Von Ascheregen & Dämonen - Melanie Lane - E-Book

Von Ascheregen & Dämonen E-Book

Melanie Lane

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Beschreibung

Lilly und Lucan sitzen endlich auf dem Thron der Anderswelt, doch die Krönungsfeier entwickelte sich zu einem Desaster. Auf das freudige Ereignis folgt eine weitere Tragödie. Der Feind, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, hat endlich einen Namen und die Freunde müssen ihn stoppen, bevor er noch mehr Unheil anrichten kann. Doch ein Krieg, der alle Welten ins Verderben stürzen könnte, braut sich am Horizont bereits zusammen. Werden Lilly und die anderen dies noch verhindern können oder stolpern sie alle blind hinein?

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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1 

KAPITEL 2 

KAPITEL 3 

KAPITEL 4 

KAPITEL 5 

KAPITEL 6 

KAPITEL 7 

KAPITEL 8 

KAPITEL 9 

KAPITEL 10 

KAPITEL 11 

KAPITEL 12 

KAPITEL 13 

KAPITEL 14 

KAPITEL 15 

KAPITEL 16 

KAPITEL 17 

KAPITEL 18 

KAPITEL 19 

KAPITEL 20 

KAPITEL 21 

KAPITEL 22 

KAPITEL 23 

KAPITEL 24 

KAPITEL 25 

KAPITEL 26 

KAPITEL 27 

KAPITEL 28 

KAPITEL 29 

KAPITEL 30 

KAPITEL 31 

KAPITEL 32 

KAPITEL 33 

KAPITEL 34 

KAPITEL 35 

KAPITEL 36 

KAPITEL 37 

KAPITEL 38 

KAPITEL 39 

KAPITEL 40 

KAPITEL 41 

KAPITEL 42 

EPILOG 

Danksagung 

 

 

 

 

Vollständige e-Book Ausgabe 2024 

 

© 2024 ISEGRIM VERLAG 

in der Spielberg Verlag GmbH, Neumarkt 

Coverdesign: © schockverliebt Design Studio 

Coverillustrationen: © freepik.com & iStock.com 

Reinzeichnung und Litho: Alexander Masuch - Print & Digital Media 

Illustrationen: ›Lilly u. Lucan‹ von Ekaterina Kurochkina 

Illustrationen: ›Alina, Nick, Ducan, Malik, Cora u. King Midas/Drake+Noain‹ 

von @maria_lahaine 

Kartenillustration: Melanie Lane 

Alle Rechte vorbehalten. 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. 

 

ISBN: 978-3-95452-848-6 

 

www.isegrim-buecher.de 

 

 

 

Melanie Lane (Ps.) stammt aus der schönen Stadt Hamburg, wo sie lebt und in ihrem eigenen Design Studio schockverliebt arbeitet. Sie ist begeisterungsfähig, laut, trinkt gerne Vino und verabscheut Schubladendenken. Als bekennende Feministin lebt sie Themen wie Gleichberechtigung und Diversität, was sich auch stets in ihren Büchern wiederfindet. Sie liebt Sarkasmus, das Meer und ist eine absolute Tierliebhaberin. 

Liebe Anna. 

Dieses Buch ist für dich. 

Ich könnte hier jetzt all die Gründe aufzählen, warum du wundervoll bist. Weil das Buch dann aber zu lang wird, sage ich einfach: Du bist ganz, ganz wundervoll und ich freue mich riesig, das Abendteuer Leben mit dir gemein-sam zu bestreiten. Und das seit über fünfundzwanzig Jahren. 

Ich bin stolz auf dich. 

Ganz viel Liebe 

Mel 

Liebe Leser*innen, 

dieser Band knüpft nahtlos an den vorherigen an. 

Lilly und Lucan sitzen endlich auf dem Thron der Anderswelt. Doch bevor dies gebührend gefeiert werden kann, stürzt Drake, bewusstlos und in Drachengestalt, durch das Palastdach auf die Feiergesellschaft und begräbt alle unter sich. 

Lillys Feind hat einen Namen bekommen: Bael. 

Die Freunde wissen, dass ein Krieg bevorsteht. Nun gilt es, die Ver¬luste so gering wie möglich zu halten, und herauszufinden, wer Bael ist, und wie man ihn stoppen kann. 

Viel Freude beim Lesen und willkommen zu Hause ☺ 

 

 

 

When you are ashes remember this (by Nikita Gill) 

 

They will 

insult you, 

hurt you, 

defeat you, 

betray you, 

injure you, 

set you aflame 

and watch you burn. 

 

But they 

will not, 

shall not, 

cannot destroy you. 

 

Because you, 

like Rome, 

were built on ashes, 

and you, 

like a phoenix 

know how to rise 

and resurrect. 

KAPITEL 1 

Fünfzehn Tage. Siebzehn Stunden. Dreizehn Minuten. Und ein paar Sekunden. So lange war es her, dass ich neben Lucan den Thron bestiegen hatte. Fünfzehn Tage. Siebzehn Stunden. Sechzehn Minuten. Und ein paar Sekunden. So lange war es her, dass Drake in Drachengestalt durch das Dach unseres Palastes gestürzt war und uns alle unter sich begraben hatte. Zur gleichen Zeit hatte ich erfahren, wer für meine Entführung und all die Angriffe der letzten Monate und Jahre verantwortlich war. Bael.

Wir hatten einen Namen. Endlich. Nun mussten wir nur noch herausfinden, wer genau dieser Bael war. Zum jetzigen Zeitpunkt ging ich jedoch stark davon aus, dass es sich um einen Mann handelte. Wahrscheinlich ein Vertreter der Spezies »Kommt nicht damit klar, dass eine Frau regiert«. Diese Sorte Mann, geprägt von der eigenen Machtgier und den letzten Jahrhunderten nach dem Clash, brachte die Anderswelt leider häufig hervor. Ein paar von ihnen hatte ich bereits ausgeschaltet. Laurenti war tot – Kopfschuss –, Narcos ebenso – Gift –, und ein Großteil der ehemaligen Minister Alliandoans saß im Verlies – wo sie so schnell nicht wieder herauskommen würden.

Also, ja, aktuell ging ich davon aus, dass es sich um einen Mann handelte. Eine Frau, insbesondere eine Andersweltlerin, wäre selbst aufgekreuzt, um mich zu erledigen.

Zum Glück gab es ausreichend Männer, die anders dachten. Progressiver. Gleichgesinnter. So auch mein Mann.

Nick mittlerweile ebenfalls, Duncan und die Sieben, die meisten Assassinen in Zyntha und generell der Großteil der Bevölkerung in den anderen Welten. Vor allem Welten wie Thaumas oder Fenodeere, die bereits von starken Frauen geführt wurden.

Nicht zu vergessen Abbadon. Die Welt der Dämonen wurde auch von einer Frau regiert – Lillith. Nur schien nicht jeder mit der anhaltenden Herrschaft meiner Mutter einverstanden.

Bael wollte nicht nur mir an den Kragen, er wollte durch mich an sie herankommen. Ich sollte einen Erben produzieren, durch dessen Adern Lilliths Blut floss, und Baels. Das nahmen wir zumindest an. Volac war recht deutlich gewesen und da wir nun wussten, dass er für diesen Bael arbeitete, lag es nahe.

Nicht einmal Lillith wusste, wer er war. Ich erinnerte mich gut an ihr schockiertes Gesicht, kurz bevor alles schwarz geworden war. Gemeinsam mit Midas und Lucan hatte sie versucht, Drakes Fall aufzuhalten, oder ihn zumindest abzufedern, aber es war zu spät gewesen.

Er war gefallen. Und wie.

 

Schreie! Da waren so viele Schreie! Die Druckwelle von Drakes Aufprall hatte mich davongeschleudert. Gegen die Wand hinter mir. Dabei hatte ich einen der beiden Throne mitgerissen. Glaubte ich. Mein Kopf dröhnte und noch immer war alles um mich herum irgendwie schwarz. Doch die Schreie, sie waren markerschütternd. Einer zerriss mir ganz besonders das Herz, denn ich wusste, zu wem die Stimme gehörte, die immer wieder Drakes Namen rief. Noain. Er war hier. Meine Mom und Luzifer waren es. Sie alle waren es.

Mühsam stemmte ich mich hoch und schüttelte den Kopf. Da lagen Gesteinsbrocken auf mir. Vom Thron? Vom Dach? Ich blinzelte hektisch. Mein Sichtfeld begann sich zu klären. Aus Schwarz wurde Grau und zunächst sah ich nur Schatten und Schlieren, dann aber traf mich das Ausmaß dessen, was passiert war, mit voller Wucht. Drake war in Drachengestalt durch das Dach unseres Palastes gekracht und hatte den halben Thronsaal unter sich begraben. Die Verwüstung war enorm. Die Stille, die herrschte, konkurrierte mit dem Klingeln in meinen Ohren.

»Lilly?«, ertönte ein heiseres Krächzen links von mir. Lucan!

Ich zwang mich regelrecht dazu, klar zu sehen, und entdeckte ihn unter dem zweiten Thron, der ihn vollständig unter sich begraben hatte.

»Lucan! Bist du verletzt?« Ich robbte zu ihm hinüber und half ihm, sich unter dem Thron herauszuarbeiten.

»Nicht nennenswert. Du?«

Ich schüttelte den Kopf – ein großer Fehler. Sofort verschwamm Lucan vor meinen Augen.

»Nein. Maximal eine Gehirnerschütterung und ein paar Schrammen.« Nichts, was meine unsterblichen Gene nicht demnächst richten würden.

