Löwenstark - Geschichten für Kinder - Martina Kast - E-Book

Löwenstark - Geschichten für Kinder E-Book

Martina Kast

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Beschreibung

Lächeln ist oft die beste Medizin. Dieses Buch dient nur einem Zweck: Kindern, die lebensverkürzt erkrankt sind, ein Lächeln zu schenken. Der Erlös geht zu 100 % an das ambulante Kinder- und Jugendhospiz in Koblenz am Rhein. Es erwartet Sie ein bunter Mix aus Kinder- und Jugendgeschichten zum Lesen und Vorlesen. Lassen Sie sich von Kobolden verzaubern oder von Detektivgeschichten mitreißen. Erleben Sie die Welt aus der Sicht eines kleinen Mädchens mit ihrem Teddy und lesen Sie Nachdenkliches von Flüchtlingskindern und ihren Erlebnissen. Dieses Buch wurde mit viel Herzblut geschrieben. Jeder, der sich in irgendeiner Form an diesem Buch beteiligt hat, tat dies für einen guten Zweck und völlig kostenlos. Löwenstark, so müssen die Kinder und Jugendlichen sein, die an einer tödlichen Krankheit leiden. Ebenso wie ihre Eltern, Geschwister und alle anderen Menschen, die davon betroffen sind. Jeder der selbst Familie und Kinder hat, wird dies nachvollziehen können. Also welche Qual muss es wohl sein, wenn man vom Arzt erfährt, dass sein eigenes Kind an einer tödlichen Krankheit leidet? Wie schlimm muss es sein, mit dem Wissen zu leben, dass dein Kind niemals erwachsen werden wird? Jeder Tag ist fortan ein Tag weniger vom Leben dieses Kindes. Wieviel tränenreiche Stunden rauben einem den Schlaf? Sorgen, die jeden Tag mehr zu werden scheinen, drücken einen nieder, lassen verzweifeln. Umso wichtiger ist es, Licht in die Leben dieser Kinder und deren Angehörigen zu bringen. Kraft zu spenden, ein offenes Ohr zu haben, zu beraten und mit Trost, Rat und Tat beiseite zu stehen. Genau das ist die Aufgabe des ambulanten Kinder- und Jugendhospiz in Koblenz. Deshalb veranstalten sie Ausflüge, zum Beispiel in Freizeitparks, organisieren Picknicks, gehen mit den Familien brunchen oder veranstalten Bastelnachmittage und vieles mehr. Das alles ist selbstverständlich kostenlos für die Familien. All diese wundervollen Sachen werden hauptsächlich durch Spenden finanziert. Da kommt nun dieses Buch ins Spiel. Mir ist es ein Bedürfnis gewesen, diese Organisation zu unterstützen. Es gibt doch nichts Schöneres als ein Kinderlachen. Helfen auch Sie durch den Kauf des Buches bitte mit ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Edition Paashaas Verlag

Herausgeber: Martina Kast

Cover-Motive: Pixabay

Cover designed by Michael Frädrich

©Edition Paashaas Verlag, Hattingen

Printausgabe: ISBN: 978-3-96174-041-3

Buchprojekt zugunsten des ambulanten Kinder- und Jugendhospiz in Koblenz

Falls auch Sie helfen wollen:Spendenkonto

Koblenzer Hospizverein

Ambulantes Kinder- und Jugendhospiz

Sparkasse Koblenz

IBAN: DE85 5705 0120 0000 1157 33

BIC: MALADE51KOB

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Löwenstark

Löwenstark – so müssen die Kinder und Jugendlichen sein, die an einer tödlichen Krankheit leiden.

Ebenso wie ihre Eltern, Geschwister und alle anderen Menschen, die davon betroffen sind.

Ich als Mutter kann meine Kinder, die heute längst erwachsen sind, nicht leiden sehen. Wenn sie krank sind, Kummer haben oder etwas anderes ihnen ihr Leben schwer macht … Ich leide mit.

Ich könnte mir nicht vorstellen, was ich tun würde, wenn ihnen je etwas zustößt. Ebenso geht es mir bei meinen Enkelkindern, Nichten und Neffen.

Jeder der selbst Familie und Kinder hat, wird dies nachvollziehen können.

Also welche Qual muss es wohl sein, wenn man vom Arzt erfährt, dass sein eigenes Kind (Enkelkind, Nichte, Neffe) an einer tödlichen Krankheit leidet? Wie schlimm muss es sein, mit dem Wissen zu leben, dass dein Kind niemals erwachsen werden wird?

