Lucy und das Land von Morgen - Anya Kaldek - E-Book

Lucy und das Land von Morgen E-Book

Anya Kaldek

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Beschreibung

Von der Frage »Wer bin ich wirklich?« bis zur Erkenntnis »Ich bin Gestalter meines Lebens.« Die Zeitenwandel-Trilogie lädt dich ein, zwischen den Zeilen deiner Wirklichkeit zu lesen. »Was, wenn alles, woran du geglaubt hast, Teil eines perfekten Irrtums ist?« Anya Kaldek Vier Jahre sind vergangen, seit Lucy ihr altes Leben hinter sich ließ. In einem kleinen Küstenort in Spanien scheint sie endlich angekommen – bei sich selbst, bei Eloy, mit dem sie mehr teilt als nur ihr Leben, beim rätselhaften Aramis. Doch der Schein trügt. Die Welt draußen gerät aus den Fugen. Während überall neue Krisen aufflammen, werden auch Lucys Träume dichter – wie Botschaften aus einer anderen Wirklichkeit. Ein rätselhaftes Symbol taucht auf. Ein verborgenes Geheimnis drängt an die Oberfläche. Und etwas in ihr ruft: Lass los – die Geschichten von gestern, das Leben, das einmal war. Zusammen mit Aramis und Kendra, zwischen Quantenphysik und uraltem Wissen, begibt sich Lucy auf eine Reise in neue Bewusstseinsräume – durch Zeitlinien, Multiversen und kosmische Wahrheiten. Doch je mehr sie die Zusammenhänge begreift, desto klarer wird: Die Zukunft hat längst begonnen. Und sie stellt nur eine Frage: Bist du bereit, mitzugehen? Es geht um mehr. Es geht um alles. Tief. Bewusst. Transformierend. »Ein Buch, das mehr will als bloße Unterhaltung – es rüttelt auf, inspiriert und schenkt Hoffnung. Genau zur richtigen Zeit.« - Leserstimme

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Seitenzahl: 283

Veröffentlichungsjahr: 2025

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I M P R E S S U M
Lucy und das Land von Morgen
Anya Kaldek
ISBN 978-3-69111-340-2
Copyright © 2025 by Anya Kaldek
Alle Rechte vorbehalten.
Coverdesign: Peter Müller / Anya Kaldek
eBook-Erstellung: Peter Müller
Illustrationen Copyright by Anya Kaldek
Autor: Anya Kaldek
Ctra. Moraira-Teulada 62/103
03724 Moraira/Spanien
www.anyakaldek.com
Erschienen bei Ayna World Publishing
www.ayna.world
Table of Contents
Impressum
Prolog
Ankunft im Zwischenreich
Zwischen Wellen und Wandel
Wo der Widerstand endet
Aus Erinnerungen werden Brücken
Die Architektur der Angst
Traum Licht vor dem Fall
Das Erwachen der Elemente
Die Illusion der Sicherheit
Weg ohne Rückkehr
Wenn der Schleier fällt
Traum Der Kreis aus Stein
Vertraute Gefährten
Die Melodie der Elemente
Das Gedächtnis des Wassers
Die Glut des Lebens
Wähle die Richtung – nicht den Wind
Traum Die Stadt aus Glas
Zwischen zwei Welten
Sende, was du suchst – und empfange, was dich ruft
Der Weltenzyklus
Wo die Seele Halt findet
Die Weisheit des Körpers
Die 5 Schlüssel
Schwingung der Wahrheit
Traum Die Wüste
Superwoman
Die Rückkehr der Schönheit
Im Herzschlag der Erde
Der Zweifler in der Nacht
Von Dimensionen und Multiversen
Der Ruf nach Wahrheit
An der Schwelle des Wandels
Traum Die Geburt
Wandler durch Raum und Zeit
Du warst immer der Ozean
Zwischen den Wellen der Zeit
An der Schwelle zum Neuen
Epilog
Danksagung
Vita
Weitere Bücher
In Verbindung bleiben
Prolog

 

Wer ist diese Anya – und woher kommt das, was sie da schreibt? Vielleicht stellst du dir genau diese Frage. Und das ist gut so. Denn nichts in diesem Buch soll einfach geglaubt werden. Du darfst es hinterfragen – und spüren, was sich in dir stimmig anfühlt.
Ich schreibe diese Zeilen nicht, weil ich alle Antworten gefunden hätte – sondern, weil ich nie aufgehört habe, Fragen zu stellen. Seit über dreißig Jahren bin ich auf der Suche. Nach Wahrheit. Nach Sinn. Nach dem, was hinter den Dingen liegt. Und, ganz einfach: nach dem Glück, das nicht vergeht.
Fragen nach Bewusstsein, Energie, Frequenz, Heilung, innerem Wachstum, Trauma, Realität und der Natur unserer Seele haben mich begleitet – und tun es bis heute. Ich habe Hunderte von Büchern gelesen, unzählige Stunden in Seminaren verbracht, Podcasts gehört, Interviews verfolgt, wissenschaftliche Artikel studiert – immer mit dem tiefen Wunsch, zu verstehen, was dieses Leben im Kern wirklich ist.
Über fünfzig Mal bin ich in meinem Leben umgezogen. Schon als Kind habe ich in verschiedenen Ländern gelebt, Kulturen gespürt, Unterschiede erlebt – und früh begonnen, das Verbindende hinter all dem zu suchen. Seit über zwölf Jahren lebe ich nun in Spanien. Noch immer unterwegs. Doch heute weiß ich: Es geht nicht darum, endlich irgendwo anzukommen. Es geht darum, den Weg bewusst zu gehen – wach, mit offenem Herzen und dem Mut, immer wieder neu zu beginnen. Und einer Prise Leichtigkeit.