Aber was war mit dem Rest unserer Gesellschaft?

»Lucan, die anderen …«

»Komm«, er stemmte sich hoch und zog mich mit sich. Beide waren wir staubbedeckt und hatten die ein oder andere blutige Schramme vorzuweisen. Sein Anzug war ebenso hinüber wie mein Meisterwerk von Kleid. »Verschaffen wir uns einen Überblick.«

 

In den Tagen, die darauf folgten, hatte es sowohl Hochs als auch Tiefs gegeben. Lucan und ich waren vereint. Ich war Königin und saß auf dem Thron, der Mann, den ich liebte, neben mir. Wir konnten unserem neuen Feind einen Namen geben und hatten Drakes Aufprall mit wenigen Kratzern und ein paar gebrochenen Rippen überlebt.

Das waren die Hochs.

Die Tiefs waren es, die dafür sorgten, dass ich an diesem grauen Tag an meinem neuen Stammplatz am Fenster saß und das Spiel der Wolken über dem See der Balance beobachtete. Denn sie waren weitaus zahlreicher geworden.

Drake lag verletzt und noch immer bewusstlos in einem der Zimmer in unserem Palast, bewacht von der Garde und seinen eigenen Leuten. Und von Noain, der seit Drakes Unfall ständig hier herumlungerte, auch wenn er niemals zugegeben hätte, dass der Formwandler der Grund dafür war. Meine Mom verschanzte sich in Abbadon und ignorierte mich. Luzifers gemurmeltes »Ich bringe ihn um«, schien für eine Menge Zündstoff zwischen den beiden zu sorgen. Von Vaya wusste ich, dass Lillith und Luzifer sich in ihrem jeweiligen Teil des Palastes eingeschlossen hatten und vor sich hin brodelten statt miteinander (oder zumindest mit mir) zu reden. Zwischen ihnen herrschte Funkstille. Wer hätte noch vor Kurzem gedacht, dass ausgerechnet Vaya unsere wertvollste Quelle in Abbadon werden würde? Aktuell war sie die Brücke zwischen unseren beiden Welten und ich wurde das Gefühl nicht los, dass aus einem Waffenstillstand so etwas wie eine vorsichtige Freundschaft wurde. Wenn ich es zuließ.

Wir hatten keine Ahnung wann und wie Bael erneut angreifen würde und um all dem die Krone aufzusetzen – verdammt nochmal wortwörtlich –, waren die Momente, die Lucan und ich seit der Zeremonie zu zweit genossen hatten, rar.

Seitdem er wusste, dass ein Dämon (nahmen wir an), den Luzifer kannte (nahmen wir an), mir an den Kragen und mich obendrein als Brutmaschine benutzen wollte, arbeitete er in jeder freien Minute mit Malik daran, eine Spur von Bael zu finden. Derweil versuchten Rhonan und Noain herauszufinden, wie genau Bael und seine Anhänger an Drake herangekommen waren. Jene Unsterblichen, die während der Zeremonie, kurz vor dem Unfall, aufgestanden waren und seinen Namen gerufen hatten, hatten wir nicht mehr befragen können, sie waren bereits tot gewesen. Ihre Körper nichts weiter als leblose Hüllen. Die Dämonen fort. Wir hatten sie vielleicht nicht ausquetschen können, aber wir hatten ihnen die letzte Ehre erwiesen. Anständig und nach der jeweiligen Tradition ihrer Herkunft. Eine dunklere Wolke schob sich in mein Sichtfeld und ich betrachtete sie stirnrunzelnd. Wieso ignorierte Lillith mich? Wusste sie mittlerweile, wer Bael war? Wie passte Luzifer in dieses Konstrukt? Es hatte mir nicht den Anschein gemacht, dass er mich tot sehen wollte. Immerhin waren wir eine Familie, wenn auch auf eine äußerst verquere Art und Weise.

Vor nicht allzu langer Zeit noch hatte ich gar keine Familie gehabt. Dann war Nick in mein Leben getreten. Nach ihm Lillith und nun Luzifer und – Nein, ich spann den Gedanken nicht weiter. Spekulationen brachten uns nicht weiter, ich brauchte Fakten.

Was jedoch Fakt war, war die Tatsache, dass wir die mit Abstand dysfunktionalste Familie in allen Welten waren – da war ich sicher.

 

»Wer ist Bael?«, schrie Lillith aus vollem Halse. Sie war nicht bloß gestresst, meine Mutter war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Und dann würden wahrscheinlich nicht einmal Midas’ Zauber ihre Kräfte bändigen können.

»Niemand.« Luzifer knirschte mit den Zähnen. »Niemand.«

»Niemand? Ich schwöre dir, Lu, wenn du dich nicht erklärst, mache ich dir hier und jetzt –«

»Könnt ihr bitte mit den Streitereien aufhören?«, brüllte ich dazwischen und wischte mir den Staub aus dem Gesicht. Mittlerweile war ich ziemlich sicher, dass mein Make-up überall war, nur nicht mehr in meinem Gesicht. Aber wen kümmerte das, wenn wir vor den Trümmern unserer Krönungsfeier standen?

»Wir haben aktuell Wichtigeres zu tun, als euch dabei zuzuhören, wie ihr euch verbal zerfleischt!« Schwer atmend sah ich mich um. Der Thronsaal war komplett zerstört. Noch immer zogen die Wachen sowie die Sieben, Nick, Alina und die anderen bewusstlose Körper durch den Raum. Drake hatten wir dank Midas mittlerweile bergen können und ihn kurzerhand in den Sinine Wald befördert. Für den Moment.

Die Heiler waren bereits hier und unter Runaks wachsamem Blick verarzteten sie, wer immer ihnen unter die Augen trat. Bei der Balance, wir konnten es alle gebrauchen, so viel stand fest. Aktuell verdankten wir es Midas und meiner Mom, dass wir noch keine Toten geborgen hatten. Obwohl sie Drakes Aufprall nicht hatten stoppen können, waren sie in der Lage gewesen, eine Art magisches Sicherheitsnetz zu spannen, so dass sein Aufprall ein wenig gefedert worden war und er nicht mit voller Wucht in unsere Familie, Freunde und Gäste gekracht war. Ich war so dankbar, dass Alina, Cora und die anderen in den vorderen Reihen gesessen und so nur die Druckwelle abbekommen hatten.

»Lillith, ich sage dir –«

»Fass mich nicht an!«

»Das reicht jetzt!«, donnerte mein Mann und ging dazwischen. »Spart euch die Streitigkeiten für zu Hause und krempelt die Ärmel hoch. Wir brauchen jede Hilfe.«

Nick trat zu mir, meine Krone in den Händen. Zwei der Monde waren abgebrochen und hingen traurig und schlapp herunter.

»Was für ein scheiß Tag.«

Das konnte er laut sagen.

 

Ich zuckte kurz zusammen, als sich die Tür zu unserer Suite öffnete. Ich war so versunken in Gedanken und das Wolkenspiel am Himmel gewesen, dass ich Lucan nicht gespürt hatte. Langsam drehte ich mich um und streckte die Hand nach ihm aus. Sofort war er bei mir und riss mich ein wenig zu enthusiastisch an sich.

»Lucan, du zerquetscht mich.«

»Schwachsinn«, murmelte er an meinem Kopf, während er an meinen Haaren schnupperte.

»Du bist stärker als ich.«

»Behauptest du.«

»Bist du.«

»Davon merke ich nicht viel.«

Er schob mich von sich und musterte mich. Niemals würde ich genug von diesem Anblick bekommen. Ein starkes Kinn, hohe Wangenknochen, schwarze Haare und Augen … diese Augen, die sich seit Tag eins in meine Seele gebrannt hatten.

»Hast du über das nachgedacht, worüber wir gesprochen haben?«

Ich seufzte leise. Abbadon. »Du hältst es wirklich für eine gute Idee, wenn ich nach Abbadon gehe.«

»Nur für eine gewisse Zeit«, räumte er ein. »Niemand kann dir beibringen, deine neue Magie zu benutzen. Niemand außer –«

»Lillith.«

Ich trat aus seiner Umarmung und ließ mich zurück auf die Fensterbank sinken. Lucan nahm neben mir Platz.

»Ich habe ein paar Wochen mit deiner Mutter verbracht und Lilly, noch nie in meinem Leben habe ich Magie wie ihre gespürt oder gesehen. Sie ist absolut einzigartig, so wie deine. Du hast dein Potential noch lange nicht ausgeschöpft.«

»Das behauptest du, seitdem wir uns kennen.«

Er setzte sich bequemer hin, lehnte sich gegen die Wand und grinste mich an. »Und es ist noch immer wahr. So langsam ist es an der Zeit, dass du handelst, meinst du nicht?«

Ich schnaubte leise, konnte das Zucken meiner Mundwinkel jedoch nicht verhindern. »Du meinst, es ist an der Zeit, dass ich meinen Arsch hochkriege und zu der Königin werde, die Scio in mir gesehen hat?«

»Zu der Königin, die wir alle sehen«, verbesserte er mich sanft. »Und zu der Frau, die du sein willst.«

Das ließ mich aufhorchen. Mit großen Augen blickte ich meinen Gefährten an.