Jeder Tag ist fortan ein Tag weniger vom Leben dieses Kindes.

Wieviel tränenreiche Stunden rauben einem den Schlaf?

Sorgen, die jeden Tag mehr zu werden scheinen, drücken einen nieder – lassen verzweifeln.

Umso wichtiger ist es, Licht in die Leben dieser Kinder und deren Angehörigen zu bringen. Kraft zu spenden, ein offenes Ohr zu haben, zu beraten und mit Trost, Rat und Tat beiseite zu stehen.

Genau das ist die Aufgabe des ambulanten Kinder- und Jugendhospiz in Koblenz.

Darüber hinaus ist es den vielen, auch ehrenamtlichen, Mitarbeitern wichtig, dass die betroffenen Familien etwas zu lachen in ihrem Leben haben.

Deshalb veranstalten sie Ausflüge, zum Beispiel in Freizeitparks, organisieren Picknicks, gehen mit den Familien brunchen oder veranstalten Bastelnachmittage und vieles mehr.

Das alles ist selbstverständlich kostenlos für die Familien.

All diese wundervollen Sachen werden hauptsächlich durch Spenden finanziert.

Da kommt nun dieses Buch ins Spiel.

Mir ist es ein Bedürfnis gewesen, diese Organisation zu unterstützen.

Es gibt doch nichts Schöneres als ein Kinderlachen.

Also habe ich den Schulleiter der Freiherr-vom-Stein Realschule plus gefragt, ob er mich dabei unterstützt, Geschichten für ein Buch zu sammeln. Ich habe ihm mein Projekt geschildert und er hat mich nach besten Kräften unterstützt.

Dann habe ich Autorenkolleginnen hinzugezogen. Ich erklärte ihnen, wofür ich Geschichten sammelte und sie gaben mir gern einige von ihren für mein Projekt.

So entstand dieses bunte Geschichten-Potpourri zugunsten des ambulanten Kinder- und Jugendhospizes in Koblenz.

Viel Vergnügen beim Lesen und Vorlesen der Geschichten und vielen Dank für Ihre Unterstützung, die Sie damit geleistet haben.

Britta Brendixen

Besuch im Stall von Bethlehem

Leonie saß in ihrem Zimmer und seufzte. Sie sollte aufräumen, hatte aber überhaupt keine Lust. Um sie herum lagen Playmobil-Figuren, Legosteine, Barbies und jede Menge andere Sachen. Sie griff nach der Kinderbibel, die neben dem Puppenhaus lag und schlug sie auf. Sie liebte ihre Kinderbibel. Mama hatte sie schon zweimal mit ihr durchgelesen, denn Leonie gefielen die Geschichten unheimlich gut. Am allerliebsten mochte sie die Weihnachtsgeschichte, in der das Jesuskind im Stall von Bethlehem geboren wurde. Sie schlug die entsprechende Seite auf und nahm ihren Kuschelhasen Mümmel in den Arm. Mümmel rieb sein linkes Ohr an Leonies Nase, wie er es häufig tat.

Leonie fuhr mit ihrer Hand über das Bild, auf dem Josef, Maria und die Krippe mit dem Baby abgebildet waren. »Ach, Mümmel«, sagte sie traurig, »ich wünschte, wir wären dort und nicht hier.«

Sie schloss für einen Moment die Augen und stellte sich vor, in dem Stall zu sitzen.

Auf einmal wurde ihr ganz warm. Als sie die Augen öffnete, glaubte sie zu träumen. Sie saß nicht mehr auf dem Teppich in ihrem Zimmer, sondern hockte auf einem Haufen Stroh, mitten in einem alten Stall. Direkt neben ihr kaute eine große, hellbraune Kuh auf ein paar Strohhalmen und sah sie mit ihren schönen dunklen Augen neugierig an. Neben der Kuh stand ein Esel, der mit den Hufen im Stroh raschelte und mit seinen langen Ohren wackelte. Die Kuh schlug mit ihrem Schwanz nach ein paar Fliegen, die sich auf ihren Rücken setzten. Leonie stand langsam auf und ließ Mümmel dabei versehentlich ins Stroh fallen. Vor ihr war eine hölzerne Trennwand, über die sie hinübersehen konnte, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Vorsichtig schob sie den Kopf höher und spähte in den anderen Teil des Stalls. Ungläubig rieb sie sich die Augen, doch auch dann waren sie ganz deutlich zu sehen: Josef, Maria und das Jesuskind in seiner Krippe.

