ich vergessen?«
»Niemand hat Geburtstag.« Ich hörte eine tiefe Stimme murmeln. »Brian sagt hi.«
»Hi zurück. Wofür dann Geschenke?«
»Geschenke ist vielleicht das falsche Wort.« Vi ächzte, als hätte sie soeben etwas Schweres gehoben. Ich sah sie regelrecht vor mir, wie sie in ihrem Businesskostüm und auf High Heels ihr halbes Büro umstellte. Selbst ist die Frau war Violett Fergusons Lebensmotto. Ich hatte sie schon immer bewundert. Ihren Scharfsinn und ihren Ehrgeiz. Ihren Willen, sich durchzusetzen und für mehr Gerechtigkeit und vor allem Gleichberechtigung zu kämpfen. In den letzten Monaten hatte sie mit »Violett Fergusons Capital« eine eigene Firma gegründet, war mit mir nach L. A. gezogen, war bei mir aus- und bei Jackson eingezogen und hatte nebenbei einen der dicksten Finanzfische der Ostküste betreut. Vi liebte Zahlen. Ihr Portfolio wuchs stetig, und sie etablierte sich immer mehr als Investmentberaterin, während das Finanzportfolio ihrer Firma wuchs. Gleichzeitig war sie Vorbild für viele junge Geschäftsfrauen geworden, als Moira Forbes sie unter ihre Fittiche genommen und auf eine Bühne gestellt hatte. Meiner Meinung nach genau der Ort, an den Vi gehörte.
»Moira organisiert ein Investorenessen. Von Frauen gegründete Start-ups haben dort die Möglichkeit, ihre Ideen zu pitchen und uns als Investorinnen zu gewinnen.«
»Und? Bist du finanziell schon so weit?«
»Nicht ganz«, gab sie unumwunden zu. »Ich habe viel reinvestiert und, wie du weißt, zwei neue Leute eingestellt. Außerdem wollte Brian mehr Geld.«
»Hey!«, protestierte ebenjener im Hintergrund.
»Dennoch hätte Moira mich gern dabei, und ich habe angeboten, mich um kleine Präsentkörbe für die Teilnehmerinnen zu kümmern.«
Das Beste, was einer toughen, karriereorientierten Frau wie Vi passieren konnte, war, eine Mentorin wie Moira Forbes an Land zu ziehen. Ich freute mich von Herzen für sie. Sie und Jackson gaben unserer Gesellschaft etwas zurück. Sie machten sie besser, gerechter und vor allem chancengleicher – und ich leitete eine Modelagentur. Ich drängte die aufkommenden Zweifel und das ungute Gefühl in meinem Magen zurück und konzentrierte mich auf das Gespräch.
»Erzähl mir, was in diesen Körben drin ist.«
»Irgendwann musst du aussteigen.«
»Mhm.«
»Wein, Kaffee, eine Ausgabe von ›100 Essays, die dein Leben verändern‹, Schokolade, ein Notizbuch mit passendem Stift …«
»Das klingt ziemlich gut. Kann ich auch so ein Ding haben?«
»Du bist bereits erfolgreich, Gigi. Das wäre unfair.«
»Kommt drauf an, wie man Erfolg definiert …«, murmelte ich.
»Sorry, was war das? Brian hat mir gerade eine Frage gestellt, ich habe dich nicht gehört.«
»Weißt du was?« Ich griff nach der Jacke und dem Schal auf dem Beifahrersitz. »Ich traue mich jetzt raus. Die Erwähnung von Kaffee, Schokolade und Wein hat mich durstig und hungrig gemacht.«
Violett kicherte. Im Hintergrund polterte es.
»Brian …«
»Ich halte euch nicht länger auf, Vi. Wir hören uns später, ja?«
»Auf jeden Fall«, erwiderte sie abwesend. »Und kauf dir eines seiner Bücher. Du wirst sie lieben!«
Ich beendete das Gespräch und sah durch die Windschutzscheibe nach draußen. Die Straße war schneebedeckt. Die Dächer der Backsteinhäuser ebenfalls. Die Schilder der einzelnen Ladengeschäfte waren liebevoll gestaltet und zwischen Schnee und Backstein entdeckte ich ein paar Fassaden in Blau oder Rot. Die Stadt sah aus wie von einer Postkarte gesprungen. Die perfekte amerikanische Kleinstadt mit einer majestätischen Gebirgskette im Hintergrund.
»Dann wollen wir mal …«
Ich sprang aus dem Auto und zog mich so schnell es ging an. Meine Jeans und die Sneakers waren kein großer Schutz gegen die Kälte, allerdings hatte ich bei zwanzig Grad in L. A. nicht in Winterkleidung losfliegen wollen. Ein paar dicke Pullis und Socken sowie eine weitere, dickere Jacke und meine rote Wollmütze hatte ich im Koffer, das musste reichen. Immerhin würde ich maximal drei Tage hier sein.
Laut Navi befand ich mich in Downtown Aspen auf einer der Hauptstraßen.
Was Google mir vorab verraten hatte, war, dass Aspen nicht günstig war. Ich meine, ich kam aus New York, war dort geboren und aufgewachsen, und doch hatte ich gezögert, als ich die Preise gesehen hatte. In Aspen saß Geld, das wusste so gut wie jeder vom Hörensagen, und als ich mich hier so umsah, bestätigte der erste Eindruck diese Aussage.
