Love on Ice - Daniela Kappel - E-Book

Love on Ice E-Book

Daniela Kappel

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Beschreibung

Neues Spiel, neue Liebe: In den Rocky Mountains wird das Team der Dynamites neu aufgemischt!
Der knisternd-romantische Liebesroman für Fans von Sports Romances

Clarissa hat genug davon sich die Wunden zu lecken, die ein furchtbarer Unfall vor Jahren hinterlassen hat. Sie will ihre beendete Karriere auf dem Eis hinter sich lassen und steigt deshalb in die erfolgreiche Sportagentur ihrer Familie ein. Gleich zu Beginn steht sie vor der schwierigen Aufgabe das skandalgebeutelte Eishockey Team ihres Onkels zu managen. Die größte Herausforderung dabei: Jackson Rosza. Der neue und verdammt attraktive Teamcaptain der Dynamites mischt Clarys Leben und Gefühle von Anfang an gehörig auf. Können Jack und Clary es schaffen das Team gemeinsam zum Erfolg zu führen? Oder lassen sie zu, dass die Vergangenheit sie einholt und nicht nur ihre Beziehung, sondern auch die Mannschaft keine Chance auf eine Zukunft hat?

Erste Leser:innenstimmen
„Eine tiefgründige und herzerwärmende Sports Romance, die mich absolut begeistert hat!“
„Clary und Jackson sind so sympathische und authentische Protagonisten, denen man die Liebe aus tiefstem Herzen wünscht.“
„Unterhaltsamer New-Adult-Liebesroman, nicht nur für Eishockeyfans.“
„Packende Liebesgeschichte – Daniela Kappel versteht es flüssig und spannend zu erzählen!“

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Seitenzahl: 341

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Über dieses E-Book

Clarissa hat genug davon sich die Wunden zu lecken, die ein furchtbarer Unfall vor Jahren hinterlassen hat. Sie will ihre beendete Karriere auf dem Eis hinter sich lassen und steigt deshalb in die erfolgreiche Sportagentur ihrer Familie ein. Gleich zu Beginn steht sie vor der schwierigen Aufgabe, das skandalgebeutelte Eishockey-Team ihres Onkels zu managen. Die größte Herausforderung dabei: Jackson Rosza. Der neue und verdammt attraktive Teamcaptain der Dynamites mischt Clarys Leben und Gefühle von Anfang an gehörig auf. Können Jack und Clary es schaffen, das Team gemeinsam zum Erfolg zu führen? Oder lassen sie zu, dass die Vergangenheit sie einholt und nicht nur ihre Beziehung, sondern auch die Mannschaft keine Chance auf eine Zukunft hat?

Impressum

Erstausgabe April 2022

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96817-317-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98637-667-3

Covergestaltung: Jasmin Kreilmann unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © feedough, © SergeyNivens shutterstock.com: © ONYXprj, © Artur Didyk Lektorat: Nadine Buranaseda, typo18, Bornheim

E-Book-Version 23.02.2024, 12:53:25.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Love on Ice

New Goals

Jack

Heute war der Tag. In knapp einer Stunde würde sich mein Leben und das der anderen von Grund auf ändern. Daran musste ich einfach glauben. Ich musste daran festhalten und alles in meiner Macht Stehende tun, damit es sich auch bewahrheitete. Und der nächste Punkt auf dem Weg dorthin war, Finch rechtzeitig aus dem Bett zu kriegen. Vielleicht überraschte er mich ja ausnahmsweise einmal und würde, wie verabredet, vor dem Eingang des Studentenwohnheims auf mich warten. Das wäre ein willkommenes Wunder.

Natürlich tat er das nicht. Vor dem Eingang der Wohnhausanlage standen lediglich Kev und Ty. Und Tys unterschwellig aggressivem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war Finch wieder einmal nicht erreichbar. Dieser Vollidiot machte mich verrückt! Die ganze letzte Woche hatte ich ihm eingebläut, wie wichtig dieses Spiel sein würde.

Zwar hatte ich keinem der Jungs verraten, warum, trotzdem war ich der Meinung, dass es Finch ausreichend motivieren würde, gegen Shiny und seine Truppe anzutreten. Finch hasste diesen Kotzbrocken wie die Pest, weil er ihm bei unserem letzten Spiel seinen Schläger in die Kniekehlen gerammt hatte. Vollkommen unbeabsichtigt, versteht sich. Ich zählte darauf, dass Shiny oder ein anderer Kerl aus seinem Team auch heute auf unfaire Mittel zurückgreifen würden. Sie waren stark und schnell, unbestreitbar gute Spieler, dennoch hatten sie solche Tricks nötig, um zu gewinnen.

Wir nicht. Wir waren besser und hatten in den letzten Wochen wie blöde trainiert, damit wir noch besser wurden. An diesem Tag würden wir ihnen zeigen, dass sie keine Chance gegen uns hatten, und nebenbei Jeff Paxton beweisen, dass wir ein Ticket in die Profiliga verdienten. Doch das würde nur passieren, wenn unser Right Wing langsam in die Gänge kam.

„Hey.“ Ty hob eine Hand.

Ich schlug ein. Kev hielt ich wie immer die Faust hin, er boxte mit seiner dagegen.

„Ich geh mal Finch holen.“ Damit stemmte ich mich gegen die Eingangstür des Studentenwohnheims, die ächzend aufschwang und mir Eintritt in das muffige Foyer gewährte.

Die Peacock Halls, wie sie scherzhaft von den Studenten genannt wurden, bestanden aus mehreren lächerlich bunt gestalteten Gebäudekomplexen, die mindestens so alt waren wie die berühmtesten Eliteunis Amerikas. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie nicht elitär waren oder den vielversprechendsten Studenten unseres Landes ein Zuhause gaben. Hier war alles einfach nur abgenutzt und billig. Und die wahrscheinlich günstigsten Zimmer im ganzen Bundesstaat konnte man in Gebäude E beziehen, das nach dem Wasserrohrbruch vor einigen Jahren trotz Renovierung noch immer nach Kanal roch. Ungeachtet dessen marschierte ich zielsicher über den ausgeblichenen Linoleumboden, nickte auf meinem Weg zum Treppenhaus ein paar Studentinnen zu, die sich neben einer durchgesessenen Sitzgruppe geschart hatten und mir im Vorbeigehen zulächelten.

