Von Sternenglanz & Kronen - Melanie Lane - E-Book

Von Sternenglanz & Kronen E-Book

Melanie Lane

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Beschreibung

Lillys Welt steht Kopf. Ein Schritt vor, zwei zurück … dabei war sie der Erfüllung ihrer Träume so nah. Doch in der Anderswelt gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Nicht nur Gut und Böse. Nichts ist, wie es scheint, und als ein neuer Feind das politische Schlachtfeld betritt, glaubt sie sich vorbereitet. Doch wieder einmal kommt alles anders, als gedacht … Wird Lilly diesen neuen Feind besiegen und gleichzeitig ihre eigene Wahrheit finden? Und ihr Glück?

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 

Was bisher geschah … 

PROLOG 

Teil I Die Verzweiflung in meinen Knochen 

KAPITEL 1 

KAPITEL 2 

Midas 

Teil II Die Dunkelheit in meinem Herzen 

Lilly 

4 Wochen später 

Lilly 

Nick 

Lucan 

Malik 

Alina 

Lucan 

Duncan 

Cora 

King 

Lucan 

Vaya 

Olli 

Lucan 

1 Woche später 

Lilly 

Lucan 

Midas 

Nick 

Lucan 

Malik 

Nick 

King 

Lucan 

Lilly 

Lucan 

Lilly 

Lucan 

Nick 

Lucan 

Teil III Das Feuer in unserer Flamme 

KAPITEL 1 

Lilly 

KAPITEL 2 

KAPITEL 3 

KAPITEL 4 

KAPITEL 5 

KAPITEL 6 

KAPITEL 7 

KAPITEL 8 

KAPITEL 9 

KAPITEL 10 

KAPITEL 11 

KAPITEL 12 

KAPITEL 13 

KAPITEL 14 

KAPITEL 15 

KAPITEL 16 

KAPITEL 17 

KAPITEL 18 

KAPITEL 19 

KAPITEL 20 

KAPITEL 21 

KAPITEL 22 

KAPITEL 23 

KAPITEL 24 

KAPITEL 25 

KAPITEL 26 

KAPITEL 27 

KAPITEL 28 

KAPITEL 29 

KAPITEL 30 

KAPITEL 31 

KAPITEL 32 

KAPITEL 33 

KAPITEL 34 

KAPITEL 35 

KAPITEL 36 

KAPITEL 37 

KAPITEL 38 

KAPITEL 39 

KAPITEL 40 

KAPITEL 41 

KAPITEL 42 

KAPITEL 43 

KAPITEL 44 

EPILOG 

Bael 

Danksagung 

 

 

 

 

Vollständige e-Book Ausgabe 2023 

 

© 2023 ISEGRIM VERLAG 

in der Spielberg Verlag GmbH, Neumarkt 

Coverdesign: schockverliebt Design Studio 

Coverillustrationen: © freepik.com & iStock.com 

Reinzeichnung und Litho: Alexander Masuch - Print & Digital Media 

Ilustrationen: ›Lilly u. Lucan‹ von Ekaterina Kurochkina 

Ilustrationen: ›Alina, Nick, Ducan u. Malik, Cora u. King ‹ von @maria_lahaine 

Kartenillustarion: Melanie Lane 

 

Alle Rechte vorbehalten. 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. 

 

ISBN: 978-3-95452- 846-2 

 

www.isegrim-buecher.de 

 

 

 

Melanie Lane (Ps.) ist 34 Jahre jung und lebt in der schönen Stadt Hamburg. Von Beruf Grafikdesignerin hat sie 2019 das Design Studio schockverliebt gegründet. Als bekennende Feministin lebt sie Themen wie Gleichberechtigung und Diversität. Durch ihre Liebe zu Fantasy und Romance ist Schreiben ihre absolute Leidenschaft geworden.

 

 

 

 

Für all meine Leser*innen, die mich am Ende von Band 3 

verflucht haben und Lilly und Co. 

dennoch so sehr lieben. 

Dieses Buch ist für euch. 

 

 

 

»You can love her. But you must leave her wild. 

Or her light will dimmish into a soft glow. 

For she was never the calm sea, but the storm.« 

– Atticus – 

Vorwort 

Lucan ist fort.

Mit dem Ende von Band 3 habe ich die meisten von euch geschockt. Wenn nicht gar entsetzt. Aber wie ihr wisst, wie ihr wissen solltet, macht Lucan Vale niemals etwas ohne guten Grund. Und genau diesen Grund will Lilly in Band 4 erfahren. Unbedingt! Genauso sehr wie ihr! Aber lasst uns zunächst kurz darüber sprechen, was in Band 1-3 passiert ist, denn wer sich an die Danksagung von #VAuL erinnert, der weiß, dass das Ende von Band 3 für mich so etwas wie der fallende Vorhang zu Akt 1 gewesen ist. Nun beginnt Akt 2 und ich kann euch so viel versprechen: Lillys Reise wird nicht einfacher. Sie wird spannender, blutiger, actionreicher, magischer, dämonischer aber vielleicht auch romantischer … und königlicher?

Ach, lest selbst! :-) 

Was bisher geschah … 

 

Lillianna Callahan 

Seit Lilly in Band 1 von Lucan und Nick entführt und in die Anderswelt gebracht wurde, hat sich für die junge Frau viel verändert. Lilly, die normalerweise eher für sich bleibt, ist auf einmal der zentrale Mittelpunkt einer ganzen Parallelwelt. Anstatt sich jedoch in eine Ecke zu verkriechen und zu warten, bis der Ritter in glänzender Rüstung sie rettet, nimmt sie ihr Schicksal an und entwickelt sich zu einer wahren Powerfrau. Sie kämpft für Gerechtigkeit und lernt ihre Engelsmagie zu kontrollieren. Diese Kontrolle macht sie unsterblich und zu einem wahren Engel. Glaubt sie. Jedoch erfahren wir in Band 2 auch, dass Lillys andere Hälfte nicht sterblicher, sondern dämonischer Natur ist. Dies sorgt in Band 3 für viele offene Fragen. Fragen, die zum Teil beantwortet werden, als herauskommt, dass Lillith, die Königin aller Dämonen und Herrscherin Abbadons, Lillys Mutter ist. Im Kampf gegen das Bündnis der Lilie und Narcos eilt die dunkle Königin Lilly und ihren Freunden zu Hilfe und rettet gemeinsam mit ihnen Arcadia. Zudem löst sie die ›Ketten‹, die sie um Lillys Dämonenmagie gewoben hat. Welche neue Macht muss Lilly nun lernen zu kontrollieren?

Nachdem Lilly Minister Laurenti, den Kopf des Bündnisses der Lilie und ihr größter Gegner, erschossen hat, kehrt ein wenig Ruhe in Arcadia ein. Lillys Gefühlswelt aber steht Kopf und ausgerechnet Lucan lässt sie im Stich. Und das, nachdem die beiden sich in der Gilde der Assassinen zuvor endlich ihre Gefühle gestanden haben.

Was verheimlicht Lucan noch immer vor ihr?

 

Lucan Vale 

Noch schwer greifbar in Band 1 und 2, lernen wir den geheimnisvollen König der Assassinen in Band 3 wesentlich besser kennen. Lucan zeigt uns eine offenere und zum Teil verletzliche Seite von sich. Er und Lilly sind nicht nur ein verdammt gutes Team, die beiden werden in Zyntha, Lucans Zuhause, zu einem Liebespaar. Mehr noch: Er offenbart ihr, dass sie, Lilly, nicht nur sein Herz, sondern auch das Herz Zynthas ist. Eine Königin, die ihren rechtmäßigen Platz einnehmen muss. Dennoch vereint er sich noch immer nicht komplett mit ihr.

Weiterhin erfahren wir, dass Lucan Lilly verschwiegen hat, dass es bereits seit Monaten diverse Dämonenangriffe in der ganzen Anderswelt gegeben hat. Er und die Sieben haben die Angriffe vertuscht, damit Lilly sich komplett auf ihre neue Rolle konzentrieren kann. Midas, der bereits von Anfang an wusste, welches Blut durch Lillys Adern fließt, es aber verheimlicht hat, war dabei Lucans Komplize.

Seit Tag 1 ist Lucan an Lillys Seite. Ihr Fels in der Brandung. Ihr Mentor. Nie ist er schockiert oder gar entsetzt über eine neue Offenbarung bezüglich ihrer Herkunft. Er nimmt sie so, wie sie ist, Dämonin hin oder her. Umso größer ist der Schock, als er sie genau in dem Moment im Stich lässt, als sie ihn am dringendsten braucht. Aber er wäre nicht Lucan Vale, wenn er nicht einen guten Grund hätte. Lilly zu verlassen, ist womöglich die schwerste Aufgabe, die er jemals meistern musste.

 

Nick und Alina feierten in Band 3 endlich ihre – mehr als verdiente – Vereinigung. Ihre Entführung durch die Dämonin Vaya (im Auftrag von Lillith), hat beiden die Augen geöffnet und ihnen deutlich gemacht, wie sehr sie sich lieben. Alina, nun eine Prinzessin Alliandoans, setzt ihre Ausbildung als Heilerin in der Zitadelle fort. Nick kümmert sich gemeinsam mit Olli und Cora um politische Belange und unterstützt seine Schwester nach anfänglichen Unstimmigkeiten, wo er nur kann.

 

Cora, die Amazone mit Klemmbrett, managt nicht nur das Muttersein, sondern auch das Palastleben sowie Lillys Termine. Ihre und Kings Beziehung ist nun öffentlicher, aber die beiden sind noch nicht vereint.

