Luna Wunderwald, Band 8 - Ein Igel im Tiefschlaf - Usch Luhn - E-Book

Luna Wunderwald, Band 8 - Ein Igel im Tiefschlaf E-Book

Usch Luhn

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Beschreibung

Luna Wunderwald – so nennen die Tiere des Waldes die Tochter des Försters. Denn wenn Luna auf ihrer Zauberflöte spielt, kann sie mit ihnen sprechen. Schlaftrunkene Igel und ein Wildschwein mit Albträumen – irgendetwas läuft gründlich schief im Sommerwald. Und ausgerechnet jetzt wird Lunas Zauberflöte gestohlen. Eine Katastrophe! Wird sie ihre Fähigkeit, mit Tieren zu sprechen, für immer verlieren? Luna muss die Flöte unbedingt wiederfinden! Doch dafür braucht sie die Hilfe von jemandem, dem sie nicht traut: ihrem Flötenlehrer Julius Jupiter … Entdecke alle Abenteuer von Luna Wunderwald: Band 1: Ein Schlüssel im Eulenschnabel Band 2: Ein Geheimnis auf Katzenpfoten Band 3: Ein Waschbär in Wohnungsnot Band 4: Ein magisches Rotkehlchen Band 5: Ein Luchs mit Liebeskummer Band 6:Ein Dachs dreht Däumchen Band 7: Ein Eichhörnchen in Gefahr Band 8: Ein Igel im Tiefschlaf

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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2021 Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag © 2021, Ravensburger Verlag Text © 2021, Usch Luhn Originalausgabe Cover- und Innenillustrationen: Lisa Brenner Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.ISBN978-3-473-47190-4www.ravensburger.de

1.

Georg Murmelsteins Meisterküche

Luna wurde von lautem Bellen wach. Sie hörte ihre Mutter über den Lärm draußen schimpfen, dann knallte das Küchenfenster zu.

Dicke Luft im Hause Murmelstein? Na so was. Das kam nicht sehr häufig vor.

Verschlafen setzte sich Luna auf die Bettkante und rieb sich ihre müden Augen. Sie hatte gestern noch spätabends an dem Geburtstagsgeschenk für Melody gewerkelt.

Die wollte später unbedingt Naturforscherin werden. Deswegen hatte Luna für ihre beste Freundin viele bunte Blätter und Blüten gesammelt, getrocknet und daraus ein Bild gebastelt.

Es zeigte die beiden zusammen im Wald, an ihrer Lieblingsstelle, dem Wasserfall. Sich selbst und Melody hatte Luna mit Aquarellfarben gezeichnet und auch das Grünblau des Wassers damit gemalt. Durch die getrockneten Pflanzen, die sie um die Zeichnung geklebt hatte, sah das Bild sehr stimmungsvoll aus. Fast wie ein richtiger Wald. Zu Melodys Füßen saß der junge Fuchs Valentino. Auf dem Bild spielte Luna für Melody ein Geburtstagsständchen auf ihrer Zauberflöte.

Wann immer Luna die Flöte zur Hand nahm, rief sie mit ihren schönen Klängen die Tiere des Waldes herbei, sodass sie sich mit ihnen unterhalten konnte. Melody war die Einzige, die Lunas Geheimnis kannte. Bei ihr war es gut aufgehoben, denn sie liebte den Wald und die Natur mindestens so sehr, wie Luna es tat.

Anfangs war Melody eifersüchtig gewesen, dass Luna allein dafür bestimmt war, mit den Tieren zu sprechen. Aber inzwischen machte es ihr großen Spaß, Luna zu helfen, die Sorgen und Wünsche der Waldbewohner an Herrn Murmelstein weiterzugeben, ohne dass dieser dahinterkam, woher seine Tochter so genau Bescheid wusste.

Luna fand es ziemlich lustig, dass man im Dorf munkelte, der Förster wäre ja wohl ein echter Tierflüsterer, so friedlich lief es im Wald unter seiner Obhut.

Sophia Murmelstein ging es heute Morgen allerdings gar nicht gut. Als Luna in die Küche kam, rannte ihre Mutter mit Kopfhörern auf den Ohren nervös auf und ab, guckte immer wieder in ihr Notenbuch und sang vor sich hin. Das war kein gutes Zeichen, denn normalerweise war Frau Murmelstein sehr entspannt und fröhlich.

„Morgen, Mama, alles okay?“, rief Luna und umarmte ihre Mutter stürmisch.

Sophia Murmelstein guckte einen Moment so verwirrt, als hätte sie ihre Tochter gar nicht erwartet. Dabei war ein ganz normaler Schultag.

„Luna!“, sagte Frau Murmelstein überrascht und nahm die Kopfhörer ab.

Luna lachte verwundert und schaute auf den Küchentisch, der abgesehen von einer Tasse Kaffee leer war. „Wo ist denn mein Frühstück?“

Sophia Murmelstein starrte auf den Tisch, als sähe sie ihn zum ersten Mal.

„Dein Frühstück“, wiederholte sie. „Natürlich. Das wollte Papa heute für dich machen. Aber der ist ja mal wieder mit was anderem beschäftigt. Bist du von dem Krach draußen aufgewacht? Die Dackel haben ein Wühlmäuse-Versteck aufgestöbert und schrecklichen Rabatz gemacht.“

Sie öffnete das Küchenfenster und beugte sich hinaus. „Georg!“, rief sie laut. „Georg, komm endlich rein! Du musst Lunas Frühstück machen. Obst für das Müsli schneiden, Tee aufsetzen, Schulbrote schmieren.“

Luna beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie öffnete den Kühlschrank, nahm die Milch heraus und begann, einen Apfel zu schälen.

