Love or Lie - Bianca Wege - E-Book

Love or Lie E-Book

Bianca Wege

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Beschreibung

Eyla würde sich lieber lebendig begraben, als bei einer Reality-TV-Show mitzumachen. Vor allem, wenn diese sie in den hohen Norden führt – genauer gesagt in das einsame, verschneite Alaska. Doch ausgerechnet eine Teilnahme bei ›Love or Lie‹ scheint die letzte Möglichkeit zu sein, genügend Geld für die Behandlung ihrer kranken Schwester auftreiben zu können. Eyla sagt zu. Als sie bei den Dreharbeiten der Show jedoch Dan kennenlernt, einen der Kandidaten, kommen plötzlich Gefühle ins Spiel, und Eyla steht vor einer folgenschweren Entscheidung …

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Love or Lie

ALLES FÜR DICH

BIANCA WEGE

Copyright © 2021 by

Drachenmond Verlag GmbH

Auf der Weide 6

50354 Hürth

https://www.drachenmond.de

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Mira Manger

Korrektorat: Michaela Retetzki

Layout Ebook: Stephan Bellem

Umschlagdesign: Bianca Wege (Waystowrite)

Bildmaterial: Shutterstock

ISBN 978-3-95991-237-2

Alle Rechte vorbehalten

Liebe Leserinnen und Leser,

Dieses Buch enthält potentiell triggernde Inhalte wie Krebs und Verlust eines Angehörigen.

Erstellt mit Vellum

Inhalt

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

Epilog

Danksagung

Drachenpost

Für meinen Nordstern

Prolog

Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu, als ich den Anruf meiner Mutter entgegennehme. Die belegte Stimme, das Schluchzen darin, das sie zu unterdrücken versucht. Und bevor ich das Gesagte überhaupt begreife, es realisieren kann, weiß ich bereits, was los ist. Ich weiß es einfach. Meine Gesichtszüge entgleisen, und mein Handy fällt mir aus der Hand wie in einem Film. Es landet mit dem Display nach unten auf dem Boden und ich höre das Knirschen zersplitternden Glases. Ich hebe es nicht auf. Einen Augenblick lang ist es ruhig, als hätte jemand auf die Pause-Taste gedrückt und die Welt zum Stillstand gebracht, dann beginnt meine Mutter erneut zu reden. Wortfetzen dringen wie durch Watte zu mir hindurch, doch ich höre sie kaum. Ein langer hoher Piepton dröhnt in meinen Ohren wie ein viel zu spät einsetzender Warnruf. Meine Sicht verschwimmt. Chemotherapie … geringe Chancen … das alles haben wir schon einmal durchgemacht. Nein, ist alles, was ich denken kann. Es darf nicht von vorn beginnen. Es darf einfach nicht. Wir haben heute Morgen noch geschrieben … und jetzt … ich sinke zu Boden und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen. Wieso … wieso sie? Wieso das Einzige, was mir wirklich etwas bedeutet? Das Einzige, was mir geblieben ist? Sie hat mich zusammengehalten, nachdem alles auseinanderbrach. Sie ist das Kontinuierliche, der Fels in der Brandung und der beständige Wechsel aus Ebbe und Flut, der ihn umspült. Während ich sprunghaft und ruhelos bin. Ich bin wie der Wind, hat unsere Grandma immer gesagt. Unberechenbar, muss immer Neues sehen und ausprobieren, kann mich nicht festlegen, nicht binden. Aber für sie wollte ich das. Für sie bin ich immer wieder zurückgekommen. Denn dort, wo sie ist, ist mein Zuhause. Sie ist mein Zuhause. Und jetzt bekommt es Risse, beginnt zu bröckeln.

»Wieso?«, schreie ich wieder und wieder, bis meine Kehle schmerzt und kein Geräusch mehr hervordringt außer rasselndem Keuchen und ersticktem Schluchzen. Ich schreie, schreie mir stumm die Seele aus dem Leib, obwohl es nichts bringt. Obwohl es nichts daran ändert. Ich habe Angst, wie ich sie bisher nur ein einziges Mal in meinem Leben gehabt habe. Und diese Angst frisst mich auf, zerreißt mich von innen. Weil ich nichts tun kann. Ich kann nichts dagegen tun, dass der Krebs zurück ist.

1. Kapitel

»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.

Totalkatastrophe.«

- Eyla, 25

Heute ist nicht mein Tag. Ganz und gar nicht.

»Cassie!«, schreie ich, allmählich wirklich aufgebracht. Wieso nur habe ausgerechnet ich als ewige Zuspätkommerin eine Mitbewohnerin, die unter dem Ewig-Dusch-Syndrom leidet?

»Ich muss zur Arbeit, bitte!« Ich verlege mich aufs Flehen, während ich die Knöpfe meiner weißen Bluse über dem Spitzen-BH zuknöpfe. Ich habe bereits eine Verwarnung, weil ich einmal die Bahn verpasst habe, und ich kann mit Sicherheit nicht noch eine gebrauchen, nur weil ich dank meiner Mitbewohnerin nicht auf die Toilette kann. Ich spiele mit dem Gedanken, die Tür aufzubrechen, lasse es dann aber bleiben und sehe verzweifelt auf meine Armbanduhr. Dann muss es eben anders gehen. Mein Weg zur Redaktion des Leighton Modemagazins besteht aus insgesamt zehn Minuten Fußweg und zwanzig Minuten U-Bahn-Fahrt. Letztere werde ich ziemlich sicher verpassen. Dennoch bin ich mir nicht zu schade dafür, dem Ganzen eine Chance zu geben, reiße meine Jacke vom Haken, packe meine Tasche und sprinte zur Tür hinaus.

»Hallo, Mrs. Fieldman!«, rufe ich im Treppenhaus unserer Nachbarin zu, die Cassie und mich manchmal zum Essen einlädt, wenn sie ihre Enkel vermisst.

»Guten Morgen, Liebes, wieder zu spät dran?«, kommt die Antwort, und die alte Dame schenkt mir ein verschmitztes Lächeln.

»Leider ja!« Zerknirscht hetze ich weiter. Das Wetter draußen ist bewölkt, und wäre ich nicht so gestresst, wäre mir vermutlich ziemlich kalt. Es beschreibt jedenfalls nahezu perfekt meine triste Stimmung. Nur noch ein paar Minuten rennen – drei Minuten, um genau zu sein … ich sehe auf meine Uhr … vielleicht schaffe ich es in zwei … und dann könnte ich auch eventuell die Bahn noch schaffen … wenn sie ein paar Minuten Verspätung hat … ach, zur Hölle! Die Häuser verschwimmen bereits vor meinen Augen, als ich kaum zweihundert Meter weiter erschöpft an einer Laterne haltmachen muss. Immer ist es dasselbe. Und dabei habe ich meiner Schwester versprochen, mich zusammenzureißen, sobald ich studiere. Das ist ein Jahr her, und es hat sich nichts verändert, obwohl ich mich anfangs wirklich angestrengt habe. Ich stöhne auf und renne weiter. Es ist ein sinnloses Unterfangen, mit voller Blase die Bahn erwischen zu wollen. Aber ebenso sinnlos ist es, in der Wohnung die Zeit noch weiter verstreichen zu lassen. Doch irgendjemand scheint es gut mit mir zu meinen und die Bahn ist tatsächlich noch da, als ich auf den Bahnsteig sprinte und einsteige. Der Schweiß rinnt mir von der Stirn, ich muss krebsrot im Gesicht sein. Einige der anderen Fahrgäste mustern mich neugierig, doch ich ignoriere die Blicke geflissentlich und lasse mich auf den nächstbesten freien Sitzplatz plumpsen. Jetzt bin ich auch noch völlig verschwitzt. Während sich mein Atem langsam beruhigt, hole ich mein Handy aus der Jackentasche und bemerke eine Nachricht meiner Schwester.

Bist du rechtzeitig aufgestanden? Schaffst du die erste Bahn?

Keine fünf Minuten später eine weitere.

Also nicht. Soll ich anrufen?

Ich grinse in mich hinein. Merve als Wecker zu engagieren ist keine schlechte Idee. Denn diese acht Minuten Schlummern, die ich mir jedes Mal aufs Neue herausnehme, sind einfach genau die paar Minuten, die den Unterschied zwischen Stress und Gemütlichkeit ausmachen. Den Unterschied zwischen der früheren oder der späteren Bahn. Zur Antwort schicke ich den Affen-Emoji, der sich die Augen zuhält, ehe ich das Handy wieder einstecke. Ich sehe zu, wie es draußen zu nieseln beginnt, und bin froh, dass ich es zuvor noch in die Bahn geschafft habe. Der Herbst hat langsam seinen Höhepunkt erreicht und die Bäume in den Parks und Straßen tauchen New York in ein Meer aus Orange und Gelb. Dieser Anblick erinnert mich immer ein bisschen an Abschied nehmen. Wo andere die wunderschönen Farben sehen, sehe ich das nahende Ende.

