Lucy in the Sky -  und dann nehmen wir Berlin - Ulrich Markwald - E-Book

Lucy in the Sky - und dann nehmen wir Berlin E-Book

Ulrich Markwald

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Beschreibung

"Lucy in the Sky …und dann nehmen wir Berlin" ist ein aufregendes Abenteuer, das Sie auf eine spannende Reise durch ein Netz dunkler und mysteriöser Mächte mitnimmt. Die Geschichte handelt von Lucy, einer jungen Frau, die nach einer Reihe abenteuerlicher Eskapaden in Afrika und China nach Berlin zurückkehrt. Gerade als sie glaubt, in ihrer geliebten Stadt endlich Ruhe finden zu können, wird sie in eine Welt unterirdischer Katakomben und unerbittlicher Verfolger gestoßen. Der Grund? Lucy besitzt die einzigartige Fähigkeit, Menschen mit ihren Augen zu manipulieren – allerdings nur, wenn sie in Not gerät. Jetzt ist sie auf der Flucht vor denen, die ihre besondere Kraft für schändliche Zwecke stehlen wollen. Doch inmitten der Schatten und Gefahren findet Lucy neue Verbündete – eine Freundin mit der gleichen außergewöhnlichen Gabe. Gemeinsam begeben sie sich auf eine adrenalingeladene Fahrt, bei der sie die Geheimnisse hinter den rätselhaften Augendieben aufdecken. Eines der bemerkenswertesten Merkmale des Buches ist die Einbeziehung von Musik als Quelle des Mutes und der Inspiration für Lucy. QR-Codes ermöglichen es, die in der Geschichte erwähnten Lieder anzuhören. Sie verbessern das Leseerlebnis und ermöglichen es, sich besser mit Lucys Emotionen zu verbinden. Der Autor vereinigt nahtlos mysteriöse und romantische Elemente und schafft so einen Pageturner, den man kaum aus der Hand legen kann.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Lucy in the Sky

… und dann nehmen wir Berlin

Roman

von

Ulrich Markwald

… he’s a paperback writer

IMPRESSUM

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Ulrich Markwald

Lektorat /Korrektorat: Margarita Pflaum, Jan-Lukas Pflaum

Umschlaggestaltung, Illustration: Jan-Lukas Pflaum, Berlin

Internetpräsenz: Daniel Markwald, Düsseldorf

ISBN: 978-3-347-95681-0

Herstellung und Verlag:

In diesem Buch werden männliche und weibliche

Bezeichnungen nach Möglichkeit im Wechsel verwendet.

Die Songs können über die QR-Codes aufgerufen und bei

YouTube angehört und angeschaut werden.

Es gibt die Playlist auch komplett:

„Zuerst nehmen wir Manhattan, dann nehmen wir Berlin.“

Zitat aus dem Song von Leonard Cohen:

„First we take Manhattan, then we take Berlin“ 1988

Die Links und QR-Codes sind auf dem Stand von 08/2023

Alle Personen, Namen und Begebenheiten sind frei erfunden.

Etwaige Ähnlichkeiten wären rein zufällig.

VERLIES

Ein leises, aber hartes Klicken drang an ihr Ohr. Und ein Rauschen. Ein Ventilator? Sie wollte die Augen öffnen, konnte es aber nicht. Etwas lag auf ihrem Gesicht. Ein Verband? Hatte sie einen Unfall gehabt? O Gott, war etwas mit ihren Augen? Lag sie im Krankenhaus? Nein. Sie schnupperte. Es roch anders, nicht nach Desinfektionsmitteln, nicht nach frischer Bettwäsche, sondern feucht, muffig, stickig. Und ihr Kopf lag nicht auf weichen Kissen. Wo war sie?

Wie kam sie hierher? Sie konnte sich an nichts erinnern. Sie versuchte sich zu bewegen. Unmöglich, etwas hielt sie an Armen und Beinen fest. Fesseln? Der Lappen auf den Augen war nicht abzuschütteln, auch er war wohl festgebunden.