 

Olli, Lillys Freund und Vertrauter, hat weiterhin Augen und Ohren in ganz Arcadia. Während er Lilly und ihre Mission unterstützt, wo er nur kann, versorgt er die Freunde mit kulinarischen Hochgenüssen.

 

Duncan, einer der Sieben, Lucans Ziehsohn und Lillys bester Freund und eregroi. Stets an ihrer Seite, einen lockeren Spruch auf den Lippen, hatte Duncan es in Band 3 nicht immer leicht. Er musste sich Zyntha und damit seiner Vergangenheit und seinem Groll stellen. In Permata aber, wo die Freunde Zeugen von Jaces Krönung wurden, haben er und Malik einen Durchbruch in ihrer Beziehung erlebt.

 

Malik, der General der Königlichen Garde, am Anfang noch steif und adrett, taut im Verlauf der gemeinsamen Reise immer mehr auf. Lilly wird bewusst, dass sie in Malik nicht nur einen treuen General, sondern auch einen Freund gefunden hat. Malik erwidert diese Gefühle, die über Pflichtgefühl hinausgehen. In Band 3 versucht er als angeblicher Verräter Teil des Bündnisses der Lilie zu werden und Laurenti davon zu überzeugen, dass er Lilly aufgrund ihres Dämonenblutes den Rücken zukehrt. Zunächst denken alle, die Scharade wäre erfolgreich, Laurenti aber durchschaut das falsche Spiel. Arcadia wird angegriffen und Malik verteidigt seine Stadt mit allem, was er hat. Er und Duncan werden ein Paar, aber noch immer stellt sich Malik die Frage: Pflichtgefühl oder Liebe? Kann er beides haben?

 

Die Sieben des Königs – und Zynthas – beste Krieger. (Außer Nyx natürlich!)

 

King, Lucans Stellvertreter und Duncan sind am präsentesten und am stärksten in Lillys engem Kreis verwurzelt. Die restlichen Sieben – Alex, Rico, Víctor, Bowen und Kjiel – stehen Lilly eher neutral bis skeptisch gegenüber. Allen voran Kjiel. In Band 3 erfahren wir – zum Teil –, warum dies so ist. Kjiel war einst der beste Freund von Elisa Callahan, Lillys Tante und der Gefährtin von Lucans Vater. An dem Abend, als Elisa entführt und getötet wurde, sollte Kjiel auf sie aufpassen. Er hat versagt und gibt sich seitdem die Schuld an ihrem Tod und damit auch am (selbstherbeigeführten) Tod von Lucans Vater Quirin Vale. Lilly auf Abstand zu halten und ihr eher aggressiv gegenüberzutreten, ist für ihn eine Art Schutzmechanismus. In Zyntha aber treibt er es auf die Spitze. Die beiden geraten aneinander und Kjiel erfährt, welches Blut noch durch Lillys Adern fließt. Anstatt sie jedoch zu verurteilen, scheint er sie plötzlich in einem anderen Licht zu sehen.

 

Die Antagonisten 

Das Bündnis der Lilie existiert nicht mehr. Laurenti ist tot und die restlichen Minister, seine Anhänger, sind in Gefangenschaft. Narcos konnte entkommen und verschanzt sich nach wie vor in Crinaee. Dort sitzt er als falscher König auf dem Thron in Thalos, solange, bis Lilly die wahren Erben Crinaeees (Cassiopeia und Lavender Roheline) ausfindig macht und Narcos stürzt. Die Dämonen, die mit Laurenti und Narcos gearbeitet haben und arbeiten, gehören nicht zu Lillith, so viel wird klar, als wir die dunkle Königin kennenlernen. Doch zu wem gehören sie dann? Und vor wem hat Rhonan, der Fae, den wir in Band 3 kennenlernen, Lilly gewarnt?

 

Rhonan 

Der Neith (ein Fae, zugehörig zu den »guten Fae«, den Melusine) taucht in Band 3 immer wieder auf. Er sucht Lillys Nähe und versucht sie einzuschätzen. Dabei warnt er sie vor einem neuen, nahenden Unheil. Auch deutet er an, dass noch mehr Andersweltler den Clash (den Kampf der Fae gegen den Rest der Anderswelt) überlebt haben. Musik in Lillys Ohren und ein weiterer Punkt auf ihrer kilometerlangen To-Do-Liste.

 

Wie ihr seht, hat Lilly so einiges zu bewältigen und zu verarbeiten. Dabei sitzen ihr die Herrscher der anderen Welten im Nacken, denn sie wollen die Veränderungen, von denen Lilly spricht, endlich sehen und selbst aktiv werden. Da wären:

Alita, die Königin des Bergvolkes in Fenodeere, die sich am liebsten in ihrer Bergfestung verschanzen würde.

Drake, der Prinz der Formwandler in Vesteria, der noch immer nicht mit Lilly spricht. (Wir wissen noch nicht warum! Lilly auch nicht und das macht sie wahnsinnig!)

Odile, die Königin der Harpyien in Thaumas, die von ihrem Gefährten Aello nur mit Mühe davon abgehalten wird, auf Broiler nach Arcadia zu kommen und allen kräftig in den Arsch zu treten.

Jace, der neue König Permatas und Flynn, der von Lilly ernannte Herrscher Anaks. Ein Rebell und Mann des Volkes.

Midas, der oberste Zauberer Dhanikans, der zu einem engen Vertrauten und Freund für Lilly geworden ist. Er ist auch der Einzige, der von Lillys Geheimnis um ihre Herkunft weiß. Zudem hilft er den Freunden, mehr über das Volk der Fae herauszufinden.

 

Über all dem schwebt jedoch die eine, übermächtige Frage: Warum ist Lucan gegangen? Und warum gerade jetzt?

Lasst es uns herausfinden!

Viel Spaß beim Lesen.

PROLOG 

»Duncan!« Lautstark klopfte ich an die Tür meines besten Freundes. Wieso hörte er mich denn nicht? Wie laut musste ich noch klopfen? Leicht nach links schwankend nahm ich einen großen Schluck aus der Flasche Rhys und wischte mir mit der freien Hand über den Mund. Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit vor der verfluchten Palastterrasse am See gesessen und vor mich hingestarrt hatte, hatte einer der Wachmänner mir zögerlich aufgeholfen. Auf das, was daraufgefolgt war, war ich nicht sonderlich stolz, aber nun ja, ändern konnte ich es jetzt auch nicht mehr. Wütend hatte ich mich von dem Mann losgerissen, war die Stufen zum Palast hinaufgestürmt und hatte mich an Ollis niemals endendem Rhys-Vorrat bedient. Dann hatte ich beschlossen, dass ich mich nicht alleine betrinken und traurig sein musste, weil ich Freunde hatte. Freunde, die es offensichtlich vorzogen, mich zu ignorieren.

»Duncan!« Ich hickste. Scheiß Schluckauf. »Ich weiß« – hicks – »das suu da drin bist!«

»Verflucht nochmal«, hörte ich es hinter der Tür. »Was in aller We–«

Duncan riss die Tür auf und brach ab als er mich sah. Seine Brauen zogen sich zusammen und ich meinte, so etwas wie Mitleid in den Tiefen seiner hübschen blauen Augen zu erkennen.

»Lilly.« Der Seufzer, den er ausstieß, kam von ganz weit unten aus der Gefühlskiste. Aus den tiefsten Tiefen … »Du kannst ja kaum noch aufrecht stehen.« Er versuchte mich am Arm zu fassen zu bekommen, um mich ins Zimmer zu ziehen. Gar nicht so einfach, wenn man nicht sonderlich stabil auf den Beinen und ein emotionales Wrack war. »Komm rein.«

»Willss du nich wissen, wa–um?«

»Lilly, komm rein, du weckst den ganzen Palast auf!«

»Was ist los?«, hörte ich eine alarmierte Stimme aus dem Inneren des Zimmers.

»Malik!«, rief ich, viel zu laut. »Wie schön.« Hicks.

»Ist alles okay? Bist du verletzt?« Blitzschnell war er aus dem Bett. Dabei kümmerte es ihn nicht einmal, dass er lediglich Boxershorts trug. Ich musterte Malik ungeniert. Nett. Duncan war ebenfalls oben ohne, aber den Anblick kannte ich bereits. Malik hingegen hatte ich noch nie in etwas anderem als seiner offiziellen oder seiner weniger offiziellen Uniform gesehen.

Duncan schnaubte belustigt. »Du scheinst ihr zu gefallen.«

Malik griff nach einem der Hemden auf dem Boden und zog es sich über. Weinrot. Definitiv keines seiner Kleidungsstücke. Er musterte mich kritisch. »Was ist passiert?«

Ich wollte gerade den Mund öffnen, um ihm zu antworten, als ein paar meiner Gehirnzellen zurückkehrten. Ruckartig drehte ich mich zu Duncan um. Und sah es erneut: Das Mitleid in seinen Augen.

»Du wusstest es!« Die halbe Flasche Rhys in meinem Magen begann zu rumoren. »Du Scheißkerl wusstest es!«

Duncan schwieg. Was mich dazu veranlasste, auf ihn zuzuwanken und ihm gegen die Brust zu schlagen. Mit der Flasche Rhys in der Hand.