»Es gibt niemanden mehr, der dich zurückhält oder dir etwas vorschreibt, Liebes. Du regierst. Du bist Königin. Das Volk wählte dich. Ich wählte dich. Du kannst dich zu einhundert Prozent auf dich und deine Magie konzentrieren.«

»Bael –«

»Wird gesucht«, unterbrach er mich. »Von allen Welten. Von Lillith. Und von Luzifer, nehme ich an.«

In Momenten wie diesen wurde mir klar, wie weit wir schon gekommen waren. Ich – oder besser wir – mussten all die Arbeit nicht mehr allein machen. Wir trugen das Risiko nicht mehr allein. Meine Mom hatte mir in Lucans Haus den Spiegel vorgehalten und mich erkennen lassen, dass ich all das hier durchaus allein schaffen würde, aber ich musste es nicht. Gemeinsam zu regieren, zu handeln und zu leben, das war eine bewusste Entscheidung. Ich war nicht auf mich allein gestellt, ich hatte Familie, Freunde, Verbündete. Und ich hatte Lucan Vale.

Alle Welten standen hinter uns. Wenn es etwas gab, das einen noch enger zusammenschweißte, dann war es ein gemeinsamer Feind.

»Ich verstehe, was du sagst«, erwiderte ich daher und legte eine Hand an meine Schläfe. »Hier drin. Aber hier«, die Hand wanderte auf meine Brust, direkt über mein gleichmäßig schlagendes Herz, »hier drin fühlt es sich nicht richtig an, Arcadia zurückzulassen.«

»Arcadia oder Drake?«

»Beide?«

Drakes und meine Beziehung war nicht immer einfach gewesen, aber ich liebte den Formwandler. Er war ein Freund. Ein guter Freund und das, was ihm widerfahren war, war schrecklich. Er hatte uns beschützen wollen und nun lag er bewusstlos in einem unserer Krankenzimmer. Ich betete täglich zur Balance, dass es keine weiteren Angriffe oder Tote geben würde, bis wir Bael fanden. Ich ahnte aber auch, dass dies naiv war. Zu hoffen, dass das Böse nicht böse war oder Böses tat, war dämlich.

Doch ich wusste auch nicht, was ich tun würde, sollte Drake es nicht schaffen. Ganz abgesehen davon, hatte ich Angst vor dem, wozu Noain im Stande wäre … So viel Mühe der Vampyr sich mit seiner sorgfältig zur Schau gestellten Abneigung Drake gegenüber auch gab, ich blickte hinter die Fassade. Bei unseren letzten Treffen waren mir seine Blicke bereits aufgefallen, doch seit Drake verwundet war, war es mehr als deutlich. Die Gefühle zwischen den beiden waren noch immer da, auf beiden Seiten – und sie waren stark. Noain war jedoch unsterblich und ein Kerl, das reichte aus, um ihm Mittelnamen wie »stur«, »starrköpfig« und »schwierig« zu geben.

»Wir sind nicht alle so«, grummelte Lucan leise.

»Nein«, bestätigte ich, nun wieder lächelnd, »Olli ist nicht so.« Ich tätschelte sein Knie. »Aber nett von dir, dass du dich direkt in einen Topf mit Noain wirfst.«

Anstatt auf meinen neckenden Tonfall einzugehen, wurde Lucan ernst.

»Ich fühle seinen Schmerz«, sagte er leise. »Ich verstehe ihn.«

»Und du respektierst ihn.«

Er nickte. »Ja.«

»Nach so kurzer Zeit?«

»Bei einigen Dingen braucht es keinen langen Zeitraum, um sich ihrer sicher zu sein…« – er musterte mich aufmerksam – »… man weiß es einfach.«

Er spielte auf unsere Verbindung an und eher würde Abbadon zufrieren, als dass ich ihm widersprach.

»Ich respektiere ihn auch«, erwiderte ich daher. »Und ich traue ihm.«

»Traust du ihm auch zu, unsere Verräter zu finden?«

Ich zuckte mit den Schultern und blickte erneut zum See der Balance. »Wer auch immer Rhonan und Noain unterstützt, sie haben mich gefunden als nicht einmal du oder Lillith es konnten. Ich sage, sie sind unsere beste Chance.«

Lucan nickte brüsk. Er gab mir recht. Dann änderte sich seine Stimmung schlagartig und er griff nach mir, um mich an sich zu ziehen.

»Was hältst du davon, wenn wir heute Abend in unserem Zimmer essen?« Er küsste meinen Nacken. Gänsehaut breitete sich dort aus, wo er mich berührte. »Nur du und ich«, raunte er, »ein heißes Bad, ein großes Bett und –«

Es klopfte an der Tür.

Himmel. Dieser Moment … er war so stellvertretend für die letzten Wochen. So gut wie nie hatten wir unsere Ruhe. Dabei war alles, was ich nach unserer Feier hatte tun wollen, Lucan flachlegen und mich an unserem gemeinsamen Glück erfreuen. Zähneknirschend sah ich an ihm vorbei zur Tür.

»Was?«

Sein leises Lachen vibrierte an meinem Hals.

Charmant, Liebes.

»Ich bin’s«, kam es durch die Tür.

Malik. Ich seufzte. Natürlich einer der Männer, die ich unmöglich wegschicken konnte, ohne mich wie die mieseste Königin überhaupt zu fühlen.

»Ich bin sofort bei dir!«, rief ich zurück.

Lucan schob mich von sich und küsste mich. Einmal. Und gleich noch einmal.

»Geh«, wisperte er an meinem Mund und gab mich frei. »Ich finde dich.«

Diesmal war ich es, die nickte. Unsere aktuelle Situation war alles andere als rosig, aber sie hätte auch schlimmer sein können – bedeutend schlimmer.

Ich erlaubte es mir, einen weiteren Kuss zu stehlen, dann ging ich zur Tür.

Ich finde dich.

Ich weiß.

Uns im Chaos zu finden, darin waren Lucan und ich in den letzten Wochen verdammt gut geworden.

KAPITEL 2 

Malik nahm Haltung an, als er mich kommen sah.

»Sag es frei heraus«, forderte ich ihn auf. »Gab es Tote?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Und das verdanken wir Midas und«, er stockte kurz, »… Lillith.«

Der Balance sei Dank.

»Wer ist dieser Bael? Hat irgendwer schon mal von ihm gehört?« Irgendwer, außer meinem gruseligen Stiefvater.

»Niemand.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Den Umhang war ich längst losgeworden und mein Jumpsuit? Der war völlig hin. Um mich zu bedecken, trug ich eines von Lucans Hemden über dem zerfetzten Kleidungsstück. In den Trümmern nach Überlebenden oder Spuren zu wühlen, hatte ihm den Rest gegeben.

»Und was denkst du?«, fragte ich Malik.

Er zögerte, dann ahmte er meine Geste nach und verschränkte ebenfalls die Arme. Das Cremeweiß seiner Uniform war Grau und Rosa gewichen.

»Ich denke, dass wir nun endlich wissen, wer unser Endgegner ist. Zumindest haben wir einen Namen.«

»Endgegner?« Ich zog beide Augenbrauen hoch.

»Duncans Worte.«

Ah.

 

»Was ist los?«, fragte ich Malik, als wir ein paar Schritte gegangen waren.

»Rhonan wünscht, euch zu sprechen.«

Ich blieb stehen. »Und wieso nehmen wir Lucan dann nicht gleich mit?«

»Weil«, entgegnete Malik und klang erschöpft dabei, »Noains Anwesenheit ebenfalls erwünscht ist und du wahrscheinlich die Einzige bist, die ihn von Drakes Krankenbett wegbekommt, ohne ihm das Gefühl zu geben, dass wir alle wissen, wieso er ständig hier herumlungert.«

»Er liebt ihn noch immer.«

»Das ist offensichtlich.«

Malik erwiderte meinen Blick ernst. »Aktuell würde er sich jedoch lieber einen Dolch in die Brust rammen, als das zuzugeben, also lass deine Magie wirken.«

»Meine Magie?«

»Na deine ganz eigene … Art«, schloss er lahm.

Ich war nicht sicher, ob ich verstand.

»Lilly.« Malik seufzte. »Wir waren in allen Welten. In allen«, betonte er und sofort dachte ich an unser letztes Abenteuer in Crinaee. Wir hatten die Erben gefunden und Narcos gestürzt. Das war ein guter Tag gewesen.

»Überall, wo du auftauchst, hinterlässt du eine Spur. Du hast ein … Talent, Unbekannte zu Verbündeten und Verbündete zu Freunden zu machen. Noain mag dich«, fuhr er fort, als wir uns erneut in Bewegung setzten. »Und er schätzt deine Meinung. Als Königin, aber, und das ist wahrscheinlich noch ausschlaggebender, auch als Kriegerin.«

Ich war mir nicht zu schade zuzugeben, dass seine Worte runtergingen wie Öl.

»Also soll ich ihn davon überzeugen, Drake allein zu lassen und mit uns zu kommen?«

Malik nickte.

»Ich liefere dich ab, dann hole ich Lucan.«

Lucan?

Ja, Liebes.

Malik wird dich in wenigen Minuten suchen.

Sag ihm, ich bin im Trainingszentrum.

»Er ist im Trainingszentrum.«

Maliks Mundwinkel zuckten.

»Ich weiß.«

»Ahhh, das ist –«

»Belassen wir es dabei, ja?«, unterbrach Malik mich.

»Du weißt, dass wir alle neugierig sind«, begann ich vorsichtig. »Lucan und ich sind vereint, Cora und King auf dem besten Weg dahin«, – ich hielt meine Hand mit dem Ring hoch. Das perfekte Gegenstück zu Lucans Ring. – »Alle fragen sich, wann es bei dir und Duncan so weit ist und –«

»Das geht nur Duncan und mich etwas an.«

»Malik«, jammerte ich, als er mich den letzten Korridor entlangführte, ehe wir vor Drakes Zimmer Halt machten. »Bitte. Gib mir irgendwas!«

»Wenn das dann alles wäre, Eure Majestät.«

Malik verbeugte sich steif vor mir.