Finchs Zimmer lag im fünften Stock, und da die Zeit knapp wurde, hieß es, keine Müdigkeit vorschützen. Die Treppe mündete in einem engen, mit fleckig grauem Teppich ausgelegten Korridor, von dem aus unzählige Türen in die Studentenzimmer abgingen. Forschen Schrittes näherte ich mich der Tür mit der Nummer 527, hinter der Finch gleich sein blaues Wunder erleben würde.

Ohne mich mit einem Klopfen aufzuhalten, das ohnedies ungehört geblieben wäre, drückte ich die ausgeleierte Türschnalle über den Anschlag nach unten und betrat den Raum. Ein Potpourri aus verschiedenen Gerüchen begrüßte mich. Schales Bier, Zigarettenrauch, getragene Kleidung und eine feine Note Weed, die ohne Zweifel von Finchs Mitbewohner stammte. Der war ein Stoner erster Klasse und hatte es ungeachtet dessen irgendwie aus seinem Bett und in eine Vorlesung geschafft. Ganz im Gegensatz zu meinem Right Winger.

Er lag mit dem Rücken zu mir auf seinem Bett. Das Kopfkissen zu seinen Füßen ließ vermuten, dass er sich in der Nacht zuvor verkehrt herum niedergelassen hatte, was wiederum Grund zur Annahme gab, dass er zu viel getrunken hatte. Von der Bettdecke fehlte jede Spur, und da Finch ausschließlich nackt schlief, blieb mir der unbedeckte Anblick seines Hinterteils nicht erspart.

Auch die unzähligen Narben, die sich von dem leicht verfilzten und mit blauen Strähnen durchzogenen Haar über seinen Rücken und die Oberarme zogen, konnte ich sehen. Ich wusste, woher sie rührten. Und bei der Erinnerung daran, wie Finch mir davon erzählt hatte, war ich kurz davor, ihn einfach weiterschlafen zu lassen. Was er hatte durchmachen müssen, wünschte ich niemandem. Trotzdem oder gerade deswegen war es so wichtig, dass er seinen Arsch aus dem Bett schob und aufs Eis trat. Also schluckte ich alles herunter, was mich davon abhielt zu tun, was getan werden musste.

„Scheiße noch mal, Finch!“, rief ich lauter, als eine Begrüßung oder ein gewöhnlicher Fluch hätten ausfallen müssen.

Er grunzte, und seine Pobacken zogen sich zusammen, ansonsten reagierte Finch mit vollkommener Reglosigkeit.

Na schön. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich damit abmühen durfte, meinen Freund und Teamkollegen nach einer durchzechten Nacht aus dem Bett zu holen. Ich hatte schon alles mit ihm durch. Anschreien, rütteln, kräftige Schläge, laute Musik und so weiter und so fort. Mit diesen Methoden würde es ewig dauern, ihn wach zu bekommen. Da die Zeit drängte, verzichtete ich gänzlich auf derlei sanfte Weckversuche und ging stattdessen zu den effektiveren Mitteln über. Selbst schuld, mein Bester.

Ich schnappte mir den alten Putzeimer, der unter Finchs Schreibtisch stand und vor Müll überquoll, kippte den Inhalt in die Duschtasse im Bad und füllte ihn mit eiskaltem Wasser. Harte Situationen erforderten harte Maßnahmen. Mit dem vollen Eimer trat ich an Finchs Bett und gab ihm eine letzte Chance, dem morgendlichen Bad zu entgehen. Ich stieß ihm ein Knie in den Rücken und rief seinen Namen, wobei etwas von dem Wasser auf seine Beine schwappte. Er zuckte zusammen, grummelte etwas Unverständliches und ließ dann ein Schnarchen hören, das jedem Sägewerk Konkurrenz gemacht hätte.

„Es tut mir ja wirklich leid, Mann, aber das muss jetzt sein“, sagte ich mehr zu mir selbst, trat einen Schritt zurück und kippte ihm das eisige Wasser über den Kopf.

Mit einem Satz katapultiert sich Finch von der Matratze und landete unsanft auf dem fusseligen Bettvorleger. Gehetzt sah er sich um, bis er mich entdeckte. Sein schockierter Gesichtsausdruck wurde von einem schiefen Grinsen abgelöst.

Er wischte sich die triefenden Haare von der Stirn. „Hey, Jack. Sag bloß, ich hab schon wieder verpennt.“

Zehn Minuten später verließen Finch und ich das Studentenwohnheim. Seine Haare waren noch feucht, immerhin war er wach, und übel nahm er mir meine Aktion auch nicht. Finch war ein lebensfroher Typ, der das Beste aus jeder Situation machte und selten nachtragend war. Was man von Ty nicht behaupten konnte.

Sobald sich Finch zu ihm gesellt hatte, versetzte Ty ihm einen Schlag gegen die Schulter. „Verdammt, Finch, wegen dir haben wir kaum noch Zeit, uns aufzuwärmen, bevor das Spiel losgeht.“

„Dir auch einen guten Morgen, mein Freund“, erwiderte Finch mit einem breiten Grinsen und rieb sich die Schulter.

Tys Augen blitzten zornig auf.

Ich ging dazwischen, ehe wir noch mehr Zeit mit unnötigen Streitereien verplemperten. „Leute, Leute, hebt euch das für die Siegesfeier auf. Jetzt wollen wir Shiny und seiner Bande erst mal richtig den Arsch versohlen!“

Klay wartete neben den Müllcontainern, die den Personaleingang der Eishalle säumten. Die Hände hatte er in der Bauchtasche seines Hoodies vergraben, sein von der Kapuze bedeckter Kopf war gesenkt.

„Hey, Kleiner, was geht?“, rief Finch ihm aus vollem Hals zu, was Klay aufblicken ließ.

Er war definitiv nicht klein, sondern überragte alle aus dem Team, mit Ausnahme von Kev. Doch mit seinen vierundzwanzig Jahren war er der Jüngste in unserer Truppe, und wenn man nicht wusste, wie alt er tatsächlich war, hätte man ihn jünger geschätzt.

„Wo wart ihr denn? Ich stehe mir seit einer halben Stunde die Beine in den Bauch.“

„Finch“, knurrte Ty. Er verzichtete auf weitere Ausführungen, weil allen auch so klar war, dass Finch verschlafen hatte.

Während Finch den allgemeinen Ärger, den er ausgelöst hatte, gekonnt ignorierte und Klay zur Begrüßung an sich zog, schloss Kev die Tür zur Eishalle auf. Er arbeitete seit ungefähr drei Jahren hier, was uns einen ultimativen Trainingsvorteil verschaffte. Da der Besitzer der Halle ziemlich knauserig war, was die Bezahlung anging, hatte Kev mit ihm ausgehandelt, dass wir die Halle außerhalb der Öffnungszeiten nutzen konnten. Das war das Mindeste, denn er hatte alle Hände voll zu tun. Er zog das Eis ab, hielt die Tribünen, Umkleiden und Sanitäranlagen sauber und kümmerte sich um die Instandhaltung des Gebäudes, das aus in die Jahre gekommenen Metallstreben und Blechplatten bestand.