Die Geschäfte, an denen ich vorbeigefahren war und die ich in diesem Moment vor mir hatte, sahen alle top gepflegt und edel aus. Skiausrüstung, Designerklamotten, exklusive Wein- und Teeauslese. Antiquitätenläden und sogar einen Hundefriseur entdeckte ich. Aspen war eine recht interessante Wahl für einen Einsiedler wie Kingston Boyd. Aber wer war ich, zu urteilen? Vielleicht liebte er gutes Essen und importierten Wein, ging gern Skifahren und besaß einen Pudel, der regelmäßig zum Spitzenschneiden musste. Ich kannte den Mann nicht.
Eine Frau im Nerz (ich hoffte, das Ding war nicht echt) huschte an mir vorbei, dann eine weitere Frau mit großem Wollschal um den Hals und einem dampfenden To-go-Becher in der Hand. Kaffee. Es wurde Zeit, den ersten Punkt von meiner Liste zu streichen. Nach all dem Sitzen heute tat es gut, sich zu bewegen.
Ich sah den Gehweg hinab und entdeckte ein Ladenschild mit demselben Logo, das ich eben auf dem Becher der Frau erspäht hatte.
Queens.
Das gefiel mir. Ich betrat den Laden, und mein Lächeln wurde breiter, als eine angenehme Wärme mich begrüßte. Ein paar Tische waren besetzt, ansonsten wirkte es ruhig und unaufgeregt. Die Einrichtung war eine Mischung aus modern und Trödelmarkt mit bunten Teekannen als Vasen und Geschirr, das nicht zusammenpasste. Der Boden war schwarz-weiß gefliest, und hinter dem Tresen hing eine riesige Rolle mit Packpapier, auf dem in schwungvoller Schrift die Spezialitäten des Hauses festgehalten worden waren.
Ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren und einem Nasenring begrüßte mich freundlich. Die Schürze um seinen Hals war knallpink.
»Was kann ich für dich tun?«
»Mhm …« Rasch überflog ich die Auswahl. »Ich nehme einen Pumpkin-Spice-Latte mit Sahne und einem Extrashot Espresso, bitte. Groß.«
Der Barista nickte mir zu. »Gute Wahl. Und für wen darf ich diese Spezialität zubereiten?«
»Gina«, erwiderte ich und musste anhand seines flirtenden Tonfalls grinsen. Er war mindestens zehn Jahre jünger als ich.
»Gina«, murmelte er und schrieb meinen Namen auf einen weißen Pappbecher. »Ein schöner Name.«
Es war ein gewöhnlicher Name, doch ich wollte ihm seine Tour nicht vermasseln.
»Danke.«
»Was bringt dich nach Aspen, Gina?« Er musterte mich. »Ein Shooting?«
Mit geübten Handgriffen begann er mit der Zubereitung. Ich lehnte mich gegen den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust, während ich ihm zusah.
»Kein Job, nein. Ich bin privat hier.«
»Noch besser. Ich bin übrigens Zach.« Er schenkte mir ein Tausend-Watt-Grinsen.
»Nett, dich kennenzulernen, Zach.«
»Ganz meinerseits.« Er ließ die Sirupflasche durch die Luft fliegen, fing sie auf und gab einen großzügigen Schuss in meinen Becher. Als wäre er Barkeeper und kein Barista. Aber vielleicht war das in Aspen üblich.
»Zach, du kannst mir nicht zufällig den besten Weg nach Hunter Creek nennen?«
»Hunter Creek?« Milch und Kaffee gesellten sich zu dem Sirup, und er griff nach dem Sahnebehälter. »Was führt dich ausgerechnet nach Hunter Creek? Das ist ein Wandergebiet, nicht ungefährlich um diese Jahreszeit.«
»Nicht was«, murrte ich. »Wer.«
Zach besprenkelte meinen Kaffee mit bunten Zuckerstreuseln, dann reichte er ihn mir. »Und wer genau ist Wer?«
Der Junge hatte Selbstvertrauen, das musste ich ihm lassen. Und er war nett.
»Kingston Boyd«, erwiderte ich, neugierig, ob dieser Stadt bewusst war, dass neben dem ein oder anderen Promi aus der Film- und Musikbranche auch ein berühmter Autor unter ihnen weilte.
»Kingston Boyd.« Zachs Lächeln fiel in sich zusammen, und plötzlich sah er wenig amüsiert aus. »Was willst du denn bei dem?«
Ich zog die Augenbrauen hoch und nippte an meinem Getränk. Sehr lecker. Zach wusste definitiv, wie man einen guten Pumpkin-Spice-Latte zubereitete. Und er schien Kingston zu kennen.
»Das ist eine Familienangelegenheit.«
Er wirkte erleichtert, und das war … süß.
»Keine Ahnung, was das für eine Familienangelegenheit ist, aber Kingston Boyd ist ein Arschloch.«
»Das höre ich nicht zum ersten Mal.«
»Weil es stimmt.« Zach nahm einen Chocolate-Chip-Cookie aus der Auslage und reichte ihn mir. »Der geht aufs Haus, Gina. Und wenn du vor Boyd flüchten willst oder, keine Ahnung, jemanden zum Reden brauchst oder so, dann weißt du, wo du mich findest.«
03
Gina Marie
Sie haben Ihr Ziel erreicht. Ihr Ziel befindet sich rechts.
»Öhm.« Ich trat auf die Bremse und … mir klappte die Kinnlade herunter. Das war Kingstons Haus?
Es sah aus wie eines dieser Luxusanwesen aus den Netflix-Dokus, die Vi und ich am Wochenende zusammen geguckt hatten.