»Ich hasse dich.«

»Tust du nicht.«

Grinsend salutierte er (das hatte er sich mit Sicherheit von Duncan abgeguckt!) und schlenderte seelenruhig in Richtung Trainingszentrum davon.

Also schön.

Noain, ermahnte ich mich. Drake. Ich musste mich konzentrieren. Ein Gespräch mit dem Vampyr glich einem Sprint über ein Minenfeld. Es gab so viele Tabuthemen, dass es quasi vorprogrammiert war, ins Fettnäpfchen zu treten.

Ich klopfte – der Form halber. Noain musste uns sowohl gehört als auch gespürt haben.

»Was?«

Kein »Herein!« oder »Ja, bitte?«. Da Noain – wie ich zuvor auch – auf jegliche Form von Höflichkeit verzichtete, tat ich es ihm gleich und öffnete die Tür.

»Wir müssen reden«, sagte ich als ich in den Raum trat.

Wie immer war Drakes Anblick ein Schlag ins Gesicht. Unsere besten Heiler kümmerten sich um ihn. Ebenso die Heiler aus Vesteria und auch Midas hatte jemanden geschickt. Dennoch war er noch immer erschreckend blass und hatte tiefschwarze Ränder unter den Augen. Was hätte ich dafür gegeben, das übliche Bernstein zu sehen. Den Hauch von Schalk und die große Portion Argwohn, die mir entgegengeblickt hatten. Und zuletzt die Hoffnung und das Versprechen von wieder aufblühender Freundschaft.

Noain saß auf einem der Sessel am Fenster. Ein Bein lässig über das andere geschlagen, blickte er mich herausfordernd an. Ich tat so, als würde ich die Kuhle und die zerknitterten Laken auf Hüfthöhe von Drake nicht sehen. Bis eben hatte er also am Bett des Formwandlers gesessen. Auch das gab mir Hoffnung. Und Hoffnung war die treibende Kraft. Immer.

»Rhonan wünscht, mich zu sehen.«

Noain hob eine Augenbraue.

»Und wieso bist du dann hier?«

»Weil ich möchte, dass du mich begleitest.«

»Ich denke nicht –«

»Du bist ihr Anführer, Noain«, unterbrach ich den Vampyr ruhig. »Von dem, was ihr angedeutet habt, verlassen sich eine Menge Unsterbliche auf Rhonan und auf dich. Vor allem auf dich. Ich verstehe deinen Schmerz, glaub mir«, – Noain zuckte zusammen und öffnete den Mund, als wolle er widersprechen, überlegte es sich im letzten Moment jedoch anders –, »aber Drake ist hier in guten Händen. Und wir werden gebraucht. Ich brauche dich«, fügte ich hinzu. »Ich möchte deinen Leuten beweisen, dass sie mir vertrauen können. Dazu ist deine Anwesenheit notwendig.«

Noain schnaubte leise.

»Was will Rhonan?«

»Das hat er nicht gesagt.«

»Natürlich nicht.«

»Bitte«, zündete ich meine Geheimwaffe, »begleite mich.«

»Hast du dafür nicht deinen Mann?«

Ich nickte. »Er kommt ebenfalls mit.«

Noain musterte mich abschätzig und kurz dachte ich, er würde ablehnen. Dann erhob er sich und fluchte. »Schön. Ich ziehe mich um und bewaffne mich. Gib mir zehn Minuten.«

»Wir erwarten dich im Patio.«

Kommentarlos stapfte er an mir vorbei und ließ mich mit Drake allein. Als seine Schritte verklangen, wandte ich mich dem Bett zu.

Langsam trat ich näher und strich Drake sanft über die Wange. Er hatte einen dunklen Bartschatten, was mir verriet, dass sich jemand um seinen wachsenden Bart gekümmert hatte. Vielleicht sogar Noain?

»Wir bekommen dich wieder hin, Drake. Ich verspreche es.«

Ich lehnte mich vor, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken, da erregte etwas aus dem Augenwinkel meine Aufmerksamkeit. Ein Pergament, das unsanft – und hastig? – unter Drakes Kopfkissen gestopft worden war. Irritiert sah ich zur Tür? Drake hatte erwähnt, dass Noain einst ein Künstler gewesen war, ein Dichter … 

Vorsichtig zog ich das Pergament hervor und strich es glatt.

 

Ich nenne uns Verrat.

 

Ich schluckte, als ich die Überschrift las.

Oh, Noain … 

 

Vielleicht, in einer anderen Zeit, hätte ich uns Hoffnung genannt.

Vielleicht, in einem anderen Universum, wären wir für immer gewesen.

Vielleicht, irgendwo in den Sternen, würde ich uns Vergebung nennen 

und mich nicht mit Krieg im Herzen an dich erinnern.

 

Mit brennenden Augen legte ich das Pergament beiseite. Diese Worte waren nicht für mich bestimmt. So gern ich auch weiterlesen wollte, ich tat es nicht. Stattdessen legte ich das Blatt zurück an seinen Platz, sorgfältig darauf bedacht, dass es nicht allzu sehr zerknitterte.

Die Worte waren wunderschön und gleichzeitig so voller Schmerz. Und sie bewiesen mir ein für alle Mal, dass hinter der harten Fassade des Kriegers ein Mann mit Gefühlen steckte.

Bevor die zehn Minuten rum waren und Noain vor mir im Patio ankam, setzte ich mich in Bewegung. Auf dem Weg nach draußen machte ich in der Palastküche Halt und bat Olli darum, jemanden zu Drake zu schicken, um nach dem Rechten zu sehen. Ich fühlte mich wohler dabei, wenn ich wusste, dass Drake nicht allein war, falls er aufwachte. Und ich ahnte, dass es Noain ebenso ging.

Auf meinen letzten Metern stieß ich auf Lucan. Kommentarlos reichte er mir meine Waffen und mein Katana. Niemand von uns verließ den Palast, ohne ausreichend bewaffnet zu sein. Wir wussten nie, wann wir auf Bael oder seine Minions trafen.

Alles okay?

Ich nickte, während ich mich im Gehen geübt bewaffnete.

Ist etwas vorgefallen? Mit Noain?

Kurz öffnete ich meinen Geist und ließ Lucan sehen. Ein verständnisvolles Brummen ertönte.

Ich hab’s dir gleich gesagt. Drake leidet, aber Noains Schmerz … er geht tiefer.

Er liebt Drake noch immer.

Lucan nickte.

Sorgen wir erst einmal dafür, dass Drake wieder aufwacht. Der Rest wird sich finden.

Was glaubst du will Rhonan von uns?

Wir betraten den Patio. Malik erwartete uns bereits. Ebenso Duncan und King. Unsere übliche Entourage. Seit Crinaee fühlte ich mich den Kriegern noch näher als zuvor.

Zwei Möglichkeiten, hörte ich Lucan in meinem Kopf.

Entweder, er erzählt uns endlich, wen sie beschützen, oder aber – 

Sie haben die Verräter gefunden.

Ich spürte Lucans Blick.

Exakt.

Beides war aufregend. Auf beides warteten wir schon eine Weile. Wichtiger in unserer aktuellen Lage war jedoch Option B.

Kaum hatten wir die anderen erreicht, betrat Noain den Patio. Bewaffnet bis unter die Zähne und mit einem grimmigen Ausdruck auf dem harten Gesicht.

»Wie schön«, murmelte Duncan. »Er kommt auch.«

»Hast du ein Problem damit, Assassine?«

»Nicht im Geringsten«, flötete Duncan.

»Das sieht aber nicht so aus.«

Offensichtlich auf Krawall gebürstet, trat Noain dichter an Duncan heran. Die Hände zu Fäusten geballt. Duncan überraschte nicht nur mich, als er laut auflachte.

»Spar dir die Aggressionen für den wirklichen Feind«, sagte er. »Ach und Noain? Schraub das Pathos ein wenig runter, ja? Du bist nicht ganz so besonders, wie du denkst.«

Das klang schon eher nach Duncan. Malik kniff die Augen zusammen, während King und ich unser Lachen durch ein Räuspern tarnten. Mehr schlecht als recht.

»Genug jetzt«, mischte Malik sich ein. »Rhonan erwartet uns und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich will wissen, was er zu sagen hat.«

Also glaubte er, dass es um die Verräter ging.

»Lucan?«, wandte er sich an meinen Gefährten. »Wenn du so freundlich wärst.«

In vollkommener Stille warteten wir, bis Lucan das Portal nach Anak geöffnet hatte. In den letzten Wochen war die Stelle im Wald, unweit von unserem Haus, zu unserem geheimen Treffpunkt geworden. Ich hatte sowohl Noain als auch Rhonan angeboten, sich in Arcadia mit uns zu treffen, sie bevorzugten jedoch den Wald. Wenngleich sie bisher bei allen offiziellen Treffen mit den Herrschern anwesend gewesen waren.

Einer nach dem anderen traten wir durch das Portal, als gingen wir durch eine Tür. Anders als die letzten Male, mussten wir jedoch nicht auf Rhonan warten. Der Neith war bereits anwesend. Und er war nicht allein. Neben ihm stand eine Frau. Ich musterte sie und registrierte die helle, von dunklen Adern durchzogene Haut. Die blonden, fast goldenen Haare und die spitzen Ohren. Ihre Augen waren ebenso hell wie die von Rhonan, dennoch war etwas an ihr anders.

Sie ist eine Fae.

So wie Rhonan?

Nein.

Ich spürte Lucans Zögern.