Ich haste die letzten Meter zum Gebäude des Leighton Magazines, das sich durch seine ungewöhnliche organische Form von den rechteckigen Glasklötzen auf der Straße abhebt. Innerhalb dieses Wolkenkratzers befinden sich alle Redaktionen der Leighton-Gruppe, auch das Modemagazin Skyscraper, für das ich seit zwei Jahren arbeite. Der Nieselregen hat sich beruhigt und ist nur noch als leichter Nebelhauch auf der Haut zu spüren. Meine Blase ist gefühlt kurz vor dem Platzen und ich bete inständig, sie möge sich nicht hier und jetzt entleeren. Innerlich schreiend stolpere ich die Stufen zur Eingangstür hinauf und verschütte dabei eine geraume Menge des frisch erworbenen Caffè Latte über mich, den ich für meine Chefin besorgen sollte. So ein Mist! Ich spüre die heiße Flüssigkeit zwischen meinen Brüsten hinabrinnen und verfluche mich. Das darf doch nicht wahr sein. Heute geht wirklich alles schief, was schiefgehen kann. Ich muss irgendetwas Furchtbares getan haben, womit es mir die Göttin Karma nun heimzahlen will. Nach dem Ausmaß meines Peches zu urteilen, habe ich jemanden auf dem Gewissen. Während ich überlege, wen ich versehentlich ermordet haben könnte, schlürfe ich den Rest des Getränks aus und versenke den leeren Becher mit einem gekonnten Wurf in einem der Mülleimer. Ein kleines Grinsen schleicht sich dabei auf mein Gesicht. Dann wird es für Mrs. Chain eben keinen Kaffee geben. Vielleicht ist genau dieses böse Denken verantwortlich für deine Probleme, schießt es mir durch den Kopf, und mein Grinsen erstirbt.

Mit gerümpfter Nase betrachte ich den braunen Fleck auf meiner weißen Bluse und seufze resigniert. Da muss ich jetzt durch. Die Damentoilette liegt im linken Flügel des Erdgeschosses, und ich staune nicht schlecht, als ich im Foyer eine lange Schlange in Schale geworfener junger Frauen entdecke. Sie wirken, als wären sie Gäste eines Galaabends, und ich durchforste mein Gehirn. Habe ich irgendein nennenswertes Event vergessen? Aber es ist erst kurz nach acht … Ich hebe eine Augenbraue und quetsche mich an einigen von ihnen vorbei nach links, wo ich anschließend schleunigst in den Toilettenraum verschwinde.

Nachdem ich endlich wieder durchatmen kann, stehe ich vor dem Waschbecken. Das Unglück meines Kaffeeunfalls ist größer, als ich zunächst gedacht habe. Ich versuche mit etwas Wasser den Fleck notdürftig zu entfernen, was mir jedoch gänzlich misslingt. Stattdessen wird meine Bluse immer durchsichtiger, und schließlich gebe ich auf. Die kann ich definitiv nicht mehr retten. Aber immerhin weiß meine Chefin so auch gleich, wo ihr Kaffee abgeblieben ist, und ich muss keine unnötigen Fragen beantworten. Vielleicht knöpfe ich aber auch die Jacke für den Rest des Tages bis obenhin zu. Mit einem Blick auf die Uhr mache ich mich auf den Weg. Als ich endlich vor dem Büro stehe, bin ich bereits dreizehn Minuten zu spät, und mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich versuche so unauffällig hineinzuschleichen wie möglich, aber Mrs. Dean, unsere Sekretärin, fängt mich bereits bei der Garderobe ab.

»Sie sollten so schnell wie möglich in Mrs. Chains Büro kommen …« Sie sieht mich missbilligend über den Rand ihrer Prada-Brille an. »Sie ist nicht besonders gut gelaunt.«

»Oje, danke für die Warnung.« Ich weiß, dass ich in diesem Fall absolut keine Chance mehr habe, meine Verspätung in irgendeiner Weise zu vertuschen. Mit zitternden Fingern und weichen Knien laufe ich zum Büro meiner Chefin und klopfe an die Tür. Ein äußerst mulmiges Gefühl überkommt mich. Mein Mund ist ganz trocken, als das ungehaltene »Herein« erklingt und ich mit wackeligen Schritten den mit blauem Teppich ausgelegten Raum betrete. In der Mitte steht ein großer Glastisch, um den mehrere Stühle gestellt sind. Auf einem davon sitzt meine beste Freundin Amber. Auf den anderen weitere Arbeitskollegen. Mrs. Chain hat an der Ecke Platz genommen und bedeutet mir nun, mich auf den einzig freien Stuhl zu setzen. Dass ich meine Jacke noch trage, würdigt sie keines Blickes.

»Schön, dass Sie uns auch endlich beehren, Miss Morgan.« Ihre Stimme ist so kühl wie das Oktoberwetter vor dem Fenster.

»Entschuldigen Sie bitte.« Kleinlaut lasse ich mich neben Amber sinken, die mir ein aufmunterndes Lächeln schenkt. Wenn ich bis eben gedacht habe, dass dies der schlimmste Teil der Besprechung sei, so habe ich mich geirrt. Das Fiasko beginnt erst, als Mrs. Chain ihre Hände faltet und sich auf dem Stuhl kerzengerade aufrichtet.

»Wie Sie alle sicher mitbekommen haben, müssen wir einige Stellen kürzen.«

Gänsehaut überzieht meine Arme, kaum dass sie das ausgesprochen hat, und ein eiskalter Schauer rinnt meine Wirbelsäule hinab. Denn mit diesen wenigen Worten macht sie mir bewusst, dass ich verloren bin. Dass ich es hier nicht lebend herausschaffen werde. Dass es ganz egal gewesen wäre, ob ich heute pünktlich gekommen wäre, denn die Entscheidung, mich rauszuwerfen, stand ohnehin schon fest. Die Ersten, die geschmissen werden, sind immer die Werkstudenten. Mein Herz pocht so sehr, dass ich Angst habe, es könnte mir jeden Augenblick aus der Brust springen. Mit diesen wenigen Worten ist nicht nur mein Job Geschichte, sondern viel, viel mehr. Wie soll ich denn nun in der Lage sein, meine Schwester zu unterstützen? Wie soll das gehen? Ohne Job bin ich machtlos! Ich habe Pläne geschmiedet, wie ich meiner Mutter mit genügend Überstunden entgegenkommen und auch einen Teil vorstrecken könnte … wie ich vielleicht Merves Anzahlung mitfinanzieren könnte. Und jetzt ist alles dahin. Als mein Name fällt, kann ich meiner Chefin nicht einmal mehr in die Augen sehen. Ich weiß, dass es nicht ihre Schuld ist, dass die Einnahmen momentan nicht glänzend sind, und ich weiß auch, dass sie es nicht gern tut, dennoch ist sie diejenige, die mir meine einzige Hoffnung raubt. Meine Schwester wird ihre Behandlung nicht beginnen können – wegen mir! Die Zeit vergeht zäh, Sekunden kommen mir vor wie eine Ewigkeit, und als es endlich vorbei ist, weiß ich nicht, was ich sagen soll.

Ich streiche mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und stehe langsam auf. Meine Knie drohen nachzugeben, doch ich reiße mich am Riemen. Schließlich nicke ich in die Runde der betretenen Gesichter und verlasse ohne ein weiteres Wort das Büro. Ich muss mir diese peinlichen Momente der letzten Freundlichkeiten nicht auch noch antun. Dieser Tag ist mein Untergang.

»Tschüss, Mrs. Dean. Es hat mich sehr gefreut.« Ich packe meine Tasche fester und stapfe mit bebenden Lippen aus der Redaktion, die mir während der vergangenen Jahre zu einem echten Zufluchtsort geworden ist. Es ist mehr als nur ein Job für mich gewesen. Ich habe es hier geliebt. Jede einzelne Stunde, die ich hier verbracht habe, habe ich genossen, jeden Text, den ich schreiben, jedes Interview, das ich führen durfte. Sogar meine Chefin habe ich irgendwann zu schätzen gelernt, auch wenn sie zum Drachen mutieren kann. Und vielleicht hatte ich auch insgeheim schon mit dem Gedanken gespielt, wie es wohl gewesen wäre, übernommen zu werden, mich zur Journalistin hochzuarbeiten und mit bekannten Persönlichkeiten Interviews zu führen. Und nun ist mein Traum von einer Sekunde auf die andere zerplatzt. Und nicht nur das, Merves Traum vom Medizinstudium hat sich ebenfalls in Luft aufgelöst. Denn ohne die Behandlung wird sie dort nicht studieren können. Vielleicht wird sie ohne die Behandlung auch sonst nicht mehr viel tun … Ich bemerke erst, dass ich zu rennen begonnen habe, als mich jemand am Handgelenk packt und zurückhält.

»Eyla, jetzt warte doch!« Amber zwingt mich dazu, sie anzusehen. Ihre kinnlangen dunkelbraunen Haare wippen auf und ab und sie mustert mich besorgt mit ihren braunen Augen.

»Ich weiß, dass dir dieser Job viel bedeutet, wirklich!«, sagt sie. »Aber du bist gut in dem, was du tust! Du wirst schnell wieder einen finden.« Sie hat leicht reden. Sie ist dort fest angestellt und nicht nur eine Werkstudentin.

»Darum geht es nicht … Ich … ich kann Merves Rechnungen nicht zahlen.« Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Ich schlucke und sehe zu Boden.