»Wie konntest du mir das antun, Duncan? Wie?«

»Er hat es mir heute erst gesagt.«

Sein reumütiger Blick brachte das Fass der Verzweiflung in mir zum Überlaufen. »Heute? Das heißt, du hattest Stunden, um es mir zu sagen!« Ich schlug ihn erneut. Die Wut sorgte dafür, dass ich wieder etwas klarer sah oder sprach. »Stunden!«

»Es tut mir leid, Liebling.«

»Oh, nein!« Ich wandte mich von Duncan ab, schwankte leicht, fasste mich jedoch gleich wieder. »Komm mir nicht mit diesem Liebling-Mist. Du und Lucan! Ihr wickelt mich mit euren Kosenamen und Versprechen um den Finger, und dann?« Meine Stimme brach. »Dann lasst ihr mich im Stich und geht!«

»Lucan ist fort?«, fragte Malik, sichtlich schockiert.

Ich lachte freudlos auf. »Hättest du auch nicht gedacht, oder?«

»Lilly …«

Duncan fasste mich am Arm, um mich zu stützen. Seine Berührung war so zurückhaltend und sanft, so verdammt mitfühlend, dass mir die Tränen in die Augen stiegen.

»Wieso hat er das getan?«, wisperte ich erstickt. Die Tränen würden jeden Moment kommen und ich konnte nichts, rein gar nichts gegen sie tun. »Ich verstehe das nicht.«

»Lucan tut manchmal Dinge, die uns überraschen oder die wir nicht nachvollziehen können. Aber in all den Jahren hatte er stets einen Grund.« Seine Stimme wurde eindringlicher. »Er hat immer einen Plan. Immer!«

»Hierfür nicht.« In diesen einsamen, verzweifelten Minuten am See, in denen die Realität um Lucans Verschwinden in meine Knochen gesickert war, hatte ich mir jedes erdenkliche Szenario vorgestellt. Ich hatte versucht, Lucan und sein Handeln zu verstehen. Aber wer gestand einem erst seine Gefühle, nur um dann wenig später kommentarlos zu verschwinden? Nachdem wir Arcadia gerettet hatten und die Minister endlich Geschichte waren! Es sollte bergauf mit uns gehen! Und nun das …

Die Flasche Rhys glitt mir aus der Hand und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Bevor ich ihr folgen konnte, war Duncan da, um mich aufzufangen. In dem Moment, in dem seine Arme sich um mich schlossen, kamen die Tränen. Unaufhaltsam und gnadenlos.

»Shhh.«

Gemeinsam mit Duncan sank ich zu Boden und ließ meinen Gefühlen freien Lauf.

Teil I Die Verzweiflung in meinen Knochen 

KAPITEL 1 

 

 

Vier Tage. So lange war es her, dass Lucan gegangen war. Sechsundneunzig Stunden. Fünftausendsiebenhundertundsechzig Minuten. Nicht, dass ich zählte. Nach meinem Absturz in Duncans Zimmer hatte ich versucht, mich so gut wie möglich zusammenzureißen. Wir hatten Laurenti besiegt. Das Bündnis der Lilie war passé und Arcadia gerettet. Das alles waren Gründe zur Freude. Dennoch lag mein Magen in Knoten und meine Hände fühlten sich kalt und klamm an. Heute war es so weit. Das erste offizielle Treffen der Herrscher aller acht Welten stand an. Olli hatte mir seine Hilfe angeboten. Nick ebenso. Alina, Cora, Duncan … sie alle. Aber ich würde das hier allein schaffen. Ich musste es allein schaffen. Heute ging es weder um Politik noch um Narcos oder die Dämonen. Wobei, das stimmte nicht ganz. Es ging um Dämonen. Um mich und meine Mutter. Ich würde Odile, Drake und den anderen von Lillith erzählen, alle Karten auf den Tisch legen und ihnen dann etwas Zeit geben, um meine Worte zu verarbeiten. Und Zeit würden sie brauchen. Zumindest nahm ich das an. Allerdings hatte ich mich auch in Nick und vor allem Malik getäuscht. Mein Bruder und mein General hatten meine dämonische Herkunft erstaunlich gut aufgenommen. Ich erinnerte mich an Midas Worte. Daran, Vertrauen zu haben, und atmete tief ein.

Wird schon schief gehen …

Ein letztes Mal checkte ich mein Spiegelbild. In meinen hellen Leinenhosen und der goldenen Tunika mit den weiten Ärmeln sah ich wenig bedrohlich aus, und, wenn man mein blasses Gesicht und die Augenringe außer Acht ließ, regelrecht königlich. Weiß erschien mir für diesen Anlass ein wenig zu gewollt. Schwarz zu tragen, brachte ich, seit Lucan gegangen war, nicht über mich. Und alles andere war mir zu fröhlich. Daher hatte ich mich für neutrale Erd- und Goldtöne entschieden.

Bodenständig und wenig aufregend. Die letzten Tage hatten sichtbare Spuren hinterlassen. Ich sah abgekämpft, müde und traurig aus. Und genauso fühlte ich mich auch. Alina hatte mir angeboten, mein Aussehen mit einem leichten Zauber aufzupeppen, aber ich weigerte mich. Sie alle beobachteten mich wie eine tickende Zeitbombe. Sie alle behandelten mich wie eine tickende Zeitbombe. Es war schlimmer als damals, nachdem Vaya mich niedergeschossen hatte. Schlimmer noch als nach unserem Zusammenstoß mit Lillith. Nick und die anderen sahen mich an, als würde ich jeden Augenblick ausrasten, schreien oder weinen. Am besten alles auf einmal. Ich ertrug das Mitgefühl in ihren Blicken nicht – also behielt ich meine Gefühle für mich. Schluckte sie runter und gestattete es mir nur in der Nacht, meinen Verlust zu betrauern. Und so fühlte es sich an, wie ein Verlust. Als würde mir ein wichtiges Organ fehlen. Alles fühlte sich schwerer an, war weniger … klar. Warum war er gegangen? Würde er zurückkommen? Und wenn ja, wann? All diese Fragen fuhren Achterbahn in meinem Kopf und egal wie oft ich jegliches Szenario durchspielte, ich verstand es nicht. Lucan hatte gesagt, er hatte jemandem etwas versprochen. Wem? Dougal? Seinen Männern? Als ich einen Tag nach seinem Verschwinden in Duncans Bett aufgewacht war, hatte ich angenommen, dass die Sieben – bis auf Duncan und King – ebenfalls abrücken würden. Aber Kjiel und die anderen waren noch immer in Arcadia. Ich bekam sie kaum zu Gesicht, King war es, der mich auf dem Laufenden hielt. Es fühlte sich fast an, als gingen sie mir aus dem Weg (das allein war nichts Neues) und würden gleichzeitig über mich wachen (definitiv neu). Ich spürte ihre Anwesenheit, ihre bedrohliche Präsenz. Mehr denn je. Und das bereits seit wir aus Zyntha zurückgekehrt waren. Hatten sie ebenfalls gehofft, dass Lucan und ich endlich unser Happy End fanden? Für Zyntha?

Es ergab einfach keinen Sinn …

Jetzt hatte ich allerdings keine Zeit für solch düstere Gedanken. Ich war kurz davor einen Raum zu betreten, in dem eine Handvoll der mächtigsten Unsterblichen unserer Zeit saßen, und ihnen mein Herz auszuschütten.

Du kannst das, feuerte ich mich selbst an.

Unwillkürlich musste ich an Lucans Abschiedsworte denken. Er hatte mich als stark bezeichnet. Vielleicht bist du sogar die Stärkste von uns allen.

Das würde sich gleich zeigen. Lucan aus meinen Gedanken verbannend, wandte mich von dem länglichen Barspiegel ab und der großen Flügeltür vor mir zu. Dahinter warteten sie. Odile, Drake, Jace und Flynn. Alita und Midas. Crinaee war nicht vertreten, noch nicht. Nachdem Narcos öffentlich gegen uns vorgegangen war, konnte ich nicht mehr darauf warten, dass wir die wahren Erben Crinaees fanden. Der Angriff in Thalos war bereits ein kriegerischer Akt gewesen, aber Arcadia? Der Bastard hatte meine Stadt in Brand gesetzt und versucht mich zu beseitigen. Was mich anging, befanden wir uns nun offiziell im Krieg. Nicht mit Crinaee, denn das Volk, Najaden wie Maeve, konnten nichts für ihren König. Narcos hatte sich durch Intrigen und Mord selbst auf den Thron gesetzt und er hielt sich dort durch Terror und Angst.

Nicht mehr lange, schwor ich mir erneut. Nun war er endgültig zu weit gegangen und ich würde ihm zeigen, was Terror und Angst wirklich bedeuteten. Gleich nachdem ich meine heutige Aufgabe absolviert hatte, denn um Narcos in den Arsch zu treten, brauchte ich meine Verbündeten.

Ich brauchte Lucan.

Nein!

Doch!

Augenrollend brachte ich meine innere Stimme zum Schweigen. Just in diesem Moment konnte ich es nicht gebrauchen, dass sie mich verunsicherte.

Mich innerlich stählend, legte ich die Hände auf das verzierte Holz. Hier ging es nicht um mich oder Lucan. Es ging um die Zukunft der gesamten Anderswelt und ich durfte das hier nicht versauen. Ich holte tief Luft und zwang meinen Herzschlag dazu, sich zu beruhigen. Mit einem kräftigen Ruck stieß ich die Türen zu Flynns Ratssaal auf.