Eine richtige Fae. Sie gehört nicht den Melusinen an.

Sie gehört zu jenen Fae, die die Anderswelt zerstört haben?

Was in Abbadons Namen …?

Denk nicht so engstirnig, Liebes. Wenn dem so wäre, wäre sie nicht hier. Rhonan sagte uns bereits, dass es nicht ganz so einfach ist.

Nicht ganz so einfach … und nicht alles war schwarz und weiß. Hatte ich nicht genau das in den letzten Wochen und Monaten gelernt?

Ich nickte und nahm mir vor, offen zu bleiben und mich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen. Ich wollte der Fremden freundlich entgegentreten. Hatte ich mir nicht gewünscht, dass Rhonan mir vertraute? Offenbar tat er es.

»Ayla«, begrüßte Noain die Fae.

»Noain. Wir vermissen dich.«

»Ich werde zurzeit anderweitig gebraucht.«

Duncan schnaubte leise.

Ayla nickte und sah von Noain zu Lucan und mir.

»Eure Majestäten.«

Ihre Begrüßung war förmlich, ihr Blick herausfordernd. Weder senkte sie ihr Haupt, noch knickste sie. Das gefiel mir.

»Nur Lilly, bitte«, gab ich zurück. So, wie ich es immer tat. Ich griff nach Lucans Hand. »Und Lucan.«

»Es freut mich, Ayla«, erwiderte er höflich. Dann wandte er sich Rhonan zu.

»Du hast Informationen für uns?«

Der Neith verbeugte sich leicht. Vor wem war mir nicht klar. Noain? Lucan und mir?

»Wir haben eine Spur zu eurem Verräter.«

Unsere kleine Gruppe erstarrte zeitgleich. Kurz sagte keiner etwas, dann sprachen wir alle auf einmal.

»Wer ist es?«

»Welche Spur?«

»Raus damit, Mann!«

Rhonan lächelte leicht, während Ayla uns mit großen Augen anblickte. Sie wirkte verunsichert. Bis Rhonan sich zu ihr herabbeugte und unüberhörbar flüsterte: »Sie nehmen die Etikette nicht sehr genau. Das sagte ich dir bereits.«

»Ja«, flüsterte die Fae, »aber –«

»Aber was?«, forderte ich sie freundlich auf weiterzusprechen. Ich pflasterte ein neutrales Lächeln auf mein Gesicht und wartete. Ich wollte wissen, was Rhonan zu sagen hatte, aber ich spürte auch, dass diese Begegnung mit Ayla wichtig war. Sie würde zu ihren Leuten zurückkehren, womöglich auch zu anderen Unsterblichen, und ihnen von uns erzählen. Ich musste dafür sorgen, dass das, was sie zu sagen hatte, positiv war.

Die Fae musterte erst Lucan dann mich aufmerksam, ehe ihr Blick kurz zu Duncan, Malik und King schweifte.

»Ihr seid anders, als ich erwartet habe.«

Duncan lachte auf. »If I had a penny …«

»Duncan«, ermahnte Malik seinen Gefährten leise.

Mein Lächeln wurde breiter. »Das höre ich nicht zum ersten Mal und weißt du was? Es gefällt mir jedes Mal, denn das, was ihr erwartet, ist Arroganz, Überheblichkeit und in vielen Fällen Unterdrückung.« Lucan drückte meine Hand. »Aber so sind wir nicht und so werden wir niemals sein.«

»Wir wollen Frieden«, ergänzte Lucan. »Für alle Unsterblichen.«

»Frieden«, wiederholte Ayla leise, dann blickte sie zu Rhonan. Er nickte.

»Die Information, die Ihr wünscht«, – Ayla atmete tief durch – »findet Ihr in Fenodeere.«

KAPITEL 3 

Nein.

Das war mein erster Gedanke. Schlichtweg nein.

Lucan?

Alita würde uns nicht verraten.

Wie sicher bist du dir? gab ich zurück, während ich King fluchen hörte.

»Fenodeere?«, brach es aus Malik heraus. »Aber Kala, der General, er –«

»Ihn solltet ihr euch auch genauer ansehen«, beendete Rhonan seinen Satz ruhig.

In mir begann es zu brodeln. Sollte Alita uns tatsächlich verraten haben, würde ich ihren knochigen Arsch eigenhändig aus diesem grässlichen Berg ziehen und sie in das dunkelste Verlies in Arcadia werfen.

Noch haben wir keine Fakten.

Aber bald. Sehr bald.

Wir mussten so schnell wie möglich nach Leach reisen, und – 

Atme tief durch, Liebes, und betrachte die Situation strategisch.

Durchatmen. Okay. Das konnte ich tun.

Aber verdammt …

Lua war auf meiner Liste der Verdächtigen die Nummer Eins. Jace beobachtete die Silbersynchronin und aktuell gingen wir davon aus, dass sie annahm, ich hätte schlichtweg vergessen, dass ich sie, während Volacs Gefangenschaft, gesehen hatte.

Mit Permata hatte ich gerechnet, aber Fenodeere?

Automatisch blickte ich zu King, immerhin war Fenodeere die Heimat seiner Mutter. Das Blut des Bergvolkes floss auch durch seine Adern.

»Sieh mich nicht so an, Mädchen.« Er zuckte mit den massiven Schultern. »Ich kenne Alita nicht besser als du.«

»Aber ich kenne sie«, warf Lucan ein. Er klang gereizt – wäre ich wahrscheinlich auch gewesen, wenn jemand meine Freunde des Verrats beschuldigt hätte.

»Bevor wir urteilen, sollten wir vor Ort die Fakten überprüfen.«

»Ich stimme Lucan zu«, sagte Malik.

Ich gab mir einen mentalen Tritt und erinnerte mich daran, dass Ayla mich beobachtete.

»Ich ebenfalls«, erwiderte ich daher. »Sehen wir uns in Leach um und geben Alita die Chance, sich zu äußern.«

»Ich komme mit euch.«

Alle sahen wir zu Noain.

»Ihr braucht einen Vorwand für eure Reise. Wenn ihr unangemeldet dort auftaucht, schöpfen sie Verdacht.« Seine Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. »Sagt der Bergkönigin, dass ich sie sehen will.«

»Und aus welchem Grund?«

Malik klang skeptisch.

»Ich lasse mir etwas einfallen.«

»Das ist eine … gute Idee«, sagte ich schließlich.

Was hatte er vor?

Entweder er will uns helfen, oder aber er will Rache. Dafür, was Drake widerfahren ist.

Selbst wenn Alita uns verraten hat, heißt das nicht, dass sie für Drakes Absturz verantwortlich ist.

Meinst du, das kümmert ihn?, fragte Lucan lautlos. Ein Verrat ist ein Verrat. Arbeitet sie mit Bael, ist sie gegen uns.

Dem hatte ich nichts mehr hinzuzufügen.

»Ich nehme nicht an«, fragte ich beiläufig, »dass ihr uns verraten wollt, wie ihr an die Information gekommen seid?«

»Nein«, sagten Rhonan und Noain gleichzeitig.

Ayla aber stockte. Es dauerte einen Moment, dann legte sie Rhonan eine Hand auf den Arm und trat vor.

»Bevor unsere Welt fiel, war mein Volk unterteilt in Clans. Meine Mutter sowie meine Großmutter waren mächtige Seherinnen. Nicht wie die Ghoule«, erklärte sie, »es ist mehr eine Art Bild, das uns unerwartet heimsucht. Wie ein Blitz, der einschlägt, begleitet von einem Gefühl oder einer Ahnung.«

Ayla atmete erneut tief durch, ganz so, als schöpfe sie Kraft mit der Luft in ihren Lungen.

»Ich habe diese Gabe geerbt. Wir können das Schicksal bitten, uns Bilder zu schicken. Durch ein Ritual. Es gelingt nicht immer, aber … seit ein paar Tagen sehe ich einen Berg. Einen Thronsaal aus Stein und zwei Frauen. Eine von ihnen … etwas stimmt nicht mit ihr. Es schwebt eine dunkle Wolke aus Hass über ihr.«

Alita.

Mist verdammter.

Ich gebe zu, dass ich der Königin des Bergvolkes beizeiten in den Hintern hätte treten können, aber ich hatte sie als Verbündete betrachtet. Wenn sich dies ändern musste, dann war es so, dennoch schmerzte mich der Gedanke.

»Ich danke dir, Ayla. Für die Information und auch dafür, dass du dich uns geöffnet hast.«

»Gern. Das habe ich … gern getan.« Sie klang aufrichtig. Ihr Zögern aber machte deutlich, dass es sie selbst überraschte.

Und es sorgte dafür, dass ich mich vorlehnte, Lucans Hand noch immer in meiner.

»Mein Gefährte und ich sowie all unsere Freunde und Verbündeten wollen nur das Beste für die Anderswelt. Eine vereinte Anderswelt, zu der auch ihr gehört.«

Ayla nickte, schwieg jedoch. Ich beschloss mein Glück nicht weiter herauszufordern und trat zurück, dichter an Lucan heran. Rhonan fixierte derweil Noain.

»Wann gedenkst du zurückzukehren?«

»Bald.«

Noains Tonfall war hart.

»Wir brauchen –«

»Bald, Rhonan.«

Der Neith nickte. Ayla sah zu Boden. Wussten sie, wer Drake für Noain war? Kannten sie seinen Schmerz? Einen Moment lang standen wir uns alle stumm gegenüber. Noain war der Erste, der sich abwandte.

»Gehen wir.«

»Kein Wort«, murmelte Malik, als Duncan hörbar Luft holte, um etwas zu erwidern.