»Welche Rechnungen?« Amber wirkt verwundert. Dann scheint ihr ein Licht aufzugehen und ihre besorgte Miene weicht echter Bestürzung. »Sie hat wieder …?« Meine beste Freundin schlägt ihre Hände vor den Mund.

»Ich weiß es seit einer Woche. Und dieses Mal wird eine Chemotherapie nicht ausreichen. Sie muss eine alternative Methode versuchen, aber die wird von der Krankenversicherung natürlich nicht übernommen und …« Ich schließe kurz die Augen, um mich zu fangen.

»Deswegen brauchst du diesen Job dringender als jeder andere«, führt Amber meinen Satz zu Ende und schlingt ihre Arme um mich. »Wenn du mit Mrs. Chain redest, sie sieht das bestimmt ein, und dann …«

»Du hast doch gehört, was sie gesagt hat. Sie führt auch nur die Anordnungen durch. Und sie wird wohl kaum einen von den festen Mitarbeitern gegen mich eintauschen. Sie haben gerade nicht die Kapazitäten, mich zu behalten, egal wie dringend es ist.« Ich tue ihren Vorschlag mit einer Handbewegung ab.

»Ich könnte dir etwas leihen!«

»Fünfundzwanzigtausend?«

»Na gut«, lenkt Amber ein. »Aber das hättest du doch auch mit dem Job nicht geschafft.«

»Nein. Aber eher als ohne.« Die Hilflosigkeit schnürt mir die Kehle zu, und es fällt mir zunehmend schwerer, Luft zu holen. Amber streicht mir sanft über den Rücken und gibt mir dadurch Halt.

»Wir kriegen das hin! Ich werde alles tun, um dir unter die Arme zu greifen.« Ich würde ihr so gern glauben.

»Na gut«, flüstere ich.

»Und heute Abend treffen wir uns bei dir und tüfteln einen Schlachtplan aus.« Ambers Tonfall duldet keine Widerrede und ich lächele schwach.

»Okay.«

2. Kapitel

»Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so verloren wie zu diesem Zeitpunkt.«

– Eyla, 25

Wir verabschieden uns, und ich sehe Amber dabei zu, wie sie zurück ins Büro stöckelt. Anschließend mache ich mich schweren Herzens auf den Heimweg. Ich knöpfe meine Jacke auf, doch auch das lindert den Druck auf meiner Kehle nicht. Ich bin verwirrt. Einfach verwirrt, wie alles so schnell bergab gehen konnte. Dabei habe ich gerade eben noch die Hoffnung gehabt, dass meine Mutter und ich das Geld mit ein wenig Unterstützung vielleicht zusammenbekommen könnten. Im Aufzug lehne ich mich an die kühle Glaswand und kann das erste Mal richtig durchatmen. Und mit den tiefen Luftzügen, die ich nehme, setzt der Schock immer mehr ein, den ich durch Ambers aufmunternde Worte aufgeschoben habe. Ich beginne am ganzen Körper zu zittern. Als ich im Foyer ankomme und aussteige, sind immer noch Menschenmassen überall, sodass man den Ausgang kaum sehen kann. Da meine Knie so weich sind, dass ich Angst habe, sie könnten jederzeit unter mir wegknicken, bewege ich mich im Schneckentempo darauf zu. Entschuldigungen murmelnd zwänge ich mich an den Leuten vorbei, meine Sicht verschwommen von den aufkommenden Tränen. Wieso habe ich mir nur keinen anderen Job gesucht? Es war doch abzusehen, dass das passieren kann. Und während meines Journalismus-Studiums hätte ich mich zur Genüge umsehen können. Wieso habe ich nur …

»Wollen Sie sich nicht hinten anstellen?« Eine energische weibliche Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe verwundert auf. Vor mir steht eine große Brünette mit schmaler Brille und Klemmbrett. Sie trägt ein Headset und ihre Haare sind zu einem so engen Pferdeschwanz gebunden, dass es fast wirkt, als würde sie damit ihr Gesicht liften wollen. Überrascht öffne ich den Mund, um etwas zu sagen, doch sie bringt mich mit einer Geste zum Schweigen und zischt etwas in ihr Mikrofon. Ich schließe den Mund wieder. Sie mustert mich von oben bis unten. Nicht so, wie man jemanden mustert, wenn man einen generellen Eindruck erhalten möchte. Hier habe ich eher das Gefühl, als würde sie entscheiden, ob ich gute oder schlechte Ware bin. Ihre Lippen kräuseln sich, dann seufzt sie resigniert. »Wie ist denn Ihr Name?« Ich schlucke.

»Eyla Morgan«, presse ich hervor und deute dann zum Ausgang. »Ich … ich arbeite hier …«

Sie brüllt erneut etwas in ihr Mikrofon und ich zucke unwillkürlich zusammen. Mit großen Augen sehe ich zu, wie sie auf ihrem iPad herumscrollt, das sie hinter dem Klemmbrett hervorholt. »Hm. Sie stehen nicht auf der Liste«, meint sie schließlich genervt. »Ohne VIP-Zugang müssen Sie sich wohl einreihen.« Ich will gerade ausholen, um noch einmal zu erklären, dass ich mich nirgendwo anstellen, sondern das Gebäude verlassen möchte, da hat sie sich bereits umgedreht und ist so plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Perplex stehe ich immer noch an Ort und Stelle. Was passiert hier gerade?

»Na komm, du kannst vor.« Ich werde sanft an der Schulter gepackt und stehe nun tatsächlich in einer Reihe, die ich zuvor durch den Tumult nicht als solche erkannt habe. Bevor ich handeln kann, bin ich eingequetscht in der Menge.

»Ich wollte eigentlich nach draußen …« Ich drehe mich um und blicke in eisblaue Augen und ein hübsches, herzförmiges Gesicht, das von blonden Locken umrahmt wird. Die Schönheit lächelt mich an.

»Wir sind doch alle etwas durch den Wind heute«, erklärt sie mir und verschränkt die Arme vor ihrer Brust. »Das dauert aber auch wirklich ewig, ich dachte, dass dieses Mal vielleicht nicht so viele teilnehmen.« Sie schiebt die Unterlippe schmollend nach oben.

»Woran nehmen denn alle teil?«, wage ich zu fragen.

»Das ist das Casting für Love or Lie.« Die Blondine sieht mich verwundert an. »Ach, du wolltest gar nicht mitmachen?«

Ich schüttele den Kopf und sortiere meine Gedanken. Ein Casting. Sehr wahrscheinlich ist das Ganze auf die Klatschzeitschrift Fireflies zurückzuführen, die ebenfalls zu Leightons gehört. Wenn ich mich recht erinnere, war davon vor einer Woche sogar die Rede gewesen, und man hatte uns geraten, den Hintereingang beziehungsweise den Notausgang zu nutzen. Aber natürlich habe ich das vollkommen vergessen.

»Nein, ich arbeite hier«, antworte ich mechanisch. Du hast hier gearbeitet, flüstert die fiese Stimme in meinem Kopf, und ich schwanke zwischen dem Gefühl, gleich lachen zu müssen oder in Tränen auszubrechen. Die Schönheit sieht sich um und zuckt dann die Achseln.

»Das tut mir leid, ich dachte, ich sichere dir hier einen guten Platz. Aber ich befürchte, dass du da kaum noch durchkommst.« Ich muss ihr leider recht geben. Hinter mir hat sich die Masse an Frauen derart verdichtet, dass man nicht einmal mehr den grauen Fliesenboden sieht. Mein Herz beginnt schneller zu klopfen. Wieso habe ich nicht mehr daran gedacht, den Hinterausgang zu benutzen? Ich hätte doch daraufkommen müssen, immerhin habe ich die Meute heute Morgen gesehen. Irgendjemand beginnt zu kreischen und es hört sich an, als wäre ein Streit in vollem Gange. Ich runzele verärgert die Stirn. Heute bin ich nicht in der Verfassung, mir einen Weg hinauszuschubsen.

»Aber dann mach doch einfach mit«, schlägt die Blondine vor und unterbricht meine düsteren Gedanken.

Ich würde mich eher lebendig begraben, als da mitzumachen. Eine Reality-TV-Show? Nie im Leben! Doch da spricht die Fremde weiter. »Und zweihundertfünfzigtausend Dollar oder die große Liebe haben noch niemandem geschadet.«

Ich wende ihr abrupt meine Aufmerksamkeit zu. »Zweihundertfünfzigtausend?« Meine Stimme überschlägt sich regelrecht.

»Ja, wenn du am Ende das Geld statt der Liebe wählst.« Sie grinst schelmisch. Mein Atem stockt, und in meinem Gehirn prangt das Wort Geld wie auf einer Kinoleinwand. Ist das bescheuert? Ich hadere damit, mich nach draußen zu kämpfen oder zu bleiben. Es ist ein Casting. Bei dem es um sehr viel Geld geht. Geld, das ich momentan brauche. Also gut. Wieso nicht? Was habe ich schon zu verlieren?

