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Eine unheimliche Gestalt geistert durch die riesige Villa der Elliets. Luisas Tanten Aurelia und Phoenix wissen sofort, wer dahintersteckt: Es ist ihre Schwester Makenna, die einst vom bösen Magier Istragon verflucht wurde. Aurelia und Phoenix wollen Luisa nicht beunruhigen und verschweigen ihr Makennas Geschichte. Doch bald erfährt das Mädchen, dass nur sie ihre Tante befreien kann. Dazu muss sie allerdings den geheimnisvollen Schlüssel von Amalien finden. Gemeinsam mit ihrer Zaubereule Orell und ihren drei Freunden macht sich Luisa auf die Suche - und ein spannendes Abenteuer beginnt ...
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Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Das schwarze Pferd
Der Zauber des Vergessens
Das fliegende Buch
Das Feuer der Wahrheit
Der seltsame Traum
Der mysteriöse Brief
Der Aufbruch
Käpt’n Grimmelbein
Der Zauber der Meere
Die Wasserpolizei
Der Seeräuberstreich
Die schwarze Insel
»Nichts wie weg!«
Die Grabkammer
Das Mädchen mit den roten Augen
Die geräuschlose Pferdekutsche
Der Traum
Tante Makenna
Luisa wischte sich den Milchbart mit ihrem linken Pulloverärmel ab und blinzelte angespannt zwischen den weiten Röcken der Tanten hindurch. Sie fühlte sich wie ein Schinken in einem Sandwich. Vor ihr hatten sich Aurelia und Phoenix postiert und hinter ihr standen die hohen Regale aus Wildeichenholz. Umgeben von den dreihundertfünfunddreißig uralten Zauberbüchern lauschten die drei Hexen angespannt auf das rumpelnde Geräusch, das durch die Gänge der Villa hallte.
»Es muss Makenna sein«, zischte Aurelia ihrer Schwester ins Ohr. Noch bevor Phoenix antworten konnte, klirrte es erneut. Diesmal kam das Scheppern nicht aus dem Wohnzimmer, sondern aus der Küche.
Erschrocken rückten die beiden Tanten enger zusammen und drängten Luisa noch dichter an die Regale, welche an den hellgrün ausgemalten Wänden des Arbeitszimmers befestigt waren. Ein Schatten zog am Fenster vorbei und der grelle Schrei einer Schneeeule hallte in der Ferne.
»Das war Oreon«, flüsterte Phoenix angespannt und drehte ihren Kopf über die Schulter, um nach Luisa zu sehen.
Oreon war die älteste der drei Zauberschneeeulen. Sein furchterregender Schrei konnte in dieser Situation nur eines bedeuten: Heimsuchung. Heimsuchung des Unheils.
»Luisa, hast du den Familienstein bei dir?«, wisperte Phoenix dem Mädchen zu.
»Ja, hab ich«, gab Luisa nickend zurück und begann in ihrer Hosentasche zu graben.
»Gut. Dann halt ihn ganz fest, hörst du!? Wir müssen unsichtbar sein, bevor …«, Aurelia stockte und hielt den Atem an. Der Robinienholzboden, welcher sich durch die Vorräume des schlossähnlichen Gemäuers zog, knarrte erneut. Diesmal nur ein, zwei Türen weiter. Er ließ die drei Hexen ahnen, dass die Gestalt, welche in ihr Haus eingedrungen war, ihrem Versteck näherkam.
»Magicae lapidibus nos invisibilia«, wisperte Aurelia mit gepresster Stimme, während sie ihren rechten Arm über den Kopf streckte. Noch ehe Luisa begreifen konnte, was soeben geschah, begann der blaue Zauberstein an Aurelias Mittelfinger zu leuchten und legte seine funkelnden Strahlen wie ein Zelt um die drei Hexen. Luisa konnte jetzt nur noch die Umrisse ihrer Tanten erkennen.
Der Zauber hat funktioniert …, dachte sie.
Aurelia und Phoenix standen wie eine Mauer vor ihr und blickten angespannt auf die mahagonifarbene Tür mit dem antiken Messinghandgriff. Luisa kauerte sich nun auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bücherregale. Wie versteinert lauschte sie den polternden Schritten im Flur, die sich rasch näherten.
»Halte still, Luisa«, hauchte Phoenix ein letztes Mal, bevor die Tür zum Arbeitszimmer mit einem lauten Knall gegen die frisch gestrichene Wand knallte. Ein kräftiger Windstoß drang herein und drückte Luisa gegen das Bücherregal. Ihr Kopf schlug unsanft gegen das Holz und begann augenblicklich zu brummen wie ein aufgescheuchter Bienenstock. Reflexartig kniff das Mädchen die Augen zusammen und hielt den Atem flach. Sie drückte den blauen Stein in ihrer Hosentasche so fest, dass ihre feinen Fingerknöchel weißlich durch ihre zarte Haut blitzten.