Chaos brach mir entgegen. Odile und Drake standen sich dicht gegenüber. Die Harpyienkönigin bohrte dem Prinzen der Formwandler ihren Zeigefinger in die Brust. Midas stand kopfschüttelnd neben ihnen, offensichtlich bereit, jederzeit einzugreifen. Flynn unterhielt sich mit Alita. Jaces Blick war auf die Tür und damit auf mich gerichtet. Als ich eintrat, verstummten sie. Fast zeitgleich weiteten sich die Augen des Ghouls schockiert. Sein Gesicht verlor zunehmend an Farbe. So wie Midas nach meinem Zusammentreffen mit Lillith, schien auch Jace zu spüren – oder zu sehen – wessen Magie durch meine Adern floss. Was auch immer Lillith in mir gelöst hatte, er erkannte es. Aber damit hatte ich gerechnet. Alles in mir war zu verletzt, zu … roh, als dass ich meine mentalen Mauern aufrechterhalten konnte. Nicht in Gegenwart eines so mächtigen Ghouls wie Jace.

»Lilly!« Odile warf die Hände in die Höhe. »Endlich! Kannst du diesem Tier«, sie wies auf Drake, »bitte erklären, warum–«

»Du siehst scheiße aus«, unterbrach Drake Odile, die Worte für mich bestimmt. Es waren die ersten Worte, die er seit dem Abend des Balls persönlich an mich richtete. Wahrscheinlich sollte ich einfach froh sein, dass er überhaupt wieder mit mir sprach. Noch. Drakes Worte sorgten dafür, dass Odile schlagartig ernst wurde. Ihre Schultern strafften sich und sie musterte mich. Und nicht nur sie. Durchdringendes Blau. Flüssiges Gold. Stechendes Braun. Odile, Drake, Alita … sie alle richteten ihre unheimliche Intensität auf mich. Aber damit hatte ich gerechnet. Immerhin waren wir genau deswegen hier. Ruhiger als ich in diesem Moment angenommen hätte, schloss ich die Tür hinter mir. Dann drehte ich mich mit geradem Rücken und entschlossener Miene zu meinen Verbündeten, meinen Freunden, um.

»Setzt euch«, wies ich sie an. »Wir müssen uns unterhalten.«

Ich hatte mit Widerworten gerechnet, aber sie alle kamen meiner Bitte nach. Ich wertete das als gutes Zeichen.

Ohne dass ich es verhindern konnte, sah ich zu Drake. Dieser erwiderte meinen Blick mit stoischer Miene.

»Wo ist dein Schatten?«

Ich zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Nicht hier.«

»Das sehe ich auch, Prinzessin. Aber wo genau ist er?«

Alle sahen sich um. Ganz so als erwarteten sie, dass Lucan jeden Moment aus den Schatten und an meine Seite trat. Keiner von ihnen konnte glauben, dass er tatsächlich nicht anwesend war. So viel verrieten mir Odiles hochgezogene Augenbraue, Drakes nach wie vor ausdrucksloses Gesicht sowie Flynns spöttisches Halbgrinsen.

Ihr Unglaube tat weh, denn noch vor wenigen Tagen hätte ich genau diese Reaktion erwartet. Sie wäre gerechtfertigt gewesen. Wo ich war, da war auch Lucan – und umgekehrt. Bis vor Kurzem jedenfalls.

»Midas?«, wandte ich mich an den Zauberer. »Könntest du …«, ich wedelte mit dem Handgelenk, »irgendetwas tun, um den hier anwesenden … Herrschaften«, ich fixierte Drake und erhielt ein Augenrollen als Reaktion, »zu beweisen, dass ich allein bin?«

Der oberste Zauberer Dhanikans musterte mich aufmerksam. Ob er mein armeseliges Aussehen sowie meinen Soloauftritt im Kopf kombinierte und zur richtigen Schlussfolgerung kam, wusste ich nicht, aber er nickte folgsam. Ein paar leise gemurmelte Worte, das Aufflackern von starker Magie und der Raum, in dem wir uns befanden, erstrahlte nahezu golden. Als hätte Midas die Sonne vom Himmel geholt und damit den ganzen Raum erhellt. Alle Schatten waren verschwunden und siehe da … kein Lucan. Bei unserer kleinen Verfolgungsjagd durch Arcadia, damals, als wir den Ministern in der Taverne aufgelauert hatten, hatte ich zwar gesehen, wie Lucan durchaus auch im Tageslicht verschwinden konnte, allerdings waren immer ein paar Schatten vorhanden gewesen. Ein offenes Fenster, das einen Schatten warf. Ein Torbogen oder die in der warmen Brise Arcadias hin und her wehende frische Wäsche, die jemand an einer Leine über eine Gasse gespannt hatte. Das alles hatte für Lichtspiele gesorgt und damit für Schatten. Jetzt aber war der Raum einfach nur unangenehm hell.

Mit hochgezogener Augenbraue sah ich sie einen nach dem anderen an.

»Zufrieden?«

»Okay, fein, er ist nicht hier.« Bernsteinfarbene Augen blitzten mich herausfordernd an. Dabei sagte Drakes Tonfall deutlich: Oh Wunder.

Midas ließ seinen Zauber verschwinden, während Alita sich vorlehnte und beide Hände passiv aggressiv auf der edlen Tischplatte abstützte. Heute trug sie ihre Haare offen und der rote Halbmond auf ihrer Stirn war einem Sternensymbol gewichen. Ein schwarzer Umhang verdeckte ein weiteres burgunderfarbenes Kleid.

»Da wir jetzt wissen, dass du in der Tat allein bist« – ihr genervter Blick landete auf Drake – »warum sind wir hier?«

»Wegen der Angriffe auf uns …«, warf Odile ein. »Angriffe, die dein Königreich nicht getroffen haben.«

»Wofür ihr weder uns noch unser Volk verantwortlich machen könnt. Das Bergvolk macht keine gemeinsame Sache mit Verrätern!«

»Weder beteiligt ihr euch daran sie zu stoppen –«

»Das habt ihr ebenfalls nicht«, unterbrach ich Odile ruhig. Der Blick, der mich daraufhin traf, war messerscharf. Ich bezweifelte keine Sekunde, dass die Harpyie sich in diesem Moment am liebsten auf mich gestürzt hätte.

»Sag das noch einmal.«

Ich wusste, dass Odile am liebsten höchstpersönlich auf Broiler nach Arcadia gekommen wäre, um Laurenti in den Arsch zu treten, allerdings war der Ball in Alliandoan unter ihrer Würde gewesen. Die Harpyien blieben gern unter sich, das taten alle Völker der Anderswelt, denn so war es sicherer. So kannten sie es. Allerdings würden wir so auch keine Probleme lösen können.

»Odile«, begann ich und trat dichter an den Tisch. »Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten.« Ich blickte von ihr zu Alita und Drake. »Oder mit euch. Ihr alle besitzt meinen größten Respekt und ich hoffe, dass dieser Respekt erwidert wird, denn ich bin heute nicht hier, um über die Verluste zu sprechen, die unsere Königreiche zu vermelden haben. Arcadia wurde angegriffen«, fuhr ich fort, bevor mich jemand unterbrechen konnte. »Laurenti und sein Bündnis der Lilie haben sich mit Narcos zusammengetan. Gemeinsam mit einer Vielzahl an Dämonen haben sie Arcadia angegriffen. Sie haben versucht, unsere Stadt niederzubrennen und den Thron an sich zu reißen.«

»Was?«

Odile war die erste, die aufsprang. Ihr Stuhl fiel krachend zu Boden. Alita, Drake und Flynn folgten. Lediglich Jace und Midas bewahrten Ruhe. Aber der Zauberer wusste auch bereits, was ich den anderen jetzt offenbaren würde. Und Jace? Er starrte mich noch immer mit großen Augen ungläubig an. Wahrscheinlich konnte er in meinen Gedanken lesen wie in einem offenen Buch. Und dieses Buch besaß seit unserem letzten Treffen ein paar nervenaufreibende Kapitel mehr.

»Dämonen?«, brauste Drake auf. »Sag mir jetzt nicht, dass diese Scheißkerle gemeinsame Sache mit Abbadon machen!«

»Ja und nein«, antwortete ich aufrichtig.

Drake verschränkte die Arme vor der Brust. Wie bei jeder unserer bisherigen Begegnungen trug er ein dunkles, sattes Moosgrün. Die edle Tunika passte hervorragend zu seinem schwarzen Haar und den bernsteinfarbenen Augen und ermöglichte uns einen wohlkalkulierten Blick auf seine Brustmuskeln.

»Soll heißen?«, hakte Drake nach.

»Laurenti ist tot. Das Bündnis der Lilie zerschlagen«, begann ich meine Erzählung. Kurz und knapp berichtete ich ihnen, was sich in Arcadia zugetragen hatte. »Die Dämonen, die bei dem Angriff dabei waren, standen nicht unter der Kontrolle der dunklen Königin.«

»Dämonen, die nicht von Lillith kontrolliert werden?« Alita schnaubte abfällig. »Das ist unvorstellbar. Warum sollten wir das glauben?«

Ich atmete tief durch und blickte ein letztes Mal zu Midas. Der Zauberer nickte aufmunternd. Aus dem Augenwinkel sah ich Jaces Adamsapfel nervös auf und ab hüpfen. Wir drei waren die Einzigen, die meine dämonische Neuigkeit nicht wie ein Schlag in die Magengrube treffen würde. Wobei Jace so aussah, als hätte ich ihn ganz woanders getroffen.

»Weil Lillith es war, die uns gerettet hat.«

Stille. Absolute Stille. Man hätte eine Fliege husten hören können. Es dauerte eine Weile, bis erneut Bewegung in den Raum kam. Für einen kurzen Augenblick war ich nicht einmal mehr sicher, ob sie alle noch atmeten.