Ok, jetzt keine Panik, sagte sie sich, bleib ganz ruhig. Du heißt Lucy Madeleine Bucher, bist 32 Jahre alt und Soziologin. Du kommst mit solchen Situationen zurecht. Du hast schon ganz andere Abenteuer überstanden. Und Du bist aus Berlin. Aber woher weiß ich, dass das hier Berlin ist? Wo bin ich nur gelandet? Gelandet?

Da war doch etwas … Woran konnte sie sich erinnern? Bruchstückartig tauchten Fetzen von Bildern auf. Alles war durcheinander in ihrem Kopf. Und dieser schmerzte. Hatte sie wieder einmal Whisky mit Cola getrunken? Nein, dem hatte sie ein für alle Mal in China abgeschworen. Trotzdem waren ihre Sinne noch nicht klar und ihr Denken noch nicht auf 100% Leistung.

China – genau, da war sie gewesen. Sie versuchte sich zu erinnern. Sie war… mit dem Flugzeug in Berlin gelandet. Genau. Von einer langen Reise… aus China… sie musste sich zum Nachdenken zwingen… Sie waren in Pakistan zwischengelandet und wieder gestartet, und dann? Ein ewig langer Flug mit irgendeinem Typ mit komischem Dialekt. Irgendwas mit U im Namen. Ulrich? Urs? Justus?

Sie versuchte ihre Knie ein wenig anzuziehen. Da spürte sie einen Schmerz im Bein. Diese Empfindung brachte weitere Erinnerungen. Sie war vorher in Pakistan in einem Krankenhaus gewesen. Weshalb? Genau, wegen einer Schussverletzung. Über die Ursache waberte noch ein grauer Schleier.

Wieder klickte es. Dann ein Rumpeln. Befand sie sich in einem Sarg, der gerade in einem Krematorium abgeliefert worden war? Hatte sie einen Unfall gehabt und war für tot erklärt worden? Jetzt kam doch Panik in ihr hoch: Ich lebe noch! Ich will hier raus! rief sie, so laut, wie es ihr trockener Mund zuließ.

Bleib vernünftig, sagte sie sich. Vor der Einäscherung wartet man drei Tage, oder? Aber wie lange lag sie schon hier? Würde man eine Leiche fesseln? Und ihr die Augen verbinden? Nein.

Frag Deine Sinne, sagte sie sich: Was spüre ich? Ich spüre eine harte Unterlage. Ich kann mich ein paar Zentimeter bewegen, soweit es die Fesseln zulassen. Vielleicht liege ich auf Holz. Die Luft ist warm. Ja, es ist ja auch Sommer. Ich schwitze. Kleidung? Ich spüre keine Hose. O Gott, bin ich nackt? Nein, ich fühle meinen BH und zwischen den Beinen – genau, da ist ein Slip. An den Füßen? Sie wackelte mit den Zehen. Das könnten Socken sein, aber keine Schuhe.

Was rieche ich? Es riecht hier modrig, schimmelig, rostig, es riecht…

Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen… Der Geruch. Dieser blonde Typ mit der schwarzen Jacke am Flughafen, der mit ihr geflirtet hatte, der sagte, er habe sich soeben ein Parfüm gekauft, ob das wohl seiner Freundin gefallen würde? Ob sie mal daran riechen könne… und dann wurde alles schwarz vor ihren Augen. Der Schweinehund hatte sie mit irgendetwas betäubt…

Was höre ich? Wieder dieses harte Klicken, ein auf- und abschwellendes Brummen und dann Stille und … Atmen? Sie hielt die Luft an. Ja, da war noch jemand im Raum. Sie flüsterte:

Hallo?

Ihre Zunge fühlte sich furchtbar an – sie spürte einen schlechten Geschmack im Mund, irgendwie metallisch. Aber er war nicht verklebt oder geknebelt. Sie rief noch einmal ein zaghaftes Hallo in den Raum. Am Widerhall erkannte sie, dass es ein kleiner Raum war. Keine Antwort, nur ruhiges Atmen. Saß da jemand? Lag da noch jemand?