Der seltsame Geruch von Weihrauch, Oregano, Rosmarin und Katzenminze stieg ihr in die Nase und Luisa musste sich das Niesen verhalten. Nur sehr langsam öffnete sie ihre Augen wieder und belauschte aufmerksam die Stille. Die Röcke der Tanten verdeckten ihr abermals die Sicht.
Blitzartig sank die Temperatur im Raum auf Minusgrade und aus Luisas offenem Mund stiegen kleine Atemwölkchen empor. Wie ein eisiger Schleier legte sich die Kälte über ihren Körper. Eine Gänsehaut kroch über ihren Nacken und weiter den Rücken entlang.
Wie ist das möglich? Luisa presste schlagartig ihre Lippen zusammen und hielt die Luft an.
Das aufgebrachte Wiehern eines Pferdes unterbrach ihre Grübelei. Sie ließ ihren Blick zum Fenster über dem alten Akazienschreibtisch eilen. Nun konnte Luisa kaum glauben, was sie sah. Im Garten stand ein üppiger schwarzer Hengst mit stechend blauen Augen. Heißer Dampf quoll aus seinen Nasenlöchern. Der Rappe stellte sich immer wieder auf seine Hinterbeine und ruderte mit den Vorderhufen, als wollte er jemanden erschlagen.
Luisa versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Starr wie ein Stein blieb sie mit offenstehendem Mund in ihrer Position.
Wessen Pferd ist das? Und wie kommt es in unseren Garten?
Im Obstgarten der Elliets ragten jede Menge knorriger Bäume in die Höhe und die Blumenbeete waren überfüllt von wuchernden Pflanzen. Ein weiß lackierter Gartenzaun umrahmte die Grünfläche mitsamt der Eulenvoliere. Der Rappe konnte also nur über die Einhegung gesprungen sein.
Luisa fing den stechenden Blick des Pferdes auf und wandte sich daraufhin reflexartig der offenen Tür zu. Abermals kniff sie ihre Augen zusammen, doch das sollte nicht von Dauer sein. Ein gellender Schrei von Oreon ließ ihre Augäpfel zurück zum Fenster rollen.
Oreon! Pass auf dich auf!, wollte das Mädchen rufen, aber ihre Zunge versagte den Dienst.
Die Eule stürmte wie aus dem Nichts auf den Hengst los und schlug dabei kräftig ihre Flügel. Bei jedem Schlag wich aus ihren Federn Zauberrauch. Nach wenigen Sekunden verschwand das Pferd schrill wiehernd in einer dicken Schmauchwolke. Nur seine eisig blauen Augen drangen noch durch den dichten Rauch und ließen Luisa abermals erschauern.
Plötzlich wirbelte ein schwarzer Umhang mit blutrotem Innenfutter durch den Garten. Es schien so, als würde die Kapuze an durchsichtigen Fäden baumeln.
Luisa stockte der Atem. Ist … ist das ein Umhang ohne Kopf?!
Ja, es schien so, als hätte die Gestalt, die darin steckte, ihr Haupt verloren.
Luisas Herz schlug schneller. Ein Schreck durchzog ihre Adern und die bittere Kälte kroch ihr bis in die Gedärme. Der furchterregende Anblick hatte sich längst in ihr fotografisches Gedächtnis eingebrannt, als sich der Kapuzenumhang auf den Pferderücken schwang und in Richtung der blassroten Sonne am Horizont davongaloppierte.
Die ersten Strahlen der leuchtend roten Morgensonne drangen durch die Zweige der Obstbäume im Garten und streiften die Fenster der Villa, die am Rande der Kleinstadt Lichtspiel auf einem kleinen Hügel stand. Die Rosensträucher rundherum und der ungezügelte Efeu, der an den Mauern wuchs, gaben dem schlossähnlichen Gemäuer einen Charme wie keinem anderen Haus in der Stadt.
Mit lautem Krähen begrüßte der Nachbarshahn den anbrechenden Tag und Luisa schreckte schlagartig aus dem Schlaf. Langsam öffnete sie ihre Augen.
Wo bin ich? Und wie bin ich hierhergekommen?
Fragen über Fragen häuften sich in ihrem Kopf. Nur langsam kehrte die Erinnerung zurück.
Das Mädchen blickte durch den runden Fensterrahmen in den Garten. Dort stand die Voliere der drei Zaubereulen Orell, Oreon und Omega. Orell war Luisas Schneeeule. Sie hatte die Eule kürzlich zu ihrem zwölften Geburtstag geschenkt bekommen.