»Ja, das schadet wirklich keinem.« Ich straffe entschlossen die Schultern. Was für eine unerwartete Wendung an diesem Tag. Erst werde ich gekündigt, und keine Stunde später bin ich schon so tief gesunken, dass ich bei einem Casting teilnehme. Wenn auch eher aus Versehen. Trotz meiner Abneigung bin ich aber auch etwas aufgeregt. Vielleicht wäre das ja wirklich eine Idee? Ein Anker, der zum richtigen Zeitpunkt ausgeworfen wurde, damit ich mich daran festhalten kann. Nervosität macht sich in mir breit, die langsam in meinem Kopf ankommt. Was macht man denn bei einem Casting? Muss ich mich vorstellen? Gibt es irgendwelche Regeln?

Der Blick der Blondine gleitet mein Gesicht hinab, bleibt an meinen Brüsten hängen, und ich will mich schon beschweren, als ich realisiere, dass es der Kaffeefleck ist, den sie anstarrt. Sie überlegt kurz, dann schält sie sich aus ihrer Lederjacke und reicht sie mir. »Na los, zieh die an. Die ist besser als die Winterjacke und verdeckt den Fleck. Ich war mir sowieso nicht sicher, ob ich sie tragen soll oder nicht.« Ich zögere. Die Schlange hat sich weiterbewegt und wir stehen nun kurz vor dem bewachten Eingang zu einem separaten Raum.

»Danke.« Irgendetwas an der Art, wie sie es gesagt hat, bringt mich dazu, die Jacke tatsächlich anzuziehen. Die Fremde hebt die roten Lippen zu einem warmen Lächeln und schiebt uns weiter nach vorn, als die letzte Person vor mir den Raum betritt und verschwindet.

»Ich bin übrigens Svea«, stellt sie sich vor. »Und du Eyla, oder? Ich habe es vorhin mitbekommen.«

»Richtig.« Ich sehe den Security Guard an, der nun vor mir steht und mich mit einer ausdruckslosen Miene zum Warten auffordert.

»Da drin ist noch zu viel los. Einen Augenblick Geduld bitte«, erklärt er. Svea beugt sich zu mir vor.

»Sie werden jetzt Bilder von dir machen, damit sie eine vorläufige Sedcard zusammenstellen können. Aber ich nehme mal an, dass du das weißt.« Ich schüttele den Kopf. Woher soll ich das auch wissen, für gewöhnlich gehe ich nicht auf Castings. Der Security Guard reicht mir einen Zettel mit einer Nummer und einem Passwort, den ich in meine Hosentasche schiebe. Als er mich hindurchwinkt, gibt mir Svea einen Klaps auf den Hintern, der mich wohl ermutigen soll.

Der Raum, der sonst nur für Konferenzen genutzt wird, ist zu einem Fotostudio umfunktioniert worden. Drei Leinwände sind in den Ecken aufgebaut und werden mit je zwei Softboxen ausgeleuchtet. Davor posieren junge Frauen, und das geräuschvolle Klicken von Kameras sowie die gehetzten Anweisungen der Fotografen erfüllen den Raum. Überall Gesichter, die an mir vorbeisurren wie ein Schwarm geschäftiger Bienen. Eine Dunkelhaarige zeigt mehrere Posen, die ihre schlanke Figur in Szene setzen, und wirft der Kamera am Ende sogar eine Kusshand zu. Ach du Schreck. Meine Kehle ist staubtrocken. Angesichts der vielen unglaublich hübschen Frauen erscheint mir mein Vorhaben plötzlich doch nicht mehr so genial. Was habe ich mir dabei gedacht? Wahrscheinlich sehe ich aus wie ein Dodo, der in Barbies Dreamhouse gelandet ist. Wenn das hier der Cast einer Reality-TV-Show wird, dann hätte die Brünette von eben bestimmt die Rolle der Dramaqueen inne, Svea ist vielleicht die Nette, Hilfsbereite, und dann bin da ich. Mit einer geliehenen Lederjacke, einem Kaffeefleck darunter, geröteten Augen und eindeutig nicht passend geschminkt für diesen Anlass. Außerdem muss ich so bedröppelt dreinblicken, dass es auffällig ist. Jedenfalls ziehe ich immer wieder seltsame Blicke auf mich. Mir wird siedend heiß. Vielleicht bin ich die hohle Nuss. Die, die am Ende weiterkommt, weil sie den nötigen Spaßfaktor in die Sendung bringt, indem sie verstrahlt durch die Weltgeschichte rennt. O mein Gott. Das ist schon wieder typisch ich. Zuerst gar nicht nachdenken und dann merken, dass es eine Schnapsidee war. Ich weiß nicht, was mir peinlicher ist. Dass ich mich dazu herabgelassen habe, hier mitzumachen, oder der Aufzug, in dem ich hier mitmache. Ich merke, wie mir der kalte Schweiß ausbricht, und ich bin kurz davor, tatsächlich einen Rückzieher zu machen. Eyla aka Dagobert Duck hat nur das Geld gesehen und bereut diese Kurzsichtigkeit zutiefst.

Die Brünette tritt zur Seite und der Fotograf gibt mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass ich nun an der Reihe bin. Mein erster Impuls ist es, auf dem Absatz kehrtzumachen. Aber jemand nimmt mir die Entscheidung ab und schubst mich nörgelnd in Richtung des Sets. Als ich mich also unsicher vor die Leinwand stelle, reicht der Fotograf mir wortlos eine Bürste. Zunächst verstehe ich nicht ganz, dann sehe ich seinen genervten Blick und fahre mir damit eilig durch die Haare, bis er zufrieden scheint. Eine Assistentin springt auf mich zu und zupft hektisch ein paar Flusen von der Jacke. Der Fotograf dankt ihr und stellt sich hinter die Kamera, den Finger auf dem Auslöser.

»Etwas mehr nach rechts«, weist er mich an. Angst frisst sich durch meinen Körper, mischt sich mit der Aufregung zu einem lähmenden Gift. Das war eine blöde Idee. Eine ganz, ganz blöde Idee. Ich bin nicht schüchtern, aber das hier übersteigt gerade alles, was ich je erlebt habe.

»Und jetzt schenk mir dein strahlendstes Lächeln!«, verlangt er. Ein paar Minuten durchhalten, dann bin ich hier raus, motiviere ich mich und verziehe meinen Mund zu etwas, von dem ich glaube, dass es ein Lächeln ist. Ihm entfährt ein Laut, der auch ein »Iiiih« hätte sein können. »Geht das nicht etwas natürlicher?« Ich will ihm an den Kopf werfen, dass es mir egal ist, wie das Foto aussieht. Denn für mich ist heute kein Tag zum Lächeln. Doch dann sehe ich Svea an der gegenüberliegenden Seite, die mir aufmunternd zuzwinkert und die Daumen nach oben streckt. Sie hat mir ihre Jacke nicht geliehen, damit ich das Bild mit meiner gezwungenen Miene versaue. Also versuche ich es erneut.

»Denk an etwas Schönes«, schlägt der Fotograf vor. »An das Abenteuer, das dir bevorsteht, die verschneite Natur, die attraktiven Männer.«

Ich schlucke. Seine Worte tragen nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühle. Im Gegenteil. Am liebsten würde ich losheulen. Aber ich will hier kein Theater machen, sondern schnellstmöglich raus. Also reiße ich mich zusammen und denke an Merve und mich, wie wir als Kinder Plätzchen gebacken haben, wie die Küche voller Mehl war und vom Teig nur noch ein paar wenige Kekse überlebt haben, weil wir der Meinung waren, die meisten seien nicht schön genug und müssten deswegen gegessen werden. Das Klicken der Kamera ertönt, und es gelingt mir, meinen Gesichtsausdruck noch ein wenig aufrechtzuerhalten, mich an dem Moment festzukrallen, der mich vom Fallen abhält. Ein weißer Blitz nach dem anderen blendet mich.

»Sehr gut, das war’s schon.« Der Fotograf bedeutet mir, für die nächste Kandidatin Platz zu machen. Ich stolpere vom Set auf Svea zu, die bereits auf mich wartet.

»Danke noch mal.« Ich ziehe die Lederjacke aus und reiche sie ihr. Sie nimmt sie und legt sie locker um ihre schmalen Schultern, was sie in ihrem schwarzen Kleid aussehen lässt wie ein Laufstegmodel. Wir verlassen schweigend den Raum und reihen uns in die abgesperrte Schlange ein, die zu einem Ausgang führt. Am Ende stehen zwei Securitys neben einer großen Flügeltür und händigen den Teilnehmerinnen Zettel aus. Als ich hinausschaue, sehe ich, dass der Nieselregen wieder eingesetzt hat.

»Jetzt musst du nur noch den Flyer mitnehmen und online das Formular ausfüllen.« Svea greift nach den Zetteln, die ihr die Männer in schwarzer Uniform übergeben, und hält mir zwei der Flyer hin. Überrascht nehme ich sie entgegen.

»Zwei, weil man immer einen verlieren könnte«, erklärt sie, sieht auf ihre silberne Armbanduhr und umarmt mich dann kurzerhand. »Ich muss jetzt los. Ich hoffe, wir sehen uns!«, flötet sie. Ich will noch etwas erwidern, zum Beispiel, dass ich das eher nicht glaube, aber lasse es dann bleiben. Erst mal muss ich mich orientieren, denn auch wenn das Adrenalin mich die letzten Minuten im Griff hatte, lässt es mich nun schwächer zurück, und ich weiß, dass ich schleunigst hier rausmuss, wenn ich nicht vor aller Augen umkippen möchte.