FIRST WE TAKE MANHATTAN*

Wir konnten ihren Weg nachverfolgen, der Chinese zog geräuschvoll an einer langen dünnen Pfeife. Es sind im Moment drei in Berlin, von denen wir wissen. Zwei halten wir gerade für Tests in einem versteckten Raum in einem U-Bahn-Tunnel fest.

Dann blies er einen stinkenden Rauch aus. War das Tabak, Tang, Torf oder Schlimmeres?

Die anderen Personen in dem kleinen kahlen Raum versuchten, die Luft anzuhalten und das Gesicht nicht zu verziehen.

Die eine Zielperson hat es mindestens dreimal eingesetzt, soweit unser Erkenntnisstand, fuhr er fort, die andere wohl öfter. Wir haben Aufnahmen von Überwachungskameras. Aber die geben nicht viel her. Sind zudem schwarz-weiß. Keine blauen Augen zu sehen. Ich will wissen, wie sie das hinkriegen! Sofort! Seine Stimme klang hart und fordernd. Ein Hustenanfall folgte.

Er machte wieder eine Pause um an seiner Pfeife zu ziehen. Es gab erneut ein röchelndes Geräusch, ob aus seiner Lunge oder der Pfeife war nicht genau zu unterscheiden.

(*Der Original Song ist von Leonard Cohen 1988, hier eine Cover-Version von Joe Cocker, 1999.)

In Amerika, in New York, genauer gesagt in Manhattan hat man weitere Personen mit diesen Fähigkeiten gefunden, fuhr er hustend fort. Wir konnten sie ebenfalls fixieren. Sie werden gerade untersucht. Wir müssen herausfinden, wie sie das machen, bevor es andere tun!

Den letzten Satz hatte er in den Raum gebrüllt. Alle zuckten zusammen.

Wir wollen diese Frauen, ihre Augen und ihre Fähigkeiten. Wir wollen hier in Berlin die ersten sein. Er hustete bellend. Wir wollen Berlin! Mit diesen Augen können wir die Welt beherrschen!

Wer ist „wir“? fragten sich die Gegenübersitzenden. Aber im Moment wollte ihn keiner unterbrechen. Denn der Mann zahlte gut, sehr gut, so gut, dass sie sich seine Tiraden immer wieder anhörten.

Der Mann mit der Pfeife drückte sich trotz der Lautstärke gewählt und in reinem Deutsch aus. Die Sprache stand ganz im Gegensatz zu seiner äußeren Erscheinung. Wenn er einem auf der Straße begegnet wäre, hätte man vielleicht die Straßenseite gewechselt. Ein kleiner hagerer Mann mit eingefallenen gelblichen Wangen und Narben an Händen, Armen und Hals. Seine Gesichtszüge sahen aus, als ob er gleich zuschlagen oder ein Messer ziehen würde. Etwas permanent Aggressives ging von ihm aus. Ein ehemaliger Söldner, ein Mitglied der Triaden? Zu diesem hätte die Pfeife vielleicht gepasst – aber dieses Röcheln?

Ihm gegenüber saßen drei ganz und gar unterschiedliche Gestalten. Ein attraktiver Mann mittleren Alters, gepflegtes Äußeres, leger gekleidet. Er versuchte über seine große Brille mit Goldrand, die ganz vorne auf der Nasenspitze saß, zu lächeln. Sein blondes Haar war perfekt gestylt. Er hätte einem Modemagazin entsprungen sein können. Wenn nicht dieses leichte Zucken um seine Augen und das Wippen seiner Knie gewesen wären, hätte man ihn für souverän entspannt halten können.

Neben ihm in der Mitte saß ein bemerkenswert großer Mann mit hartem kantigen Gesicht. Glatt rasiert. Ende zwanzig, in Camouflage-Hemd und -Hose, mit einem zynischen Zug um den Mund. Seine Muskeln spannten das Shirt so, als ob sie gleich die Nähte platzen lassen wollten. Auffällig waren seine orthopädischen braunen Schuhe. Er spielte an seinen breiten olivgrünen Hosenträgern, die er ein Stück anhob und dann schnalzen ließ. Immer wieder.