Nun wusste Luisa wieder, dass sie mit ihren beiden Tanten, Aurelia und Phoenix, in Lichtspiel lebte. Beide waren Hexen und besaßen Zauberkräfte. So wie jedes Mitglied der Familie und wie auch Luisa selbst. Sie alle, auch der Kater und die Eulen, trugen stets einen blauen Familienstein bei sich, der ihre magischen Kräfte verstärken konnte.
Doch was war am gestrigen Tag geschehen?
Luisa kratzte sich am Hinterkopf. Jetzt sah sie, dass ihr Zauberstein in der Silberschale auf dem Schreibtisch lag. Sie wunderte sich ein wenig, denn sie legte ihn normalerweise nie dort hinein.
Nun kamen auch die Erinnerungen an ihre Eltern zurück. Luisa hatte sie vor einigen Jahren bei einem Flugzeugabsturz verloren. Ihre Gedanken drifteten langsam weiter zu ihren Freunden: Doris, die alle Dori nannten, Lorenz und Helena. Luisa besuchte mit ihnen gemeinsam die Rabenschule.
Schnell sprang sie aus dem Bett und stürmte, noch im Schlafanzug, die Treppe hinunter. Sie eilte geradewegs in die Küche, um nach ihren beiden Tanten zu sehen.
Am Esstisch saß der in die Jahre gekommene Kater Ajax mit einem vergoldeten Löffel in der linken Tatze. Genüsslich schlürfte er an seinem Müsli und las dabei in der Tageszeitung.
»Guten Morgen, Fräulein Luisa«, begrüßte er sie freundlich, schenkte ihr aber nicht weiter Beachtung.
Im Eck vor dem gefliesten, ockergelben Kaminofen fegte ein Besen den Boden und auf dem Herd rührte ein großer hölzerner Kochlöffel in einem verdellten bronzenen Kessel. Es blubberte und brodelte im Topf daneben, dessen Deckel immer wieder klappernd auf den Topfrand schlug. Die Zeiger der vergoldeten Wanduhr neben dem Bücherregal aus Altholz drehten sich an diesem Morgen viel zu schnell. Wie immer, wenn Luisa verschlafen hatte.
»Ajax! Wo sind die Tanten? Und … welcher Tag ist heute?«
»Deine Tanten kommen gleich wieder. Sie sind nur schnell nach Tampa geflogen, um ein spezielles Gewürz für den Zaubertrank zu holen, den sie hier am Herd zusammenbrauen. Ich passe solange auf, dass nichts überläuft.«
»Sie sind schnell nach Tampa geflogen?«, sagte Luisa ungläubig. »Und warum kochen sie einen Zaubertrank um 07:00 Uhr morgens?«
»Der Zaubertrank soll dazu dienen, uns vor dem Wesen zu schützen, das uns gestern … ähh … hkrmmm …«, der Kater räusperte sich. »Sagte ich gestern? Ich meinte natürlich: in Zukunft … besuchen könnte … und das nur möglicherweise, haha … ähm …«
»Was? Wie bitte? Ich verstehe kein Wort, Ajax.«
»Musst du auch nicht, Fräulein. Heute ist übrigens Montag und du bist etwas spät dran, wenn ich richtig sehe.«
Der Kater blickte über seine Brille, welche er nur beim Zeitunglesen trug, und musterte das Mädchen von unten bis oben, bevor er sich einen weiteren Löffel des Haferflockenmüslis in den Rachen schob.
Die vergoldete Wanduhr neben dem Bücherregal zeigte mittlerweile 07:08 Uhr. Luisa riss die Augen auf.
»Es ist Montag? Ich muss in die Schule!«
»Sag ich doch, mein Fräulein«, antwortete Ajax bestimmt. Zugleich war er erleichtert darüber, dass Luisa ihn nicht weiter löcherte.
Die beiden Tanten hatten nach dem Vorfall am gestrigen Abend den Zauber des Vergessens über Luisa gelegt, denn das Mädchen sollte aufgrund des Erlebnisses kein Trauma erleiden. Ajax und die Schneeeulen wussten natürlich noch von den Geschehnissen. Doch sie hatten versprochen, Luisa nichts zu erzählen. So lange, bis die Tanten die richtige Mischung für den Zauber des Befreiens gebraut hatten.
Helena lehnte sich an die Mauer in der Aula und schlürfte an ihrem Orangensaft. Herr Barsch, der Direktor der Rabenschule, hatte soeben die neue Turnlehrerin Paula Grüll vorgestellt und hielt nun eine Begrüßungsrede vor der versammelten Schülerschaft.
Hoffentlich schaffe ich in diesem Jahr den Felgumschwung … sonst bekomme ich wieder eine Zwei