Luisa - Beate-M. Dapper - E-Book

Luisa E-Book

Beate-M. Dapper

4,7

Beschreibung

Wie viele Wege gehst du, um deinen zu finden? Nach Jahrzehnten in der Stadt hat Fridolin nur eins im Sinn: Ruhe in einem kleinen Holzhäuschen am Wald zu finden, weit weg von der Schnelllebigkeit und den hohlen Lebensinhalten, die ihm das Gefühl geben, dass sein Leben auf seltsame Weise wenig mit ihm selbst zu tun hat. Doch als eines schönen Herbsttages ein Mädchen einfach so in sein Haus stiefelt, staunt er nicht schlecht. "Wer bist du?“ fragt er und will nur ihren Namen wissen. "Ich bin ich." - "Und wer ist ICH?" "Das musst du schon selbst herausfinden. Ich bin auf jeden Fall nicht nur das, was du siehst, sondern auch das, was in mir drin ist." Luisa bringt Fridolins Leben ganz schön durcheinander, ... bis er schließlich in seinem Leben wieder selbst vorkommt.

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Inhaltsverzeichnis

Dein Schicksal

Das Ende wird der Anfang sein

Ein komischer Kauz

Wer bist du

7 Sinne, 1 Hexe und 1 Mini-Supermann

Das gute Gefühl

Ich habe mich lieb

Früher oder später? Jetzt!

Geld und Macht? Ja!

Das Gänseblümchen und die Rose

Der widerliche Nachbar

Luisas Deutschlehrerin

Wie ich dir, so du mir

Hey, du da im Spiegel

Wie der Fuchs neue Freunde gewann

Frau Zöllner hat gelächelt

Berge versetzen? Ja! Aber wie?

Wie Angst in die Welt kam

August Angst

Das Netzwerk der Gefühle

Ein Brief von der Erde

Gefühlsnachrichten

Ein Floh auf der Suche nach Frieden

Wir sind alle eins

Die Sache mit dem freien Willen

Werdet wie die Kinder

Danksagung

Dein Schicksal

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter! Er wird zu deinem Schicksal.

(Jüdischer Talmud)

Das Ende wird der Anfang sein

Mit diesem Gedanken betrete ich das Büro eines Buchverlages. Mehr oder weniger entschlossen klopfe ich an die edle Eichentür von Winfried Wagner. Er ist der Verleger. Wahrscheinlich ein knallharter Geschäftsmann mit jeder Menge Dollarzeichen im Kopf – ein bisschen wie Dagobert? Dann fällt mir Luisa ein – und ich lege jedes Vorurteil in eine nicht zu öffnende Schublade meines Gehirns. Herr Wagner begrüßt mich kurz, bietet mir einen Platz an, legt den Stift auf seinen Schreibtisch und signalisiert mir ohne Worte, dass er wenig Zeit hat. Trotzdem lächelt er höflich und sagt: „Was kann ich für Sie tun?“ „Mein Buch veröffentlichen“, sage ich kurz und halte ihm mein Manuskript hin. „So einfach geht das nicht“, protestiert er höflich und hält mir einen Vortrag über Marktbeobachtung, Kalkulationen und den perfekten Verlagsapparat. Ich höre ihm aufmerksam zu, obwohl ich nicht viel davon verstehe. Schließlich fragt er: „Für wen haben Sie Ihr Buch geschrieben?“ „Für Sie.“ „Für mich!?“, fragt er überrascht. „Nun ja“, ergänze ich, „und für alle anderen Menschen.“ „Welche Altersgruppe?“ „Jede.“ Herr Wagner tippt nervös mit seinem Stift auf seinem Schreibtisch herum. Schließlich schaut er mich nach einem ungeduldigen Blick auf seine Uhr an und sagt: „Erzählen Sie! Erzählen Sie mir Näheres über sich und Ihr Buch.“ „Haben Sie Zeit?“, frage ich freundlich. Nach einem kurzen Telefonat mit seiner Sekretärin lehnt er sich entspannt in seinem Chefsessel zurück und sagt: „Legen Sie los.“