Odile war erneut diejenige, die die Stille brach. »Warum in aller Welt sollte ausgerechnet Lillith Arcadia retten?«, brauste sie auf, wobei die zahlreichen Federn an den braunen Lederschnüren in ihrem hellen Haar aufgeregt wippten.

»Weil sie meine Mutter ist.«

 

»Nick?« Ich öffnete die Tür zur Palastküche. Dabei störte ich Melina und zwei weitere Mädchen bei der Arbeit.

»Eure Hoheit.«

»Habt ihr meinen Bruder gesehen? Oder Olli?«

Melina nickte. »Sie haben sich vor einer Weile in der Bibliothek eingeschlossen, Hoheit. Sie sahen … besorgt aus.«

Verdammt. Von einem Drama ins nächste. Dabei war das Treffen im Großen und Ganzen gar nicht so schlecht verlaufen. Zweimal nur hatte Flynn Alita davon abhalten müssen, zu gehen. Oder einen ihrer Dolche zu ziehen und sich auf mich zu stürzen. Drake und Odile waren nach meiner Offenbarung auf ihre Hintern geplumpst und hatten eine Weile geschwiegen. Jeder von ihnen beschäftigt mit seinen eigenen Gedanken. Jace hatte mich weiterhin unverblümt angestarrt. Die Fassungslosigkeit war ihm deutlich anzusehen gewesen.

»Wie konntest du das vor mir geheim halten? Wieso habe ich es nicht gesehen?«, hatte er mich gefragt.

»Phänomenal kosmische Kräfte?« Keiner der Anwesenden hatte meinen Witz als besonders lustig empfunden.

»Aber Maritia … unsere Älteste …«

»Sie weiß es.«

Daraufhin war er – wenn möglich – noch stiller geworden. Mit gerunzelter Stirn hatte er nicht mehr mich, sondern die Tischplatte vor sich fixiert. Midas war an dieser Stelle für mich in die Bresche gesprungen. Er hatte für mich gebürgt und den anderen berichtet, was sie in den letzten Wochen und Monaten alles verpasst hatten.

»Ihr habt gegen Dämonen gekämpft, ohne uns Bescheid zu geben?«

Bei Odiles Worten hatte ich innerlich aufgeatmet. Ja, die Atmosphäre war angespannt gewesen und sie würde es wahrscheinlich noch eine Weile bleiben. Und ja, man hatte mich komisch angestarrt, aber alles in allem war ich mit einem guten Gefühl aus dem Treffen herausgegangen. Alita traute mir nach wie vor am wenigstens. Wenn es jedoch nicht ihr Vertrauen war, das ich gewinnen konnte, dann setzte ich darauf, dass es ihre Furcht vor Lillith war, die sie auf meine Seite trieb. Denn die gleichen Kräfte, die die dunkle Königin besaß, schlummerten auch in mir.

Du denkst in Lucan-Logik, Lilly.

Und wenn ich schon dabei war, konnte ich auch aufhören, mit mir selbst zu reden. Aber verflucht, ich vermisste es, Lucan in meinem Kopf zu haben. Fast noch mehr, als jede Nacht neben ihm einzuschlafen. Durch unser Gefährtenband war ich nie wirklich allein gewesen, erst recht nicht bei dieser Art von Treffen. Selbst wenn uns ein ganzer Raum voneinander getrennt hätte, Lucan wäre da gewesen, in meinen Gedanken. Er hätte die Lage analysiert, mich beruhigt oder mir mental in den Hintern getreten und den ein oder anderen sarkastischen Kommentar abgegeben. Insbesondere bei Alita war er bisher eine große Hilfe gewesen, da er der einzige Andersweltler war, den die Königin des Bergvolkes zu respektieren – oder wenigstens zu tolerieren – schien. Und Flynn. Noch immer wusste ich nicht, ob ich über diese blühende Freundschaft erleichtert oder besorgt sein sollte.

Wie zu erwarten, hatten Flynn und Jace (nach dem ersten Schock) meine überraschenden Nachrichten am besten aufgenommen. Erleichtert hatte es mich dennoch. Der Nephilim hatte sogar den Nerv besessen, mich breit anzugrinsen. Ich musste kein Ghoul sein, um seine Gedanken zu erraten. Er hatte sich gefreut, dass es etwas gab, das mich in seinen Augen weniger perfekt machte. Dabei war ich weit, meilenweit entfernt von perfekt. Ich wusste aber auch, dass er es nicht böse meinte, sondern noch immer mit seiner neuen Realität zu kämpfen hatte und das war etwas, das ich absolut nachvollziehen konnte. Wir alle hatten mit unseren Dämonen zu kämpfen – nur in meinem Fall, war das Ganze etwas wörtlicher zu nehmen.

Ich bedankte mich bei Melina und steuerte auf die Bibliothek zu. Dabei überlegte ich, welches unnötige Drama jetzt auf mich zukommen würde.

Lucan war fort.

Lillith meine Mom.

Alle für mich wichtigen Unsterblichen wussten, was ich war. Spontan wollte mir nichts einfallen, was noch katastrophaler war und Platz eins auf dieser Liste verdient hätte.

»Hey, Jungs!«, rief ich, um einen leichten Tonfall bemüht, und stieß die Tür zur Bibliothek schwungvoll auf. Sobald ich eintrat, wurde mir klar, dass das, was auch immer passiert war, mein eigenes Drama um ein Vielfaches toppte.

Nick, Malik, Duncan, King, Cora und Olli saßen beieinander. Cora hielt die Hand meines Bruders, während die anderen über offenen Büchern brüteten. Die ganze Gang war anwesend. Fast. Außer Lucan fehlte noch eine weitere Person.

Ich musterte sie alle, während sich ein ungutes Gefühl in mir auszubreiten begann. »Wo ist Alina?«

Nick sah auf und sein schmerzerfüllter Blick traf mich völlig unvorbereitet. Ich wusste, wie jemand aussah, der litt, ich sah mich seit Lucans Verschwinden selbst jeden Tag im Spiegel, aber das hier, das war anders. Ich wollte zu ihm eilen, ihn berühren, dennoch stand ich stocksteif da und starrte ihn an.

»Was ist passiert?«

Cora räusperte sich. Bei genauem Hinsehen fiel mir auf, dass ihre Augen leicht gerötet waren. »Alina ist heute nicht von ihrem Unterricht nach Hause gekommen.«

»Was soll das heißen?«, fragte ich, schärfer als beabsichtigt. »Habt ihr Runak befragt? Vielleicht ist sie noch spazieren gegangen, oder …«

»Ihre Wachen sind tot.« Nicks Stimme klang gepresst.

»Tot?« Der Knoten in meinem Magen nahm ungeahnte Ausmaße an, als heiße und kalte Wellen gleichzeitig durch meinen Körper jagten. Tot? Ihre Wachen waren … tot?

»Vier Wachen begleiten Alina täglich zum Unterricht und zurück«, erläuterte Malik mit Grabesstimme. »Eine Anordnung meinerseits seit sich die Situation mit dem Bündnis zugespitzt hatte. Wir fanden sie in einem der Hinterhöfe, die auf dem Weg in die Zitadelle liegen.« Er machte eine kurze Pause, wie um sich zu sammeln. »Man hat ihnen die Köpfe abgetrennt.«

»Wie ist das möglich?« Wie konnte es sein, dass schon wieder jemand in Arcadia eingedrungen war? Wozu hatten wir denn diese lächerlichen Schutzzauber? Arcadia sollte wieder in unserer Hand sein! Wir überwachten jegliche Portalaktivitäten, verdammt nochmal, und nun das?

»Da sie unsere Schutzzauber erneut überwunden haben«, fuhr Malik fort, als hätte er meine Gedanken gelesen, »gehen wir bisher davon aus, dass es sich um jene …« Er zögerte kurz, suchte nach den richtigen Worten, »Gegner handelt, die bei dem Angriff auf Arcadia die Portale kontrolliert haben. Offensichtlich schaffen sie es, zu kommen und zu gehen, wie es ihnen beliebt.«

Lucan kam mir in den Sinn. Diesmal aber aus einem gänzlich anderen Grund, denn da waren sie wieder, jene Worte, die er vor einer Weile ausgesprochen hatte und die ich nicht hatte wahrhaben wollen.

Du solltest in Betracht ziehen, einen Verräter in deinen Reihen zu haben.

Hatten wir nicht genau deshalb versucht, Malik beim Bündnis einzuschleusen? Ja. Und was hatten wir erreicht? Ein Arcadia, das in Flammen stand. Wobei das so nicht ganz stimmte. Ja, wir waren angegriffen worden, aber Laurentis Vorpreschen hatte es uns ermöglicht, das Bündnis zu zerschlagen und als Sieger aus dieser einen Schlacht hervorzugehen. Und es hatte mir ermöglicht, Laurenti eine Kugel in den Kopf zu jagen. Trotzdem war jemand in Arcadia eingedrungen und hatte meine Schwägerin entführt. Erneut!

Hilflos ließ ich mich auf die Armlehne eines der Sofas fallen. »Aber …«, stammelte ich, »wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Alina zweimal entführt wird?«

»Hoch«, antwortete Malik. »Insbesondere, seitdem sie nicht nur deine Freundin, sondern auch eine Prinzessin Alliandoans ist.«

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Total überfordert mit dem, was ich gerade fühlte …

Denk, Lilly. Denk!

Innerlich fluchend gab ich nach.

Lucan. Was würde Lucan tun?