3. Kapitel

»Ich bin ja ein grosser Fan von Schlachtplänen und ich finde, wir kriegen das gut hin.«

– Amber, 26

Abends sitzen Amber, Cassie und ich im Wohnzimmer. Eine Schüssel Nachos steht auf dem kleinen Holztisch vor uns, die ich jedoch kaum anrühre. Die erste Heulattacke habe ich schon hinter mir, aber sicherlich wird mich bald eine weitere übermannen.

»Also, die Behandlung kostet in etwa hunderttausend Dollar?« Amber tippt auf den Block, den sie mit einigen Zetteln vor sich ausgebreitet hat und auf dem die eben genannte Zahl in einem leuchtenden Pink prangt.

»Und du musst mindestens fünfundzwanzigtausend Dollar vorstrecken, damit die Behandlung überhaupt begonnen wird?«, hakt Cassandra nach, die mir gegenübersitzt und an ihrem Weinglas nippt.

»Genau.« Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe herum.

»Ein Kredit ist nicht möglich?«

Ich seufze tief, die hinter den Lidern brennenden Tränen unterdrückend. »Nein, meine Mom hat es bereits versucht, aber sie verdient zu wenig, als dass man ihr den nötigen Kredit geben würde. Merve hat zwar ein paar Rücklagen, aber sie muss ja auch irgendwie ihre Miete bezahlen, da kommen höchstens fünftausend zusammen.« Merves Traum ist es seit jeher, Medizin zu studieren, deswegen hat sie das ganze letzte Jahr Vollzeit in einem Café gearbeitet, um sich ihre kleine Wohnung leisten zu können und etwas für das Studium zu sparen. Es ist irgendwie ungerecht, dass das nun alles für ihre Krankheit draufgehen soll.

»Ich bin Studentin, und Richard wollen sie den Kredit ebenfalls nicht geben, weil er bereits das Haus abbezahlt. Meine Mom hat versucht, ihn zu überreden, das Haus zu verkaufen, aber er meint, das sei zu viel verlangt.« Letzteres sage ich verächtlich.

»Okay … Aber deine Mom hat gesagt, dass sie und Richard etwas davon übernehmen können, nicht wahr? Und sie sagte zehntausend?«, will Amber wissen und ich nicke. Ich habe deswegen einen langen Disput mit meiner Mutter geführt, und ich weiß, dass ich unfair bin, aber ich bin zu erschöpft, mich ständig mit ihr wegen Richard zu streiten. Für mich ist Merve alles. Für meine Mom ihre neue Familie. Wäre mein Dad noch am Leben, würde das Ganze anders aussehen, aber das ist er eben nicht. Meine Familie, wie sie einmal war, gibt es nicht mehr. Sie ist zerbrochen, in der Nacht des Unfalls.

»Ich selbst kann dreitausend beisteuern, ohne dass es mit den Wohnungskosten zu knapp wird«, schlägt Amber vor und schreibt beides auf den Block.

»Tausendfünfhundert kann ich abtreten.« Cassie greift nach den Nachos, während Amber mit blauem Kugelschreiber die Zahlen aufschreibt.

»Bleiben noch fünftausendfünfhundert.«

»Ich habe viertausendfünfhundert auf dem Konto. Aber dann kann ich die Miete nicht mehr bezahlen, wenn ich alles abbuche.« Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, um meine Verzweiflung zu überspielen. Cassie schenkt sich noch mehr Wein ein.

»Aber wenn wir die Anzahlung zusammenbekommen, wie bekommen wir den Rest der Behandlung finanziert?«, spricht sie die Frage aus, die wir bisher in stillem, gegenseitigem Einverständnis ignoriert haben.

»Ich glaube, wir steigen auf was Härteres um, oder?« Amber steht auf und läuft zu unserem Vorratsschrank, um eine Flasche Tequila hervorzuziehen. Obwohl sie offiziell nicht mit Cassie und mir zusammenwohnt, ist sie so oft hier, dass sie sich wie zu Hause fühlt und jeden Winkel unserer Wohnung kennt.

»Ich habe nichts einzuwenden.« Mit einem großen Schluck leere ich das Weinglas vor mir. Wir entscheiden uns dafür, eine kleine Pause von der deprimierenden Planung zu machen, und Cassie schaltet den Fernseher ein. Während Amber und ich Nachos mampfen und die Orangenscheiben für den Tequila schneiden, verfolgt sie gebannt die Werbeanzeigen.

»Habt ihr euch auch schon immer gefragt, wie es wäre, dort mitzumachen?«, schwärmt sie mit verträumter Stimme und ich sehe interessiert auf, halte mit dem Messer inne. »Wo?«

»Bei Love or Lie.« Cassie deutet auf den Fernseher. »Momentan finden die Castings statt.«

Amber nickt und steckt sich eine Orangenscheibe in den Mund, von der sie die Schale fachmännisch entfernt hat. Mein Gehirn braucht eine Sekunde, bis es realisiert, dass ich den Namen der Sendung kenne, und meine Wangen nehmen beinahe augenblicklich ein tiefes Rot an. Entweder ich sage jetzt etwas oder die Geschehnisse des Tages wandern mit mir ins Grab. Aber eigentlich muss ich es ihnen erzählen. Und wenn es nur dafür ist, dass sie an diesem fürchterlichen Tag etwas zu lachen haben.

»Im Leightons war heute eins.« Ich kämpfe mit meiner Selbstachtung und laufe schließlich zu meiner Tasche im Flur, in die ich nach dem Casting den Zettel mit dem Passwort und die Flyer gesteckt habe. Ich halte meinen verdutzten Freundinnen das Stück Papier unter die Nase. »Hier.« Amber reißt mir den Wisch aus den Händen und liest einen Augenblick, dann weiten sich ihre Augen.

»Du hast teilgenommen? Wieso hast du nichts erzählt?«

Ich fahre mir durch die Haare und fühle mich angesichts ihrer Entrüstung beinahe eingeschüchtert.

»Ja, das das war eine Spontanaktion, die mir im Nachhinein sehr unangenehm ist.«

Cassie sieht mich ungläubig an. »Du warst wirklich beim Casting?« Gegen Ende des Satzes schraubt sich ihre Stimme mehrere Oktaven in die Höhe und endet schließlich in einem schrillen Quietschen. »Wie cool ist das denn bitte!«

Ich mustere sie verdutzt und widme mich wieder der Frucht auf dem Küchenbrett. Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, ausgelacht zu werden. Ihre Reaktionen verunsichern mich.

»Nee, das ist nichts für mich. Und die Chancen weiterzukommen sind ja eher gering, oder? Da ist es besser, sich auf die Tatsachen zu fokussieren.«

Cassie runzelt argwöhnisch die Stirn und lässt sich wieder auf den Boden vor dem Fernseher sinken, wo sie ihre Beine zum Schneidersitz kreuzt. »Du könntest es ja zumindest versuchen!«

»Ihr habt nicht gesehen, wie viele Bewerberinnen dort waren! Das kann man vergessen. Und ich hasse solche Shows.« Ich verziehe den Mund.

»Love or Lie mag ich eigentlich, aber teilnehmen würde ich niemals«, beteuert Amber und gießt den Tequila in die Gläser. Cassie, die das Gefühl zu haben scheint, ihre Lieblingsserie verteidigen zu müssen, verschränkt empört die Arme vor der Brust.

»Ich finde die Vorstellung einfach schön, dass sich über diese zwei Monate hinweg echte Beziehungen entwickeln! Und der Antrag am Ende ist einfach jedes Mal zum Dahinschmelzen! Ein Pärchen ist sogar immer noch verheiratet!« Sie weist mit dem Zeigefinger auf den Fernseher. »Außerdem gibt es drei Typen, das heißt, auch die Frauen haben mehr Auswahl.«

»Aber das ganze Drama bleibt das gleiche, das ist doch alles schon abgekartet.« Ich verdrehe die Augen und nicke Amber zu, die die Tequila Shots fragend in die Höhe hält, und wir setzen uns neben meine Mitbewohnerin, die den Shot allerdings ablehnt.

»Ich verstehe nicht, wieso sich so viele Frauen dazu herablassen. Das ist doch erniedrigend. Das Einzige, worauf sie scharf sind, ist die Aufmerksamkeit auf Social Media.«

Oder auf das Geld, ergänze ich im Stillen. Amber reckt ihr Glas meinem entgegen und wir stoßen mit einem leisen Klirren an.

»Aber jetzt mal ernsthaft, wieso nimmst du nicht wirklich teil?« Cassie runzelt die Stirn. »Der Dreh geht schon in vier Wochen los. Es würde also sogar zeitlich passen.« Ambers Augen weiten sich und wir verschlucken uns gleichzeitig an unserem Tequila.

Ich versuche kläglich, etwas zu sagen, doch es geht in meinem Röcheln unter. Der Alkohol brennt mir wie Feuer in der Luftröhre. Und ich huste einige Male verkrampft, während mir Tränen in die Augen schießen.