Ich meine … wow. Alles an dem Haus schrie teuer und edel. Wie ganz Aspen. Durch meine Shootings hatte ich schon viel gesehen, war viel herumgereist, ein solches Anwesen war mir bisher jedoch nicht untergekommen. Das dreistöckige Haus war komplett aus Holz. Und es war groß. Einfach alles hier war … enorm. In der Einfahrt vor mir parkte ein schwarzer Geländewagen, und unter einem Carport entdeckte ich ein weiteres Auto, flacher und schnittiger, mit einer Plane abgedeckt. Vermutlich ein Sportwagen. Leise schnaubend stellte ich den Motor aus und stieg aus dem Wagen.
»Seine Bücher scheinen sich gut zu verkaufen …«, murmelte ich, während ich meine Jacke schloss. Meine Füße waren Eisklumpen, und Mütze und Schal bedeckten so viel von meinem Gesicht, dass eigentlich nur noch Nase und Augen rausguckten.
Ich näherte mich dem Haus und hörte in meinem Kopf die Stimme des Moderators von »Die spektakulärsten Häuser – Architektur heute«.
»Und hier sehen wir ein dreistöckiges Monument aus Holz und Stein. Das maßgefertigte Haus liegt, umgeben von Wald, auf einer kleinen Anhöhe. Die hochgebockte Veranda des Hauses bietet einen atemberaubenden Blick auf die Berge. Eine kleine Treppe verbindet die Veranda mit Pool und Whirlpool …«
Die Stimme in meinem Kopf verklang, als das unverkennbare Geräusch eines Motorrads an meine Ohren drang.
Langsam drehte ich mich um und fluchte. »Das ist doch ein schlechter Scherz.«
Eine schnittige Maschine bog in den Kiesweg ein. Der Mann darauf war ganz in Schwarz gekleidet. Schwere Boots, eine dunkle Jeans und eine Lederjacke. Helm und Visier waren ebenfalls schwarz und getönt. Falls das Kingston Boyd war, dann sah er aus wie der Bad Boy aus dem Bilderbuch. Zumindest vermittelte sein Auftritt genau dieses Image. Die Maschine rumpelte ein paar Meter weiter und kam neben meinem Wagen zum Stehen. Die plötzliche Stille fühlte sich merkwürdig an, und ich erkannte, dass ich nervös war. Nur aus welchem Grund? Wobei, vielleicht war nervös nicht das richtige Wort, um meinen aktuellen Zustand zu beschreiben. Neugierig traf es eher.
Nachdem ich das Café verlassen hatte, war ich in mein Hotel gegangen (sehr hübsch und luxuriös, danke, Tyler!), hatte eingecheckt, mich umgezogen und auf dem Weg hier raus noch schnell bei der Buchhandlung gehalten. Natürlich hatten sie all seine Bücher dort gehabt. In einem eigenen Regal mit der Überschrift: Unser Bestseller-Autor Kingston Boyd.
Aus einem Impuls heraus hatte ich mir Durch deine Augen – der Tod in dir geschnappt und war meinem Navi hier raus gefolgt. An jeder der roten Ampeln, an denen ich hatte warten müssen, war mir das Autoren-Foto auf dem Buchrücken ins Auge gesprungen. Es war dunkel, fast schwarz, und man konnte kaum etwas von Kingstons Gesicht erkennen. Das Bild war klug inszeniert. Es machte neugierig und passte zum Genre. Bis auf ein kantiges Kinn, eine gerade Nase und einen stechenden Blick war jedoch nichts zu erkennen. Nicht einmal Augen- und Haarfarbe konnte man ausmachen. Nun, so wie es aussah, würde sich das Geheimnis in den nächsten Sekunden lüften, denn Kingston schwang sich von seinem Motorrad und kaum auf mich zu. Kurz bevor er mich erreicht hatte, nahm er den Helm ab.
O Gott, es klang so klischeehaft, aber ich hatte die Luft angehalten. Oder nicht? Doch, ich schätze schon, denn in dem Augenblick, als ich in Kingstons Augen sah, entwich sie mir in einem lautlosen »Oh«.
Heilige Scheiße.
Ich starrte ihn an. Überrascht darüber, wie attraktiv er war, und gleichzeitig auch nicht. Immerhin waren seine Brüder ebenfalls Hingucker.
Seine Haut war heller als die von Rapha oder Jackson, aber dunkler als meine. Seine Haare waren raspelkurz, leicht ergraut an den Schläfen, und an seinen Wangenknochen hätte so mancher Bildhauer seine wahre Freude. Es waren jedoch die Augen, die für ein kribbeliges Gefühl in meinem Magen sorgten. Anstatt dunkel und unergründlich, so wie ich es aufgrund des Fotos vermutet hatte, waren sie von einem so hellen Blau, dass es beinahe wehtat, ihn anzusehen. Mit einem dunklen Rand um die Iris. Er starrte mich an. Alles andere als freundlich.
War ich jemals in meinem Leben so durchdringend angeblickt worden? Kingston sah mich an, als sähe er alles. Einfach alles.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie auf meinem Grundstück?«
Und schon war der Bann gebrochen. Doch die Stimme … die war verflucht sexy. Tief und brummend.
»Verschwinden Sie.«
Und grob, fügte ich gedanklich hinzu. Aber darauf hatte ich mich eingestellt.
»Mein Name ist Gina Marie Davis«, erwiderte ich lässig und sah zu ihm auf. Das passierte mir nicht oft. Ich war über eins achtzig groß, doch Kingston überragte mich um fast einen Kopf.
»Davis«, grummelte er und musterte mich eingehend. »Sie sind das Model. Violetts Freundin.«
»Und die von Tyler, ja. Sie wissen schon, der Verlobte Ihres Bruders?«
Keine Regung. Dass er »Model« aussprach wie »Magengeschwür«, ignorierte ich.