»Haben wir einen Anhaltspunkt?«, fragte ich und stand auf, um im Raum auf und abzugehen. »Habt ihr Spuren bei den toten Wachen gefunden?« Für die Länge eines tiefen Atemzugs schloss ich die Augen. Schon wieder hatten wir Opfer zu beklagen.

Nick schüttelte den Kopf und klammerte sich an Coras Hand, als wäre sie seine Rettungsleine.

Duncan hielt eines der aufgeschlagenen Bücher hoch. Auch er sah besorgt und erschöpft aus.

»Deswegen hängen wir über den Büchern. Wir versuchen, einen Ortungszauber zu finden, der stark genug ist, um Alina ausfindig zu machen. Wir glauben nicht, dass Narcos sie hat, sonst hätte er es uns bestimmt schon unter die Nase gerieben.«

»Wer auch immer Alina in seiner Gewalt hat, ist für den Angriff auf Arcadia verantwortlich«, griff ich Maliks Worte von zuvor auf. Es war die einzig logische Erklärung. Rhonan hatte mich gewarnt. Offenbar hatten wir einen noch mächtigeren Feind als das Bündnis der Lilie oder Narcos. Vielleicht auch mächtiger als die Dämonen. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Die mächtigste Gegnerin, die mir einfallen wollte, war Lillith und ich fühlte in meinem Inneren, dass sie nichts mit der Sache zu tun hatte. Nicht jetzt, wo sie uns gerettet hatte und darauf wartete, dass ich Kontakt zu ihr aufnahm. Wer also könnte annährend so mächtig sein und uns ans Bein pissen wollen?

»Soweit unsere Theorie«, bestätigte Malik meine Worte.

»Wieso habt ihr mich nicht gerufen? Midas war bei mir, wir …«

»Deine Aufgabe heute war wichtig.« Nick räusperte sich, dennoch klang seine Stimme so rau und so verwundet, als hätte er mit Säure gegurgelt. »Wir wissen es selbst erst seit knapp einer Stunde.«

»Olli«, wandte ich mich an meinen Freund. »Hol Midas. Und sag ihm, er soll seinen ganzen Stab an Zauberern mitbringen. Ganz Dhanikans, wenn es sein muss. Wir werden Alina finden.« Ich begegnete Nicks glasigem Blick. »Wir werden sie finden.«

 

KAPITEL 2 

 

 

Kurz vor Mitternacht gelang uns endlich der Durchbruch. Midas war in der Tat nicht allein gekommen. Tristan und die beiden Zauberinnen, die ich bei unserer ersten Begegnung kennengelernt hatte, begleiteten ihn.

»Du hast nach den Besten verlangt«, hatte er bei seiner Ankunft mit stählerner Miene gesagt, »hier sind wir.« Seither arbeiteten sie mit Hochdruck daran, Alina ausfindig zu machen. Die Bibliothek hatte sich in ein regelrechtes Zauberlabor verwandelt.

Es wurde gerührt und gebraut, Nebel stieg auf und hier und da blitzte es. Vor knapp zwei Stunden hatte Midas »Wir haben sie!«, gerufen, nur um dann stirnrunzelnd auf die Karte von Anak zu starren.

»Eben … eben war sie noch da.« Hektisch hatte er die Karten aller Welten auf dem Boden ausgebreitet, während Duncan und Nick hastig die Möbel beiseitegeschoben hatten. Der Ortungszauber, in Form eines hell leuchtenden Punktes, tanzte seitdem fröhlich über das vergilbte Pergament. Über gleich mehrere Seiten und Karten. Anak. Thaumas. Permata. Vesteria und zurück.

»Wie kann das sein?«

»Entweder benutzen sie ein Portal nach dem anderen«, hatte Midas auf meine Frage geantwortet, »oder, sie verschleiern ihren wirklichen Aufenthaltsort mit Magie.«

Beide Optionen waren suboptimal, allerdings befürchteten wir, dass Option B wahrscheinlicher war.

Nun aber blieb der Punkt an einer Stelle stehen. Er zuckte und flackerte, aber er blieb stehen.

»Permata.« Ich lehnte mich dichter über die Karte. »Die Berge dort kenne ich nicht. Minaqktar liegt in der anderen Richtung.«

Alle Anwesenden schwiegen, ihre Augen auf Midas und mich gerichtet.

»Ich glaube nicht, dass …«

»… es klug wäre, noch mehr Zeit zu verschwenden«, beendete ich Midas‘ Satz. Dann wandte ich mich an Duncan und die anderen. »Bewaffnet euch und alarmiert Kjiel und den Rest. Wir treffen uns in zwanzig Minuten im Patio. Nick, bleib noch kurz, ja?«

In Windeseile verließen sie die Bibliothek, erpicht darauf, Alina zu finden. Cora und Olli folgten ihnen, um den Palast weitestgehend zu räumen, damit niemand mitbekam, dass schon wieder ein Mitglied der königlichen Familie entführt worden war. Midas musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, ehe er seinen Leuten den Befehl gab, draußen auf ihn zu warten.

»So wollte ich meinen Satz keineswegs beenden«, wetterte er los, sobald die Tür sich geschlossen hatte. »Was hast du vor?«

Ich wies auf den leuchtenden Punkt. »Das ist offensichtlich eine Falle. Deine Zauberkunst in allen Ehren, Midas, aber wer auch immer das hier anstellt, ist verdammt gut. So gut, dass selbst du die Barrieren um Arcadia nicht brechen konntest. Nur Lillith konnte es. Wir können nicht einfach davon ausgehen, dass wir da aufkreuzen und Alina vorfinden.«

Ich sah zu Nick. »Sie wollen mich, Nick. Nicht Alina.«

»Das kannst du nicht wissen.«

»Natürlich kann ich das!« Ich trat zu ihm und griff nach seinen Händen. »Sei nicht naiv. Der Angriff auf Arcadia diente dazu, mich entweder zu schnappen oder zu töten. Du hast Laurenti und Narcos doch gehört. Sie wollen nicht Alina«, wiederholte ich leise, »sondern mich. Und ich habe ihnen bei weitem mehr entgegenzusetzen als Alina.«

Meine Freundin war eine starke Frau, aber ihre Gabe war das Heilen, nicht das Kämpfen.

»Wir können dich nicht einfach in eine Falle laufen lassen«, protestierte Midas. »Lucan –«

»Ist nicht hier.«

»Aber …«

»Dann verpass mir sowas wie einen magischen Peilsender. Aber ich werde gehen. Ich muss gehen.« Zwei Stunden hatte ich dem kleinen leuchtenden Punkt zugeschaut und das Wissen, dass ich Alina nur retten konnte, wenn ich zumindest so tat, als würde ich mich für sie eintauschen, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt.

»Diese Entführung ist anders als die von Vaya«, führte ich mein bestes Argument an. »Vaya wollte euch niemals schaden. Wer auch immer Alina jetzt hat, ist für mehrere Tote in Arcadia sowie den grausamen Tod von vier Wachmännern verantwortlich. Glaubst du wirklich, wir bekommen sie lebend wieder, wenn wir nicht nach ihren Regeln spielen?«

»Wir könnten warten, bis Lucan wieder hier ist«, warf Midas ein. »Duncan und King können ihn rufen, und …«

»Nein!«, rief ich, in dem Moment, in dem Nick »Alina ist schwanger«, sagte.

»Was?« Auf plötzlich zitternden Beinen sank ich vor meinem Bruder auf die Knie. »Sag das nochmal.«

»Wir wollten es niemandem sagen, weil es noch so früh ist. Alles ging so schnell, aber … sie ist schwanger.«

Heilige Balance.

Das änderte alles. Jetzt waren es zwei Leben, die in Gefahr waren. Ich hob den Kopf und tauschte einen Blick mit Midas. Flehte ihn an, mir zu helfen. Uns zu helfen.

»Wir haben keine Zeit für große Taktik«, sagte ich. »Und wir können nicht völlig kopflos mit einem Haufen bewaffneter Krieger da auftauchen. Tun wir so, als würden wir ihnen genau das geben, was sie haben wollen: Mich.«

»Ich kann etwas an dir mit einer Spur meiner Magie versehen«, erwiderte Midas finster. »In Dhanikans nennen wir es Seelenband. Das eigene Echo kann man überall finden. Wenn du dich konzentrierst und daran arbeitest, dass unsere Verbindung nicht abbricht, dann dürften ihre möglichen Barrieren überwindbar sein. Die eigene Magie ist besonders und leichter aufzufinden. Insbesondere meine.«

Entschlossen stand ich auf. »Gut. Tun wir‘s.«

Während Midas das goldene Armband meiner Mom verzauberte, saß Nick auf dem Sofa und beobachtete uns. Die Furchen auf seiner Stirn waren tief und der Ausdruck in den grünen Augen verzweifelt. Die Sorge um seine Frau und sein ungeborenes Kind machte ihn älter. Härter. Und ich schwor mir hier und jetzt, Alina wohlbehalten zurückzuholen.

»Wiederhole den Plan«, forderte ich ihn auf, um ihn abzulenken.

»Midas öffnet ein Portal und bringt dich nach Permata. Ihr bleibt die ganze Zeit miteinander verbunden und sobald du die Lage einschätzen kannst und Alina ausfindig gemacht hast, rufst du uns. Durch die Spur von Midas‘ Magie können wir in Sekundenschnelle ein Portal zu euch öffnen.«

»Sobald ich weg bin, holt ihr die anderen und macht euch bereit. Malik wird toben«, versuchte ich die Situation aufzulockern. »Sagt ihm, er soll seine Wut für Alinas Entführer aufsparen.«

»Es ist eine Falle«, sagte Midas zum wiederholten Male.