»Geht’s euch gut?« Cassie wendet sich halbherzig vom Fernseher ab, in dem nun ein Ausblick und der Aufruf zum Casting ebenjener Reality-TV-Show gezeigt wird. Sie preisen eine Reise ins verschneite Winterwunderland Alaska an wie den Jackpot selbst, und ich frage mich, wie jemand glauben kann, dass Kälte romantisch sei.

»Planänderung.« Amber hat sich wieder beruhigt. »Du bewirbst dich!«

»Ich werde mich niemals für diese Show bewerben!«

»Das ist die einzige Möglichkeit, so schnell an so viel Geld zu kommen!« Die Wangen meiner besten Freundin glühen regelrecht. »Ja, die Chance, genommen zu werden, ist gering, aber es ist immerhin eine Chance! Und du brauchst für diese zweieinhalb Monate erst mal keine Wohnung, ich ziehe in der Zeit einfach zu Cassie. Wenn ich jetzt kündige, passt das mit der Frist.« Amber reckt eine Hand in die Höhe. »Ich mag meine Mitbewohnerin doch sowieso nicht sonderlich, und damit kannst du getrost all dein Geld vom Konto abheben. Den Rest werden wir schon zusammenkratzen können.« Ihre Argumente erscheinen mir einleuchtend, dennoch weigert sich mein Verstand, das anzuerkennen.

»Ich habe mich beim Casting total blamiert, wirklich! Und es ist doch nicht einmal gesagt, dass ich bis zum Ende komme …«

»Es war bestimmt nicht so schlimm, wie du denkst! Und es gibt drei Typen. Bei einem wirst du es ganz bestimmt schaffen«, mischt sich Cassie wieder ein, die Feuer und Flamme ist. »Du musst dich also nur an denjenigen klammern, der es dir am leichtesten macht.«

»Aber ich kann nicht … wenn …« Ich ringe die Hände. Ich habe heute Morgen mitgemacht, weil es um Geld ging, ja. Aber ich habe nach der anfänglichen Euphorie nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, mich zu bewerben. All die Jahre habe ich solche Sendungen verachtet und das auch zur Genüge kundgetan. Und jetzt stehe ich hier. Schon die Vorstellung von mir als Teil dieser Sendung löst in meinem Kopf mehrere Errors aus. Natürlich habe ich mit dem Gedanken gespielt, aber doch nicht daran gedacht, ihn tatsächlich in die Realität umzusetzen.

»Ich kann doch nicht …«

»Sieh dich an!« Amber springt auf. »Du bist klug, witzig, und für deine Rehaugen würden manche töten! Die werden sich sowieso auf der Stelle in dich verlieben!«

»Ich wäre die hohle Nuss in der Show!«

»Na und? Dann bist du die hohle Nuss, die zweihundertfünfzigtausend auf dem Konto hat!« Cassie rüttelt mich leicht an der Schulter.

»Wenn du in die Endrunde kommst, Eyla, dann kannst du jede Behandlung der Welt bezahlen. Eine Viertelmillion.« Ambers Stimme ist nun zu einem Flüstern gesenkt. »Das Einzige, was du tun musst, ist, sie zu verführen und am Ende das Geld zu wählen.« So wie sie das sagt, klingt es sehr einfach. Ich denke einen Augenblick nach.

»Lasst uns doch einfach mal recherchieren und das Formular ausfüllen.« Cassie schleppt aufgeregt ihren Laptop herbei, den sie vor uns aufklappt. Ich scanne den QR-Code vom Flyer ab und wir kopieren den Link, um ihn in Cassies Browser einzufügen. Ein Feld ploppt auf, in das ich meine Nummer und das Passwort vom Casting eingebe. Dabei bin ich so aufgeregt, dass ich mich mehrmals vertippe. Nach der dritten Fehlermeldung hält es Amber jedoch nicht mehr aus und stößt mich unsanft zur Seite, um an meiner Stelle die Zahlen einzutippen. Eine Bestätigung erscheint auf dem Bildschirm, dann öffnet sich ein Fragebogen. Ich inspiziere ihn kurz und beginne, meine Personalien sowie mein Geschlecht und meine sexuelle Orientierung einzutragen. Es gibt eine Reihe von Fragen zu meiner Herkunft, und ich gebe an, dass meine Großmutter mütterlicherseits von der Türkei nach Amerika ausgewandert ist, aber ein Teil der Familie noch in der Türkei lebt. Dass wir mit diesem Familienzweig nichts zu tun haben, verschweige ich. Außerdem wird erneut ein Bild von mir gefordert. Bevor wir aber lange suchen müssen, erinnert sich Cassie an eines, das ich ihr vor einer Weile geschickt habe, und wir laden es hoch. Auf einer weiteren Seite befinden sich ein paar Felder zu meinem Beruf und meinen Hobbys, und es gibt doch ernsthaft eines, in dem man Geheimnisse eintragen soll.

»Das ist doch nicht wahr, oder?« Ich zeige anklagend darauf. Amber lacht und Cassie schnaubt.

»Shhht!«, sagt sie und deutet auf den Bildschirm. »Weiter!«

Ich verdrehe die Augen. Dann tippe ich War noch nie richtig verliebt ein. Erstens stimmt das und zweitens bin ich mir sicher, dass es hier über hundert Damen gibt, die dieses Feld für Ich bin noch Jungfrau missbrauchen. Aber so ist das eben, jeder wird diesen Fragebogen so gut es geht zu seinen Gunsten nutzen, wieso soll ich es also nicht auch tun? Vielleicht hätte ich auch Ich hasse Schnee hineinschreiben können, vielleicht hätte mich auch das weitergebracht, aber das ist nun nicht wirklich ein Geheimnis, das ich lange verbergen kann. Ich sehe noch einmal nach, ob ich alle Fragen beantwortet habe, auch die über meine schulische Ausbildung und meine Kindheit. Vorsichtig sehe ich zu meinen Freundinnen auf. »Mehr Alkohol?«

Drei weitere Tequila Shots braucht es, bis ich annähernd dazu bereit bin, die dümmste, aber vielleicht wichtigste Entscheidung meines Lebens zu treffen. Zehn Wochen. Nur zehn Wochen, dann wäre dieser Horror vorbei. Das sage ich mir immer wieder, als ich mit dem Cursor über dem Senden-Button kreise und mich nicht dazu durchringen kann, ihn endlich zu klicken.

»Tu es!« Cassie hält mir ihr Weinglas hin. Sie ist ebenfalls beschwipst, und weil sie ihre Hand nicht ruhig halten kann, während sie mir die dunkelrote Flüssigkeit vor die Nase hält, finden ein paar Tropfen ihren Weg auf meine weiße, flauschige Schlafanzughose. Kurz weiten sich meine Augen in viel zu spät einsetzendem Schreck, während ich zusehe, wie das Rot in dem mit kleinen Cupcakes verzierten Stoff versickert. Mir ist bewusst, dass ich es nie wieder herauskriegen werde. Ich entscheide aber, dass ich zu betrunken bin, um mich über Weinflecken zu ärgern, und trinke entschlossen einen großen Schluck aus dem Glas meiner Mitbewohnerin. Sie hat sich mittlerweile etwas schwankend auf den Weg zu unserer behelfsmäßigen Schnapsbar gemacht und stellt erneut drei Shotgläser auf den Tisch. Eins für mich, eins für sich selbst und eins für Amber, die gerade von der Toilette zurückkommt. Ich seufze. Je mehr ich intus habe, desto eher werde ich endlich dieses verdammte Formular abschicken. Eine Notwendigkeit, der ich nicht entrinnen kann, weil mir keine andere Wahl bleibt.

»Senden!« Cassie schlägt einen Befehlston an und entscheidet sich dieses Mal für Bacardi. Ich hasse Bacardi, aber selbst das ist mir egal.

»Ich kann das nicht!« Verzweifelt raufe ich meine Haare und starre weiter auf den Bildschirm, auf dem nun das zuvor hochgeladene Abbild meiner selbst im DIN-A6-Format prangt und vorgaukelt, besonders glücklich zu sein. Als das Bild entstanden ist, bin ich es vielleicht gewesen. Glücklich. Es ist ein Porträt, auf dem ich mich über das Geländer der Veranda meiner Eltern gelehnt habe, meine braunen Haare verstrubbelt vom Wind und meine Augen glühend vor Lebensfreude. Es liegt erst drei Jahre zurück, doch es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.

»Hier. Trink! Kein Trübsal blasen.« Cassandra stellt mir das bis zum Rand gefüllte Shotglas hin und ich nehme es dankbar an. Der wievielte ist das heute? In einem einzigen Zug leere ich es, und mit der Flüssigkeit, die meine Speiseröhre hinunterrinnt, lösen sich auch allmählich die düsteren Gedanken in meinem Kopf.

»Danke.« Ich stelle das Glas ab.

»Du tust das für sie. Also klick endlich.« Amber legt mir unterstützend eine Hand auf die Schulter. Ich atme tief durch, schließe kurz die Augen, um mich zu konzentrieren, und lege dann erneut den Finger auf das Touchpad des Laptops. Mit zusammengepressten Lippen starre ich auf den Button.

»Für Merve«, bekräftigt Cassie.

»Für Merve«, murmele ich und schicke meine Bewerbung endgültig ab.

4. Kapitel

»Vielleicht habe ich zu viel getrunken, aber es war lustig.«

– Cassandra, 26

Tatsächlich geht es mir nach dem Absenden irgendwie besser. Denn ich kann nun nichts mehr daran ändern.