»Raphael …« Ich zog den Namen in die Länge, als würde ich ihm auf die Sprünge helfen wollen. Mein Atem formte dabei eine kleine Wolke.
»Ich weiß, wie mein Bruder heißt.«
Ich setzte mein Modellächeln auf. »Können wir bitte drin weitersprechen? Ich erfriere gleich.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Miss Davis.«
Freundlich lächelnd zählte ich gedanklich bis fünf. Ty, erinnerte ich mich. Rapha. Ich tat das hier für sie.
»Das macht nichts. Ich habe Ihnen dafür umso mehr zu sagen.« Ich wies zur Haustür. »Wenn Sie dann so freundlich wären?«
Kurz wirkte er überrascht, dann wurde seine Miene wieder finster.
Fror er in dieser lächerlichen Lederjacke nicht?
»Ein Kaffee«, lockte ich ihn in meiner besten Marilyn-Monroe-Imitation mit tiefer, rauchiger Stimme. »Und Sie sind mich los.«
»Sparen Sie sich das Getue.« Er trat um mich herum, und ich hörte ein Schlüsselbund klirren. »Kommen Sie rein, sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und dann hauen Sie ab. Ich bin beschäftigt.«
»Mit Motorradfahren? Übrigens nicht ganz ungefährlich bei den Straßenverhältnissen.«
War ihm der Schnee etwa entgangen?
»Sie sind mit dem Auto hier. Die Main Street wird täglich geräumt.«
Es klickte, und die Haustür öffnete sich. Sofort trat er um die Ecke, und ich hörte es sechsmal kurz und einmal lang piepen. Ein Sicherheitscode. Neugierig sah ich an ihm vorbei ins Innere des Hauses. Schwere dunkle Holzbalken stützten eine hohe Decke. Ich sah viel hellen Stein und eine riesige Fensterfront hinter einer grauen Sofalandschaft.
»Dann waren Sie nur kurz in der Stadt?«
Er warf mir einen genervten Blick zu. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
»Okay, hören Sie.« Ich trat durch die Tür und schloss sie hinter mir. Dann nahm ich Mütze und Schal ab. Er wollte keinen Small Talk halten, dann kam ich direkt zur Sache. »Ich will genauso wenig hier sein, wie Sie mich hier haben wollen.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich wollte das hier auf die nette Tour machen«, sagte ich, »doch Sie lassen mir keine Wahl.«
Kingston grunzte leise und legte den Helm auf einer Kommode im Flur ab. Dann öffnete er den Reißverschluss seiner Jacke. Das Geräusch war … nervtötend. Es war irgendwie unpassend und ziemlich … anregend? Nein! Zum Aufregen! Das war es.
Unter der Lederjacke kam ein enges Thermofleeceshirt zum Vorschein. Schwarz. Natürlich.
»Ich unterbreche Sie direkt, denn ich kann mir denken, wieso Sie hier sind, Miss Davis.«
»Dann sollten Sie auch wissen, dass Ihr Kreuz auf der Antwortkarte der Hochzeitseinladung nicht optional ist. Sie sind Raphas Bruder, verflucht noch mal! Sind Sie wirklich so egoistisch, dass Sie seine Hochzeit verpassen? Er idealisiert Sie. Sie und Jackson. Sie sind seine Familie. Wenn Sie nicht kommen, wird es ihm das Herz brechen.«
»Genauso egoistisch bin ich, ja.«
Seine Antwort zog mir den Boden unter den Füßen weg. »Aber – «
»Ein netter Monolog, den Sie da vorbereitet haben. Aber jetzt sage ich Ihnen mal was.« Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Die hellen Augen durchbohrten mich mit ihrem Blick. »Ich bin Künstler, Miss Davis. Meine Kunst ist mein Leben, und ich habe eine Deadline, die ich einhalten muss.«
Ich riss die Augen auf. »Sie kommen nicht, weil Ihr Buch fertig werden muss?«
»Exakt.«
»Sie … aber …« Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf den edlen Holzboden. »Das ist ja sogar noch egoistischer, als ich angenommen habe! Sie sind Bestsellerautor!«, rief ich aufgebracht. »Rufen Sie Ihren Verlag an und verschieben Sie diese dämliche Deadline.«
Die Falte auf seiner Stirn wurde tiefer. Kingston war der älteste der drei Brüder, etwa Mitte vierzig. Der Mann, der vor mir stand, obwohl leicht grau an den Schläfen, sah keinen Tag älter aus als ich. Männer und ihre Gene. Es war zum Haareraufen. Ich bekam keine Jobs mehr, weil ich »alt« wurde, als wäre ich eine Blume, die langsam dahinsiechte und ihre Farbe verlor, und Männer wie Kingston … sie wurden mit edlem Wein oder feinem Whisky verglichen. Je älter und reifer, desto besser. Dieser Vergleich – und die Doppelmoral dahinter – stachelte meine Wut noch mehr an.
»Es ist Raphas Hochzeit!«
»Es ist einfach nur ein Tag«, erwiderte er kalt. »Wenn sie sich tatsächlich lieben, ist es ein Tag wie jeder andere, nur mit mehr Blumen und Champagner.«
Dieser Mann war unmöglich! Und ich hatte angenommen, ich wäre zynisch, wenn es um die Liebe ging.
»Meine Deadline«, betonte Kingston, »ist in Stein gemeißelt. Ich bezweifle, dass Sie zu Ihren Zeiten den Fotografen angerufen und ein Shooting verschoben hätten, nur wegen eines Events.«
»Zu meinen …« Zu meinen Zeiten? Es passierte nicht oft, aber ich war sprachlos. Kein Wunder, dass er sich in diesem Haus im Nirgendwo verschanzte. Jemanden wie Kingston Boyd wollte doch niemand um sich haben!