»Ich weiß. Aber ich gehe nicht unvorbereitet.«

»Aber unbewaffnet.«

»Nicht ganz. Ich habe immer noch meine Magie.«

»Nick«, wandte Midas sich an meinen Bruder. »Wir können das nicht zulassen, es ist Irrsinn …«

Ich erwartete, dass Nick ihm zustimmen würde. Dass er es sich anders überlegen und zurückrudern würde. Er tat nichts dergleichen. Steif saß er da und beobachtete mich. Er wusste ganz genau, dass ich es tun würde. Und er wusste ebenso gut wie ich, dass ein Restrisiko blieb. Wir befanden uns im Krieg mit einem unbekannten Feind. Das Risiko war real. So real, wie die Bedrohung für Alina. Was, wenn sie sie folterten? Wenn sie sie schlugen oder Schlimmeres? Würde das Baby es überleben? In einem so frühen Stadium?

In Nicks Augen las ich dieselben Fragen. Ich sah dieselbe Angst. Schlimmer noch: seine Angst war um einiges potenter als meine.

Grimmig nickte er. »Hol sie zurück.«

Midas fluchte. Für eine weitere Minute, die sich anfühlte wie eine Stunde, versuchte er mich von unserem Plan abzuhalten. Trotz all seines Protests öffnete er das Portal nach Permata. Ich sah Midas den Zwiespalt an und ich verstand ihn, immerhin war ich mir der Gefahr durchaus bewusst, dennoch wusste er, wie groß die Gefahr für Alina war. Wir mussten handeln. Und das am besten, bevor Duncan und die anderen sich auf die Suche nach mir machten, weil ich sie im Patio in voller Kampfmontur hatte stehen lassen. Das Portal, so Midas, würde mich an exakt der Stelle ausspucken, an der der Punkt aufleuchtete. Ich hoffte für uns alle, dass er Recht behielt.

»Also dann. Wünscht mir Glück.«

Ich berührte das Armband an meinem Handgelenk. Wer hätte ahnen können, dass ausgerechnet dieses Schmuckstück auf einmal so nützlich werden würde? Mit den Fingern strich ich über die feinen Kettenglieder und rief die Magie tief in mir. Engelsmagie, Dämonenmagie, Lilliths Super-Boost. Ohne valge und tume – oder Lucan – nahm ich alles, was ich kriegen konnte.

Die anderen würden nachkommen, beruhigte ich mich. Unser Plan würde funktionieren … er musste funktionieren, denn andernfalls würde nicht nur Malik mir in den Hintern treten. Ich handelte hier nicht nur eigenmächtig, sondern impulsiv und ja, vielleicht auch ein wenig unüberlegt, aber verdammt … Alina war schwanger! Und in den Händen eines unbekannten Feindes, der mich wollte, nicht sie. Vielleicht würde ich so endlich erfahren, wer hier genau die Fäden zog und wer, wie Duncan es sagen würde, unser Endgegner in diesem Spiel war.

Einen Fuß bereits im Portal, hielt ich instinktiv die Luft an. Dann trat ich komplett hindurch. Ich meinte noch, so etwas wie einen Schrei zu hören, da schloss sich das Portal mit einem nahezu wütenden Zischen hinter mir. Das Ganze hatte nur einen Wimpernschlag gedauert. Irritiert drehte ich mich um. Es war stockfinster. Wo war ich? Meine Augen passten sich ungewöhnlich langsam an die Dunkelheit an. Noch bevor ich reagieren konnte, fühlte ich etwas Hartes und Kaltes an meinen Handgelenken. Es klirrte. Dann schnappte etwas zu. Unter dem plötzlichen Gewicht an meinen Armen wäre ich beinahe in die Knie gegangen. Nur mit Mühe konnte ich mich aufrecht halten.

Feuer flammten auf und ich versuchte instinktiv, meine Augen zu bedecken. Ein Ding der Unmöglichkeit. Mein Herzschlag setzte aus und ich starrte hinab auf meine Hände. Schwere, runenverzierte Fesseln umschlossen meine Handgelenke. An ihnen hingen massive Ketten, befestigt an zwei Haken im Boden. Einfacher Steinboden. Leicht feucht und staubbedeckt.

»Die berühmt berüchtigte Engelsprinzessin.«

Bei den Worten sah ich auf. Endlich erkannte ich, wo ich war. Das Kellergewölbe bestand aus grobem, grauem Stein. Magische Feuer beleuchteten den kleinen, schmucklosen Raum. Ich erkannte den grauen Stein wieder. Er ähnelte jenen Felsen, aus denen Jaces Palast sowie die Bastei erbaut worden waren. Also war ich tatsächlich in Permata. Hektisch sah ich mich um und erblickte Alina. Gefesselt und bewusstlos lag sie zusammengekauert in einer Ecke des Kellers. Ich kniff die Augen zusammen. Sie atmete noch, ihr Brustkorb hob und senkte sich rhythmisch, aber ihr Gesicht … ihr Gesicht war bereits jetzt grün und blau. Oh, Alina.

Wütend zerrte ich an meinen Ketten. »Was habt ihr mit ihr gemacht?«

Ich richtete die Frage an den leeren Raum und die dunklen Ecken vor mir. Nicht sicher, wer oder was mir antworten würde. Ein Mann trat aus den Schatten und ich erstarrte. Schlank und hochgewachsen, mit schulterlangen dunklen Haaren. Seine Haltung glich der eines Königs. Seine Kleidung, ein samtener dunkelblauer Gehrock mit silbernen Verzierungen, wirkte altertümlich, und seine Augen … sie glühten blutrot. Der Schein der Flammen tanzte über seine Gestalt und ließ mich zwei kurze schwarze Hörner erkennen. Nicht länger als meine Hand standen sie, umgeben von seinem Haar, leicht gebogen von seinem Kopf ab. Wie die Hörner eines Stiers.

»Dämon«, zischte ich. Ich zerrte stärker an meinen Ketten. Der Stahl kratzte über den Boden und wirbelte Staub auf. Das Geräusch war widerlich, dennoch zerrte ich fester. Mit der Magie in mir sollte es mir ein leichtes sein, die Ketten zu– 

»Hast du es noch nicht gespürt?«, fragte der Dämon mich in einer überraschend melodischen Stimme. Tief und voll, eigentlich angenehm, auch wenn ich bereits jetzt wusste, dass der Schein trog. »Deine Magie ist nutzlos. Ebenso die deines geliebten Zauberers.«

Meine Verbindung zu Midas!

Panisch versuchte ich, Midas zu erreichen, versuchte meine Magie zu aktivieren, irgendetwas anderes zu spüren als die kalten Fesseln an meinen Handgelenken, aber … nichts. Ich fühlte mich, als wäre ich in einem gigantischen Funkloch gefangen. In meinem Kopf herrschte komplette Stille und das vertraute Summen von Macht in meinen Adern war fort.

»Was … was ist das?«

»Runen und Zauber aus einer Welt, die eurer weit überlegen war, bevor sie sich selbst zerstörte.« Langsam kam er auf mich zu. Ich zwang mich, ruhig stehen zu bleiben, während mein Herz mir schmerzhaft gegen die Rippen schlug. Furcht mischte sich mit der Sorge um Alina. Midas würde mich bestimmt noch spüren können, er war der oberste Zauberer von Dhanikans, er– 

»Hat deine Mutter dir denn gar nichts beigebracht?«

Erschrocken hielt ich inne und starrte den Fremden an. Nahm mir einen Moment, um ihn richtig zu betrachten. Nicht nur seine Klamotten oder die Hörner auf seinem Kopf, sondern das schmale, kantige Gesicht. Die leicht eingefallenen Wangen und seine in der Tat aristokratische Haltung. In meinem Kopf ratterte es.

»Luzifer?«

Der Dämon stieß ein gehässiges, kurzes Lachen aus. »Ganz sicher nicht«, erwiderte er kalt. »Solltest du deinesgleichen nicht erkennen?«

»Gehörst du nicht ebenfalls zu meinesgleichen?«, konterte ich spontan.

Sein Blick verhärtete sich. »Dumme, dumme Engel. Dumme Lillith. Diese Welt hat sie weich gemacht. Schwach. Aber nicht uns. Niemals uns.«

»Wer bist du?«, flüsterte ich atemlos.

»Man nennt mich Volac«, antwortete er und machte eine Pause, als müsste er den Namen kurz wirken lassen. Oder, als müsste der Name mir irgendetwas sagen. Verständnislos sah ich ihn an. Dann ließ er die Bombe platzen. »Ich war einst ein Ritter in den Reihen deiner Mutter.«

Ach du heilige Balance!

Die Ritter Abbadons. Ich hatte bisher nur über sie gelesen. Und Lucan hatte erwähnt, dass Vaya seit jeher versuchte, zum Ritter aufzusteigen. Lucan – natürlich! Wie dumm von mir, dass ich jetzt erst an unsere schicksalhafte Verbindung dachte. Midas konnte mich offenbar nicht mehr hören, aber vielleicht war das, was Lucan und mich verband, stärker.

Lucan!

Zunächst flüsterte ich seinen Namen. Dann schrie ich ihn.

Lucan!

Ich versuchte es wieder und wieder.

Lucan, ich brauche dich!