Das machte die Frau auf der rechten Seite ganz kribbelig. Sie schaute den Mann genervt an. Er beachtete sie nicht. Man musste sie auch übersehen. Sie trug ein graues Kostüm, das war so unauffällig, dass sie fast mit der grauen Wand dahinter verschmolz. Ungeschminkt, eine Allerweltsfrisur, eine graue Umhängetasche, graue Schuhe. Draußen hätte man sie völlig übersehen, alles in allem aber eine gute Tarnung.

Das Quartett hätte nicht ungleicher sein können, und doch hatten sie ein gemeinsames Ziel.

BLENDUNG

Ganz in der Ferne war da ein Plätschern, das Lucy an ihre volle Blase erinnerte. Irgendeinen Sinn musste das Ganze hier doch haben. Sie begann die Möglichkeiten durchzugehen. Lösegeld? Verwechselung? Ein Sexualstraftäter? Rache des chinesischen Geheimdienstes, dem sie kürzlich erst entwischt war?

Plötzlich unterbrachen Schritte ihre Gedanken. Eine Tür öffnete sich mit dem dazugehörigen Knarren.

Endlich, rief sie. Wo bin ich hier? Wer sind Sie? Können Sie mich losmachen? Ich muss dringend Pipi.

Die Schritte kamen näher. Jemand nahm ihr grob die Augenbinde ab und leuchtete ihr sogleich mit einer superhellen LED-Lampe in die Augen. Ein furchtbarer Schmerz schoss durch ihren Kopf. Ihre Augen hatten vermutlich stundenlang kein Licht gesehen und waren nun hyperempfindlich. Sie schrie auf und kniff sofort beide Augen zu. Eine harte Hand presste ihren Mund zu, ließ dann aber wieder los. Sie öffnete nun nacheinander ihre Augen. Wieder dieser Schmerz. Dann ein Blitz, als ob jemand ein Foto von ihren Augen machte. Endlich verschwanden die Hände. Vor ihren Augen tanzten nun fette rote Lichter, und in der Ferne explodierte etwas Orangenes, was unfassbar weh tat. Was soll das? stöhnte sie. Nun werde ich für immer blind sein, dachte sie. Meine schönen blauen Augen, meine Fähigkeit, mich mit meinen Augen zu wehren, das ist wohl für immer vorbei…

Dann Geräusche in ein oder zwei Meter Entfernung.

Was soll das, lasst mich los, wo bin ich hier? schrie Lucy. Sie zerrte an ihren Fesseln. Ohne eine Reaktion schlurften die Schritte davon. Eine Metalltür fiel ins Schloss. Ein Schlüssel wurde quietschend umgedreht.

Nach endlosen Minuten, oder waren es Stunden, ließ das Tanzen der roten Flecken und der Explosionen nach. Ein Punkt blieb. In einiger Entfernung. Ein rotes Licht. Sie konnte also doch noch etwas sehen. Vielleicht eine Kontrollleuchte? Von einem Lichtschalter? Lüftung? Ihre Augen tränten. Sie wusste nicht, ob vom Schmerz oder vor Verzweiflung.

Dann wieder das Brummen und Rumpeln. Es klang wie eine Straßenbahn. War sie in einem U-Bahn-Schacht? Sie hatte nun allerdings keine Augenbinde mehr. Hatte der Typ vergessen sie wieder anzulegen? Jetzt konnte sie auch das Rauschen und Klappern zuordnen. Es klang wie ein Lüftungsgitter mit Lamellen, dahinter ein Ventilator. Und das Klicken, wie, wenn jemand einen schweren Schalter umlegte. Sie wartete, horchte wieder auf das andere Atmen. Fragte erneut in den Raum. Sie konnte etwas den Kopf heben. Langsam nahmen die Dinge im Raum schwache Konturen an. Die kleine rote Leuchte und der Bewegungsspielraum ihres Kopfes gaben nicht viel her, aber sie konnte nun vage den Raum erkennen, der etwa 20 Quadratmeter groß zu sein schien. Neben ihr, in knapp zwei Metern Entfernung stand eine weitere Pritsche, von der das Atmen kam. Sie vermutete, dass diese Person ebenfalls gefesselt war. Sie schien zu schlafen. Oder war sie noch betäubt?