»Zu meinen Zeiten«, murmelte ich.
Ty. Rapha. Violett. Jackson. Sie alle bauten darauf, dass ich das hier hinbekam. Außerdem war ich nicht seit heute Morgen unterwegs, um mich beleidigen zu lassen.
»Ich sage Ihnen, was ich zu meinen Zeiten getan hätte. Für die Hochzeit eines Familienmitglieds wäre ich nicht nur um die halbe Welt gejettet, sondern hätte auch den Stock aus meinem Arsch gezogen, meine Agentur angerufen und ein Shooting abgesagt. Denn mir ist, im Vergleich zu Ihnen, durchaus bewusst, dass die Welt sich nicht nur um mich dreht und es Menschen gibt, denen meine Anwesenheit etwas bedeutet. Also würde ich Sie höflichst darum bitten«, stieß ich hervor, »dass Sie Ihre Antwort überdenken. Ich komme morgen wieder.«
Mit abgehackten, aggressiven Bewegungen wickelte ich den Schal um meinen Hals und setzte meine Mütze wieder auf.
»Die Antwort wird dieselbe sein.«
Das würden wir ja sehen.
»Bemühen Sie sich nicht. Ich finde selbst heraus.«
Ich trat zur Haustür und riss sie auf. Ohne mich umzudrehen, sagte ich: »Bis morgen.«
Dann schlug ich die Tür hinter mir zu und ging zu meinem Wagen.
Arschloch.
04
Gina Marie
Violett prustete vor Lachen. »O mein Gott, und dann?«
»Nix und dann. Dann bin ich gegangen!«
Sie lachte lauter.
»Violett!«, rief ich frustriert. »Das ist nicht lustig!«
»Doch. Schon ein wenig.«
Stumm sah ich auf das Weinglas in meiner Hand hinab. Ich saß an der Bar meines Hotels, noch immer wütend und … Ich konnte meine Gefühle gar nicht richtig in Worte fassen. Fotografen waren egozentrisch und manchmal unfreundlich, andere Models konnten richtige Miststücke sein, aber Kingston, er war so geradeheraus grob gewesen, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Und dabei hatte er nicht einmal eine Rolle gespielt oder ein Image forciert. Er war in seiner Grobheit so authentisch und echt gewesen, dass ich ihn fast schon wieder bewunderte. Wie das wohl war, immer einfach das zu sagen, was man dachte? Ich selbst war nicht auf den Mund gefallen, doch ich war meilenweit davon entfernt, den Leuten so ungeschönt die Wahrheit ins Gesicht zu sagen wie Kingston Boyd.
»Außerdem hättest du mich vorwarnen können«, murmelte ich.
»Ahh.«
»Nichts ah. Ich sage lediglich, eine Warnung wäre nett gewesen.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass wir jetzt nicht mehr über seinen Charakter reden?«
Ich trank einen Schluck Wein und ignorierte die flirtenden Blicke des Barkeepers. »Wie kann jemand mit einem so hässlichen Charakter so gut aussehen? Das ist unfair!«
Violett kicherte leise und ich meinte so etwas wie ein Klatschen zu hören.
»Violett Ferguson. Du bist nicht allein!«, rief ich.
»Jax hat mir etwas vorbeigebracht.«
»Etwas? Ich kann mir vorstellen, was das ist.«
»Gigi!«
»Tu nicht so empört«, sagte ich und grinste. »Brian hat mir erzählt, wie oft deine Bürotür geschlossen ist.«
»Der Asien-Vertrag ist fast unterzeichnet«, erklärte sie mit einem Seufzen, »und Jax ist abends immer im Gemeindezentrum. Wir – «
»Violett«, unterbrach ich sie lachend. »Willst du dich gerade wirklich bei mir dafür rechtfertigen, dass du Sex in deinem Büro hast? Mit deinem Mann? In deiner Firma?«
Und dann auch noch ausgerechnet bei mir. Ich war so was von pro Sex.
Kurz blieb es still, dann sagte sie: »Du hast recht. Ich muss mich nicht rechtfertigen.«
»Musst du nicht«, bestätigte ich. »Musstest du nie. Aber jetzt erst recht nicht. Du kannst Jackson quer durchs Gebäude vögeln, es ist deine Entscheidung.«
»Ich mag, wie du denkst, Gina Marie.«
»Jackson, hi.«
»Du findest meinen Bruder also gut aussehend?«, drang die tiefe Stimme mit dem kaum hörbaren spanischen Akzent an mein Ohr.
»Ihr habt alle drei keine üblen Gene«, erwiderte ich lässig. »Lediglich am Charakter mangelt es. Rapha mal ausgenommen.«
»Scheint so, als hätte Kingston sich von seiner besten Seite gezeigt.« Er klang belustigt.
Ich spielte mit dem Stiel meines Weinglases und dachte an unsere Begegnung zurück. »Wenn das seine beste Seite war, will ich nicht wissen, wie die schlechteste aussieht.«
»Nicht viel anders«, warf Violett ein. Sie klang leicht blechern. Wunderbar, jetzt hatte sie mich auf Lautsprecher gestellt. »Ich habe ihn erst ein Mal getroffen, und es war, na ja, sagen wir mal, es war interessant. Alpha-Männchen sind mir nicht neu, aber Kingston …«
»Drückt so ziemlich jeden Knopf, den man hat, gleichzeitig?«, beendete ich ihren Satz.