Ein komischer Kauz

„Ich bin wohl das, was man einen komischen Kauz nennt. Vor zehn Jahren bin ich in dieses kleine Holzhaus auf den Berg gezogen, weit weg von allem. Ich hatte es damals nicht gerade leicht. Meine Freundin hatte mich verlassen. Wir wollten eigentlich heiraten. Ich hatte meine Arbeit als Lehrer an einem Gymnasium verloren. Und meine Eltern starben bei einem Autounfall. Ich wollte weg aus der Stadt – weg von den vielen Menschen – weg von all den Problemen.

Ich besitze einen grünen Ohrensessel, dessen Stoff mit vielen kleinen orangefarbenen Blumen bedruckt ist. Ich habe noch zwei andere Sessel, aber diesen mag ich am liebsten. Er steht in meinem kleinen, gemütlichen Wohnzimmer mit vielen Regalen. In den Regalen bewahre ich meine tausendsiebenhundertsechsundachtzig Bücher auf – und jede Woche kommt mindestens eins dazu.

Ich lese viel und gern. So lerne ich etwas über die Welt da draußen und manchmal auch über meine Welt tief in mir drin.

Meine Regale bestehen wie alle anderen Möbel und mein Fußboden aus echtem Holz. Ich mag keinen Kunststoff. Er lebt nicht. In jedem Zimmer liegt ein großer flauschiger Wollteppich. Wenn ich mit nackten Füßen auf ihm gehe, ist es fast so, als ginge ich auf einer Wolke. So stelle ich es mir zumindest vor. Ich habe sogar einen Kamin, in dem das Holz – wenn es draußen so richtig kalt ist – lustig vor sich hin brutzelt und mir warme Füße verschafft. Das Holz sammle ich regelmäßig in dem Wald, der direkt vor meiner Haustür steht.

Meine Haustür mache ich allerdings nur selten auf. – Nur wenn ich Holz sammle. Oder wenn ich einkaufen gehe: Brot und Butter, Marmelade und Quark, Gemüse und Obst, eben, was ich so zum Essen brauche. Und zum Trinken natürlich – und Bücher – und ab und zu ein paar neue Schuhe – und etwas zum Anziehen – und ein paar andere lebenswichtige Dinge, wie Zahnpasta und Schuhcreme – und neue Staubsaugerbeutel.

Ich habe nicht viele Menschen, mit denen ich sprechen kann. Hier oben in meinem Haus auf dem Berg, ein paar hundert Meter weg vom Dorf, ist es ziemlich einsam.

Ab und zu rede ich mit dem kleinen Eichhörnchen, das seine Wohnung in dem Kirschbaum vor meinem Haus hat. Es hört mir stets aufmerksam zu, und manchmal scheint es mir nickend zuzustimmen.

Die kleine Amsel, die mich jeden Morgen weckt, ist sehr gesprächig. In ihrer Gegenwart komme ich kaum zu Wort.

Manchmal entwickelt sich auch ein schönes Gespräch mit der netten Verkäuferin aus dem Buchladen, Frau Sonnenfeld. Sie hält mich auf dem Laufenden, wenn es neue Bücher gibt und beschreibt mir die Inhalte. Es fällt mir dann leichter, mich für eins zu entscheiden.

Und dann sind da noch meine Schwester Else und Onkel Otto. Else ist vor ein paar Jahren mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Amerika gezogen. Onkel Otto ist der Bruder meiner Mutter. Er lebt in Hamburg und ist schon sehr alt. Wir schreiben uns regelmäßig – so ungefähr zwei- bis dreimal im Jahr.