URS

Urs Hüetli arbeitete inzwischen in der Schweizer Botschaft in Berlin. In Zürich hatte man ihn abserviert, nachdem sein letzter Auftrag nicht zur Zufriedenheit des Schweizer Geheimdienstes ausgeführt worden war. Er hatte sich aussuchen können: Berlin in Deutschland oder Islamabad in Pakistan. Die Wahl war ihm nicht schwer gefallen. Er war nun so etwas wie ein Kulturattaché in der deutschen Hauptstadt. Mit 39 Jahren fühlte er sich zu jung für einen solchen Job.

Er durfte all die Veranstaltungen besuchen, für die sich der Herr Botschafter zu schade war. Meist musste er außer Smalltalk nichts machen und durfte hinterher ein Protokoll abgeben. Er stand in seinem dunkelblauen Anzug herum und hielt ein Glas in der Hand. Total öde. Wenigstens gab es interessante und abwechslungsreiche Büffets. Nur gut, dass er hier in Berlin so viele grüne Parks fand, in denen er joggen konnte. Sonst wäre er wohl am Ende seines Dienstes wie ein Käse zurück in die Schweiz gerollt, oder?

Hier langweile ich mich zu Tode, dachte er. Ich würde gerne wieder mit Lucy, Greg und Evelyn Abenteuer erleben. Justus, der oberschlaue Hochbegabte, musste nicht unbedingt dabei sein. Der ihn, Urs, immer wieder mal gehänselt, weil er gerne an jeden zweiten Satz ein oder? anfügte.

Afrika war schon krass gewesen, oder? Er war es gewesen, der Lucy damals aus dem Flugzeug geworfen hatte – mit Fallschirm natürlich. Eine Bombe war an Bord der Linienmaschine nach Südafrika vermutet worden. Sein Auftrag als Schweizer Agent war gewesen, einen wichtigen Speicherchip für die Eidgenossen sicherzustellen. Und den führte Lucy bei sich – ohne es zu wissen. Über der Wüste abzuspringen war natürlich nicht ungefährlich gewesen. Aber er brachte sie beide sicher nach Zinder, einer Stadt im westafrikanischen Niger. Von dort kam Lucy dann mit Greg und seinem Flugzeug weiter. Er, Urs, klinkte sich erst wieder in Botswana ein.

Von dort nach Südafrika gelangt, entrannen die drei mehrmals dem Tode, dank seiner cleveren Hilfe. Dort hatte er dann auch die attraktive Geheimdienstmitarbeiterin Evelyn van Dert kennen- und lieben gelernt. Er hatte gehofft, sie würde ihm in die Schweiz oder jetzt nach Deutschland folgen. Aber das wollte sie wohl nicht. Nun war er in Berlin, noch weiter weg von Pretoria als schon von Zürich aus. Gopfrid Stutz!

JUSTUS

Justus war wieder in sein altes Leben im HiTech-Forschungslabor in Berlin eingetaucht. Als Biologe im Bereich Gentechnik konnte er hier seine Begabungen ausleben, hier fühlte er sich wohl. Er arbeitete gerne im Team, und alle mochten den groß gewachsenen gescheiten Forscher, der sich nicht zu schade war, in Schutzkleidung an den Versuchen im Labor mitzuwirken. In der Forschung wollte er am Ball bleiben. Und er hatte mehr als drei Monate Zeit in China verloren. Zusammen mit Lucy war er dorthin entführt worden, um das 10x-Gen zu reproduzieren, das er kurze Zeit davor entdeckt hatte, und dessen Bauplan sich auf diesem Speicherchip befand. Wenn er daran zurück dachte, konnte er sich kaum noch vorstellen, dass sie tatsächlich den Roten Drachen entwischt waren. Diese chinesische Geheimorganisation hatte eigene Forschungszentren, in denen ohne Hemmungen und teilweise sogar ohne Regierungskontrolle Dinge getestet wurden, von denen andere Wissenschaftlerinnen auf der Welt nur träumen konnten.