Ein paar Meter von uns entfernt drehte der Vampyr sich auffordernd um.

»Kommt ihr?«

Ich konnte Duncans Wunsch, etwas Pampiges zu erwidern, durchaus nachvollziehen. Dann aber dachte ich an das Gedicht in Drakes Zimmer und zählte innerlich bis fünf.

»Ich danke euch«, wandte ich mich ein letztes Mal an Rhonan und Ayla. Dann drückte ich Lucans Hand.

Gehen wir.

Wir liefen ein paar Schritte durch den Wald, als Lucan plötzlich stehenblieb.

»Ich öffne euch ein Portal«, sagte er.

Euch?

Wir bleiben.

In bester Lucan-Manier hob ich fragend eine Augenbraue.

Tun wir das?

Oh, und wie wir es tun werden.

In den letzten Wochen hatte ich mich an Lucans neue, offene Art gewöhnt. Das hatte ich wirklich. Ich liebte es. In Momenten wie diesen überraschte er mich dennoch.

»Wir, äh, bleiben noch etwas.«

Duncan grinste. Natürlich ließ mein bester Freund mich nicht so einfach vom Haken.

»Ihr, äh, bleibt noch etwas? Ah, ja?«

»Duncan …«

Malik schüttelte leicht den Kopf. King ignorierte uns, während Lucan meine Hand losließ, um das Portal zu öffnen.

Es war Noain, der schockierenderweise am meisten Verständnis zeigte.

»Könnt ihr es ihnen verübeln?«, sagte er. »Seit ihrer Krönung hängt ihr ihnen am Arsch wie ein dicker, fetter Pickel…«

»Reizende Analogie«, murmelte Duncan.

»… lasst ihnen verdammt nochmal ein wenig Zeit zu zweit.«

Er wandte sich ab und murmelte etwas Unverständliches. In meinem Kopf – meinem stark romantisierten Kopf, seitdem ich das Gedicht gelesen hatte – sagte er sowas wie: Zeit zu zweit ist kostbar. Aber wahrscheinlich verfluchte er uns nur oder wurde kreativ, was seine Schimpfwörter Duncan gegenüber betraf.

»Er hat nicht Unrecht.«

King sah in unsere Richtung.

»Ihr habt Zeit für euch verdient. Seit eurer Vereinigung konntet ihr kaum durchatmen. Ich sage: bleibt ein, zwei Tage. Vergesst all den Stress für einen Moment.«

Ich erstarrte. Etwas, das Lucan nicht entging.

Liebes?

Die Nacht hier zu verbringen ist eine Sache, Lucan. Mehr Zeit können wir uns aber nicht nehmen. Wir müssen nach Fenodeere.

Er nickte.

»Wir bleiben heute Nacht hier. Morgen frühstücken wir zusammen und besprechen, wie wir mit der neuen Information umgehen.«

Die anderen stimmten zu und als das Portal sich stabilisiert hatte, verschwanden sie einer nach dem anderen zurück nach Arcadia.

Lucan wandte sich mir zu.

»Möchtest du zum Haus laufen oder sollen wir ein Portal nehmen?«

»Laufen«, murmelte ich.

»Lass mich an deinen Gedanken teilhaben.«

Ich blickte zu Lucan auf und lächelte, als er mich an sich zog und wir uns Arm in Arm in Bewegung setzten.

Tatsächlich kreisten meine Gedanken aktuell nicht um Alita oder Fenodeere. Das würde ich für den Moment ruhen lassen und mich morgen weiter mit ihrem möglichen Verrat beschäftigen.

»Ich denke über Zyntha nach.«

»Inwiefern?«

»Wir schulden unserem Volk eine Zeremonie. Zumindest eine große Feier«, sagte ich breit grinsend. Ich ahnte schon jetzt, dass das Fest rauschend werden würde. Lucan zog mich enger an sich und küsste mich auf die Schläfe.

»Ich liebe es, wenn du solche Dinge sagst.« Ein weiterer Kuss folgte, dichter an meinem Mund diesmal. »Unser Volk«, raunte er. »Unser Haus. Unsere Zukunft.«

»Hm.« Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. »Spar dir die sexy Gedanken für später, Lucan.«

»Später?«

Plötzlich riss er mich an sich und hob mich hoch.

»Lucan!«

Wie der Neandertaler, der er manchmal war, warf er mich über die Schulter und verpasste mir einen Klaps auf den Po. Ich konnte nicht anders, ich kicherte wie verrückt.

»Lass mich runter!«

»Nein.«

»Nein?«

Spielerisch trommelte ich mit den Fäusten auf seinen muskulösen Rücken. Dann sah ich herab und entdeckte den knackigen Po in den engen schwarzen Hosen. Yummie.

Okay, vielleicht würden wir uns erst ein wenig Zeit für uns nehmen und dann weiter planen und – 

»Guter Gedanke«, lobte Lucan mich, während er schon dabei war, ein Portal zu öffnen. »Lass uns den weiterverfolgen.«

Binnen Sekunden traten wir aus dem Portal direkt in unser Wohnzimmer. Lachend landete ich auf dem Sofa vor dem Kamin. Lucan war sofort über mir.

KAPITEL 4 

Für die nächsten Stunden vergaß ich das Planen, die Probleme … Ich vergaß alles, außer Lucan. Es war eine gute Entscheidung gewesen zu bleiben, denn genau das hatten wir gebraucht. Und damit meine ich nicht nur den Sex. Den konnten wir auch in Arcadia haben. Es ging um die Abgeschiedenheit und die Ruhe. Niemand klopfte überraschend an unsere Tür. Niemand wollte etwas von uns. Wir konnten uns zu einhundert Prozent auf uns konzentrieren. Solche Momente waren rar geworden. Das machte sie jedoch auch umso intensiver und wertvoller.

Und manchmal, wenn alles still wurde und ich mich dicht an Lucan kuschelte, befriedigt, glücklich, selig, dann konnte ich kaum glauben, dass wir es tatsächlich geschafft hatten. Wir hatten zueinander gefunden und niemand würde das jemals wieder ändern können. Die Verbindung, die wir teilten, war so viel stärker und einnehmender, als ich mir jemals hätte erträumen können. Lucans Schatten wurden zu meinen. Sie erkannten mich, wie sie ihn erkannten. Meine Kraft wurde zu Lucans Kraft. Wir waren eine Einheit. Verbunden durch unsere Liebe und unsere Seelen.

In der Welt der Menschen hatte ich in vielen Büchern das Wort Seelenverwandtschaft gelesen. Nun verstand ich, was die Schreibenden versucht hatten, auf Papier zu bringen.

Lucan verstand mich in einer Weise, er akzeptiere mich in einer Weise, zu der niemand sonst im Stande war.

Dabei versuchte er nicht, mich zu ändern oder zu belehren. Er nahm mich, wie ich war. Mit all dem … Gepäck, das ich im Schlepptau hatte. Seien wir mal ehrlich, das war nicht unbedingt wenig. Die dunkle Königin war meine Mutter. Ich hatte einen gruseligen Stiefvater, aus dem ich noch nicht schlau wurde, und einen Dämon im Nacken, der versuchte, die Macht in der ganzen Anderswelt an sich zu reißen. Und das war lediglich die Kurzfassung.

»Ich liebe dich«, hörte ich Lucan leise murmeln. »Auch in der langen Fassung. Und jetzt schlaf, Liebes.«

»Ich bin aber nicht müde.«

Seufzend rollte Lucan sich auf den Rücken und bedeckte die Augen mit einem Arm. Das nahm ich als Zeichen für: Ich bin wach. Rasch setzte ich mich auf und lehnte mich gegen das Kopfende des Bettes.

»Zyntha«, begann ich und er seufzte erneut.

»Also gut. Wenn wir schon darüber reden, können wir das wenigstens in der Küche tun? Ich habe Hunger.«

Erst wollte ich widersprechen, dann aber verriet mein Magen mich, in dem er laut knurrte.

Lucan lugte an seinem Arm vorbei und grinste.

»Na schön.«

 

Wenig später saßen wir bei Brot, Käse und Wein zusammen. Ein einfaches Mahl, aber vollkommen perfekt.

»Zyntha«, begann ich erneut. »Hast du dir bereits Gedanken dazu gemacht, wie wir uns verhalten wollen?«

Lucan nickte, kaute und sagte dann: »Was hältst du davon, wenn wir Cora und King fragen, ob sie sich vereinen wollen, und wir gemeinsam feiern? Wir richten das Fest aus, aber –«

»So geben wir dem Volk eine Zeremonie, die es bei uns nicht hatte.«

»Ja.« Er trank einen Schluck Wein. »Niemand nimmt es uns übel. Alle sind euphorisch. Ich denke dennoch, dass es eine nette Geste wäre und es zeigt erneut, dass sich die Anderswelt bewegt. Es hat seit langer Zeit keine große Vereinigungszeremonie mehr in Zyntha gegeben. Schon gar nicht zwischen einem Assassinen und einem Engel.« Er grinste. »Halb-Engel.«

»Und halb Dämon«, fügte ich hinzu, ganz ohne den Anflug von Scheu, Angst oder Selbsthass, der mich zuvor oft überkommen hatte. »Dann müssen wir nur Cora und King überzeugen.«

»Eigentlich nur Cora«, sagte er und grinste.