Meine Kindheit war geprägt von Erfahrungen, die kein Kind erleben sollte – von Grenzerfahrungen, die mich fast zerbrochen hätten. Und doch: Gerade sie haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Sie haben in mir etwas geöffnet – eine tiefe Verbindung zu meinem höheren Selbst, zu meiner Intuition, zu einer inneren Stimme, die mich durch jede Dunkelheit geführt hat.
Ich habe gelernt zu unterscheiden: zwischen Angst und Wahrheit. Zwischen übernommenen Konzepten und gelebter Erkenntnis. Zwischen Anpassung – und dem Mut, ganz ich selbst zu sein.
Ich schreibe nicht, um zu überzeugen. Ich schreibe, um zu erinnern. Daran, dass in dir etwas lebt, das unzerstörbar ist. Daran, dass du nicht allein bist auf diesem Weg. Und daran, wie unglaublich schön und kraftvoll es ist, dein wahres Selbst zu erkennen – jenseits aller Geschichten.
Dieses Buch ist mein Beitrag zu diesem Wandel, den wir alle gerade erleben – nicht als Krise, sondern als tiefgreifende Neuorientierung. Es will Mut machen, diese Zeit nicht nur zu überstehen, sondern sie bewusst mitzugestalten. Mit Klarheit, Herz und Stolz – weil du Teil von etwas Größerem bist. Für eine Zukunft, die nicht irgendwo beginnt – sondern in dir.
Ankunft im Zwischenreich
»Nicht jeder, der fällt, stürzt ins Dunkel. Manche beginnen dort zu leuchten.«

 

 

Es beginnt mit einem Schlag. Kein Laut – aber ein Riss im Inneren.
Ein Sturz. Nicht durch Raum, sondern durch Gefühl.
Dann wird alles schwer.
Etwas presst die Form nach unten, hinein in einen Körper, der nicht vertraut ist.
Der Atem setzt ein – ruckartig, ungeschickt.
Dichte Luft. Hart. Ungefiltert.
Die Augen reißen sich auf.
Licht. Staub. Wind.
Der Körper liegt auf dem Boden. Stein unter den Fingern, trocken, rau.
Die Hände zittern. Sie gehören nicht dazu – und doch sind sie da.
Ein Versuch, sich aufzurichten – aber der Körper folgt nicht.
Zu neu. Zu fremd.
In der Ferne: Stimmen. Ein Flimmern. Dann wieder Stille.
Der Leib krümmt sich zusammen.
Etwas pulsiert im Kopf. Kein Schmerz. Erinnerung.
Doch sie zerfällt, sobald danach gegriffen wird.
Bruchstücke bleiben zurück: ein Name, den niemand kennt.
Ein Auftrag, der zu groß war.
Ein Versprechen, das nicht gehalten werden konnte.
Hände schlagen vors Gesicht. Der Atem geht stoßweise – wie etwas, das erst neu gelernt werden muss.
Wie lange vergeht so?
Dann: ein Laut.
Wasser.
Der Kopf hebt sich.
Vor dem Körper: eine Quelle. Klein. Klar.
Langsam kriecht die Gestalt näher, stützt sich mühsam ab.
Finger graben sich in den Boden.
Der Körper beugt sich hinunter. Trinkt.
Und in diesem Moment wird es spürbar:
Es gibt kein Zurück.
Nicht in diesem Leben.
Ein Blick in das Wasser.
Ein Gesicht erscheint. Fremd. Unvertraut.
Aber irgendwo tief innen liegt ein Wissen:
Das hier ist ein Anfang.
Seelenwege - Die Seele nimmt Gestalt an – immer wieder, in neuen Erfahrungen.
Zwischen Wellen und Wandel
»Manche Wunden heilen nicht durch Zeit, sondern durch Wahrheit.«
Mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt liege ich an Deck und beobachte, wie weiße Wölkchen sanft über den tiefblauen Himmel ziehen. Die strahlende Maisonne taucht mich in wohlige Wärme. Eloys Segelboot liegt sicher im kleinen Hafen von Moraira verankert. Oft komme ich hierher, umgeben vom salzigen Duft der Meeresluft, dem leisen Klirren der Segelmaste und dem sanften Spiel der Wellen. Hier fühle ich mich frei – ein Gefühl, das in den letzten vier Jahren auf eine harte Probe gestellt wurde.
Sanft wie die Wogen, die sich um unser Segelboot schmiegen, treiben meine Gedanken durch diese Zeit. Die vergangenen Monate waren geprägt von unvergesslichen Momenten – schmerzvollen wie schönen. Das sanfte Schaukeln des Boots wiegt meine ruhelosen Gedanken, fängt sie ein und trägt sie hinaus in die Weite des Ozeans. Stück für Stück verliere ich mich tiefer in ihnen ...
Vor vier Jahren geriet unsere Welt ins Wanken – auf eine Weise, wie wir es nie zuvor erlebt hatten. Rückblickend erkenne ich jenen Wendepunkt, an dem die Veränderungen unübersehbar wurden: die Zeit der Mikrobenkrise. Sie hat nicht nur unseren Alltag erschüttert, sondern auch unseren Blick auf die Realität für immer verändert.
Der Konflikt zwischen den Kräften der Fremdbestimmung und dem erwachenden Bewusstsein wird für immer mehr Menschen spürbar. Sie beginnen, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen, folgen den leisen Impulsen ihres Herzens und suchen nach neuen Wegen des Miteinanders. Allmählich erkennen sie, dass sie mehr sind als bloße Rädchen in einem System, das sie klein hält – und dass Veränderung möglich ist.