Allerdings gab es auch ein ganz neues Leben für ihn – mit Lin. Die Ärztin hatte er in China auf der Flucht mit Lucy kennengelernt. Sie hatte ihnen das Leben gerettet, indem sie sie quer durch ganz China schleuste.

Lin floh dann mit ihm unter Einsatz ihres Lebens nach Deutschland. Die beiden waren immer noch verliebt, hatten eine kleine Wohnung in Berlin-Friedrichshain gefunden und suchten nun eine Arbeit für Dr. Sue Lin, wie sie eigentlich hieß. Sie war in China eine erfahrene und erfolgreiche Ärztin gewesen. Sie lernte sehr schnell Deutsch einschließlich der medizinischen Fachausdrücke. Obwohl Ärztinnen dringend gesucht wurden, machte die deutsche Bürokratie es ihr nicht leicht, einen Job zu finden. Zudem verliefen Bewerbungsgespräche mit ihr etwas spröde, da sie leicht autistische Züge zeigte. Kommunikation war nicht so ihr Ding. Aber sie arbeitete daran.

Immerhin gelang es Justus über seinen Kontakt zum Außenministerium, erst einmal eine vorübergehende Arbeitsgenehmigung für sie zu erhalten, bis die weiteren Formalitäten erledigt waren. Woher hatte er diesen Kontakt? Ihre Entführung nach China und ihr engagiertes Eintreten für die Flucht von Lucy hatten unweigerlich dazu geführt, dass sich die Bundesregierung verpflichtet fühlte, sie weiterhin zu unterstützen.

Obwohl sie wusste, dass sie mit ihrem Status keine großen Erwartungen haben durfte, startete Lin eine Initiativbewerbung bei allen 35 Krankenhäusern, die für sie gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar waren. Ein einziges antwortete positiv: Das Jüdische Krankenhaus in Berlin-Mitte. Dort bekam sie eine Stelle in der Notaufnahme, was sich noch als gute Fügung erweisen sollte.

NICHT ALLEIN

Hey, hallo, Du! Bist Du wach?

Lucy versuchte in dem Halbdunkel ihre Leidensgenossin zu erkennen. Woher wusste sie, dass es eine Frau war? Eine Ahnung, die sich sogleich bestätigte. Ein Stöhnen erklang, dann eine raue, aber weibliche Stimme:

Scheiße ooch, wo bin ick? Wat is passiert? Fuck ey, meene Zunge, meene Augen. Nach einer kleinen Pause: Wat is los – und wer bistn Du?

Ich heiße Lucy. Aber ich bin schon mal froh, hier nicht allein zu sein. Sie stöhnte. Ich wüsste auch gerne, wo wir sind, und warum. Haben sie auch bei Dir in die Augen geleuchtet? Ich spüre jetzt noch den Schmerz!

Ick war wohl betäubt, aber mir tun och die Augen weh. Scheiße! Sie stöhnte, riss an ihren Fesseln und fluchte. Nach eine Pause meinte sie:

Ick heiße Pandora, aber sag eenfach Pan zu mir. Et jibt immer wieder studierte Arschlöcher, die kommen mit: Oh, Pandora, kannst Du mir mal Deine Büchse zeigen? Ick hasse es!

Ok, Pan, ich kann gerade nicht lachen. Was ist hier los und wie kommen wir hier raus?

Ehe Pan antworten konnte, hörten sie, wie wieder der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.