»Du hast bereits mit King gesprochen?«

»Tatsächlich war es seine Idee.«

»Er hat es Cora aber noch nicht gesagt?«, fragte ich, nur um mir meine Frage dann selbst zu beantworten. »Weil er will, dass ich es tue.«

»Wenn es von dir kommt, stehen die Chancen am besten, dass sie Ja sagt.«

Was hatten sie bloß alle? Ich war keine verdammte Heilige, ich – 

»Nein«, unterbrach Lucan mich sanft, »aber du bist ihre Freundin. Und wenn deine … Abwesenheit in Arcadia eins gezeigt hat, dann dass alle aus deinem, aus unserem engen Kreis, für dich durchs Feuer gehen würden.«

»Cora will eine kleine Feier«, gab ich zu bedenken.

»Die kann sie haben, in Arcadia.«

Oder aber, wir packten sie einfach alle ein, und reisten gemeinsam nach Zyntha. Aufregung durchfuhr mich bei dem Gedanken.

Können wir das tun?

Es ist deine Welt, so wie sie meine ist.

Lucan …

Können wir, ja.

Wenn Cora es wünschte. Aber der Gedanke, Nick, Alina, Cora und Olli Zyntha zu zeigen, ihnen zu zeigen, wie wundervoll diese Welt war – das ließ mich ganz hibbelig werden.

»Ich rede mit ihr.«

Er biss erneut in sein Brot. »Gut.«

Nachdem wir eine Weile schweigend gegessen hatten, war es an der Zeit, für die unangenehmen Themen.

»Fenodeere«, sagten wir gleichzeitig.

»Glaubst du, Alita ist die Verräterin? Wäre es nicht auch möglich, dass es Kala ist und er allein agiert?«

Lucans Stirn runzelte sich. »Laut Ayla nicht.« Er rieb kreisend seinen Kopf. »Denk an die … Wolke, die sie sieht. Über einer Frau, auf einem Thron.«

»Ja, aber …«

Verdammt. Ich wollte nicht, dass es Alita war. Egal, wie oft wir uns stritten und ich ihr einen Tritt in ihren arroganten Hintern verpassen wollte, ich mochte sie. Und ja, ich respektierte sie auch. Sie führte ihr Königreich mit eiserner Hand, dennoch war sie nicht grausam.

»Spekulieren bringt uns nicht viel, das haben wir die letzten Monate genug getan. Reisen wir nach Fenodeere und finden es heraus.«

»Mit Noain.«

Lucan nickte.

»Mit Noain.«

Das würde interessant werden.

 

Und das sah offensichtlich nicht nur ich so. Als wir am nächsten Morgen am Frühstückstisch zusammensaßen – ohne Noain –, war die Stimmung alles andere als fröhlich.

Während unserer kurzen Abwesenheit hatte King die anderen informiert. Seit Lucans und meiner Vereinigung aßen auch die Sieben mit uns, jedenfalls die von ihnen, die nicht auf einer Mission waren. An diesem Morgen gaben sich Alex und Kjiel die Ehre.

Wo sind Rico, Bowen und Víctor?

Sie suchen nach Spuren, die uns zu Bael führen.

Hat es endlich geklappt?

Hat es, ja.

Drakes Aura, als er vom Himmel fiel, war … beschmutzt gewesen. Jemand hatte ihn verzaubert und das hinterließ, wie ich gelernt hatte, immer ein Echo. Mit Midas Hilfe hatten wir dieses Echo extrahiert und studiert.

Sprachlos blickte ich ihn an.

Ich habe das nicht vor dir geheim gehalten, rechtfertigte er sich prompt. Ich habe es gestern schlichtweg vergessen, weil wir uns mit Rhonan getroffen haben und dann waren wir … anderweitig beschäftigt.

Auch wieder wahr.

Wissen die anderen schon davon?

Malik, ja. Kleine Gruppen der Garde durchkämmen in diesem Moment ganz Alliandoan.

Gut. Das war gut. Ich betete zur Balance, dass sie etwas fanden. Schnell.

Wer wusste schon, wozu Bael sonst noch im Stande war? Immerhin plante er, mich als Brutmaschine für einen neuen Erben Abbadons zu benutzen, um meine Mutter von ihrem Thron zu stoßen.

Bei dem Gedanken an meine Mom zuckte ich unwillkürlich zusammen. Ich sollte nach Abbadon reisen, dachte ich. Zum Trainieren, ja, aber auch, weil sie mich brauchte. Vielleicht. Vayas Berichte waren … besorgniserregend. Wir brauchten Lillith jetzt mehr denn je. Die dunkle Königin konnte es sich nicht erlauben, sich schmollend in ihrem Palast zu verstecken und womöglich brauchte sie ihre Tochter, um sie daran zu erinnern.

»Lilly?«

»Hm?«

Irritiert blickte ich auf und direkt in Nicks grüne Augen.

»Ich fragte, wann ihr nach Fenodeere aufbrechen wollt.«

»Nicht zu überstürzt«, rettete Lucan mich.

Ich nickte zustimmend. »Wir schicken ihr ein offizielles Gesuch und bitten um ein Treffen.«

Mein Bruder blickte skeptisch drein. »Meint ihr, das wird funktionieren? Immerhin kennt sie Noain bereits von euren gemeinsamen Treffen.«

»Tut sie, ja. Aber entweder ist sie neugierig und will ihn sich genauer anschauen, oder aber sie fühlt sich verpflichtet, uns einzuladen, weil Lucan und ich darum bitten.« Ich zuckte mit den Schultern. »So oder so kommen wir nach Fenodeere. Vor Ort liegt es dann an Noain, Alita abzulenken, damit wir uns umsehen können.«

»Und ihr traut dem Vampyr?«, fragte Kjiel.

Es war noch immer ungewohnt, dass wir jetzt Freunde waren, aber es gefiel mir.

»Wir vertrauen ihm«, erwiderte Lucan.

Olli erhob sich.

»Dann verliere ich wohl besser keine Zeit und schicke eine Nachricht nach Fenodeere.«

»Danke, Olli.«

Lucan schob mir einen Teller voll beladen mit Früchten und Croissants hin.

Iss, Liebes.

Hatte er noch alle Tassen im Schrank?

Du musst aufhören, mich zu füttern, Lucan. Das wird bedenklich.

Er schüttelte kaum merklich den Kopf.

Sobald es um Politik geht, vergisst du das Essen. Jemand muss dich erinnern.

»Das kann ich unmöglich alles essen!«, platzte es laut aus mir heraus.

»Ich helfe dir.«

Duncan lehnte sich über den Tisch und angelte sich ein Croissant von meinem Teller.

Lucan wollte seine Hand wegschlagen, war aber nicht schnell genug. Wenn es ums Essen ging, machte Duncan niemand etwas vor. Er biss herzhaft in das Croissant und krümelte den Tisch und sich selbst voll.

»Auf dieser Seite des Tisches sind bereits alle guten Backwaren weg. Hab’ ein wenig Mitgefühl.«

Malik lehnte sich zurück und betrachtete seinen Gefährten mit einem Ausdruck voller Be- und Verwunderung auf dem entschlossenen, aber bei Weitem nicht mehr so ernsten Gesicht.

Siehst du das?

Ich griff nach einer überdimensionalen Beere und grinste Lucan an.

Er fragt sich, wie genau er in diese Situation gekommen ist.

Und gleichzeitig liebt er es.

Lucan sah mich an. Seine dunklen Augen funkelten vor Vergnügen.

Ich kenne das Gefühl.

Ah, du alter Charmeur.

Er beugte sich lächelnd vor und drückte mir einen festen Kuss auf den Mund.

Nur du würdest mich als charmant bezeichnen.

Deswegen passen wir auch so gut zusammen.

Mit offenem Mund grinste ich ihn an. Wahrscheinlich hingen mir Beerenreste zwischen den Zähnen und ich hatte meine Haare zwei Tage nicht gewaschen und dennoch sah Lucan mich an, als wäre ich der schönste Anblick der Welt.

Weil du es bist. Für mich.

»Leute …« Cora seufzte übertrieben laut. »Ich habe noch dreißig Minuten, bevor ich Jonah abholen muss. Gibt es noch was Wichtiges zu besprechen, oder müssen wir euch weiter dabei zusehen, wie ihr euch anhimmelt?«

Verhaltenes – und nicht ganz so verhaltenes (Duncan!) – Lachen ertönte am Tisch.

»Wo ist Noain jetzt?«, fragte Alex. »Vielleicht können wir seinen Plan aus ihm herauskitzeln.«

»Wenn er denn einen hat«, brummte Nick, was ihm einen bösen Blick von Alina einbrachte. Seit meiner Gefangennahme hatte Nick es nicht immer einfach, etwas in ihm hatte sich verändert, umso mehr freute es mich, dass er seit der Krönung tagtäglich wieder mehr wie er selbst aussah. Und sich auch so verhielt. Er war der Skeptiker unter uns. Man könnte ihn pessimistisch nennen, tatsächlich war er jedoch mehr Realist als Pessimist und sein Hinterfragen war – zumindest bei mir – stets willkommen.

»Jemand sollte mit dem Jungen reden«, raunte King, einen Arm um Coras Stuhllehne geschlungen.

»Der Junge«, gab Malik zurück, »ist älter als du. Vermutlich.«

»Dennoch sollte jemand mit ihm reden.«

Duncan schnaubte. »Ich bin raus. Der Kerl kann mich nicht ausstehen.«

Malik blinzelte. »Warum bloß?«

»Ich tue es«, mischte ich mich ein und hob automatisch die Hand. »Ich rede mit Noain.«

Alle sahen mich an. Alle lächelten sie.

Ich rollte die Augen zur Decke. »Ihr habt mit ›jemand‹ sowieso mich gemeint, oder?«

»Jap.«

»Ja.«

»Logo.«

Sogar Lucan nickte.