Finch ließ von Klay ab, während sich Ty schon hinter Kev durch die Tür schob. Ich blieb neben den Müllcontainern stehen und nahm gereizt das Ende der Gasse ins Visier. Eigentlich hatte ich gedacht, es würde mein einziges Problem sein, Finch rechtzeitig hierherzuschaffen. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Denn zu meinem Leidwesen waren wir noch immer nicht komplett. Ich kramte in der Hosentasche nach meinem Handy. Keine Nachricht. Wo, zum Teufel, blieb …?

Ich hatte den Gedanken nicht beendet, da erschienen zwei Gestalten am Ende der Straße. Auch ohne sie im Detail erkennen zu können, wusste ich, wer sie waren. Die beiden hielten sich an der Hand und liefen uns entgegen. Camilles helles Lachen schallte durch die Gasse. Andrews Kopf war ihr zugeneigt. Ich verdrehte die Augen. Fehlten bloß Schmetterlinge, die um sie herumtanzten, und eine satte Blumenwiese unter ihren Füßen. Ein Stück weit vor uns verlangsamten sie ihre Schritte, und Andrew zog Camille in einer schwungvollen Bewegung an sich. Ihr Lachen wurde sogleich von seinen Lippen verschluckt.

„Junge Liebe.“ Finch seufzte angetan. Er war hinter mich getreten und hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt. „Würde dir im Übrigen auch nicht schlecht bekommen“, ergänzte er trocken.

Die ewige Leier. Aufs Neue verdrehte ich die Augen und schüttelte Finchs Hand ab. Ich hatte andere Sorgen als mein Liebesleben. Na ja, Sexleben, um genau zu sein. Von Liebe war da nie die Rede, was mich nicht im Mindesten störte. Finch aus unerfindlichen Gründen dagegen schon.

„Andrew Jason Rutherford!“, bellte ich.

Er klebte an seiner Freundin, ohne den Anschein zu erwecken, sich irgendwann von ihr losreißen zu wollen. Dabei wusste ich, dass sein Herz genauso sehr für Eishockey schlug wie für Camille. Ein letztes Mal sah ich ihre Zungen in dem innigen Kuss zwischen ihren Lippen aufblitzen, dann endlich hörten sie mit dem Blödsinn auf.

„Ich warte auf der Tribüne“, sagte Camille atemlos und wandte sich grinsend zum Gehen.

Drew sah ihr einige Herzschläge lang nach, wie sie sich zum Vordereingang von uns entfernte. Als er sich eine gefühlte Ewigkeit später umwandte, klatschte er in die Hände.

„Eiszeit!“, rief er.

Na, zumindest schien er ordentlich motiviert für das Spiel zu sein.

„Los jetzt“, sagte ich.

Hinter Drew und Finch betrat ich den engen Abstellraum, von dem aus man zu den Umkleiden gelangte. Ty, Kev und Klay hatten sich bereits in Schale geworfen, und glücklicherweise musste ich Finch und unseren Romeo nicht extra zur Eile anhalten. Beide schnappten sich sofort ihre Monturen.

Keine fünf Minuten später standen wir auf dem Eis. Die Tribünen zu beiden Seiten der Eisfläche waren rege bevölkert. Hauptsächlich bekannte Gesichter. Die meisten davon würden nicht uns, sondern Shiny und seinen Jungs zujubeln. Ich ließ den Blick über die Reihen schweifen. Schließlich blieb er an einem dunkel gekleideten Mann mittleren Alters hängen, den ich noch nie gesehen hatte. Die meisten Zuschauer saßen paarweise oder in Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Er war allein und sah unverwandt aufs Eis. Das musste er sein.

Die Aufregung, die ich in den letzten Tagen und Stunden einigermaßen gut unter Kontrolle gehalten hatte, traf mich mit voller Wucht und fraß sich einem Lauffeuer gleich durch meine Adern. Seit ich Anfang letzten Monats mit Mr. Paxton telefoniert hatte, fieberte ich diesem Augenblick entgegen, und nun war er eigenartigerweise schneller gekommen, als mir lieb war. Nur mit großer Anstrengung gelang es mir, mich den anderen anzuschließen, die Runden auf dem Eis drehten, um vor dem Spiel wenigstens noch ein bisschen warm zu werden. Viel Zeit blieb uns nicht.

Da meine Konzentration mehr auf meiner Umgebung als auf den Aufwärmübungen lag, registrierte ich sofort, dass sich Charly Backer der Spielfläche in gemächlichem Tempo näherte. Er war ein alter Freund meiner Mom, hatte früher, das hieß, bevor sein Bauchumfang proportional zu seiner Körpergröße gewachsen war, selbst in einem Amateurteam gespielt und trainierte uns seit Jahren. Ihm hatten wir es zu verdanken, dass Trainer Paxton auf uns aufmerksam geworden und heute anwesend war. Während Charly zielsicher auf jenen Mann zusteuerte, in dem ich den besagten Trainer vermutete, verharrte ich unvermittelt auf dem Eis.

„Kommt her“, stieß ich energisch hervor.

Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich den Jungs gegenüber auf dem Eis noch nie einen derartigen Ton angeschlagen und war selbst überrascht davon. Es war nicht meine Art, laut zu werden. Im Gegenteil löste ich Probleme oder Konflikte meist mit einer stoischen Ruhe, egal wie es in mir tatsächlich aussah. Schon als Kind hatte ich diesen Wesenszug an den Tag gelegt und war bislang immer gut damit gefahren.

Offenbar war ich nicht der Einzige, der irritiert war von meinem Verhalten, auch meine Teamkollegen, die sich einer nach dem anderen zu mir wandten, bemerkten meine ungewohnte Anspannung. Ty zog verwundert eine Braue hoch, Finch geriet ins Schlittern, Klay zuckte kaum merklich zusammen, Andrews Lippen wurden schmal, und Kev blickte mich derart durchdringend an, dass ich es sofort bereute, mich nicht ausreichend im Griff zu haben. Komm runter, Jack, sagte ich mir. Wenn es mir nicht gelang, meine Anspannung im Zaum zu halten, würde dieses Spiel garantiert keinen guten Ausgang nehmen. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Zu meinem Glück verschaffte mir das die nötige Ruhe.