»Das gibt es doch nicht«, flüsterte Leonie. »Mümmel, sieh dir das an!« Sie drehte sich um und hob ihren Hasen auf. Dann ließ sie ihn ebenfalls über die Wand schauen.

»Er ist wirklich wunderschön«, sagte Josef in diesem Moment.

Er hatte eine tiefe, dunkle Stimme, die Leonie an ihren Onkel Hannes erinnerte, der so toll Geschichten vorlesen konnte.

»Ja, das ist er.«

Maria ging zur Krippe und hob das Baby heraus, das in mehrere Tücher eingewickelt war. Das Jesuskind fing erst an zu weinen, doch als Maria es zärtlich an sich drückte, beruhigte es sich rasch wieder.

Leonie dachte plötzlich an die drei Weisen aus dem Morgenland, die Jesus etwas mitgebracht hatten. Gold war dabei gewesen, daran erinnerte sie sich. Die anderen Sachen hatte sie vergessen. Sie hatten so merkwürdig geklungen.

»Wir müssen ihm auch etwas schenken«, murmelte Leonie in Mümmels Ohr. Aber was? Mümmel sah sie ratlos an. Leonie sah an sich herab. Sie trug ihr Lieblingskleid mit den beiden großen Taschen. Das Kleid war rosa und mit lilafarbenen Blumen bedruckt. Leonies Hand fuhr in die linke Tasche und zog sie leer wieder heraus.

Mümmel guckte enttäuscht.

»Vielleicht auf der anderen Seite«, hoffte Leonie und nahm Mümmel in die andere Hand. Dann griff sie in die rechte Tasche. Ihre Augen leuchteten auf, als sie etwas Weiches spürte. Mümmel sah sie erwartungsvoll an und Leonie zog die Hand wieder hervor. »Den hatte ich ja ganz vergessen!«, rief sie erfreut und hielt einen kleinen, weißen Teddy in der Hand. Er war nicht viel größer als eine Playmobil-Figur, aber flauschig weich und sehr niedlich.

»Hast du das auch gehört?«, fragte Maria verängstigt.

»Ja«, nickte Josef und fragte laut: »Ist hier jemand?«

Leonie blickte schüchtern über die Wand und sah, dass Josef vor Maria und dem Baby stand, um sie zu beschützen. Aber das war doch gar nicht nötig, sie wollte schließlich niemandem etwas tun.

»Das war ich«, sagte Leonie leise. »Ihr braucht keine Angst zu haben.«

»Komm hervor«, sagte Josef, noch immer etwas misstrauisch.

»Ich weiß nicht, wie.« Leonie suchte verwirrt nach einer Türklinke.

Josef lächelte, kam auf sie zu und schob einen Riegel zur Seite. In der Wand öffnete sich eine schmale Tür und Leonie schlüpfte hindurch. »Danke!«

Maria legte das Baby zurück in die Krippe und starrte auf Leonies Kleid. »Solche Farben habe ich noch nie gesehen, höchstens auf einer Blumenwiese.«

Leonie hob den Saum ihres Kleides. »Ich habe ganz viele Klamotten in den Farben«, berichtete sie. »Pullis, T-Shirts, Schlafanzüge ... Alles in rosa, pink und lila. Das sind meine Lieblingsfarben.«

»Was ist das?« Josef zeigte auf Mümmel, der in Leonies Arm lag und alles genau beobachtete.

»Das? Oh, das ist Mümmel, mein Kuschelhase. Ohne ihn gehe ich nirgendwo hin.«

»Darf ich ihn mal anfassen?«, fragte Josef.

Leonie zuckte mit den Schultern. »Klar.« Sie reichte ihm ihren Hasen und Josefs Finger glitten fast ehrfürchtig über sein braunes Fell. »Das ist so weich!«, staunte er.

»Ich habe noch so einen für euer Baby«, sagte Leonie und hielt den kleinen Teddy hoch. »Er ist zwar kleiner, aber dafür noch ganz neu. Meine Oma hat ihn mir gestern mitgebracht.«

Maria lächelte und nahm den kleinen Teddy in die Hand. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte sie leise und legte den Bären neben Jesus in die Krippe. Das Baby lächelte und Maria strahlte. »Es gefällt ihm!«

Leonie wusste von ihrer Freundin, die einen kleinen Baby-Bruder hatte, dass so kleine Babys meist dann lächelten, wenn sie pupsten, doch das erzählte sie Maria nicht.