Volacs Grinsen war das manifestierte Böse. »Niemand wird dich hier erreichen können. Auch nicht dein Gefährte. Nicht, solange du die Fesseln aus meiner Welt trägst. Assassine hin oder her. Lillith selbst hat sie geschmiedet. Welch herrliche Ironie, nicht wahr?«

»Was willst du von mir?«

»Zunächst Informationen. Alles, was ich wissen muss, um die Herrschaft in allen Welten an mich zu reißen«, antwortete er unbeeindruckt. »Ich will die Schwachstellen jeder Welt, jedes Herrschers. Insbesondere die der Harpyien und der Assassinen. Niemand sonst ist ihnen so nahe wie du. Niemand sonst geht in jeder Welt ein und aus, wie es ihm beliebt. Wenn wir haben, was wir brauchen, gehörst du ihm.«

Ihm? Wie meinte er das, wie …

»Das Blut der dunklen Königin fließt durch deine Adern und damit auch das Anrecht auf den Thron Abbadons. Die neuen Dämonen sind leicht zu beeinflussen, sie folgen demjenigen, der auf dem Thron sitzt, aber jene von uns aus der anderen Zeit sind schwerer zu … beeindrucken.«

»Du willst, dass ich Abbadon regiere?«

Der Dämon stieß ein grunzendes Geräusch aus. Dann trat er vor. »Mach dich nicht lächerlich. Was wir wollen«, sagte er und griff schmerzhaft in mein Haar, »ist, unseren Samen in dich zu pflanzen und den neuen König Abbadons mit dir zu zeugen. Sobald der Nachfahre Lilliths auf der Welt ist, wirst du entsorgt.«

Sprachlos starrte ich in Volacs nun vollkommen ausdruckslose, rotglühende Augen. Und ich hatte geglaubt, Wahnsinn in denen von Vaya und Lillith zu sehen.

»Lillith ist schwach geworden«, redete er sich in Rage. »Sieh dich doch an!« Er zog grob an der Strähne meines Haares, die er sich um die Faust gewickelt hatte. »Ein Kind mit einem Engel.« Er schnaubte abfällig. »Es gibt keine Kämpfe mehr in Abbadon. Sie hat uns verboten, andere Unsterbliche zu besetzen und zu verzehren. Wir dürfen nicht mehr erobern. Nicht foltern. Nicht leben! Wir sind gefangen in unserer eigenen Welt, unfähig, Schrecken und Terror zu verbreiten. Luzifer war der Anfang vom Ende«, murmelte er. »Es fing mit einem Engel an und es wird mit einem Engel enden.«

»Ich bin von eurem Blut!«

Volac ließ mich los. Ruckartig hob er die Hand und schlug mir ins Gesicht. Schmerz explodierte hinter meinen Augen, in meinem Kopf, auf meiner Wange, als mein Kopf zur Seite rollte. Ich schmeckte Blut und spürte, wie meine Wut sich verstärkte.

»Du bist nicht wie wir, Miststück. Alles, was du bist, ist Dreck. Ein lästiges Experiment einer alternden und gelangweilten Königin, deren Tage gezählt sind.«

»Lillith wird dich finden!« Sie und Lucan würden mich finden. Und wenn es so weit war – 

Ein erneuter Schlag. Mein Kopf flog zurück und rollte dann langsam wieder nach vorne. Blut rann mir aus dem Mundwinkel und es hätte mich nicht gewundert, wenn sich ein paar Zähne gelockert hatten. Dennoch stand ich noch immer fest auf beiden Beinen. Als ich die Augen wieder öffnete, sorgte meine Wut dafür, dass ich rot sah.

»Sieh an.« Volac grinste boshaft. »Genau das, was ich brauche.« Er drehte sich zu Alina um und ich begann erneut, wie wild an meinen Ketten zu zerren. Versuchte ihn zu treten, mich zu bewegen, irgendetwas!

»Sie hingegen brauche ich nicht.« Mit einer lässigen Handbewegung löste Alina sich in Luft auf und verschwand.

»Nein!«, schrie ich. »Du Mistkerl! Was hast du mit ihr gemacht? Wo ist sie?«

»Dort, wo man sie finden wird. Wo bliebe denn all der Spaß, wenn niemand von meinen Taten berichten könnte?«

Als ich wieder versuchte ihn zu treten, preschte er vor und packte mich am Kinn.

»Du selbst warst es, die mit offenen Augen in meine Falle getappt ist. Etwas anderes zu behaupten, wäre naiv. Und ich werde mich daran weiden, wie sie versuchen werden, dich zu finden. Verzweifelt, weil ihre lächerliche Magie nicht funktioniert. Außer sich vor Sorge um ihre wertvolle Prinzessin.« Die Hand an meinem Kinn drückte fester zu. So fest, dass sie mit Sicherheit Abdrücke hinterlassen würde. »Voller Angst, um die eine, vom Schicksal bestimmte Gefährtin.«

Unfähig mich zu bewegen, tat ich das Einzige, das mir einfiel, ich spuckte Volac mitten ins Gesicht. Blut und Spucke liefen ihm die Wange herab. Sein Gesichtsausdruck wurde mörderisch. Der nächste Schlag kam so schnell, dass ich nicht einmal Zeit hatte, mich darauf vorzubereiten. Ich ging in die Knie.

»Du kannst mich so oft schlagen, wie du willst«, spie ich ihm entgegen, den Blick starr nach oben gerichtet. Ich mochte vor ihm knien, aber ich würde nicht kleinbeigeben. »Ich werde nicht reden.« Niemals würde ich meine Freunde verraten. Meine Familie. Niemals!

»Ich werde dir nichts anhaben, Prinzessin. Nicht körperlich zumindest. Noch nicht.«

Aus langsam zuschwellenden Augen beobachtete ich, wie er seinen Gehrock auszog und ihn achtlos beiseite warf. Auf seinem gesamten Oberkörper und den Armen befanden sich Runen ähnlich derer, die meine Fesseln zierten. Ein abstraktes, kunstvolles Muster des Grauens, in dessen Mitte ein Bild zu erkennen war. In schwarz und rot zeigte es einen gehörnten Mann, hoch oben auf einem gewaltigen Ross. Das Schwert hoch erhoben, die Augen rot und voller Wahnsinn. Ein Ritter Abbadons. Volac. Als er noch nähertrat, begannen die fremdartigen Zeichen auf seiner Haut rot zu glühen. »Wir haben noch ein wenig Zeit, bis unsere Gäste eintreffen. Wollen wir doch mal sehen, ob wir das kleine Vögelchen zum Singen bringen können.«

Midas 

 

»Nein!«

Nick sprang auf. »Midas, was ist los? Wo ist das Portal?«

»Nein«, wiederholte ich, leiser diesmal. Das konnte nicht sein, es – 

»Midas!« Die Panik in Nicks Stimme entsprach jener, die just in diesem Moment durch meine Adern rauschte. Nein. Nein. Nein. Was hatten wir getan?

»Midas! Wo ist das verfluchte Portal?«

Ein mir unbekanntes Gefühl überkam mich. Angst. In meinen fast tausend Jahren hatte ich mich noch nie so hilflos gefühlt, wie in diesem Moment.

»Midas!«

»Ich kann sie nicht spüren«, flüsterte ich, nicht sicher, wen meine Worte mehr schockierten: mich oder Nick. Aus großen, grünen Augen funkelte der Prinz mich an.

»Was verdammt nochmal soll das heißen?«

Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Noch immer fassungslos starrte ich auf den Punkt, an dem soeben noch das Portal gewesen war. Es hätte sich nicht schließen dürfen. Wieso hatte es sich geschlossen? Lilly und ich waren durch meine Magie miteinander verbunden. Niemand in den noch existierenden acht Welten hatte mir bisher das Wasser reichen können. Niemand, außer Lillith. Und die dunkle Königin hatte hiermit nichts zu tun. Ihre Magie kannte ich. Das, was hier passierte, mit dem Ortungszauber und dem Portal … das überstieg sogar mein Wissen. Wirklich?, flüsterte eine kleine Stimme in mir. Niemand konnte dir das Wasser reichen?

Immerhin hatten sie es bereits mehr als einmal erfolgreich geschafft, die Schutzzauber, die ich um den Palast in Arcadia gewoben hatte, zu umgehen. Sie hatten uns sogar aus Arcadia ausgeschlossen. Aber hatte ich daran gedacht? Nein. Weil ich zu selbstsicher und zu arrogant gewesen war. Zu überzeugt von meiner Magie. Von Lillys Erfolg. Meine Hände wurden klamm und ich begann zu schwitzen. Es musste eine Erklärung geben. Ich hatte immer alles unter Kontrolle, immer, ich – 

»Midas!«

Nicks sprang auf. Er stand nun dicht, sehr dicht, vor mir. Seine Stimme war nicht nur lauter geworden, sondern auch eindringlicher. Er stand kurz davor, mir an die Gurgel zu gehen und er hatte jedes Recht dazu. Ich hatte ihm versichert, dass ich Lilly würde spüren können, wenn sie durch das Portal trat. Und nun? Ich stand da wie ein hilfloses Lamm kurz vor der Schlachtbank. Hätte er Lilly wirklich gehen lassen, ohne meine Anwesenheit? Ohne das Vertrauen in meine über tausend Jahre alte Magie? Die Tür zur Bibliothek wurde aufgerissen.

»Was ist los?« Duncan stürmte in den Raum. Hektisch sah er sich um. »Wieso spüre ich Lilly nicht mehr? Wo ist sie?«

Keiner antwortete ihm. Nick beobachtete mich und ich … ich sah hinab auf meine zitternden Finger. Wie ein Novize. Wie ein verdammter Nichtsnutz.

»Wo ist Lilly?«

»Fort«, wisperte ich in dem Moment, in dem Nick rief: »Der Punkt! Er bewegt sich!«