„Es geht gleich los.“ Jetzt klang ich um einiges entspannter.

Ich linste in Charlys Richtung. Gerade sagte er etwas zu Paxton und marschierte im Anschluss die Tribüne treppabwärts zum Eis. Nur Kev folgte meiner Geste mit den Augen, die sich danach sofort wieder auf mich hefteten. Natürlich wusste er nicht, warum, aber ihm war klar, dass etwas im Gange war, das sah ich ihm deutlich an. Sein Gespür war unbestreitbar sensibel. Der Rest der Truppe hatte die Härte in meiner Stimme schon wieder vergessen.

„Wollt ihr diesem Puck und seinen Anhängern zeigen, wer den Schläger führt?“, fragte ich bemüht gelassen in die Runde und rang mir bei den Worten, die ich unzählige Male zuvor aus Charlys Mund gehört hatte, ein Lächeln ab.

„Ja“, kam es unisono zurück. Und Finch hängte ein beherztes „Scheiße noch mal“ an.

Ich nickte. Würde ich etwas ergänzen, wäre meine mühsam erkämpfte Ruhe erneut dahin. Meine Jungs würden auch ohne Geschwafel ihr Bestes geben.

Kein einziger Mann auf dem Eis enttäuschte mich. Shiny und die anderen aus seinem Team spielten genauso verbissen, wie ich es erwartet hatte, und scheuten sich nicht, mehr oder weniger versteckt auf miese Tricks zurückzugreifen. Das half ihnen jedoch wenig. Wir waren in Bestform und dominierten das Eis schon nach den ersten Minuten. Obwohl unsere Gegner nur eine geringe Anzahl an Torchancen erhielten, konnte Ty seine Qualitäten als Goalie beeindruckend unter Beweis stellen, was das Stöhnen und Ächzen unter den Zuschauern veranschaulichte, wann immer er die heranschießende schwarze Scheibe abwehrte.

Finch, der sich wie üblich keinen der vorab besprochenen Spielzüge gemerkt hatte, machte diesen vermeintlichen Nachteil allemal wett. Er huschte dermaßen flink übers Eis, dass er jedes Mal freistand. Bald war ich vollends ins Spiel vertieft und vergaß darüber sogar Paxton. Nichts anderes auf der Welt vermochte es, mir diese unnachahmliche Empfindung zu schenken. Ich fühlte mich frei mit dem Eis unter den Kufen. Der Schläger in der Hand verlieh mir Kontrolle, Macht. Und das Zusammenspiel mit den Menschen, die mir neben meiner Mutter und Nonna am wichtigsten auf der Welt waren, gab mir Sicherheit und Halt.

Erst als die Zeitanzeige ihren tiefen Gong hören ließ, kehrten meine Gedanken ins Hier und Jetzt zurück. Wir hatten fantastisch gespielt. Ob es ausreichte, um Paxton zu überzeugen, konnte ich nicht sagen.

Clary

„Etwas mehr nach links. Ja, genauso. Und jetzt die Haare vorfallen lassen. Nice … Absolut Nice! Streck den Rücken mehr durch. Mehr … Mehr … So bleiben … Toll!“

Immer wieder blitzte die Kamera auf, während der Fotograf mir weitere Anweisungen zurief. Ich kannte ihn bereits – mit ihm hatte ich schon vor ein paar Monaten ein ähnliches Shooting gehabt –, daher wusste ich, dass es noch ewig dauern würde. Innerlich seufzte ich lang und ausgiebig. Meine Hüfte meldete sich, und erfahrungsgemäß würde in ein paar Minuten auch mein Rücken zu schmerzen beginnen. Ich verfluchte mich dafür, vor dem Shooting nicht eine weitere Schmerztablette eingeworfen zu haben. Die nächsten Stunden würden die Hölle werden, aber ich hatte bisher nie einen Job abgebrochen. Ich war Schmerzen und Belastung gewohnt. Ich war es gewohnt, die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten. Oder, wie in diesem Fall, alles wegzulächeln, was auf den Fotos keinen Platz hatte. Allerdings fiel mir das in letzter Zeit zunehmend schwerer.

Die Eislaufschuhe, in denen meine Füße steckten, waren mindestens zwei Nummern zu klein, und ich fragte mich, ob es zu viel verlangt gewesen wäre, mir eine passende Größe bereitzustellen. Da ich mit den Schuhen nicht auf dem Eis stand, sondern in Unterwäsche fotografiert wurde, hatte sich darüber wohl niemand den Kopf zerbrochen. Warum auch? Für sie war ich ein hübsches Gesicht, ein attraktiver Körper. Sie sahen nur das erfolgreiche Mädchen, mit dem sie Geld verdienen konnten. Nicht die Frau, die ich mittlerweile geworden war. Selbst die Narben, die sich an meinem Rückgrat entlangzogen, ebenso wie über meine linke Hüfte, sahen sie nicht. Sie wurden von eleganten Kleidern verdeckt, unter Schichten von Make-up verborgen oder wegretuschiert. Das war die Tragik meines Lebens. Alles an und in mir, was nicht ins Bild passte, fiel irgendeiner Form der Retusche zum Opfer. Der Unfall hatte vielleicht meine Sportkarriere beendet, dafür konnte man ihn bestens als Werbung verwenden. Ich war die Frau, die nicht aufgegeben hatte. Die Frau, die sich auf den Fotos stolz und voller Lebensmut zeigte. Nur meine Narben zeigte man nicht.

„Fantastisch! Du hast das wundervoll gemacht, einfach wundervoll! Die Fotos werden unglaublich. Eine wahre Eisprinzessin!“, meinte der Fotograf schließlich und sah sich die Bilder im Schnelldurchlauf an.

Ich lächelte ein weiteres Mal, wie es von mir erwartet wurde, stand auf, ignorierte den stechenden Schmerz, der sich von den Zehenspitzen bis hinauf zu meinem Scheitel zog, und marschierte über den dicken Teppich zurück zur Garderobe. Das Gefühl, mich auf Kufen zu bewegen, war zugleich gewohnt und eigenartig. Es weckte Erinnerungen und den Wunsch, heute noch aufs Eis zu gehen.

Ein Bild blitzte vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah mich selbst, wie ich hinter der durchsichtigen Trennwand neben der Eisfläche entlanglief. Jubelschreie begleiteten mich.

„Komm, Clary, lass uns die wahre Schönheit in dir hervorholen.“ Rita klopfte auffordernd auf den Hocker vor sich.