Mit jedem Tag wird spürbarer, dass die Welt einen Neuanfang braucht – einen, der auf Liebe, Mitgefühl und Gerechtigkeit gründet. Doch wie kann dieser Wandel gelingen? Wo setzen wir an? Und welche Rolle kann ich darin spielen? Wenn ich mich umschaue, scheint es, als würde alles nur noch weiter aus den Fugen geraten.
Kurz bevor der Wahnsinn die Welt erfasste – im Dezember 2019 –, hatten wir große Pläne geschmiedet. Eloy und ich wussten, dass wir zusammengehören. Jetzt, im Rückblick, staune ich über meinen eigenen Mut: Ich ließ mein altes Leben vollständig hinter mir und zog zu ihm nach Spanien. Und doch war es am Ende überraschend einfach. Das Leben hier ist ein Geschenk – die Sonne, die fast das ganze Jahr über scheint, die Gelassenheit der Menschen und das magische Meer direkt vor unserer Haustür. All das macht vieles leichter – oder zumindest erträglicher.
Und dann ist da Aramis – mit seiner stillen, weisen Art. Auch ihn möchte ich an meiner Seite nicht mehr missen. In dieser herausfordernden Zeit ist seine Präsenz wie ein innerer Anker, der mich daran erinnert, ruhig zu bleiben, auch wenn draußen alles in Bewegung ist.
Als ich im Januar 2020 aus Deutschland nach Spanien zurückkehrte, fühlte sich alles nach einem Neuanfang an – als hätte das Leben uns eine weiße Leinwand geschenkt, bereit für unsere Träume und Visionen. Aramis bot mir an, gemeinsam im Entre los Mundos, seinem kleinen Hotel, zu arbeiten. Begeistert schmiedeten wir Pläne: Er wollte den Gasthof in ein Refugium verwandeln – einen Ort der Begegnung und Stille zugleich. Einen Raum, in dem sich Suchende austauschen, innerlich zur Ruhe kommen und neue Perspektiven entdecken können. Kurz gesagt: ein Ort, an dem die Freude am Leben genährt wird – eine Zwischenstation auf der inneren Reise.
In den ersten zwei Monaten steckten wir all unsere Energie und Hingabe in die Vorbereitung. Mit Begeisterung richteten wir Entre los Mundos so ein, wie wir es uns für unsere zukünftigen Gäste wünschten: offen, inspirierend, frei von starren Konzepten. Statt fertiger Programme wollten wir Raum schaffen für echte Begegnungen, spontane Impulse und gemeinsames Nachdenken. Hier sollte jeder in seinem eigenen Tempo ankommen dürfen – mit dem, was ihn bewegt, und der Offenheit für das, was sich zeigen möchte.
Am Hotel nahmen wir nur wenige Veränderungen vor – die Atmosphäre war schon immer einzigartig. Der idyllische Garten mit seinen rustikalen Holztischen, dem majestätischen alten Olivenbaum im Zentrum, umgeben von duftenden Obstbäumen und aromatischen Kräutern für Aramis’ köstliche Küche, verströmte seinen ganz eigenen Zauber. Wenn morgens die ersten Sonnenstrahlen auf die weiß getünchten Mauern fallen und das Licht sanft mit den Natursteinen spielt, entsteht eine warme, fast zeitlose Stimmung. Und wenn die Dämmerung hereinbricht, tauchen unzählige Lampions und flackernde Kerzen den Garten in ein magisches Leuchten – als hätte die Nacht selbst ihre Sterne herabgesandt.
Eloy und ich waren begeistert, als Aramis uns eine Unterkunft im Nebengebäude des Hotels anbot – versteckt hinter dem schützenden Grün des Gartens. Es war zwar schlicht, doch für uns ein echtes Nest. Unser kleines Zuhause bestand aus einem Raum mit Kochzeile und Minibadezimmer – und für das Gefühl von Weite gab es Eloys Segelboot. Für ihn, den Freigeist, war es ungewohnt, sesshaft zu sein, und auch ich brauchte Zeit, mich ganz auf eine Partnerschaft einzulassen. Doch je turbulenter die Welt um uns wurde, desto enger wuchsen wir zusammen.
Die ersten Wochen in Spanien verflogen. Wir füllten unsere Tage mit lebendigen Gesprächen über Träume, Reisen und neue Abenteuer. An warmen Abenden saßen wir unter den Sternen, planten gemeinsame Projekte und spürten, dass wir genau am richtigen Ort waren – voller Vorfreude auf das, was vor uns lag.
Doch bald änderte sich alles. Der 15. März 2020 – ein Datum, das sich ins kollektive Gedächtnis einbrennen sollte. Unser unbeschwertes Leben fand abrupt ein Ende.
Was mich von Anfang an irritierte, war die Reaktion der Regierungen. In Krisenzeiten versucht man normalerweise, Panik zu vermeiden – doch diesmal schien das Gegenteil der Fall. Angst wurde geschürt, in einem Ausmaß, das ich so noch nie erlebt hatte.
In Spanien veränderten die getroffenen Maßnahmen unser aller Leben radikal. Plötzlich sollten wir unsere Häuser nicht mehr verlassen – bevormundet wie Kinder. Anfangs nahm ich es nicht ernst, doch schnell wurde klar: Eigenverantwortung und gesunder Menschenverstand waren nicht mehr gefragt. Abweichende Meinungen wurden unterdrückt, selbst die von anerkannten Fachleuten. Menschen wie Aramis und Kendra, mit ihrem umfassenden Wissen über Heilung und Gesundheit, hätten wertvolle Perspektiven beitragen können – doch Diskussionen wurden unterbunden, alternative Ansätze nicht zugelassen.