Diese Briefe bringt mir übrigens der Postbote, Herr Liebenau. Er ist sehr nett, und weil sein Weg zu mir etwas länger ist als zu seinen anderen Kunden, bleibt er immer auf eine Tasse Kaffee mit Keksen und ein kleines Schwätzchen. So erfahre ich das ein oder andere über die Menschen unten im Dorf.

Ich habe sogar einen Computer mit Internetanschluss und eine E-mail-Adresse. Aber die brauche ich eigentlich nicht. Else und Onkel Otto haben keinen Computer und sonst kenne ich niemanden näher.

Ich habe von meinen Eltern etwas Geld geerbt. Deshalb muss ich nicht in irgendein Büro gehen, um für meinen kleinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Viel brauche ich sowieso nicht – keine teuren Anzüge, keinen Friseur und auch keine kostspieligen Rasierwässerchen. Ich habe nämlich einen Bart, und meine Haare schneide ich allein. Und mir fällt beim besten Willen kein Anlass ein, zu dem ich einen Anzug oder ähnlichen Schnickschnack tragen müsste. Ich kann mich in Ruhe meinen Lieblingsbeschäftigungen hingeben: lesen, Musik hören, Gedichte, Lieder und Geschichten schreiben.

Jetzt im Herbst bin ich besonders kreativ. Es wird früh dunkel, draußen ist es kalt und hier drinnen umso gemütlicher. Kurz: Der Herbst und der Winter bieten mir die richtige Atmosphäre zum Schreiben und zum Lesen.

An jenem Abend, der mein Leben so grundlegend ändern sollte, hatte ich nichts Besonderes geplant. Ich wollte mir ein Spiegelei auf geröstetem Brot machen und dann vielleicht noch ein bisschen lesen.

Ach übrigens, bevor ich es vergesse: Ich heiße Fridolin, Fridolin Reinfeld.“

Herr Wagner lässt uns einen Kaffee kommen und lehnt sich erneut in seinem Sessel zurück. Ich erzähle nun die Geschichte von Luisa, so als wäre alles gerade passiert.

Wer bist du?

Plötzlich klopft es an meiner Tür. Ich stelle die Pfanne auf die Küchenablage und die Eier daneben. Ein Blick auf die Uhr sagt mir: Es ist halb fünf Uhr nachmittags. Draußen dämmert es schon. Wer kann das sein? Es klopft ein weiteres Mal. Doch bevor ich die Tür erreiche, öffnet sie sich bereits. Ein Mädchen kommt herein.

“Darf ich?“ fragt sie.

Aber sie steht ja schon mitten im Wohnzimmer, als ich die Gelegenheit bekomme zu nicken.

„Es ist sehr kalt draußen, obwohl erst Herbst ist“, meint sie.

Ich habe keine Ahnung, wer sie ist.

Sie hat rotes Haar, aber nicht eine einzige Sommersprosse in ihrem Gesicht. Ihre Haut erinnert mich an feinstes Porzellan, so zart und glatt. Ihre klaren, blauen Augen blitzen wie kleine Sterne am dunklen Nachthimmel.

„Wer bist du?“ frage ich neugierig.

„Ich bin ich.“

„Und wer ist ich?“

„Na, eben ich.“

„Was heißt denn ICH?“

„Auf jeden Fall nicht nur das, was du siehst.“

„Sondern ...?“

„Auch das, was in mir drin ist.“

„Aha? Wie soll ich das verstehen?“

„Dass du noch gar nicht wissen kannst, wer ich bin, weil du mich nur von außen siehst.“

„Sag mir doch einfach, wer du bist.“

„Kann ich nicht.“

„Warum?“

„Ich kann dir doch nicht erklären, wer ich bin. Dann würdest du nur mein Bild über mich kennen lernen. Finde doch einfach selbst heraus, wer ich bin.“

„Ganz schön frech, die Kleine“, denke ich im ersten Moment. Eigentlich will ich herausfinden, wie sie heißt. Aber ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Ich hätte nicht fragen sollen, wer sie ist, sondern, wie sie heißt. Also frage ich – um eine Erfahrung reicher:

„Wie heißt du?“

„Luisa.“

Na bitte, es klappt doch. Ich nehme mir vor, meine Fragen eindeutiger zu stellen:

„Woher kommst du?“

„Ganz genau weiß ich das nicht. – Körperlich bin ich natürlich aus einer Eizelle im Körper meiner Mutter entstanden und da so lange gewachsen, bis ich groß genug war, um geboren zu werden.“

Ich merke, dass ich wohl schon wieder die Frage nicht ganz richtig gestellt habe. Während ich noch nach einer eindeutigen Formulierung suche, sagt sie:

„Aber so ganz sicher bin ich nicht. Manchmal stelle ich mir vor, ich sei irgendwo aus dem Universum ..., na ja, auf jedem Fall von woanders in die Eizelle gekommen, weil ich sie als Mutter wollte. Und meinen Vater natürlich auch. Aber der hat keine Eizellen.“

„Das ist ein interessanter Gedanke, den wir unbedingt weiterdenken sollten. Aber zunächst sag mir doch einfach, wo du jetzt mit deinen Eltern wohnst.“

Das ist klar ausgedrückt, und jetzt bekomme ich bestimmt eine passende Antwort. Vielleicht machen sich die Eltern der jungen Lady gerade furchtbare Sorgen!?

„In der Himmelstraße unten im Dorf.“

„Weißt du denn auch deine Telefonnummer?“

„Natürlich, ich bin ja kein Baby mehr“, antwortet sie und schaut sich erstaunlich genau in meinem Bücherregal um. Ich merke, dass ich schon wieder die falsche Frage gestellt habe und korrigiere:

„Sag mir doch bitte deine Telefonnummer, damit ich deine Eltern über deinen Aufenthaltsort informieren kann. Sie machen sich doch sicher Sorgen?“

„Nein, bestimmt nicht. Sie wissen, dass ich nicht weglaufe, weil ich sie sehr lieb habe. Und sie wissen, das ich gut auf mich aufpasse, weil ich mich auch sehr lieb habe. Und weil der liebe Gott mich auch lieb hat, wissen sie, dass mir gar nichts passieren kann.“

Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig sein würde, eine Telefonnummer herauszubekommen. Aber ich hatte eine zweite Frage gestellt. Und so hat dieses pfiffige Mädchen, das mich langsam zur Verzweiflung bringt, eigentlich ganz richtig geantwortet. Ich versuche es einfach noch einmal:

„Ich habe ein besseres Gefühl, wenn deine Eltern wissen, wo du bist. Sag mir doch bitte deine Telefonnummer.“

„5 6 4 2 9 6.“

Ich atme tief ein und wieder aus. Währenddessen suche ich mein Telefon. Ich habe es geschafft. Ich habe Luisas Telefonnummer herausbekommen. Damit ich sie nicht vergesse, schreibe ich sie schnell auf ein Stück Papier. Wo ist bloß das Telefon. Ich habe nämlich so eins, das ich von der Wandstation nehmen und mit ihm durch das ganze Haus gehen kann.

Schließlich finde ich es unter einigen Manuskriptseiten auf meinem Schreibtisch. Während ich die Nummer wähle, fällt mir auf, dass Luisa sich einfach ein Buch aus dem Regal genommen hat, in dem sie jetzt liest. Es ist ein Buch, das ich selbst geschrieben habe. Ich habe den Eindruck, sie fühlt sich hier sehr wohl. Sie ist so unbefangen, so natürlich – jung eben. Es klingelt am anderen Ende der Leitung. Jemand hebt ab und sagt:

„Lauster?“

„Herr Lauster?“

„Ja?“

„Mein Name ist Reinfeld, Fridolin Reinfeld. Ich wohne in dem kleinen Holzhäuschen oben auf dem Berg am Wald.“