Der typische Satz, den ich immer von ihr nach den Shootings zu hören bekam, ließ mich schmunzeln. Rita war mehr als nur meine Visagistin. Sie war eine meiner besten Freundinnen, und sie wusste, dass ich das viele Make-up hasste.

„Nichts lieber als das, sobald ich aus diesen Schuhen raus bin.“

Ihr Blick begleitete mich von der Tür des Ankleideraums bis zu dem Stuhl neben einem der vielen mobilen Kleiderständer, wo ich mich bemühte, beim Hinsetzen keine Geräusche von mir zu geben. Ich war ein Profi, aber das war Rita auch – ein Profi, wenn es darum ging, hinter meine Fassade zu schauen.

„Du hast Schmerzen“, stellte sie fest.

Das Letzte, was ich wollte, war mit Rita über meine Schmerzen zu sprechen. Es fiel mir wesentlich leichter, sie auszublenden, wenn sie nicht zum Thema wurden.

„Meine Füße bringen mich um. Die Schuhe sind zu eng.“ Mir war klar, dass sie meinen Versuch abzulenken sofort durchschaute, zum Glück beließ sie es dabei.

„Holen wir uns einen Kaffee auf dem Rückweg zum Center?“ Rita befeuchtete ein handtellergroßes Wattepad mit Lotion und rieb mir in routinierten Bewegungen das Make-up vom Gesicht.

Das verschaffte mir ein wenig Zeit zu überlegen, was ich antworten sollte. Ich konnte ihren Verdacht bestätigen und zugeben, dass mir alles wehtat. Vorschieben, dass ich nach Hause und mich ausruhen wollte. Da es im Prinzip keinen vernünftigen Grund gab, ihr nicht von meinen eigentlichen Plänen zu erzählen, fasste ich mir ein Herz, griff nach ihrer Hand und zog sie halb verrichteter Dinge von meinem Gesicht. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Clown, doch das scherte mich in diesem Moment am wenigsten. Rita hatte mich schon in ganz anderen Zuständen gesehen. Zum Beispiel in Krankenhausbetten, mit Schläuchen in diversen Körperöffnungen oder am Boden, in meinem eigenen Erbrochenen liegend oder …

„Ich habe mir vorgenommen, heute mit meinem Vater zu sprechen“, sagte ich, um die Flut an Erinnerungen zu unterbrechen. „Ich habe die Shootings und Werbefilme satt. Es wird Zeit, dass ich etwas Vernünftiges mit meinem Leben anstelle, und wenn ich schon nicht selbst …“ Ich unterbrach mich. Diesmal waren es nicht ausschließlich unschöne Gedanken, die ich damit verstummen lassen wollte, vielmehr die hastigen Worte, die mir beinahe entschlüpft wären.

Es war zu spät. Ich sah das Blitzen in Ritas Augen und wusste, dass ich aus der Nummer nicht mehr rauskommen würde, ohne meinen Satz zu beenden. Also schloss ich kurz die Make-up-verschmierten Augen, um mich zu sammeln, und schluckte schwer, damit der Kloß in meinem Hals verschwand.

„Eislaufen ist mein Leben. Das war es immer schon.“ Es war völlig unnötig, das zu betonen, dennoch tat ich es. „Ich kann vielleicht nicht mehr meine Karriere vorantreiben, aber ich kann anderen dabei helfen.“

Ritas Muskeln spannten sich unter meinen Fingern an. Ihre großen grünen Augen, um die ich sie beneidete, weiteten sich, als ihr klar wurde, was ich da von mir gab.

„Du willst in der Agentur mitarbeiten?“ Nun war sie es, die hart schluckte. „Und andere Läufer managen?“

Genau das war mein Plan.

„Jetzt tu nicht so überrascht, und schmink mich fertig ab, bevor sich dieses glitzernde Rouge für immer in meine Haut brennt.“ Demonstrativ drückte ich ihre Hand mit dem Wattepad auf meine Wange.

Mechanisch nahm sie die kreisenden Bewegungen wieder auf, deutlich fahriger als zuvor. Gleichzeitig sah sie mich dermaßen verblüfft an, dass ich meine Ehrlichkeit sofort bereute. Würde mein Vater ähnlich reagieren? Vor der Unsicherheit, die Rita aus jeder Pore drang und mir verdeutlichte, dass sie sich keineswegs sicher war, ob ich das schaffen könnte, hatte ich mich gefürchtet. Ich war mir ebenso wenig im Klaren, ob es tatsächlich der richtige Weg für mich war. Ob ich es aushalten würde, anderen ins Rampenlicht zu verhelfen, während ich nur neben dem Eis stehen konnte. Doch was blieb mir anderes übrig?

„Ich finde, das ist eine großartige Idee“, sagte sie mit einiger Verspätung. Die Skepsis war verschwunden und ihr Lächeln breit und echt.

„Ja wirklich?“ Ich hätte mich für diese Frage ohrfeigen können. Wenn ich so vor meinem Vater auftrat, konnte ich die Sache gleich wieder vergessen.

Rita lachte herzlich und legte endlich das Wattepad weg.

„Ja wirklich“, bekräftigte sie. „Kaum eine ist besser dafür geeignet. Du kennst durch deine Tätigkeiten der letzten Jahre wahrscheinlich mehr Fotografen und die ganzen anderen wichtigen Leute als Cheston selbst. Das wird toll!“ Sie klatschte aufgeregt in die Hände, wie nur sie es konnte, ohne dabei vollkommen bescheuert auszusehen.

Ihr Enthusiasmus gab mir Aufwind.

„Danke, Rita“, erwiderte ich aus vollem Herzen.

„Nichts zu danken.“ Sie zwinkerte mir zu. „Und jetzt zieh dich um. Oder willst du in Dessous vor deinen Vater treten?“

***

 Das Clark Center war eine der größten Eishallen in der Gegend. Es dominierte Banff in jeglicher Hinsicht. Sei es durch die Lage, die fulminante Bauweise oder durch die Läufer, die dort trainierten. Mein Onkel Cameron, dem diese Schönheit aus Stahl, Glas und Eis gehörte, pflegte immer zu sagen, dass hier Träume geboren wurden. Er hatte recht. Auch meine Träume hatten hier ihren Anfang genommen. Auf der Eisfläche, die hinter den hohen Fenstern hervorblitzte. Ihr Ende hatten sie auf einer ganz anderen Eisfläche gefunden. Einer unbefestigten, auf einer Straße, die meine Mom und ich vor Jahren entlanggefahren waren.