Bald erkannten wir, dass dieses Phänomen weltweit um sich griff – besonders in Deutschland, wo sich die Maßnahmen mit der Zeit immer weiter verschärften. Ein Spiel mit der Angst begann: Angst vor Krankheit, Verlust, Tod, sozialer Isolation und wirtschaftlichem Ruin. Rückblickend fühlt sich diese Zeit an wie ein Kapitel aus einem dystopischen Roman – unwirklich und beängstigend zugleich.
Auch wir blieben nicht von existenziellen Sorgen verschont. Die ersten Buchungen für unser neues Konzept trafen ein, und voller Vorfreude standen wir am Anfang unseres Projekts. Doch dann – Stillstand. Plötzlich waren Einreisen verboten, und all die Pläne, in die wir so viel Herzblut gesteckt hatten, entglitten uns. Unsere berufliche Existenz geriet ins Wanken, die Zukunft erschien ungewiss. Wir hatten alles in dieses neue Leben investiert – und nun stand die drängende Frage im Raum: Wovon sollen wir leben?
In dieser turbulenten Zeit war Aramis unser ruhender Pol. Er erinnerte uns immer wieder daran, wie wichtig es ist, Vertrauen in uns selbst zu entwickeln – gerade dann, wenn im Außen alles ins Wanken gerät. Er sagt ja oft, unsere Seele habe sich dieses Leben selbst ausgesucht. Manchmal stelle ich mir vor, wie ich an einem stillen Ort zwischen den Welten sitze und im Katalog der Inkarnationen blättere. Und frage mich: Musste es ausgerechnet diese Zeit sein?
Doch wie Aramis meint: Dies ist eine ganz besondere Zeit. Eine Zeit, in der etwas Altes zu Ende geht – und etwas Neues, noch Ungekanntes, beginnt. Viele bewusste Wesen haben sich genau dafür entschieden, jetzt hier zu sein. Nicht, weil es leicht ist. Sondern weil es bedeutend ist. Weil inmitten des Umbruchs ein neues Bewusstsein geboren wird.
Was mich damals überraschte: Trotz aller Herausforderungen lernte ich, mit immer weniger auszukommen – und dabei etwas Tieferes zu finden, das bleibt. Ich begann zu verstehen, was wirklich zählt. Und es sind oft die Dinge, die wir als selbstverständlich betrachten – weil sie uns ganz natürlich gegeben sind.
Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hatte ich es genau deshalb gewählt.
Nicht trotz dieser Zeit. Sondern wegen ihr.
Wo der Widerstand endet
»Kämpfen hält fest – Loslassen befreit.«
Eine Möwe kreischt über mir und reißt mich aus meinen Gedanken. Die Sonne taucht den Himmel in warme Goldtöne, der Tag neigt sich dem Ende zu, und bald treffen die neuen Gäste ein.
Ich verlasse das Boot und mache mich auf den Weg zurück zum Hotel. Seit einigen Monaten läuft es endlich gut – immer mehr Menschen entdecken unser neues Konzept. Die Beschränkungen sind aufgehoben, Touristen strömen wieder ins Land, und ein Hauch von Normalität liegt in der Luft. Zumindest auf den ersten Blick. Doch hinter dieser Fassade bahnt sich etwas Größeres an. Die Welt verändert sich – spürbar, unausweichlich. Aramis spricht von Umwälzungen, die längst begonnen haben. Ich kann es nicht benennen, nicht erklären, aber ich spüre es. Da ist etwas, das sich bewegt. Etwas, das gehört werden will. Und ich werde hinhören.
Noch in meine Gedanken versunken, betrete ich das »Entre los Mundos«. Die alte Holztür schwingt leise auf, darüber das hölzerne Schild mit den goldenen Buchstaben, das in der Abendsonne schimmert – »Entre los Mundos«. Meine Hand streicht über die duftenden Kräuter, während ich den Garten überblicke. Aramis und Eloy sind damit beschäftigt, die Tische zu arrangieren. Eloy hat seine dunklen Haare zu einem kleinen Zopf gebunden, wie es die Gitanos oft tun – mein spanischer Freigeist, ungebunden und doch mit einer Tiefe, die ihn unverwechselbar macht. Aramis hingegen, mit seinem weißen Bart und den wirren Haaren, wirkt, als wäre er einem Fantasyroman entsprungen – ein weiser Magier, bereit für das nächste Kapitel.
Ich muss schmunzeln, sie sehen aus wie Zorro und Dumbledore – zwei Welten, die sich auf seltsame Weise ergänzen.
Wenn ich hier so in diesem urigen Garten stehe – umgeben von warmem Lampenlicht, duftenden Zitrusbäumchen und alten Holztischen –, fühlt es sich an, als wäre ich nicht nur Zuschauerin, sondern mittendrin in einer Geschichte – einer, in der neue Herausforderungen bereits auf uns warten. Die weißen Wände des Hauses leuchten sanft im letzten Licht, die alten Holzfenster stehen offen, und aus dem Inneren dringt der würzige Duft von Minze, Zitrone und frisch gebackenem Brot. Irgendwo klirrt leise Geschirr, und die Luft ist erfüllt von einer Wärme, die nicht nur vom Sommer kommt, sondern von dem Geist dieses Ortes.
»Hola, cariño!« Eloy drückt mir einen dicken Kuss auf die Wange, sein Blick voller Wärme.
»Hey, ihr beiden. Ihr seid schon fertig? Entschuldigt, ich war so in Gedanken vertieft, dass ich die Zeit aus den Augen verloren habe.«
Aramis lächelt gelassen. »Macht nichts. Es ist noch Zeit für eine Tasse Tee.« Mit einer ruhigen Geste deutet er auf den Tisch unter dem großen, alten Olivenbaum. Eloy und ich nehmen Platz, während sich die Abendluft mit dem sanften Duft nach Kräutern mischt.