»Woher kommst du?«, fragte Josef und reichte ihr Mümmel zurück.

»Aus Handewitt.«

»Handewitt? Davon habe ich noch nie gehört. Ist das hier in der Nähe?«

Leonie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«

»Dann hast du sicher eine weite Reise hinter dir«, vermutete Maria.

»Nö, das ging ganz schnell.« Leonie wunderte sich noch immer darüber, wie schnell sie hierher gekommen war. Und sie fragte sich, wie sie wieder zurückkam, denn sie wollte langsam nach Hause.

Josef und Maria sahen sich an. Sie mussten sie für ein sehr merkwürdiges Wesen halten, weil sie blitzschnell reisen konnte, kuschelig weiche Tiere dabeihatte und ein Kleid in ungewöhnlichen Farben trug.

Leonie trat auf die Krippe zu und sah sich das Baby an. Es hatte ein paar helle Haare, die Augen waren zu, es schlief. Sie strich sanft mit dem Zeigefinger über die Wange des Kindes. Ganz weich fühlte sich das an.

»Alles Gute, Jesus. Und viel Glück«, wünschte sie leise und wandte sich dann an Maria und Josef. »Ich glaube, ich muss jetzt gehen. Tschüss.«

»Leb wohl«, sagte Maria und Josef lächelte ihr zu.

Leonie ging wieder hinter die Wand und setzte sich ins Stroh, genau dorthin, wo sie gelandet war, als sie sich hierher gewünscht hatte.

»Okay, Mümmel, ich hoffe, es klappt.« Sie nahm ihren Hasen in den Arm, der sich ganz fest an sie drückte, und schloss die Augen. »Ich wünschte, ich wäre wieder zu Hause, in meinem Zimmer«, sagte Leonie und wartete.

Nach einer Weile öffnete sie die Augen. Sie war nicht in ihrem Zimmer, sie saß noch immer im Stall von Bethlehem. Was hatte sie falsch gemacht? Sie überlegte und Mümmels Ohr rieb sich sanft an ihrer Nase. Was blieb ihr übrig, als es noch einmal zu versuchen? Während Mümmels Ohr ihre Nase streichelte, schloss Leonie die Augen und wiederholte noch einmal, was sie gerade gesagt hatte: »Ich wünschte, wir wären wieder zu Hause, in meinem Zimmer.«

Ihr wurde angenehm warm. Sie schloss Mümmel fest in die Arme und öffnete langsam wieder die Augen. Oh, Gott sei Dank, sie war wieder zu Hause. Glücklich sah sie auf ihren Kuschelhasen hinab. »Bestimmt musst du meine Nase schnuffeln, damit es klappt, Mümmel«, rief sie begeistert. »Das war doch ein tolles Abenteuer. So etwas müssen wir unbedingt mal wieder versuchen.« Mümmel nickte zustimmend.

Leonies Blick fiel auf ihre Kinderbibel. Noch immer war die Seite aufgeschlagen, in der Maria und Josef mit dem Baby zu sehen waren, doch jetzt lag etwas in der Krippe, was vorher noch nicht dagewesen war. Leonie konnte nicht genau erkennen, was es war, doch sie wusste, was sie tun musste. Sie stand auf und ging ins Arbeitszimmer. Dort lag eine Lupe, mit der man Dinge größer sehen konnte. Sie nahm sie in die Hand und huschte zurück in ihr Zimmer. Dort hielt sie die Lupe über das Bild mit der Krippe und hielt den Atem an. Tatsächlich! Sie hatte es beinahe geahnt. Neben dem Jesusbaby lag ein kleiner weißer Teddybär. Leonie hätte am liebsten laut gejubelt und ihrer Mutter alles erzählt. Doch würde sie ihr glauben?

Leonie kannte ihre Mutter, sie würde ihr am ehesten zuhören, wenn ihr Kinderzimmer aufgeräumt war.

Leonie räumte die Barbies und die Legos in die richtigen Kisten und die Bücher und Stofftiere ins Regal. Nach kurzer Zeit war sie fertig. War doch gar nicht so schlimm, dachte sie verwundert. Dann lief sie nach unten und rief: »Mama, Mama, ich muss dir was erzählen!«

Was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, dass Leonie das Jesuskind gesehen hatte?