»Ja!«, rief sie. »Und ich kann nicht einmal einschätzen, ob er es mit Absicht tut, um zu provozieren, oder ob er einfach nur … er selbst ist.«
Er selbst, dachte ich. Wer war Kingston Boyd? War er das egoistische Arschloch, als das er auftrat, oder steckte mehr hinter der Sache? Ich wollte es nicht herausfinden. Eigentlich nicht.
»Versuchst du es morgen noch einmal?«, fragte Jackson. »Violett sagt, du bist zwei Nächte dort.«
»Ja«, hörte ich mich wie von selbst sagen. »Ich gehe nicht, ehe er nicht zustimmt, zur Hochzeit zu kommen.«
Was war los mit mir?
»Gigi«, Violett klang besorgt, »eventuell ist das etwas voreilig. Kingston ist sehr eigen. Es könnte sein, dass du ihn nicht überzeugen kannst.«
O doch, ich würde ihn überzeugen. Wie, wusste ich noch nicht. Aber ich würde es.
»Jackson, erzähl mir von deinen neuen Kids.«
»Gigi …«
»Lass mich, Violett, ich bekomme das hin. Versprochen.«
Ty und Rapha verließen sich auf mich, und Kingston … er weckte mein Interesse. Ob ich es nun wollte oder nicht. Nicht auf romantische oder sexuelle Art. Eher auf die Art, wie man ein seltenes Kunstwerk betrachtet. Etwas verwirrt und ahnungslos, aber fasziniert.
»Komm schon, Jackson. Ich sitze in einer Hotelbar in Aspen, um deinen Bruder zu überreden, zur Hochzeit deines anderen Bruders zu kommen. Unterhalte mich ein wenig.«
Jetzt lachten sie beide, und ich entspannte mich ein wenig. Während ich Jackson lauschte, gab ich dem Barkeeper ein Zeichen.
»Cola«, bestellte ich leise und schob das halb leere Weinglas von mir. »Danke.«
Nach ein paar weiteren Minuten Small Talk verabschiedeten wir uns. Violett hatte mich zweimal daran erinnert, dass ich etwas essen musste, und genau das würde ich jetzt tun.
Ich wies den Barkeeper an, meine Getränke auf meine Zimmerrechnung zu setzen, und ließ einen Zehndollarschein auf dem Tresen zurück. Ich hatte es fast aus der Bar geschafft, da stellte sich mir ein attraktiver Mann mittleren Alters in den Weg. Ein Anzugträger.
»Hallo, ich bin Paul. Und Sie sind – «
»Nicht interessiert«, unterbrach ich ihn mit einem Lächeln, wobei ich an ihm vorbei zu den Fahrstühlen sah. »Einen schönen Abend.«
Ich ließ Paul stehen. Wenigstens schien er einer von denen zu sein, die ein Nein akzeptierten, und keiner von denen, die mich als prüde, frigide oder Schlampe bezeichneten. Das war sowieso der größte Witz von allen. Ich lehnte ihre Avancen ab und wurde als Schlampe beschimpft. Manchmal auch als Bitch, Hure oder Miststück.
Ein weiterer Grund, wieso ich zuletzt nur noch Frauen gedatet hatte. Insbesondere nach dem Jason-Debakel.
In meinem Zimmer angekommen, warf ich mich aufs Sofa, schaltete den Fernseher ein und angelte nach der Karte des Zimmerservice auf dem Tisch. Was ich wollte, waren Pommes, ein Salat und Trash TV. Auch wenn die Reise okay gewesen war, lag ein langer und anstrengender Tag hinter mir.
Während ich wenig später eine Kochsendung im Hintergrund laufen ließ und meine Pommes aß, klappte ich den Laptop auf, um ein paar E-Mails zu beantworten. Sobald der Monitor leuchtete, trudelten sie ein. Ping. Ping. Pingpingpingping.
Seufzend öffnete ich die erste von zweiunddreißig. Werbung. Wie auch die nächsten zwei. Die anderen jedoch waren Nachrichten meiner Klienten oder Bewerbungen.
Es hatte sich herumgesprochen, dass ich eine Modelagentur eröffnet hatte, und es gab viele Nachwuchsmodels, die mich als Agentin wollten. Sie erhofften sich durch meinen Namen und meine Verbindungen den Durchbruch. Dabei gab es Models, die weitaus weniger erfolgreich oder bekannt waren als ich, doch wesentlich besser vernetzt. Ich war während meiner Modelkarriere relativ antisozial gewesen.
Am Anfang hatte ich jede Party mitgenommen, war mit den Jungs und Mädels feiern gewesen oder mit Fotografen um die Häuser gezogen. Ich hatte unverbindlichen Spaß gehabt und es genossen. Der Reiz war jedoch schnell verflogen, war sozusagen Routine geworden. Shootings, Werbedrehs, egal was, ich war ein Vollprofi gewesen. Doch war der Auftrag beendet, hatte ich mich zurückgezogen. Das glamouröse Modelleben war zu einem Brotjob für mich geworden. Man gab mir verdammt viel Geld dafür, dass andere Leute mich aufhübschten und mich in ein fertiges Set stellten.