Kurz darauf setzt sich auch Aramis zu uns, ein Tablett mit dampfendem Tee vor sich. Der würzige Duft von Minze und Zitrone erfüllt den Garten, und für einen Moment scheint die Welt stillzustehen.
Heute steht ein entspannter Abend mit gutem Essen und lockerer Atmosphäre an. Ich liebe diese ersten Zusammenkünfte, wenn die Menschen sich allmählich öffnen, und aus anfänglicher Zurückhaltung ein inspirierender Austausch entsteht.
Spätestens, wenn Eloy seine Gitarre hervorholt, verfliegen letzte Unsicherheiten. Die Gespräche werden vertrauter, das Lachen ungezwungener – und aus Fremden wird in kürzester Zeit eine Gemeinschaft, verbunden durch den Moment.
Ich wende mich an Eloy. »Bist du schon mit deinem Presseartikel fertig?« Seit Beginn der Krise hat er als freier Journalist immer weniger Aufträge.
»Der wurde abgelehnt.«
»Oh.«
Eloy zuckt mit den Schultern, doch in seinem Blick liegt eine Mischung aus Frustration und Resignation. »Tja, andererseits macht mir die Arbeit für Zeitungen und Magazine ohnehin immer weniger Freude. Seit Journalisten dazu angehalten werden, ›Haltung‹ zu zeigen – aber nur in eine bestimmte Richtung –, sehe ich meinen Beruf nicht mehr als Aufklärung, sondern als verlängerten Arm der Obrigkeit.«
Er lehnt sich zurück, fährt sich nachdenklich durch die dunklen Locken. »Es gab eine Zeit, da war Journalismus neutral. Heute darfst du vieles denken – aber nicht alles laut sagen. Und genau da beginnt die schleichende Aushöhlung der Meinungsfreiheit.«
Ich hebe die Augenbraue und schmunzle. »Die Einschränkung der Meinungsfreiheit fällt halt nur denen auf, die überhaupt eine eigene Meinung haben.«
Aramis nickt langsam. »Wie sagte George Orwell so treffend: ‚Journalismus bedeutet, etwas zu bringen, von dem andere wollen, dass es nicht veröffentlicht wird. Alles andere ist Propaganda.‘«
Eloy legt eine Hand auf sein Herz, sein Blick wirkt erschöpft. »Dazu kommt, dass mich die ganzen Recherchen emotional runterziehen.«
Ich verstehe ihn. »Das kann ich gut nachvollziehen. Am Anfang der Krise habe ich förmlich alles aufgesogen, was in den alternativen Medien kursierte – jedes Video, jedes Interview, das mir in die Hände fiel. Ich hatte das Gefühl, diese Informationen unbedingt weitergeben zu müssen. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass jeder in seiner eigenen Realität lebt. Man kann niemanden ›aufwecken‹, wenn er nicht selbst dazu bereit ist. Jeder hat seinen eigenen Weg, seine eigene Zeit. Trotzdem gibt es Momente, in denen ich mich machtlos fühle – als müsste ich meine Stimme erheben, um gegen all das anzukommen.«
Aramis hebt leicht den Kopf. »Ich verstehe dich. Doch bedenke, jedes Mal, wenn du einen anklagenden Beitrag teilst, likest oder mit dem Finger auf die Regierenden zeigst, fütterst du das alte System. Entziehe ihm deine Energie. Richte deinen Fokus nicht auf das, was du bekämpfen willst, sondern auf das, was neu entstehen soll.«
Ich nicke. »Das Gesetz der Resonanz.«
»Exakt. Aufklärung ist wichtig, keine Frage. Aber sie sollte nicht mehr als zehn Prozent deiner Zeit einnehmen. Der wahre Wandel entsteht nicht durch Kampf gegen das Alte, sondern durch das Erschaffen des Neuen.«
Etwas resigniert nicke ich. Aramis spürt immer, wenn ich eine Aufmunterung brauche. »Kennt ihr die Geschichte von König Artus und der bösen Morgain?«
Eloy und ich nicken. »Jaaa, schon.«
Aramis lehnt sich entspannt zurück, sein Blick durchdringend. »Es gibt eine besonders schöne Variante dieser Geschichte …«
»Erzähl schon«, meint Eloy und sieht neugierig zu Aramis.
Aramis nimmt einen Schluck Tee und beginnt: »In dieser Version kämpfen König Artus und seine Ritter immer wieder gegen die böse Morgain. Doch je mehr sie sich ihr entgegenstellen, desto mächtiger wird sie. Ihre Angriffe werden heftiger, ihre Magie stärker, und es scheint, als könne sie nicht besiegt werden.«
Ich runzle die Stirn. »Aber sie sind doch die Guten, warum gelingt es ihnen nicht, sie zu bezwingen?«
Aramis hebt eine Augenbraue. »Weil sie genau das tun, was Morgain will – sie kämpfen gegen sie. Und mit jedem Kampf schenken sie ihr Aufmerksamkeit, Energie, ja, sogar Macht. Die Ritter sind fest entschlossen, sie zu besiegen, doch alles, was sie damit erreichen, ist, dass sie noch stärker wird.«
Eloy lehnt sich vor. »Also gibt es keinen Ausweg?«
Aramis schüttelt langsam den Kopf. »Doch. Irgendwann erkennen Artus und seine Ritter, dass der Kampf aussichtslos ist. Doch anstatt aufzugeben, treffen sie eine radikale Entscheidung: Sie ignorieren Morgain. Kein einziges Schwert wird mehr gegen sie erhoben, kein Ritter richtet mehr seine Gedanken auf sie. Sie hören auf, sie als Feindin zu betrachten. Und dann geschieht das Unglaubliche – Morgain beginnt ihre Kraft zu verlieren. Ohne die Aufmerksamkeit der Ritter, ohne den Widerstand, gegen den sie sich stemmen kann, schwindet ihre Macht, bis sie schließlich ganz verschwindet.«
Ich lasse die Worte auf mich wirken. »Das klingt fast zu einfach …«
Aramis schmunzelt. »Einfach? Nein.