Britta Brendixen

Aufbruch in die Neue Welt

Leonie war traurig. Sie hatte ihrer Mutter alles über ihr Abenteuer mit dem Jesuskind erzählt, doch die hatte ihr kein Wort geglaubt. »Du bist wahrscheinlich eingeschlafen und hast das nur geträumt«, hatte sie lachend gesagt.

Niedergeschlagen war Leonie in ihr Zimmer zurückgegangen. Dort stand sie jetzt vor ihrem Bücherregal und überlegte. Sollte sie gleich noch einmal versuchen, sich in ein Buch hinein zu zaubern?

»Was meinst du, Mümmel?«, fragte sie und sah ihren Hasen an, der sie mit großen Augen anschaute. »Du hast auch Lust, oder?«

Mümmels kleiner Kopf wippte vor und zurück, so dass seine Ohren hin und her schwangen.

»Gut, dann machen wir das«, beschloss Leonie und zog nach kurzem Überlegen ein Bilderbuch hervor, in dem von großen Entdeckern erzählt wurde. Sie legte es auf den Boden, hockte sich davor und blätterte eine Weile darin. Auf einer Doppelseite waren mehrere Schiffe abgebildet, die auf eine wunderschöne Insel zusteuerten. Ein Mann mit einem wunderlichen Hut auf dem Kopf stand vorn auf dem Schiff, ein Fernrohr an ein Auge gepresst. Das Wasser, durch das die Schiffe fuhren, war so blau wie das in dem Pool im Freibad und am Strand standen mehr Palmen, als Leonie zählen konnte.

»Da möchte ich hin«, sagte Leonie verträumt, hob Mümmel hoch und begann, mit seinem Ohr an ihrer Nase zu reiben. Dann schloss sie die Augen.

»Ich wünschte, wir wären auf diesem Schiff«, flüsterte Leonie.

Ihre Füße wurden warm, dann ihre Beine, ihr Bauch, ihre Arme und Hände, und zuletzt ihr Kopf. Langsam und vorsichtig öffnete sie die Augen wieder, Mümmel fest an sich gepresst.

Sie saß auf einem zusammengerollten, langen, dicken Seil, und überall liefen Männer herum, die sich Kommandos zubrüllten und aussahen, als hätten sie schon lange nicht mehr gebadet. Es roch nach Schmutz und nach Fisch. Einer von ihnen blieb abrupt vor ihr stehen.

»Wer bist du denn? Und wo kommst du so plötzlich her beim Klabautermann?«, fragte er und sah sie grimmig an.

Leonie riss ängstlich die Augen auf. Bevor sie antworten konnte, kamen noch drei weitere Männer dazu und starrten sie verblüfft an.

»Käpt’n!«, brüllte einer von ihnen über seine Schulter. »Blinder Passagier an Bord!«

Leonie schüttelte leicht den Kopf. Sie war doch gar nicht blind. Was redete der Mann denn da für einen Unsinn?«

Der Mann mit dem Hut, den sie auf dem Bild in ihrem Buch gesehen hatte, bahnte sich einen Weg durch die Menge und blieb vor ihr stehen, beide Hände in die Seiten gestemmt.

»Sehe ich richtig?«, fragte er mit tiefer Stimme. »Ist das ein kleines Mädchen, das da auf meinem Deck hockt?«

Die Matrosen nickten und murmelten zustimmend.

»Wie kommt dieses Balg hierher?«, brüllte der Käpt’n, so laut, dass Leonie zusammenschrak. Die Matrosen zuckten mit den Schultern. »Keine Ahnung«, sagte einer mit zerrissenen Hosen und einer unglaublich großen Nase.

»Auf einmal war sie da«, behauptete ein anderer, der eine schwarze Klappe über einem Auge trug. Seine Hand legte sich auf den Griff eines großen Messers, das in seinem Gürtel steckte.

Leonie begann zu zittern. Wollte der Mann ihr etwa wehtun? Sie drückte Mümmel ganz fest an sich und hoffte, diesmal wirklich nur zu träumen.