»Vielleicht werde ich ja überhaupt nicht genommen«, sage ich und bremse damit die Euphorie meiner beiden Freundinnen. Amber dreht Cassie mit dem Glätteisen leichte Locken in die blonden Haare und beäugt ihr Werk kritisch.

»Nüchtern bekomme ich das irgendwie besser hin.« Sie zuckt die Schultern und wendet sich einer weiteren Haarsträhne zu, wobei sie ein strenges »Natürlich kommst du rein!« in meine Richtung schießt. »Willst du auch noch Locken?« Ich verneine, weil sie das Glätteisen wie ein Laserschwert in die Höhe hält, was ihr Angebot eher wie eine Drohung klingen lässt. Nach dem Abschicken haben mich die beiden überredet, noch feiern zu gehen, und weil ich dringend Ablenkung gebrauchen kann, habe ich zugesagt. Wir sind mittlerweile fast fertig mit dem Schminken und meine bekleckerte Pyjamahose habe ich durch eine hautenge schwarze Jeans ersetzt. Mein rückenfreies Oberteil ist ebenfalls schwarz und den hohen Kragen säumt ein Kranz aus Spitze.

»Business at the front, party at the back«, kommentiert Cassie mein Outfit und dreht sich in ihrem Minirock einmal vor dem Spiegel. Ihr rotes Top überlässt wenig der Fantasie, aber das ist genau das, was Cassie am liebsten mag. Amber hat sich einen von meinen schwarzen Jumpsuits ausgeliehen und sieht darin so gut aus, dass ich fast ein wenig neidisch bin. Während er bei mir sonst eher wie ein Sack am Körper hängt, umschmeichelt er Ambers Kurven vorteilhaft.

»Du kannst den Jumpsuit übrigens auch gern behalten, falls du möchtest.« Ich schenke ihr ein Grinsen. »Er steht dir sowieso viel besser als mir.« Ambers Augen weiten sich überrascht, dann fällt sie mir um den Hals und ihre Haare kitzeln meine Nase.

»Wirklich?« Sie tänzelt aufgeregt auf der Stelle. »Danke, E! Das ist sehr lieb von dir!«

»Freut mich, wenn er dir so gefällt.«

»Seid ihr fertig?« Cassie sieht uns erwartungsvoll an und nimmt einen letzten großen Schluck aus ihrem Weinglas.

»Selbstverständlich.« Ich greife nach meiner Handtasche und wir verlassen den Altbau, in dem sich unsere Wohnung befindet, steigen das enge Treppenhaus hinunter und eilen auf die Straße. Kaum umgibt mich die kühle Luft, habe ich das Gefühl, den Alkohol noch mehr zu spüren als ohnehin schon, ein Schwindelgefühl bahnt sich an. Noch wird es von meinem Verstand im Zaum gehalten, aber die ersten Nebelschwaden kann ich bereits am düsteren Rande meines Bewusstseins erkennen. In unserem Wohnviertel sind die Straßen auch nachts noch recht gut befahren, und wir halten Ausschau, ehe wir das Taxi erblicken, das ein paar Hausnummern weiter mit gesetztem Blinker auf uns wartet.

»Hallo.« Ich lasse mich auf den ledernen Rücksitz fallen und lehne mich weit zurück. Obwohl ich es gern leugnen würde, bin ich wirklich betrunken und freue mich unglaublich auf den Abend. Vielleicht gibt es zwischen diesen beiden Tatsachen auch einen kausalen Zusammenhang. Aber so oder so. Ich war schon Ewigkeiten nicht mehr feiern, und heute fühlt es sich irgendwie so an, als wäre es dieser eine bedeutsame Abend, bevor sich mein Leben verändert. Ich weiß nicht, ob es sich zum Guten verändert oder zum Schlechten, ob es sich denn wirklich überhaupt verändert, aber zumindest der erste Schritt ist getan.

Laute Musik und wummernde Bässe schallen mir entgegen, als ich den Club betrete. An der hohen gewölbten Decke hängen Hunderte von kleinen quadratischen Lampen, die in verschiedenen Farben leuchten und einem das Gefühl geben, winzig klein zu sein. Der Club ist gut besucht, und nach einer kurzen Diskussion begeben wir uns zunächst auf die Tanzfläche. Es ist nicht so einfach, einen freien Platz unter den sich im Rhythmus bewegenden Körpern zu finden. Doch Amber scheut nicht davor zurück, ein wenig dreist zu sein, und stürzt sich einfach ins Getümmel, Cassie und mich hinter sich herziehend.

»Wir bleiben hier!«, schreit sie und deutet auf den Boden. Ich grinse die Frau und ihre Freundinnen entschuldigend an, die soeben weichen mussten, habe aber nicht wirklich ein schlechtes Gewissen. Man darf sich nicht unterbuttern lassen, wenn man feiern geht, das hat mir Amber früh beigebracht. Wir drehen uns zur Musik, und mit jeder Bewegung verlassen mich meine Hemmungen mehr und mehr. Es tut gut, sich einfach fallen zu lassen. Die Musik zu fühlen und einfach nichts anderes an sich heranzulassen. Die Lichter der Scheinwerfer blenden mich im Wechsel aus Grün und Pink, und der Bass ist mittlerweile in mein Blut übergegangen. Wir tanzen die nächsten drei Songs durch, bis Cassie mich anstupst. Eigentlich ist es eher ein Boxen, wenn man es genau nimmt. Vermutlich habe ich sie nicht gehört. Ich halte inne und streiche mir meine Haare aus dem Gesicht. Sie brüllt etwas, was sich anhört wie »Gehen wir an die Bar?«. Ich hebe meinen Daumen nach oben. Auch Amber befürwortet diesen Vorschlag. Während wir uns erneut einen Weg durch das Getümmel bahnen, halte ich meine Tasche fest bei mir, aus Angst, sie irgendwo zu verlieren.

»Was wollt ihr?« Amber, die sich weiter nach vorn gedrängelt hat, dreht sich zu uns um.

»Einen Gin Tonic bitte«, rufe ich ihr zu, Cassie hebt zwei Finger in die Höhe und ich ergänze: »Zwei!« Amber bestellt, und kurze Zeit später halte ich den kühlen Drink in den Händen. Als ich jedoch daran nippe, merke ich, wie der Alkohol nun eindeutig zuschlägt. Das Tanzen hat mich abgelenkt, aber das Warten an der Bar hat meinem Körper die nötige Ruhepause verschafft, um zu bemerken, dass ich es erst mal bleiben lassen sollte. Ich reiche Amber meinen Drink. »Ich muss mal kurz raus.« Meinem Gefühl nach lalle ich ganz furchtbar. Amber macht Anstalten, mir zu folgen, doch ich halte sie zurück. »Ich muss ein bisschen allein sein. Nur ganz kurz.« Ich lächele sie an, bevor ich mich eilig nach draußen begebe.

Als mir die kühle Nachtluft entgegenschlägt, muss ich zugeben, dass mir ein wenig schwummerig ist. Der Außenbereich des Clubs wird von Laternen erhellt, und Zigarettenrauch zeichnet sich in feinen Wölkchen im schalen Licht ab. Überall sind Bänke verteilt und von mehr oder weniger betrunkenen Partygästen belagert. Ich suche mir ein unbeobachtetes Plätzchen in einer Ecke, die sich weiter weg vom Eingang befindet, wobei ich das Gefühl habe, mich wie in Zeitlupe zu bewegen. Unbeholfen lasse ich mich auf die Bank plumpsen und lehne mich gegen die kühle Mauer. Die Beine weit von mir gestreckt, schließe ich die Augen und nehme einen tiefen Atemzug. Die Luft stoße ich allerdings schnell wieder aus, als sich alles zu drehen beginnt. Oha! Ich reiße die Augen auf und hoffe darauf, dass sich meine Sicht wieder normalisiert. Aber die Umgebung dreht sich immer noch. Farben verschwimmen immer schneller. Ein Strudel aus Lichtern und Schemen. Vielleicht hätte ich den letzten Shot nicht mehr trinken sollen. Vielleicht hätte ich gar nichts trinken sollen … Ein dunkler Fleck erscheint vor meinen Augen und breitet sich immer weiter aus.

»Geht es dir gut?«, fragt er. Ich blinzele. Der Fleck redet mit mir.

»Hm?«, hauche ich und kneife die Augen zusammen. Langsam klärt sich meine Sicht wieder, und als ich erkenne, dass sich Zentimeter vor mir ein Gesicht befindet, schreie ich erschrocken auf. Der junge Mann weicht ruckartig zurück.

»Kann ich dir irgendwie helfen?« Er mustert mich aufmerksam. Ich sehe zu ihm hoch und versuche, einen sinnvollen Satz über meine Lippen zu bringen.

»Tut mir leid, das ist sehr nett von dir, aber ich darf leider nicht flirten.« Okay, das war nicht sinnvoll. Egal. Ich ringe mir ein entschuldigendes Lächeln ab. Mein Gegenüber wirkt belustigt.