Es braucht Mut, etwas nicht mehr zu bekämpfen, das du als Bedrohung siehst. Doch genau darin liegt die Erkenntnis: Was du bekämpfst, wächst. Was du nicht mehr nährst, vergeht.«
Ich lehne mich zurück und blicke in die flackernden Lichter des Gartens. »Also liegt der Schlüssel nicht im Widerstand, sondern darin, die eigene Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was wirklich wachsen soll.«
Aramis nickt zufrieden. »Exakt.«
Ich seufze. »Du hast ja recht, aber es macht mich wütend. Warum hinterfragen so wenige, warum fügen sich so viele einfach?«
Aramis hält meinem Blick stand. »Weil es genau so geplant ist.«
Seine Worte hallen nach, doch bevor ich antworten kann, hebt er ruhig die Hand. »Mehr dazu später. Jetzt kümmern wir uns erst mal um unsere Gäste.«
Ich atme tief durch, spüre die laue Nachtluft auf meiner Haut. Die Fragen in meinem Kopf bleiben, doch für den Moment lasse ich sie ziehen. Die Antworten werden kommen. Aber nicht heute. Heute zählt das Jetzt.
Herzbewusstsein - Die innere Ausrichtung lässt das Herz aufsteigen.
Aus Erinnerungen werden Brücken
»Heilung beginnt, wenn Worte fließen.«
Der Abend legt sich sanft über uns, während wir in dieser besonderen Runde zusammensitzen. Ein leiser Zauber liegt in der Luft – die ersten zaghaften Gespräche sind längst in lebhafte Unterhaltungen übergegangen. Unsere neuen Gäste, so verschieden sie auch sein mögen, finden schnell zueinander und bereichern den Kreis mit ihren Geschichten, Gedanken und Energien.
Da sind Emma und Harry, ein zurückhaltendes älteres Paar aus Süddeutschland, das aufmerksam lauscht und mit ruhigen Worten das Gespräch lenkt. Laura, eine junge Frau mit seriösem Auftreten, hinterlässt mit ihrer geordneten Art den Eindruck, stets die Kontrolle zu behalten. Marlon, ein Mann mittleren Alters mit müden Augen, wirkt, als hätte er schon vieles gesehen.
Fabian und Samira, ein aufmerksames Paar, nehmen alles um sich herum genau wahr. Bei ihr verrät ein feiner arabischer Einschlag ihre Herkunft, doch in ihrem Blick liegt eine unterschwellige Rastlosigkeit. Sandy und Mike, ein lebensfrohes Paar, tragen ihr Lachen offen – sie aus Deutschland, er mit unverkennbarem österreichischen Dialekt.
Mit Aramis, Eloy und mir ist die Runde komplett.
In der kleinen Küche bereitet Aramis mit ruhiger Hingabe die Speisen zu. Während er die Teller mit kunstvollen Tapas anrichtet, erfüllt der warme Duft von Zitrusfrüchten, Jasmin, geröstetem Knoblauch und frischen Kräutern die Luft. Die Aromen vermischen sich, laden ein, den Moment zu genießen.
Die Nacht ist jung, die Gespräche gerade erst erwacht – und in dieser Runde liegt das Versprechen eines Abends, der mehr ist als nur eine Begegnung.
In unserem Garten, umhüllt vom warmen Schein der Kerzen und dem sanften Glühen der Lampions, liegt eine südländische Leichtigkeit in der Luft. Das leise Klirren der Gläser mischt sich mit fröhlichem Lachen, während ein Hauch von Sommer und Leben durch die Nacht weht. Über uns funkelt der Sternenhimmel, und die Gespräche fließen mühelos – über Heimat, Berufe, Familie und die kleinen Geschichten des Lebens.
Je später der Abend wird, desto tiefgründiger werden die Gespräche. Die Tische rücken näher zusammen, als würden sie die entstehende Verbundenheit widerspiegeln. Wir teilen Geschichten aus den letzten vier Jahren – Erlebnisse, die uns erschüttert haben, die unsere Sicht auf die Welt verändert haben.
Nach und nach wird spürbar: Viele unserer Gäste sind nicht nur auf der Suche nach Erholung, sondern nach Antworten. Sie beginnen, den Schleier der Illusion zu lüften, hinterfragen das Offensichtliche und ahnen, dass hinter der Fassade der Welt weit mehr verborgen liegt, als es den Anschein hat.
Es ist spannend, zu erleben, wie jeder seine eigenen Erkenntnisse einbringt. Die Gespräche sind tiefgehend, doch die Stimmung bleibt gelöst. Während die Nacht fortschreitet, kreisen unsere Gedanken um die unsichtbaren Strukturen, die unser Leben formen – und die Frage, warum wir uns so oft gegen unsere eigenen Interessen stellen.
»Warum lassen wir so vieles mit uns machen, obwohl es uns nicht guttut?« Meine Frage hängt einen Moment in der Luft, und die Gespräche verlangsamen sich. Nachdenkliche Blicke wandern über den Tisch.
Jeder hat eine Geschichte, einen Moment, in dem er sich den äußeren Einflüssen gebeugt hat – oft ohne es zu merken.