Ich riss den Blick von der Südfront des Centers los. Es wurde Zeit für neue Träume.

Wie immer war mein Vater in seinem Büro zu finden, das ähnlich einer Galerie halb über der Eisbahn schwebte. Auch hier beherrschten Wände aus Glas den Raum, und wie in der Vorhalle war der Boden von einem eisblauen Teppich bedeckt. Unzählige Male war ich mit meinen Eislaufschuhen über diesen Teppich gegangen. Jetzt hatte ich High Heels an den Füßen, trug einen Bleistiftrock mit passender Bluse, und meine Haare lagen über der Schulter.

Dads Konzentration war auf den Bildschirm seines Computers gerichtet. Er sah erst auf, nachdem ich mich auf den Lederstuhl ihm gegenüber gesetzt hatte. Sein Blick huschte über mein Gesicht, suchte wahrscheinlich nach dem Grund für meinen Aufzug und mein unangekündigtes Erscheinen in seinem Büro. Zugegeben, seit er mir vor sechs Wochen das Angebot gemacht hatte, an seiner Seite in der Agentur zu arbeiten, war ich nicht so oft wie gewöhnlich hier gewesen. Ehrlich gesagt, kein einziges Mal. Wir waren uns zwar gelegentlich über den Weg gelaufen und hatten kurz miteinander gesprochen, aber die Stimmung zwischen uns war eigenartig gewesen.

„Wie geht es dir?“, erklang seine tiefe Stimme, die in Verhandlungen stets einen dominanten Effekt hatte.

Diese Frage. Ich hatte sie in den letzten Jahren viel zu häufig gehört, dennoch wusste ich, dass sie aus seinem Mund keine Höflichkeitsfloskel war.

„Gut.“ Was man von meiner Erwiderung nicht gerade behaupten konnte. Ich war aufgeregt wie eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht.

Sofort verengten sich seine Augen. Es gab nicht besonders viele Menschen, die mich wirklich kannten. Um genau zu sein, waren es drei. Rita, Lauren, mit der ich von Kindesbeinen an gemeinsam auf dem Eis gewesen war, und meinen Vater. Obwohl das auf Dad erst seit dem Unfall zutraf und seit Mom …

„Warum bist du hier, Clarissa?“ Er klang nicht unfreundlich, trotzdem schwang eine Portion Skepsis in seiner Frage mit – berechtigterweise.

„Steh gerade. Spannung. Ausstrahlung“, hallte die Stimme meiner Trainerin in meinen Ohren wider. Wenn man über Jahre hinweg wieder und wieder dasselbe gesagt bekommt, wurde man es nie wieder los. Also richtete ich mich auf, straffte die Schultern und setzte einen Gesichtsausdruck auf, von dem ich hoffte, dass er von Entschlossenheit und Vernunft zeugte.

„Ich habe mir deinen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen und denke, es ist der einzig richtige Weg für mich, in die Agentur einzusteigen.“

Mein Herz tat ein paar schnelle Schläge, während die Miene meines Vaters unbeweglich blieb. Ich wand mich innerlich. War es möglich, dass er seinen eigenen Vorschlag inzwischen bereute? Oh, jetzt komm schon, Cheston Clark, heb dir dein Pokerface gefälligst für deine Geschäftspartner auf, und spann mich nicht länger auf die Folter!

Neben uns schwang die Tür auf und auch ohne hinzusehen wusste ich, wer es war. Dad erlaubte nur einer einzigen Person neben mir auf dieser Welt, einfach so in sein Büro zu platzen.

„Hi, Onkel Cam!“, rief ich, ohne mich von meinem Vater abzuwenden.

„Ches, er ist da.“

Dad sah seinen Bruder an, dann wieder mich und zurück zu Onkel Cameron, bevor ein Tausend-Watt-Gewinnerlächeln auf seinen Lippen erschien. „Sag ihm, er soll hereinkommen.“

Cameron formte seine Hand zu einer Pistole und schoss breit grinsend imaginäre Kugeln auf Dad ab, so wie er es immer tat, wenn er besonders von etwas begeistert war. Was immer diese Angelegenheit sein mochte, sie hatte meinen Vater erfolgreich von unserem Gespräch abgelenkt, und ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es würde warten müssen. Enttäuscht erhob ich mich von meinem Stuhl und wollte mich gerade von Dad verabschieden, als er die Braue hochzog.

„Wohin willst du? Wir sind noch nicht fertig.“ Sein Blick zuckte zu dem Stuhl, von dem ich gerade aufgestanden war.

Jawohl, Sir.

Zu meinen ohnehin durchgewirbelten Gefühlen mischte sich eine nicht zu verachtende Portion Verwirrung. Wer war auf dem Weg zu uns ins Büro? Und warum sollte ich hierbleiben, um über eine Sache zu sprechen, die ich nur mit Dad unter vier Augen klären wollte?

Kaum einen Atemzug später war Cameron zurück und hatte einen Mann im Schlepptau, der so grimmig dreinschaute, als hätte ihn eben seine Frau verlassen. Oder als hätte er seinen Lottoschein mit den sechs Richtigen darauf verlegt. Oder …

„Clarissa, das ist Mister Jeff Paxton, ein alter Schulfreund von mir und der neue Trainer unserer Dynamites“, verkündete Cameron.

Ich erhob mich, obwohl ich mich wegen Dads unmissverständlicher Geste wieder hingesetzt hatte.

„Willkommen“, sagte ich freundlich und schüttelte Mr. Paxton die Hand. Und viel Erfolg mit diesen Losern, fügte ich in Gedanken hinzu.

Die Dynamites waren Camerons Eishockeyteam, das er vor fünf oder sechs Jahren gegründet hatte. Seither hatten die Jungs, wenn überhaupt, nur eine Handvoll Spiele gewonnen. Schon möglich, dass es im Grunde Profispieler waren, doch es fehlte ihnen an Biss, an Durchsetzungsvermögen auf dem Eis und an Teamgeist. Dafür waren sie umso besser, wenn es darum ging, einen draufzumachen oder in diversen Boulevardmagazinen in kompromittierenden Situationen abgelichtet zu sein. Das Team war berühmt-berüchtigt, aber von Erfolg weit entfernt.

Mr. Paxton nickte mir zu. Sein unnahbares Gehabe passte ebenso perfekt zu einem Trainer wie der dunkelblaue Sportanzug, den er trug, und die kurz geschorenen Haare auf seinem Kopf, die an den Schläfen bereits ergraut waren. Ein harter Knochen durch und durch. Mit ihm würden die Jungs bestimmt viel Freude haben. Nicht.