„Es tut mir leid, damit kann ich nichts anfangen. Wir sind gerade hierher gezogen und konnten uns noch nicht mit unseren Nachbarn bekannt machen. Was kann ich für Sie tun?“

„Nun“, sage ich sehr freundlich und behutsam. Ich will den armen Mann nicht erschrecken. Er hat sicher Angst um seine Tochter. „Ihre Tochter Luisa ist hier. Sie hat wohl bei ihren Erkundungen im Wald mein Haus gefunden. Wir haben uns ein wenig unterhalten.“

Herr Lauster scheint zu lächeln. Zumindest kommt es mir so vor. Ganz ruhig und ebenso freundlich antwortet er: „Es ist sehr nett von Ihnen, uns Bescheid über den Verbleib unserer Tochter zu geben. Sagen Sie ihr einen lieben Gruß von uns, und dass wir uns freuen, wenn sie nachher wieder nach Hause kommt.“

Das war’s.

7 Sinne, 1 Hexe und 1 Mini-Supermann

Herr Lauster hat aufgelegt. Was ist denn das für ein Vater, der nicht aufspringt und ruft: ‚Wo genau wohnen Sie? Ich komme sofort, um Luisa abzuholen.’ Oder: ‚Wie kann sie nur einfach zu einem Fremden gehen, ohne uns vorher zu fragen ... ’

Bevor ich mich in meinen Gedanken noch weiter entrüsten kann, stellt Luisa fest:

„Ich habe einen tollen Papa.“

Vorsichtig – ich will die Kleine ja nicht durcheinander bringen – werfe ich ein:

„Ich finde, er ist ein bisschen sorglos“.

„Findest du das falsch?“

„Sagen wir mal so: Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich gut auf sie aufpassen.“

Luisa hat es sich in meinem Ohrensessel bequem gemacht und lacht.

„Und was denkst DU?“

„Das habe ich doch gerade gesagt.“

„Nein, du hast ‚sagen wir mal’ gesagt. Wie viele bist du denn?“

Ich ertappe mich dabei, unruhig mit den Fingern zu spielen.

„So formuliert man es eben, wenn man etwas sehr Wichtiges sagen möchte“, erkläre ich in einem Ton, der eigentlich keine weitere Diskussion zulässt. – Eigentlich ...

„Wer ist denn ‚man’?“

„Na, eben ich nicht allein. Ich habe schon vieles gehört – von anderen – über Dinge, die passieren können.“

Luisa ist ganz ruhig. Sie runzelt ihre Stirn. Ich wusste nicht, dass bei einem so jungen Mädchen sogar schon eine kleine Denkfalte entstehen kann.

„Wie bitte?

Dieses Kind schafft es doch tatsächlich, mich völlig zu verwirren. Im Moment weiß ich nicht mehr, was ich genau darüber denke. Ich habe Schwierigkeiten, Gehörtes von meinen eigenen Erfahrungen zu trennen. Ich schäme mich das zuzugeben. Und so sage ich – vielleicht auch, um weiteren unangenehmen Fragen zu entgehen:

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Ich gehe jetzt“, verkündet Luisa fröhlich, „morgen früh ist mein erster Schultag in der neuen Schule und da möchte ich ausgeschlafen sein. Meine fünf plus zwei Sinne sollen nämlich alle gut funktionieren, wenn ich diesen neuen, großen Schritt in meinem Leben mache.“

„Fünf – plus – zwei – Sinne?“, frage ich erstaunt und betont langsam.

„Ja.“

„Ich habe fünf“, wende ich ein: „Ich kann hören, sehen, schmecken, riechen und tasten.“

„Benutzt du die anderen beiden nicht?“, fragt Luisa und sieht mich an, als käme ich von einem anderen Planeten.

„Ich verstehe nicht ganz. Welche meinst du?“

„Der sechste erzählt mir, welcher Weg für mich am besten ist – auch wenn ich etwas anderes darüber denke. Er ist meine innere Stimme.“