Laura, die hübsche Frau mit den kurzen blonden Haaren aus dem Norden Deutschlands, hebt den Blick und beginnt leise zu erzählen. »Ich bin von Natur aus offen, gehe gerne auf Menschen zu. Zwischenmenschlicher Austausch bedeutet mir viel. Doch in jener Phase, in der Angst und Vorsicht den Alltag bestimmten, begann sich mein Umfeld nach und nach zu distanzieren. Plötzlich traute sich niemand mehr, die Hand zu reichen oder eine Umarmung zu wagen – aus Angst vor Ansteckung. Alle hielten Abstand, verbargen sich hinter Masken, als könnten sie sich so schützen.«
Sie hält einen Moment inne, ihr Blick fällt auf ihre Hände. »Anfangs dachte ich, es sei nur vorübergehend, doch irgendwann merkte ich, dass sich diese Verhaltensweisen in mein eigenes Leben eingeschlichen hatten. Ich tat es genauso. Ich machte mit, in der Hoffnung, dass alles bald wieder normal sein würde – dass ich abends wieder mit Freunden im Café sitzen, tanzen gehen oder einfach meine ältere Nachbarin mit einem Stück Kuchen besuchen könnte.«
Laura seufzt leise. »Aber mit der Zeit wurde mir bewusst, wie sehr mich diese scheinbar kleinen Einschränkungen verändert hatten. Ich fühlte mich isoliert, nicht nur von anderen, sondern auch von mir selbst. Ich sehnte mich nach Nähe, nach echten Begegnungen – und doch zog ich mich immer weiter zurück. Es war, als würde ich mich selbst in meinem eigenen Leben fremd fühlen.«
Während Laura spricht, nicken viele in der Runde, ihre Blicke nachdenklich. Ihre Worte treffen einen Nerv – die Erinnerungen an die Zeit der Isolation sind noch frisch. Nach und nach teilen auch die anderen ihre Erfahrungen, erzählen von Momenten der Entfremdung – von einer ungewollten Distanz, die sich leise und schleichend in ihr Leben eingefügt hat.
Die Gespräche werden ruhiger, die Atmosphäre nachdenklich. Es wird spürbar, wie tief die Ereignisse der letzten Jahre in uns allen nachwirken.
Marlon, ein Mann mit graumelierten Haaren und ruhiger Stimme, durchbricht die Stille. »Ich lege großen Wert auf meine Gesundheit – viel Sport, bewusste Ernährung, Kräuterheilkunde. Zweimal im Jahr mache ich eine Entgiftungskur. Eine nicht ausreichend erprobte Impfung passt für mich einfach nicht in meine Vorstellung von Gesundheitsvorsorge. Doch ich musste schnell erleben, wie groß der Druck war, sich dagegen zu wehren.«
Er hält kurz inne, sein Blick nachdenklich. »Meine Kollegen warfen mir vor, sie in Gefahr zu bringen. Mit der Zeit wurde ich gemieden, hinter meinem Rücken wurde getuschelt. Ich hörte die spitzen Bemerkungen, sah die Blicke. Und doch konnte ich es nicht – mich mit einem ungetesteten Impfstoff impfen lassen. Die Angst vor den möglichen Folgen war am Ende größer als die Angst vor Ausgrenzung.«
Marlon seufzt und senkt den Blick. »Am Ende bekam ich sogar ein Kündigungsschreiben – natürlich mit einer fadenscheinigen Begründung. Ich hätte nie gedacht, dass meine persönlichen Überzeugungen und meine Entscheidungsfreiheit derart unter Druck geraten würden, erst recht nicht an meinem Arbeitsplatz.«
Ich spüre, wie die Atmosphäre dichter wird, als wir über dieses Thema sprechen. Es liegt etwas Unausgesprochenes in der Luft – die Gruppe will ihre Erfahrungen teilen, als müsse all das endlich einen Raum bekommen. Nach und nach erzählen alle von ähnlichen Erlebnissen, von Spannungen in ihren Familien, von Freundschaften, die zerbrachen. Zu große Meinungsunterschiede, zu tiefe Gräben, die sich zwischen Menschen auftaten, die sich einst nahestanden.
Das ältere Ehepaar sitzt mir gegenüber. Harry hält Emmas Hand in seinen von harter Arbeit gezeichneten Fingern, als würde er sich an ihr festhalten. »Unser Sohn spricht nicht mehr mit uns, und wir dürfen unser Enkelkind nicht mehr besuchen, weil wir ›ansteckend‹ sind«, sagt er mit brüchiger Stimme. Seine Augen glänzen feucht – meine auch. Flüsternd fügt er hinzu: »Dabei wissen wir doch, dass es nicht so ist.« Seine Stimme ist kaum mehr als ein Hauch, voller Schmerz und Unverständnis.
Eloy ergreift das Wort. »Die Spaltung in der Gesellschaft wird immer extremer – erst die Impfung, dann die Klimafrage, dann die Ereignisse in der Ukraine und zunehmend die politischen Lager. Immer mit denselben Parolen, denselben Bildern, denselben Angstszenarien. Es wirkt, als würden gezielt Themen genutzt, um die Menschen zu polarisieren und gegeneinander aufzubringen. Die Medien und die Politik tragen ihren Teil dazu bei – und das mit bemerkenswerter Präzision.«
Die Erzählungen der Gäste machen spürbar, wie tief die Gräben inzwischen sind. Selbst in den engsten Beziehungen haben sich Fronten gebildet – so sehr, dass Vergebung oft keine Option mehr scheint.