Unwillkürlich wurde mein Lächeln breiter, als ich mir ausmalte, wie sie von ihm übers Eis gescheucht wurden.

Dad, der sich aus seinem Lederdrehstuhl geschwungen hatte, schüttelte als Nächster Trainer Paxtons Hand. „Schön, dass Sie sich entschlossen haben, Cam mit seinem Team unter die Arme zu greifen. Umso mehr freut es mich, dass ich Ihnen Clarissa als neue Managerin der Dynamites zur Seite stellen darf. Ich bin überzeugt, zusammen werdet ihr den Jungs zu neuem Glanz verhelfen.“

Ich hatte ein Klingeln im Ohr. Hatte Dad da gerade in seinem gönnerhaftesten Ton verlautbart, dass ich die Dynamites managen würde? Hatte er heute Morgen zu heiß geduscht? Ich hatte keine Ahnung von Eishockey! Mein schadenfrohes Grinsen verwandelte sich binnen Sekunden in einen Gesichtsausdruck, der ohne Zweifel das volle Maß meines Schreckens widerspiegelte. Onkel Cameron schien überrascht. Paxton musterte mich kühl und ausdruckslos, dabei konnte ich mir denken, dass er mindestens genauso skeptisch sein musste wie ich. Nur Dad sah als Einziger in der Runde reichlich zufrieden aus. Seine zum Himmel schreiende Selbstgefälligkeit brachte das Fass zum Überlaufen.

Ich zwang mir ein Lächeln auf, diesmal das wohl falscheste in den vergangenen siebenundzwanzig Jahren, die mein Leben mittlerweile umfassten, und das sollte etwas heißen.

„Wenn uns die Gentlemen bitte einen Moment entschuldigen würden, ich muss ein paar Details meiner neuen Funktion mit Mister Clark besprechen.“ Mein Tonfall ließ keine Widerrede zu, während ich Onkel Cam demonstrativ am Arm nahm und ihn zur Tür begleitete.

Trainer Paxton folgte stumm unserem Beispiel. Die beiden wussten offenbar, was gut für sie war. Was man von meinem Vater nicht behaupten konnte. Er grinste nach wie vor freudig. Dieser Mann war der Teufel in Person. Absolut passend für seinen Job – fürchterlich für seine Tochter.

Nachdem die Tür hinter meinem Onkel und dem Trainer geschlossen war, kehrte ich zu Dads Schreibtisch zurück und drückte meine erhitzten Handflächen auf die kühle Glasplatte.

„Sag mir, dass du eben nur einen blöden Scherz gemacht hast!“, rief ich.

„Ich scherze nie. Schon gar nicht, wenn es ums Geschäft geht“, erwiderte er seelenruhig.

Am liebsten hätte ich mir einen meiner High Heels ausgezogen und den Absatz zu einer Mordwaffe umfunktioniert. Stattdessen stieß ich geräuschvoll die Luft aus.

„Und wie genau stellst du dir das, bitte schön, vor? Warum kann ich nicht einen der Läufer managen? Ich habe jede Menge Know-how, wenn es um Eiskunstlauf geht, aber so gut wie keines in Bezug auf Eishockey.“ Es war völlig unnötig, ihm das zu erklären, er wusste es haargenau. Eigentlich. Trotzdem schlug er diese irrwitzige Aktion vor.

„Du machst das schon, Clarissa.“

Ich knurrte voller Ärger und Verzweiflung. Dieser Laut war mir seit Jahren nicht mehr über die Lippen gekommen – das letzte Mal vor meinem Unfall, als ich auf dem Eis irgendeinen Sprung nicht zu meiner Zufriedenheit hinbekommen hatte. Er überraschte Dad und mich gleichermaßen. Sein Grinsen verschwand für einige Herzschläge, dann legte sich ein warmes, wenn auch trauriges Lächeln auf sein Gesicht.

„Ich habe vollstes Vertrauen in dich.“ Seine Stimme war ungewohnt sanft, und in seinen Augen strahlte derselbe Glanz wie damals, wenn er mir beim Laufen zugesehen hatte.

Das war zu viel für mich.

„Schön“, presste ich hervor und wandte mich zur Tür. Ich musste raus hier und mich sammeln, bevor ich Gefahr lief durchzudrehen. Dad meinte, ich würde das schaffen. Keine Ahnung was ihn ritt, ich war definitiv nicht davon überzeugt. Ganz im Gegenteil. Ich bereute, hergekommen zu sein. Ich bereute, seinen Vorschlag auch nur in Erwägung gezogen zu haben. Und ich bereute Tausende andere Entscheidungen aus meiner Vergangenheit, die in diesem Moment über mich hereinzubrechen drohten.

***

„Auf uns“, sagte Lauren und prostete mir mit ihrem giftgrünen Drink zu.

Ich hob mein Glas, in dem im Gegensatz zu Laurens Alkohol war, und stieß mit ihr an. Sofort führte sie ihr Getränk an den Mund und fing den Trinkhalm mit den Lippen ein. Ich nippte an meinem Cocktail und genoss die süßliche Schärfe, die meine Geschmacksknospen umschmeichelte, der fantastischen Kombination aus Sirup, Sahne und Hochprozentigem sei Dank.

„Willst du auch mal?“ Lauren hielt mir ihr Glas entgegen.

Vehement schüttelte ich den Kopf. Niemals würde ich das trinken.

„Ich trinke nichts, wo Spinat drin ist.“

Lauren grinste, weil sie genau wusste, dass es mich vor ihren Drinks ekelte, meinte aber unschuldig: „Da ist kein Spinat drin. Nur Ananas, Zitrone, Ingwer und Avocado.“

Würg. Die Zusammensetzung überraschte mich nicht. Lauren war die disziplinierteste Person, die ich kannte. In ihren Verdauungstrakt gelangten ausschließlich nährstoffreiche Lebensmittel, was sie konsequent bis hin zu den Drinks beim Ausgehen durchzog.

„Niemals“, erwiderte ich trocken und genehmigte mir einen großen Schluck aus meinem Glas der Sünde.

Lauren lachte und leerte ihr Getränk, bevor sie auf stilles Mineralwasser umstieg. Sie war fanatisch präzise, was ihren Speise- und Trainingsplan anging. Genau diese Disziplin, die sie in jeder Lebenslage an den Tag legte, war es, die sie so erfolgreich auf dem Eis machte. Sie war schlank, jeder Muskel fest und stets einsatzbereit, was man von mir mittlerweile nicht mehr behaupten konnte.