Eine Stylistin hatte mich während meines ersten Jahres mit Claudia Schiffer verglichen. »Nur wandelbarer«, hatte sie gesagt und auf mein Spiegelbild gezeigt, während sie meine langen honigblonden Haare geglättet hatte. »Mit den Augen und dem Lächeln wirst du es weit bringen, Schätzchen.«
Noch immer war es mir ein Rätsel, wie Attribute, die in meiner Jugend für fiese Spitznamen gesorgt hatten, mich plötzlich auf die Laufstege der Modewelt katapultiert hatten. Meine großen grünen Augen passten jedoch mittlerweile in mein Gesicht, und mein Mund war zwar breit, die Lippen voll, sah jedoch nicht mehr so deplatziert aus wie früher. Meine Mom sagte immer, ich war in mein Gesicht hereingewachsen. Jetzt, mit Mitte dreißig, wusste ich, was das bedeutete. Als Kind und Teenager hatte ich das nicht gewusst, und mein Unwissen, gepaart mit dummen Sprüchen meiner Mitschüler und meiner Unsicherheit, hatte in einer Essstörung resultiert. Als Heranwachsende hatte ich panische Angst davor gehabt, dass mich noch etwas von den anderen Mädchen meiner Klasse unterschied, also hatte ich penibel darauf geachtet, was ich aß, um genauso dünn zu sein wie sie und ins Bild der Gesellschaft zu passen. Bis ich irgendwann gar nichts mehr gegessen hatte.
Diese Zeit lag hinter mir. Mir war bewusst, dass ich krank gewesen war, doch medizinische Betreuung, viele Therapiestunden, eine gute Ernährungsberatung sowie meine Familie, vor allem aber Violett und Tyler, hatten dazu beigetragen, dass es mir zu Studienzeiten wieder gut gegangen war.
Dann war die Modelkarriere gekommen. In das Business war ich eher durch Zufall hineingestolpert und dann geblieben. Gemeinsam mit meiner Therapeutin und meinem engsten Kreis hatten wir meine Karrierewahl besprochen und nach einigen ersten Jobs war deutlich geworden, dass ich sowohl mit dem Stress als auch mit dem Druck, immer schön und schlank sein zu müssen, zurechtkam. Meine Therapeutin war dabei meine größte Befürworterin gewesen. Sie hatte Schlagwörter wie »Kontrolle«, »Heilung« und »Mindfulness« in den Raum geworfen und mich ermutigt, die größeren Jobs anzunehmen, um mich selbst herauszufordern und mir zu beweisen, dass ich gesund war. Es war gut gegangen. Das Modeln fiel mir leicht. Dazu kam, dass es schnelles Geld war und ich schlichtweg keine Ahnung gehabt hatte, was ich sonst mit meinem Leben hätte anfangen sollen. Und hier saß ich nun. Über zehn Jahre später mit einer eigenen Agentur und einem vollen Postfach. Wieso genau verspürte ich jetzt den Drang, meinen Laptop aus dem Fenster zu werfen?
Alle jungen Frauen und Männer, die ich auf den selbst geschossenen Bildern oder den Setcards in meinem Postfach sah, waren auf ihre eigene Art schön und besonders. Aber allein darauf kam es beim Modeln nicht an. Man war die Leinwand, die Designer und Stylisten waren die Künstler. Ein Typ zu sein war gefragter denn je. Einfach hübsch reichte nicht aus.
Bei E-Mail Nummer zwölf geriet ich ins Stocken. Coco Daniels. Eine junge schwarze Frau aus New York. Transgender. Die Setcard-Bilder waren gut. Coco besaß ein wunderschönes Gesicht. Gleichzeitig kantig und weich. Mit hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Es gab viele Designer, die mutiger wurden und Diversität feierten. Leider waren es noch nicht so viele, wie die Medien manchmal vermuten ließen. Coco würde es in der Modelwelt nicht immer leicht haben. Ich wusste, wovon ich sprach, und ich war pan, nicht trans. Sie brauchte jemanden, der sich ihrer annahm, sie verstand, sie beriet und für sie eintrat. Die anderen Mails waren vergessen, als ich zu tippen begann.
05
Gina Marie
Gerade als ich über die Schwelle des Queens trat, um meine Kaffeesucht zu befriedigen, klingelte mein Handy. Ich ging ran und winkte Zach zu, der mich bereits entdeckt hatte und mir mit seinem Hundeblick entgegensah.
»Gina Marie Davis.«
»Miss Davis.«
Ich trat an den Tresen und signalisierte Zach, was ich wollte. Kaffee, groß, Vanillesirup. Und ein Croissant. Es gab zwar Frühstück in meinem Hotel, jedoch gehörte ich zu der Sorte Mensch, die morgens erst einmal in Schwung kommen mussten, bevor sie essen oder trinken konnten. Und heute brauchte ich einen besonders großen Kaffee, denn das erste Meeting lag bereits hinter mir.
»Wenn Sie mich davon abbringen wollen, Sie heute zu nerven, Kingston, dann lege ich direkt wieder auf.«
Eher fror die Hölle zu, als dass ich ihn Mister Boyd nannte. Auf so eine Christian-Grey-Nummer würde ich mich nicht einlassen. Zach erstarrte mitten in der Bewegung und musterte mich. Die Erwähnung von Kingstons Namen sorgte für eine finstere Miene auf seinem attraktiven Gesicht. Was war wohl seine und Kingstons Geschichte?
»Deshalb rufe ich nicht an.«
»Woher haben Sie überhaupt meine Nummer?«
»Ich habe meine Quellen.«
Aha. Innerlich seufzend kaute ich auf meiner Unterlippe. »Was wollen Sie?«
Ich setzte mich an einen der kleinen Tische vor der Fensterfront und entledigte mich meiner Winterjacke und der Mütze. Meine Wangen brannten von der Kälte draußen, und ich konnte es kaum erwarten, etwas Heißes zu trinken.
»Ich will Ihnen ein Angebot machen.«
Zach stellte den Kaffee vor mir ab.