DROHNEN-HILFE

Mit leichtem Sirren, fast mit dem Geräusch einer Windbö, landete die Drohne auf dem Dach der Lehmhütte der Medizinfrau. Eigentlich war Dr. Ngosi Swasi ganz normale Ärztin, hatte ihr Medizinstudium in Paris abgeschlossen, ihr Klinisches in Algier gemacht. Aber sie wollte unbedingt in ihr Dorf zurück, um eine medizinische Infrastruktur aufzubauen. Sie wusste, dass die Fahrt ins nächste Krankenhaus hier bis zu drei Tagen dauern konnte, was für viele Kranke einem Todesurteil gleichkam. Ihre Großmutter war auf diese Weise vor einigen Jahren an den Folgen einer Infektion gestorben.

Greg Shannon starrte gebannt auf den Monitor. Beide Hände lagen auf dem Steuerpad. Mit kleinsten Bewegungen konnte er mit diesem neuartigen Steuergerät die Drohne zentimetergenau steuern und landen lassen. Warum auf dem Dach? Eine Landung auf dem Boden hätte zu viel von dem roten Staub aufgewirbelt, der hier überall den Boden bedeckte und die Sicht beeinträchtigt. Dr. Swasis Bruder hatte auf dem runden Hüttendach eine hölzerne Plattform angebracht.

Dr. Swasi kam heraus. Sie trat so nah wie möglich an das Dach heran, um ins Mikro zu sprechen zu können, das Greg an der Drohne befestigt hatte.

Hello Ngosi, rief Greg.

Bon jour, Greg! rief sie fröhlich zurück, hast Du heute die Antibiotika dabei? um dann traurig fortzufahren: Heute morgen sind wieder zwei meiner Patientinnen gestorben, weil unsere Vorräte zur Neige gegangen sind.

Oh, das tut mir leid, antwortete Greg. Oui, Madame, Antibiotika sind dabei. Außerdem gibt es wieder Impfstoff gegen Meningitis C. Allerdings sind Ibuprofen und Propofol momentan ausverkauft. Ich habe bei Ärzte ohne Grenzen nachgefragt – die versuchen etwas für uns zu organisieren.

Bis zu 100 kg Medikamente und Verbandsmaterial konnte die Drohne in ihrem stabilen Transportnetz tragen. Je weniger Last, um so mehr Akkulaufzeit und Reichweite. Einziger Knackpunkt: Bei großen Entfernungen musste vor dem erneuten Start der Akku wieder aufgeladen werden. Das brauchte etwa vier bis acht Stunden und erfolgte über mehrere Solarpanel.

Drohnen, vor allem militärische, hatten inzwischen eine Reichweite von bis zu 200 km. Diese war in der Türkei hergestellt worden.

Früher war Greg hier zwei- bis dreimal im Jahr mit seinem kleinen Flugzeug gelandet. Aber mittlerweile wurde das immer gefährlicher. Er war zwar ein erfahrener Navypilot, hatte aber Amerika verlassen und versorgte nun als Buschpilot halb Afrika mit Hilfsgütern.

Er flog am liebsten allein. Ab und zu nahm er auch mal Passagiere mit. Auf diese Weise hatte er Lucy in Niger kennengelernt. Sie wollte damals unbedingt nach Pretoria, um einen Vortrag zu halten, konnte sich aber nicht auf Linienmaschinen verlassen, da alle ihre Wege überwacht wurden, weil sie, ohne es zu wissen, diesen begehrten Chip bei sich trug. Sie waren ein paar Tage mit seinem kleinen Flugzeug unterwegs gewesen. Die Zeit mit ihr hatte ihm wieder Hoffnung auf eine liebevolle Beziehung gemacht. Merkwürdig, es ging ihm so wie Lucy, ihm kam jetzt ein Song passend zu diesem Gefühl in den Sinn. The Way That I Love You - von Passenger.

Genau wie vor einigen Monaten, wurden die Flüge immer gefährlicher. Viele Gebiete waren aus der Luft kaum noch erreichbar, weil Terrororganisationen und Warlords ihre Herrschaft ausbreiteten. Entweder raubten sie die Ladung bei der Landung, oder sie beschossen wahllos Flugzeuge mit ihren modernen Waffen.

So setzte er statt seinem kleinen Flugzeug jetzt öfter diese Drohne in gefährlichen Gegenden ein. Wie kam ein Buschpilot an eine militärische Drohne?