„Hi, Girls“, erklang es hinter mir. Nur Sekunden später legten sich Ritas Hände auf meine Schultern, und sie drückte mir von hinten einen Kuss auf die Wange.

Nachdem sie Lauren auf ebenso herzliche Weise begrüßt hatte, schwang sie sich neben ihr auf die Polsterbank und winkte einem der Kellner. Das Lokal war gut gefüllt, aber weil wir hier einen gewissen VIP-Status genossen – immerhin war es die Bar von Onkel Cams Hotelanlage –, dauerte es keine zwei Minuten, bis Ritas Bestellung aufgenommen wurde.

„Und?“, fragte sie strahlend, kaum war der Kellner abgerauscht.

„Und was?“, wollte Lauren wissen.

Nun sahen sie mich beide an. Na toll. Wie hatte ich einen Augenblick glauben können, ich würde diesen Abend in Ruhe verbringen, ohne dass das heiße Thema auf den Tisch kam? Eigentlich wollte ich die Begegnung mit meinem Vater und das desaströse Resultat lieber gänzlich aus meinem Geist verbannen. Da ich so dämlich gewesen war, Rita in meine Pläne einzuweihen, wollte sie jetzt wissen, wie es gelaufen war.

Weil ich zögerte, verwandelte sich ihr begieriges Lächeln in einen besorgten Ausdruck. „Sag bloß, es hat nicht geklappt.“

Na, jedenfalls nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte.

„Was denn?“, rief Lauren. „Könntet ihr mir bitte endlich sagen, worum es hier geht!“

Ich seufzte. „Ich war gestern bei meinem Vater und habe ihm meine Zustimmung zu seinem Vorschlag gegeben, dass ich in der Agentur mitarbeite.“

Lauren riss die großen blauen Augen auf. „Was? Das ist ja fantastisch! Oh, Clary, das war eine gute Entscheidung!“

Ich konnte Laurens überschwängliche Freude nicht teilen. Sie und Rita erkannten sofort, dass ich keine Begeisterung an den Tag legte.

„Oder nicht?“, fragte Lauren unsicher.

Auch Rita legte die Stirn in Falten.

„Doch“, brachte ich lahm heraus, was die beiden in Jubelschreie ausbrechen ließ. Die ebbten allerdings rasch wieder ab.

„Warum freust du dich denn nicht?“ Rita sah mich verständnislos an. „Ich dachte, du wolltest das.“

Ja, das hatte ich auch gedacht. Ich hatte mich der ohnehin großen Herausforderung stellen wollen, neue Wege zu beschreiten. Dass diese Wege mich zur Managerin der Dynamites machen würden, hatte ich bei meinem Entschluss nicht mit einkalkuliert.

Frustriert fuhr ich mir übers Gesicht. „Ich soll Camerons marodes Eishockeyteam managen.“

Nach meiner Enthüllung war es still am Tisch. Laurens Gesicht war bleich. Rita hatte die Unterlippe zwischen die Lippen gezogen und kaute darauf herum. Die solidarische Betroffenheit der beiden, ihr Mitleid und ihre Anteilnahme weckten unerwartete Gefühle in mir. Ehrgeiz. Entschlossenheit. Und eine unbändige Wut.

„Verdammt noch mal!“, stieß ich hervor. „Ich habe keinen blassen Schimmer von Eishockey, aber ich werde meinem Vater beweisen, dass ich sogar diese Bande von Verlierern ins rechte Licht rücken kann.“ Hoppla! Wo kam das denn plötzlich her?

In Ritas Augen erschien ein Glanz, und auch Lauren setzte ihr Siegerlächeln auf.

„Natürlich“, bekräftigte Rita voller Inbrunst meine Kampfansage.

„Du rockst das!“ Lauren tätschelte meine Hand.

Wie gerufen, wurde in diesem Moment Ritas Drink serviert. Sie hob ihr Glas.

„Auf Clary!“, sagten sie gemeinsam.

Ich zwang mir ein Lächeln auf, weil ich ihnen dankbar war. Obwohl ich meine Entschlossenheit, den Job anzunehmen, ausgedrückt hatte, war ich mir noch immer nicht sicher, wie ich diese Aufgabe meistern sollte.

***

Prinzipiell war ich die Mischung aus Schmerztabletten und Alkohol gewohnt. Um genau zu sein, hatte ich mich in der Vergangenheit mit diesen beiden Substanzen am Laufen gehalten. Nicht dass ich in den letzten Monaten sonderlich viel Alkohol konsumiert hätte. Auch meine tägliche Dosis an Schmerzmitteln war für die Verhältnisse der zurückliegenden Jahre nicht der Rede wert. Trotzdem steckte mir der gestrige Abend, allem voran die Drinks, heute in den Knochen.

Ich hatte mir gleich nach dem Aufstehen sämtliche Unterlagen zu den Spielern der Dynamites von Onkel Cameron aushändigen lassen. Im Gegensatz zu mir war er mindestens genauso begeistert von der Idee, dass ich nun die neue Managerin seines Eishockeyteams sein würde, wie Dad. Das hatte ihn nicht daran gehindert, mir zu den Akten einen dicken Stapel Bücher über Spielregeln, Taktik und was weiß ich noch mit auf die Arme zu packen.

Ich saß seit Stunden über den Unterlagen und hatte den ein oder anderen Blick in die Bücher über Eishockey geworfen. Mein Schädel brummte, und obwohl ich in meinen eigenen vier Wänden, die im Ostflügel der Hotelanlage untergebracht waren, jede Möglichkeit nutzte, mich der Lektüre in einer bequemen Position zu widmen, hielt das die Schmerzen nicht lange fern.

Jede Akte sah aus wie die andere, und sie lasen sich alle gleich. Brauner Karton, ein Deckblatt, das die Eckdaten der Spieler beinhaltete. Name, Alter, Adresse, Funktion auf dem Eis, ein Abriss der bisherigen Spielerfolge. Bei kaum einem reichte die Beschreibung über die Hälfte des Blatts. Sie hatten in jungen Jahren mit dem Eishockey begonnen, jeder hatte eine gute und fundierte Ausbildung erhalten, soweit ich das beurteilen konnte. Die meisten hatten bereits in anderen, weit erfolgreicheren Teams gespielt, was nur unterstrich, wie gut Cam seine Spieler bezahlte. Auf diesem Geld ruhten sich die Herren der Schöpfung offensichtlich seit Jahren aus, denn Ruhm und Ehre hatte dem Team kein einziger von ihnen eingebracht.