»Wenn Sie jetzt unmoralisch werden, lege ich auch auf.«
Der Teller mit dem Croissant landete polternd daneben. Ich sah zu Zach auf. Er betrachtete mich mit einem dicken, fetten Stirnrunzeln. Lächelnd bedankte ich mich bei ihm und wartete, bis er gegangen war. Kingston offenbar auch, denn als ich leise ausatmete, sagte er: »Queens oder Marys?«
»Queens.«
»Ich bin in zwanzig Minuten da. Dann reden wir.«
»Und wenn ich in Ruhe mein Croissant essen und aktuell nicht mit Ihnen reden will?«
Er schnaubte und legte auf.
Kopfschüttelnd schrieb ich Violett eine Nachricht.
Ich
Versuch Nummer zwei. Kingston will mich treffen. 😳 Ich berichte.
Als ich von meinem Handy aufsah und nach dem Kaffee griff, bemerkte ich Zach, der wieder an meinem Tisch stand und mich betrachtete. Die Falte zwischen seinen Augen war noch tiefer geworden.
»Was?«
»Du triffst dich mit dem Kerl?«
»Wenn du mit ›Kerl‹ Kingston Boyd meinst, dann ja.«
»Seid ihr ein Paar?«
»Was? Nein.« Es schüttelte mich bei dem Gedanken. »Hat sich das eben für dich so angehört? Außerdem wüsste ich nicht, was dich das angeht«, schob ich hinterher.
Zach griff sich verlegen in den Nacken und sah auf mich herab. »Ich mag dich.«
»Das ist süß, Kleiner, aber du kennst mich nicht. Wir sind uns gestern erst begegnet und abgesehen davon, bin ich viel zu alt für dich.«
»Das sagst du …«
Seine Dreistigkeit brachte mich zum Lachen. »Das weiß ich«, korrigierte ich ihn. »Ich bin Mitte dreißig, Zach. Und selbst wenn wir das Alter außen vor lassen, date ich zurzeit nur Menschen mit einer Vagina oder jene, die sich als Frau definieren.« Ich dachte an meine letzte Beziehung. »Männer sind mir zu anstrengend.«
Vor Überraschung hoben sich seine Augenbrauen. »Du bist bi?«
»Pan, Honey.«
Ohne, dass ich ihn dazu aufgefordert hätte, zog er einen Stuhl heran und setzte sich.
»Was heißt das? Und wie ist das so? Finden deine Freunde es merkwürdig?«
Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. Ich sah auf mein Handy, dann auf den Kaffee und das Croissant vor mir. Kingston würde noch einen Moment brauchen. Ich hatte Zeit und, wenn mich nicht alles täuschte, einen queeren jungen Mann vor mir, der noch nicht ganz wusste, wie er mit seiner Realität umgehen sollte.
»Bi bezieht sich auf zwei Geschlechter«, sagte ich und griff nach dem Kaffee. »Mann«, ich zeigte auf ihn, »und Frau«, ich zeigte auf mich. »Pansexuell bedeutet, den Menschen zu lieben. Völlig egal, ob Mann, Frau, trans, non-binär oder intersexuell. Wie jemand sich selbst definiert, spielt für mich in der Wahl meiner Beziehungsperson keine Rolle. Fühle ich mich von jemandem angezogen, fühle ich mich angezogen. Liebe ist Liebe.«
»Das ist …« Zach schluckte. »Das ist wirklich cool, Gina.«
»Nenn mich Gigi, Honey.« Ich zwinkerte ihm zu. »Alle meine Freunde nennen mich so.«
»Freunde, huh?«
»Freunde«, erwiderte ich, an meinem Kaffee nippend. Als Barista war er wirklich gut. »Mehr nicht.« Ich musterte ihn. »Wie alt bist du, Zach?«
»Zwanzig.«
Fast hätte ich mich an meinem Getränk verschluckt. Mit großen Augen sah ich ihn an.
»Ich bin fast doppelt so alt wie du! Du solltest nicht mit mir flirten.«
»Sagt wer? Die Moralpolizei?«
»Sage ich«, ertönte eine tiefe Stimme hinter uns.
Zachs Miene verfinsterte sich augenblicklich. Er drehte sich nach rechts und sah zu Kingston auf. »Genau die Meinung, auf die ich so gar keinen Wert lege.«
»Pech gehabt, Kleiner, du bekommst sie trotzdem.«
Kingston zog den dritten Stuhl heran und setzte sich. »Espresso, doppelt. Und ein Glas Wasser, still«, bestellte er bei Zach, während er sich seiner schwarzen Daunenjacke entledigte.
»Gott bewahre, dass du mal etwas anderes nimmst.«
»Gott hat damit bestimmt nichts zu tun.« Kingston nickte in Richtung Theke, und Zach erhob sich widerwillig, um sich an die Arbeit zu machen. Nicht jedoch, ohne mir noch einen bedeutungsschweren Blick zuzuwerfen. Da ich jedoch weder ihn noch den Mann mir gegenüber kannte, konnte und wollte ich mir noch kein Urteil erlauben.
Ich trank von meinem Kaffee und lehnte mich zurück. »Sie sind beliebt.«
Er ignorierte meinen Kommentar. Natürlich.
»Ich habe ein Angebot für Sie, Gina Marie.«
Ich biss mir in die Wangentasche. Die Art, wie er meinen Namen aussprach, war interessant. Als würden wir uns ewig kennen. Als wäre es ein besonderer Name. Als hingen eine Menge dunkler Versprechen daran. Da er mich zum ersten Mal beim Vornamen nannte, ging ich davon aus, dass es kalkuliert war. Die Wirkung verlor es daher nicht. Schade, dass er so ein Arsch war.