Der Mann mit dem Hut beugte sich zu ihr hinab und ergriff ihren Ellenbogen. »Komm mit«, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. »Wir sollten uns unterhalten.«

Als Leonie aufstand, stolperte sie fast über das Seil, auf dem sie gesessen hatte, doch der Mann hielt sie noch immer fest, so dass sie nicht hinfiel. Trotzdem schlug ihr Herz schneller. Sie folgte ihm eine steile, schmale Treppe hinab in einen dunkel getäfelten Raum, in dem ein großer Tisch stand. Auf dem Tisch lagen viele Landkarten, ein paar komische Geräte und ein großer Stift. Kleine runde Fenster ließen etwas Licht hinein, so dass Leonie sehen konnte, dass auf einer Seite des Zimmers ein schmales Bett stand und unter den Fenstern eine große Truhe mit einem gewaltigen Vorhängeschloss ihren Platz hatte. Wasser schlug gegen die runden Scheiben, die Wellen ließen den Boden unter ihren Füßen schwanken und das ganze Schiff ächzte und knarrte wie die Türen in einem alten Geisterschloss.

Der Käpt’n schloss die Holztür, dass es nur so rumste und wies auf einen großen Holzstuhl, der vor dem Tisch stand.

»Setz dich«, forderte er Leonie auf, und sie nahm Platz, wobei sie sich weiterhin neugierig umsah. Sah so ein Piratenschiff aus?

Er setzte sich ihr gegenüber auf einen anderen Stuhl und musterte sie genauso neugierig. »Wer bist du?«, wollte er wissen. »Und wie bist du auf mein Schiff gekommen?«

»Ich bin Leonie«, sagte sie leise und hob ihren Hasen hoch. »Und das ist Mümmel.«

Der Mann nahm seinen Hut vom Kopf, strich über die große Feder, die den Hut schmückte und fuhr sich mit seinen großen, schmutzigen Händen durch das wellige, dunkelblonde Haar.

»Ich bin Christoph Kolumbus«, stellte er sich vor. »Seefahrer der Spanischen Krone.«

Leonie staunte. »Sie sind Christoph Kolumbus?«, fragte sie überrascht. Von Kolumbus hatte sie doch schon viel gehört.

»Du kennst mich?« Er lächelte geschmeichelt.

Leonie nickte eifrig. »Natürlich! Jeder kennt Sie. Sie haben doch Amerika entdeckt.«

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und die Stirn legte sich in Falten. »Was erzählt du da? Wen habe ich entdeckt?«

»Nicht wen«, schüttelte Leonie den Kopf. »Sondern was. Amerika. Sie haben Amerika entdeckt.«

»Und was ist das, dieses – Amerika? Ein Land?«

Leonie nickte. »Ja, ein sehr großes Land. Da gab es früher Cowboys und Indianer. Jetzt allerdings nicht mehr«, fiel ihr ein. »Jetzt gibt es dort Disneyworld, Wolkenkratzer und ganz viele McDonalds.« Leon aus dem Kindergarten hatte ihr das vor kurzem erzählt. Er hatte dort schon einmal Urlaub gemacht.

Kolumbus schüttelte allerdings verwirrt den Kopf. »Ich verstehe kein Wort«, gab er zu. »Wovon um alles in der Welt redest du? Und was sind Wolkenkratzer?«

»Das sind gaaanz hohe Häuser, so hoch, dass es aussieht, als würden sie die Wolken berühren«, erklärte Leonie.

»So etwas gibt es nicht«, widersprach Kolumbus überzeugt, als eine laute Stimme vom Deck zu ihnen drang. »Land in Sicht!«

Kolumbus sprang auf. Er wirkte aufgeregt, so wie alle Kinder im Kindergarten, wenn sich auf der Adventsfeier jedes Jahr der Weihnachtsmann ankündigte.

Kolumbus ergriff seinen Hut, setzte ihn auf und stürzte zur Tür. »Willst du mitkommen?«, wollte er wissen. »Wir sind hoffentlich endlich in Indien. Dies ist ein ganz besonderer Moment.«

Leonie sprang von dem großen Stuhl herunter und nickte. »Sehr gern, vielen Dank. Aber es ist nicht Indien. Es ist Amerika.«

»Woher willst du vorlauter Zwerg das denn wissen?«, fragte er ungeduldig und riss die Tür auf.

»Aus meinem Entdeckerbuch. Mama hat mir daraus vorgelesen.« Leonie folgte Kolumbus und als sie die Treppe erreicht hatten, fügte sie hinzu: »Sie dachten, dass Sie einen neuen Seeweg nach Indien entdeckt haben, doch das war falsch. Dafür haben Sie einen neuen Kontinent gefunden, und die Einwohner nannten Sie Indianer, weil Sie glaubten, Sie wären in Indien.«

Leonie hatte sich das gemerkt, weil sie es so lustig gefunden hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---