»Es ist beängstigend zu sehen, wie sehr wir uns voneinander entfernen,« sagt Harry leise. In seinen faltigen Zügen spiegelt sich eine tiefe Traurigkeit. »Früher konnten wir über Politik oder persönliche Ansichten streiten, uns uneinig sein – und anschließend gemeinsam ein Bier trinken. Heute ist das nicht mehr möglich.«
Er schüttelt den Kopf. »Stattdessen greifen die Menschen wieder zu alten Mustern – Ausgrenzung, Denunziation, als hätte die Geschichte nichts gelehrt.«
Ich richte mich in meinem Stuhl auf, mein Blick wandert durch die Runde. »Es muss anders werden. Statt uns weiter spalten zu lassen, sollten wir Wege finden, die uns wieder verbinden. Aber wie? Wie überbrücken wir diese Gräben, die so tief zwischen uns gezogen wurden?«
Ein Moment der Stille. Nachdenkliche Blicke treffen sich.
Aramis macht eine weite Geste. »Vielleicht beginnt Heilung dort, wo wir uns nicht mehr als getrennt erleben – sondern als Teil eines größeren Ganzen.«
Und wie tief diese Wahrheit reicht – das ahne ich an diesem Abend noch nicht.
Lichtkörper - Geordnet im Inneren, verbunden im Außen – das Bewusstsein formt die Struktur.
Die Architektur der Angst
»Die stärkste Kette ist die, die du nicht siehst.«
Ich sehe Aramis an. »Wie finden wir wieder zueinander – nach all dem, was uns getrennt hat? Was wäre ein erster Schritt?«
Er lehnt sich zurück, ein nachdenkliches Lächeln auf den Lippen. Dann deutet er plötzlich auf seine Schuhe. »Versuche, dich in meine Schuhe zu begeben.«
Ich runzle die Stirn. »Wie bitte?« Verwirrt wandert mein Blick zu seinen abgetragenen Schuhen, als könnte dort die Antwort liegen.
Er lächelt. »Es gibt ein indianisches Sprichwort: ‚Bevor du mich verurteilst, gehe eine Meile in meinen Mokassins.‘ Wir urteilen oft vorschnell über andere – über ihre Entscheidungen, ihre Meinungen, ihr Verhalten. Doch wenn wir uns für einen Moment in ihre Lage versetzen, wenn wir versuchen, die Welt durch ihre Augen zu sehen, erkennen wir, dass jeder aus seiner eigenen Wahrheit heraus handelt. Niemand trifft eine Entscheidung grundlos. Es gibt immer eine Geschichte, einen inneren Kampf, eine Überzeugung, die ihn antreibt.«
Er macht eine kurze Pause, sein Blick wandert in die Runde. »Und wenn wir ehrlich sind, werden die meisten unserer Entscheidungen nicht aus Überzeugung getroffen – sondern aus Angst. Angst, nicht dazuzugehören. Angst vor Ablehnung. Angst vor Verlust. Angst, das Falsche zu tun. Diese Angst treibt uns oft mehr an, als wir wahrhaben wollen.
Doch wenn wir lernen, hinter die Fassade zu blicken, wenn wir erkennen, dass unser Gegenüber genauso fühlt, genauso zweifelt, genauso sucht wie wir – dann können wir Brücken bauen, statt Gräben zu vertiefen.« Allgemeine Zustimmung in der Runde.
Ich sehe Aramis an. »Aber warum ist das so? Wieso haben so viele Menschen Angst? Und wovor eigentlich?«
Aramis dreht nachdenklich sein Wasserglas in der Hand und beobachtet einen Moment lang, wie das Licht im klaren Wasser schimmert. Dann hebt er den Blick und spricht mit ruhiger Stimme: »Wenn wir diese Welt betreten, sind wir erfüllt von Liebe. Doch mit der Zeit wird sie von Angst überdeckt. Unsere wahre Reise ist die Rückkehr zu ihr.
Doch um das Warum zu verstehen, müssen wir tiefer blicken – bis zu den Wurzeln dieser Angst. Sie ist kein Zufall. Vieles deutet darauf hin, dass mächtige Interessen über lange Zeiträume hinweg daran gearbeitet haben, die Menschheit zu lenken – nicht durch offene Gewalt, sondern durch etwas weit Wirkungsvolleres: das Spiel mit der Angst.«
Samira, die Frau mit dem arabischen Einschlag, schüttelt ungläubig den Kopf. »Das ist doch wohl übertrieben. So etwas kann ich mir nicht vorstellen.« Ihre Stirn legt sich in Falten, und ihr Blick wandert zweifelnd durch die Runde, als suche sie Bestätigung.
Aramis bleibt gelassen, seine Stimme ruhig, aber eindringlich. »Wenn man erst einmal beginnt, die Muster zu erkennen, die sich überall verbergen – in den Medien, der Architektur, ja sogar im alltäglichen Leben –, dann sieht man sie plötzlich überall. Symbole, Botschaften, unterschwellige Hinweise. Und das Erstaunlichste? Sie sind nicht nur in politischen Reden oder wirtschaftlichen Strukturen zu finden, sondern auch in den Bereichen, die uns am vertrautesten erscheinen – in Kindersendungen, Musikvideos, Hollywood-Filmen.«
Ich runzle die Stirn. »Welche Symbole meinst du?«
Aramis lehnt sich zurück, sein Blick durchdringend. »Dreiecke, Augen, bestimmte Zahlenkombinationen – sie tauchen immer wieder auf. Ein allsehendes Auge über einer Pyramide, wie du es auf dem Dollarschein siehst. Oder der Schachbrettboden in Musikvideos, der für Dualität steht – Licht und Schatten, Kontrolle und Chaos. Selbst große Markenlogos sind oft nicht zufällig gestaltet.«
Eloy sieht mich an, ein vielsagendes Lächeln auf den Lippen. »Gib einfach mal diese Begriffe in die Suchmaschine ein. Du wirst staunen, was sich alles findet.«
Ich runzle die Stirn. »Und was genau bewirken diese Symbole? Warum tauchen sie überall auf?«