Ja.

»Schön.« Ich nahm mir eines der Croissants, die Duncan noch übriggelassen hatte. »Nach dem Frühstück suche ich ihn.«

KAPITEL 5 

Es war nicht sonderlich schwer, Noain zu finden. Wo sollte er auch anders sein als an Drakes Seite? Bevor ich die Tür öffnen konnte, ertönte ein genervtes: »Was willst du?«

»Mit dir reden.«

»Ich will nicht reden.«

Manchmal war ein Unsterblicher schlimmer als ein bockiges Kind.

»Dies ist mein Palast«, erinnerte ich ihn, in der Hoffnung, dass es ihn ein Stück weit beeindrucken oder zumindest nerven würde. »Mein Zimmer.« Ich klopfte sanft gegen das Holz vor mir. »Meine Tür.«

Schlagartig riss Noain die Tür auf und funkelte mich an.

»Was willst du mir damit sagen, Majestät? Dass ich gehen soll?«

»Nein.«

Anstatt mich an ihm vorbei ins Zimmer zu schieben, blieb ich an Ort und Stelle stehen. Er saß den ganzen Tag hier, jeden Tag, und starrte Drake nieder. Ich hätte an seiner Stelle nicht anders gehandelt, aber die dunklen Schatten unter seinen Augen sagten mir, dass Noain einen Ortswechsel brauchte.

»Was machst du normalerweise, um Stress abzubauen?«

»Die Quelle eliminieren«, sagte er und drehte sich um. Als er mich wieder ansah, lag ein gequälter Ausdruck auf seinem Gesicht. Sein Blick schien zu sagen: Verstehst du das Problem?

Ja, ich verstand das Problem. Ich dachte einen Moment nach.

»Wieso kommst du nicht mit und wir trainieren zusammen? Mit Lucan und den Sieben?«

In seiner momentanen Verfassung würde ich kein Wort aus ihm herausbekommen. Aber vielleicht konnten wir uns während eines guten Kampfes verbrüdern oder verschwestern.

Interesse flammte in Noains Augen auf und wurde direkt ersetzt durch betontes Desinteresse.

Heilige Balance, er war Lucan so ähnlich – war mir das zuvor schon aufgefallen?

»Das könnte ich tun.«

Lucan?

Ja, Liebes?

Kannst du ins Trainingszentrum kommen und mindestens zwei deiner Männer mitbringen?

Er fragte gar nicht erst wieso.

Wir sind auf dem Weg.

»Also«, strahlte ich Noain an. »Wollen wir?«

 

Dass der Vampyr kämpfen konnte, war mir klar gewesen, aber Noain war gut. So richtig gut. Anders als die Assassinen kämpfte er nicht mit Finesse. Er war kein geborener Krieger. Nein. Er war ein Überlebender und er kämpfte mit einer Verzweiflung und einer daraus resultierenden Dunkelheit, die gleichzeitig bewundernswert und angsteinflößend waren.

Das erste Sparring gegen Kjiel hatte er verloren. Das zweite gegen Alex gewonnen. Nun standen er und Lucan sich gegenüber, während Kjiel, Alex und ich so taten, als würden wir ebenfalls trainieren.

»Greif mich an«, flüsterte Alex und wackelte mit den Augenbrauen.

»Hm?«

Völlig fasziniert sah ich dabei zu, wie Lucan und Noain die Fäuste schwangen. Ein wenig sah es so aus, wie David gegen Goliath. Lucan hielt sich nicht zurück. Aus Respekt Noain gegenüber.

»Lilly«, Alex stieß mit seiner Schulter gegen meine.

Ach ja, ich wollte trainieren. Mühsam riss ich den Blick von Noain und Lucan los und blickte Alex an. Er und Kjiel standen mir gegenüber.

»Zwei gegen eine?«

»Dämonen werden dich auch nicht einzeln angreifen«, sagte Kjiel und klang dabei so sehr wie Lucan, dass meine Mundwinkel zuckten.

»Na schön, Jungs. Dann zeigt mal, was ihr drauf habt.«

Natürlich schlugen sie mich. Immerhin gehörten sie zur Elite Zynthas und hatten mir ein paar Jahrhunderte voraus. Aber ich hielt mich gut. Sehr gut. Und ich würde mich noch besser behaupten können, wenn ich Lucans Rat und dem Wunsch meiner Mom folgte und nach Abbadon ging.

Die Königin der Anderswelt in der Lehre bei der dunklen Königin. Das klang wie der Anfang eines schlechten Witzes. Oder wie der Beginn einer verdammt guten Story.

Die Kräfte meiner Mom waren beeindruckend. Sie waren in keinster Weise mit dem zu vergleichen, was ich bisher gesehen hatte, und ich konnte nicht umher, mich zu fragen, wozu ich im Stande war, wenn ich mein volles Potential ausschöpfte. Ein Kampf stand uns bevor – realer als je zuvor.

In diesem Moment traf ich die bewusste Entscheidung zu gehen. Nick und Malik würden wenig begeistert sein, aber sie würden meine Entscheidung hinnehmen müssen. Immerhin würde Lucan als Regent in Arcadia bleiben.

Als Lucan das Training für beendet erklärte, waren wir alle schweißnass und ausgehungert. Zwar hatte Noain nicht geredet, dennoch hatte ich das Gefühl, dass wir den ersten Schritt in die richtige Richtung getan hatten. Außerdem sah er nicht mehr ganz so verkrampft und verkniffen aus.

»Wie sieht es mit was zu essen aus?«, fragte Alex in die Runde.

Die Männer nickten zustimmend, auch Noain.

»Geht ihr nur.« Ich verstaute meine Waffen und strich mir die feuchten Haare aus der Stirn. »Ich habe noch etwas zu erledigen.«

Lucans dunkler Blick fand meinen.

Cora?

Ich gehe duschen und rede dann mit ihr.

Er nickte. Dann kniff er die Augen zusammen.

Du hast eine Entscheidung getroffen.

Erst Zyntha, ließ ich ihn wissen, dann Abbadon.

Und zuvor Fenodeere.

Diesmal war es an mir zu nicken.

Unsere To-Do-Liste, so schien es, würde niemals kürzer werden.

»Cora? Bist du da drin?«

Ich klopfte erneut.

»Cora?«

Es war nicht Cora, die mir öffnete, sondern King.

»Wo ist deine Frau?«

King rieb sich über die geröteten Augen.

»Hast du ein Nickerchen gemacht?«

Kurz sah er verlegen aus, dann grinste er. »Es waren ein paar harte Wochen, Mädchen.«

Auch wieder wahr. Wir alle, so schien es, brauchten ab und an mal einen kurzen Moment für uns.

»Cora ist mit Jonah in die Gärten gegangen.«

Ich bedankte mich bei ihm und steuerte in Richtung Terrasse. Auf der Plattform angekommen, blickte ich in die Gärten hinab und entdeckte Cora in der Nähe des Sees. Ein paar der Wachen nickten mir teils höflich, teils respektvoll zu. Ich erwiderte ihre Geste und setzte mich in Bewegung.

Kaum hatte ich mich dem See genähert, spürte ich dieses vertraute Kribbeln in mir. Ich reagierte auf die Balance, wie sie auf mich. Wir waren verbunden durch meine Magie. Die Balance hatte uns alle erschaffen. Ihre Ursprungsmagie war es, die die Welten und uns nährte. So erzählte man sich. Die Quelle allen Seins war weder gut noch böse und sie hatte mir bereits mehr als einmal geholfen. Auch wenn wir zu Beginn ein paar Verständigungsprobleme gehabt hatten.

Hi.

Die Balance pulsierte kurz auf und schwebte dann weiter friedlich inmitten des Sees. Eine nahezu durchsichtige Magie mit Spuren von Blau und Rot.

»Lilly!«, rief Cora als sie mich entdeckte.

Jonah im Arm, war sie gerade dabei, ein paar der bunten Blüten zu betrachten.

»Ich erkläre Jonah gerade den Unterschied zwischen einer Blaurose und einem Sternenveilchen.«

Neugierig betrachtete ich die Sträucher vor ihr. Beide Blumennamen hatte ich noch nie gehört.

»Hier«, sagte sie und winkte mich näher zu sich. »Das hier ist die Blaurose.« Sie wies auf eine wunderschöne, eisblaue Blume, die für mich eher wie eine Tulpe aussah.

»Und das hier ist das Sternenveilchen.«

Ah. Den Namen verstand ich. Die Blüte war in der Tat sternenförmig und pink-gelb gesprenkelt.

»Hübsch«, kommentierte ich.

Cora lachte. »Hübsch, ja.« Dann sah sie mich an. Die Blumenlehre war vorbei und Coras stechender Amazonenblick zurück. »Was gibt’s?«

»Ich, hm, würde gern etwas mit dir besprechen.«

Sie seufzte und drückte mir Baby Jonah in den Arm. Automatisch versteifte ich mich, aus Angst davor, etwas kaputt zu machen.

»Entspann dich«, lachte Cora. »Wenn ich das tun soll, was du mich fragen willst, dann kannst du auch ein Baby halten. Eines Tages wirst du selbst welche haben.«

Eines Tages ja. In ferner, ferner Zukunft.

Moment mal …

Ich richtete Jonah in meinem Arm so aus, dass ich mich gut dabei fühlte, das kleine Wesen zu halten, dann blickte ich Cora an.

»Du weißt, was ich mit dir besprechen will?«

»Zyntha.«

Ich blickte verwirrt drein, sie lachte erneut.

»King ist nicht gut darin, Dinge vor mir zu verheimlichen.«