»Ich hatte nicht vor …« Er zieht die dichten Augenbrauen zusammen. »Weshalb solltest du nicht flirten dürfen?«

»Aaaalso.« Ich hole theatralisch mit meinem Arm aus, merke aber, dass mir bei der ausladenden Geste wieder schwindelig wird, und lasse die Hand sofort sinken. »Ich mache bei einer Show mit … also vielleicht … bald. Und ich möchte nicht vorher ausscheiden, nur weil ich fremdgeflirtet habe.«

»Soso, und welche Show ist das, wenn ich fragen darf?«

»Sie heißt Love or Lie.« Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle, als ich den Namen der Show ausspreche. Fast so, als würde es dadurch erst real werden. Ein Druck baut sich in mir auf, Worte legen sich auf meine Zunge. »Eigentlich würde ich eher von einem Hochhaus springen, als dort mitzumachen«, platze ich heraus, gebe dem Drang nach, mich erklären zu müssen. »Nichts als Zickerei und sexistische Bemerkungen. Man kann doch nicht ernsthaft glauben, dass Leute sich bei so einem Drama verlieben.« Ich bremse mich, als ich merke, dass ich mich in Rage rede. »Ich jedenfalls nicht.« Mein Nacken beginnt leicht zu schmerzen und ich klopfe auf den freien Platz neben mir. »Willst du dich nicht setzen? Es ist sehr anstrengend, die ganze Zeit nach oben sehen zu müssen.« Meine Beschwerde bringt ihn zum Lachen und er lässt sich tatsächlich neben mir nieder. Leider überragt er mich trotzdem noch um gut einen Kopf. Etwas umständlich versucht er meine Sitzposition nachzuahmen, lehnt sich an die Wand und streckt seine Beine ebenfalls aus.

»Ich bin auch kein reiner Befürworter der Show, aber ich finde sie sehr amüsant. Angeblich ist auch nichts geskriptet.«

»Angeblich. Das glaubst du doch selbst nicht.« Ich rolle mit den Augen. »Man macht sich total zum Idioten. So viele künstliche Streitereien, dieses ständige Hahn-im-Korb-Gehabe … das tut mir schon beim Zusehen weh.« Mein Blick wandert wieder zu ihm, und ich nehme ihn das erste Mal etwas genauer in Augenschein. Er trägt ein Hemd, vermutlich war er zuvor geschäftlich unterwegs. Er hat dunkle Haare, ausgeprägte Kieferknochen und Bartstoppeln, die etwas zu lang sind, um noch als Dreitagebart durchzugehen. Seine Augen wirken so dunkel, als hätten sie ein Stückchen Nacht eingefangen. Er verschränkt die Arme vor der Brust.

»Entschuldige, wenn diese Frage unbegründet ist …« Er lacht leise. »Aber wenn du nichts von dieser Show hältst, wieso nimmst du dann daran teil?«

»Die Frage ist nicht unbegründet.« Ich zögere und berühre mit dem Zeigefinger meine Nasenspitze, ein Tick, der sich oft anbahnt, wenn ich nachdenken muss oder aufgeregt bin. Sie rührt von der Redensart meines Vaters, der immer meinte: Ist die Nase kalt, ist der Hund gesund. Und irgendwie habe ich das auf mich selbst übertragen. Solange meine Nase kalt ist, kann mir nichts Schlimmes passieren. Sie fühlt sich sogar sehr kalt an, beinahe eisig, und erst jetzt merke ich, dass ich zittere. Wie lange ich wohl schon hier sitze? Haben wir schon Winter? Fängt es gleich an zu schneien? Ich bemerke seinen erwartungsvollen Blick und erinnere mich daran, dass er mich etwas gefragt hat. Auf gar keinen Fall möchte ich ihm von meiner Kündigung und vor allem Merves Geschichte erzählen. Das ist einfach zu privat und geht ihn nichts an. »Meine Freundinnen haben mich dazu überredet, und ich habe keine andere Wahl.« Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er gern nachgefragt hätte, er verkneift es sich aber und schweigt. Mir ist allmählich wirklich kalt, und es ist höchste Zeit, wieder nach drinnen zu gehen. Mit steifen Gliedern stehe ich auf, wobei ich so sehr schwanke, dass mich der Fremde am Ellenbogen festhalten muss. »Vorsicht!« Er richtet sich ebenfalls auf, seine Hand immer noch an meinem Arm. Nur ganz leicht, so als wolle er mir damit sagen, dass er mich notfalls auffängt. Ich bedanke mich zerknirscht. Ein Prickeln durchfährt mich, von dem ich nicht weiß, ob es von der Kälte oder seiner Berührung kommt. Ich will die Hände in die vorderen Hosentaschen meiner Jeans stecken und bemerke erst, dass diese viel zu klein sind, als ich mich bereits zu lange damit aufhalte. Etwas verlegen hake ich schließlich meinen Daumen in eine Gürtelschlaufe. Nach all den Jahren in Skinny Jeans vergesse ich das wirklich immer noch hin und wieder.

»Dann gehen wir wohl besser wieder rein.« Er hält mir seinen Arm hin, den ich zwar ungern, aber dankbar ergreife. Gemeinsam gehen wir zurück in den Club, ein unangenehmes Schweigen zwischen uns, das auch die lärmende Musik nicht besser macht.

»Ich muss nach meinen Freundinnen sehen.« Schnell weg, bevor er etwas vorschlagen kann, was ich vielleicht aus Trunkenheit annehmen würde. Er sieht zu mir herunter, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.

»Ich sollte auch los.« Der Fremde wirkt unentschlossen, wie er sich von mir verabschieden soll, und ich ergreife die Gelegenheit, um mich noch einmal zu bedanken. Dann drehe ich mich auf dem Absatz um, sehe im Weggehen über die Schulter zu ihm zurück.

»Es war nett, dich kennenzulernen.« Für einen Augenblick verhaken sich unsere Blicke, ehe ich mich losreißen kann und wieder im Getümmel aus Lichtern und Musik verschwinde.

Am nächsten Morgen wache ich verkatert auf und kann nicht fassen, was ich getan habe. Ich habe mich für eine Reality-TV-Show angemeldet! Für eine Show, die ich verabscheue und nicht einmal als Zuschauerin ertrage! Aber ich weiß ja nicht einmal sicher, ob es wirklich klappt. Und, das wiederhole ich immer wieder, ich tue das für Merve. Stöhnend richte ich mich im Bett auf und bereue es sofort, als ein unbändiger Schmerz durch meinen Kopf jagt. Vorsichtig greife ich nach meinem Handy und merke nach einigem Herumgedrücke, dass der Akku leer ist. Mit der linken Hand taste ich nach meinem Ladekabel und stecke das Handy an, warte ungeduldig, bis es sich wieder anschalten lässt. Als das Display endlich aufleuchtet, werden mir mit einem schmerzhaften Piepen einige verpasste Anrufe und Nachrichten in Abwesenheit angezeigt. Ich wimmere und stelle viel zu spät den Ton stumm.

»Ruheee!«, kommt es murrend von Cassie, die gegenüber von mir die Nacht auf dem Boden verbracht hat.

Ich realisiere, dass die verpassten Anrufe von meiner Schwester sind, und merke sofort, wie mein Herz schneller klopft, Angst durch meinen Körper kriecht. Ich wähle ihre Nummer und warte angestrengt auf das Freizeichen.

»Was meinst du damit, ich soll kein Fernsehen mehr schauen?«, kommt es mir aufgebracht entgegen. »Du kannst doch nicht so was schreiben und dann nicht rangehen.« Zunächst bin ich einfach nur erleichtert. Es geht ihr gut. Dann runzele ich die Stirn und öffne unseren Chatverlauf. Tatsächlich. Ich habe ihr gestern um fünf Uhr geschrieben, dass sie kein Fernsehen mehr schauen soll.

»Entschuldigung.« Ich gähne herzhaft. Merves glockenhelles Lachen ertönt am anderen Ende der Leitung.

»Bist du verkatert?« Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Wenn Merve lacht, wird die Welt jedes Mal ein bisschen besser.

»Ja, ich musste mir gestern Mut antrinken und ein paar Hemmungen verlieren.« Meine Stimme klingt rau und brüchig, aber fröhlich.

»Und was genau bedeutet das? Du klingst übel!«

»Danke, das hab ich mir fast gedacht«, brumme ich und lege den Kopf zurück auf mein Kissen, das Handy platziere ich daneben. »Jedenfalls.« Als ich zu einer Erklärung ansetze, wollen die Worte meinen Mund nicht verlassen. Mein Herz pocht schneller. Ich will Merve kein schlechtes Gewissen machen. Und keine Hoffnungen, die vielleicht nicht erfüllt werden.

»Ach, das war übertrieben von mir. Und es ist auch nicht sicher«, druckse ich herum.

»Was ist nicht sicher?« Merves Tonfall wird ungeduldig und ich ziehe die Decke etwas weiter über meinen Kopf, als würde mich das vor ihren drängenden Fragen schützen.

»Es ist nicht wirklich wichtig, das war einfach nur so.«

»E!«

Die Decke wandert weiter über meinen Kopf und mit meinem Finger streife ich leicht meine Nase, während ich so tue, als hätte ich sie nicht gehört.

»Hast du dir grade an die Nase getippt?«

»Nein.« Ertappt lasse ich die Hand sinken.