„Hast du Kopfweh, Mama?“, fragte sie vorsichtig.

„Ach, Luna“, platzte es aus Frau Murmelstein heraus. „Ich fühle mich einfach schrecklich! Ich hätte Herrn Jupiters Vorschlag, Gesangslehrerin zu werden, niemals annehmen dürfen. Ich bin total nervös. Nur weil ich selbst gut singen kann, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch anderen beibringen kann. Ich habe doch gar keine Erfahrung. Die ganze Nacht habe ich Lieder und Übungen rausgesucht, die für Anfänger geeignet sind. Ich bin vor Aufregung ganz heiser und krächze sicher wie ein Rabe, wenn ich etwas anstimmen will.“

Luna legte den Apfel auf den Tisch und nahm ihre Mutter in den Arm. „So ein Quatsch, Mama! Du bist bestimmt eine tolle Lehrerin. Wenn du mir die Matheaufgaben erklärst, machst du das viel geduldiger als Frau Zobel. Du weißt ja, ich finde Herrn Jupiter nicht so nett, aber diese Idee von ihm war wirklich super. Ich wette, dass sich schon das halbe Dorf angemeldet hat, um bei dir Singen zu lernen.“ Sie gab ihrer Mutter einen tröstenden Kuss.

Sophia Murmelstein guckte nicht sehr überzeugt. „Das ist furchtbar lieb von dir, Schatz“, sagte sie. „Aber ich merke jetzt schon, wie mich alles wuschig macht. Das Gebell der Dackel, Papa, der es nicht schafft, dir rechtzeitig das Frühstück zu machen, weil er es anders gewohnt ist. Wie soll er denn mit dem Essenkochen klarkommen?“

Gerade kam Georg Murmelstein in die Küche und hörte ihre letzten Worte. „Ganz wunderbar, ganz wunderbar“, sagte er vergnügt. „Ich bin ein genialer Meisterkoch und werde euch mit meinen Künsten verzauauauaubern!“

Er fuchtelte mit seinen Armen dramatisch herum wie ein Opernsänger. „Nur keine Sorgen machen, Liiiiebling.“ Er hob Sophia Murmelstein hoch und drehte sie im Kreis.

„Hiiilfe!“, kreischte sie. „Lass mich runter, Georg! Bist du plötzlich verrückt geworden?“

Die Dackel, die dem Förster gefolgt waren, bellten begeistert und sprangen um die beiden Erwachsenen herum.

Luna kicherte. So lustig kannte sie ihren Vater gar nicht. Meistens ging er die Dinge mit großem Ernst an. Sein Kochvorhaben weckte ganz andere Seiten in ihm. Der neue Job ihrer Mutter versprach also jede Menge Spaß.

Georg Murmelstein setzte seine Frau ab.

„Mir ist ganz schwindlig“, sagte sie vorwurfsvoll. Aber zumindest hatte der Förster sie zum Lachen gebracht.

„Papa, du ein Meisterkoch?“, sagte Luna zweifelnd. „Ich esse auch gerne jeden Tag Pfannkuchen. Die kann ich sogar schon selber machen.“

Der Förster zückte ein Notizbuch und schüttelte den Kopf. „Das kommt nicht infrage, mein Kind. Du musst dich doch ausgewogen ernähren, damit du fit für die Schule bist.“

Bevor Luna protestieren konnte, begann er aus dem Buch vorzulesen.

„Was haltet ihr von Yamswurzeln in Kokosspinat? Mit einer feinen Chilischote und frischem Knoblauch würzen, reichlich Ingwer dazu, mit Fischsoße, Salz und Dill abschmecken … einfach herrlich! Mal was anderes als Kartoffelauflauf oder Spaghetti mit Hackfleischsoße. Und als Nachtisch gibt es das Kokosfleisch mit Basilikumeis.“

Sophia Murmelstein schaute ihren Mann verwundert an. „Georg, ich wusste ja gar nicht, dass du so ein Feinschmecker bist. Obwohl ich dachte, du magst meinen Kartoffelauflauf gerne.“ Das klang ein wenig enttäuscht.

Der Förster wollte antworten, aber Luna kam ihm zuvor. „Mama, ich liebe deinen Auflauf, und Papa, dein Menü hört sich schrecklich an. Was bitte ist eine Yamswurzel?“

Herr Murmelstein ließ sein Notizbuch sinken und sah seine Tochter an. „Mein liebes Kind, ich dachte, du interessierst dich für alles, was in der Natur lebt und wächst. Yamswurzeln gibt es zum Beispiel in Nigeria auf dem Markt. Sie sehen aus wie gestapelte Baumstämme. Die Kinder dort lieben Yamswurzeln und bekommen sie gekocht mit in die Schule. Aber man kann auch Pommes daraus machen. Vom Geschmack her erinnern sie etwas an Süßkartoffeln.“

Jetzt hörte sich ihr Vater wieder an wie sonst. Ein bisschen belehrend.

Luna verzog das Gesicht. „Süßkartoffeln mag ich nicht. Wenn man die kaut, werden sie im Mund immer mehr, weil sie staubtrocken sind. Frau Herzblatt hat auf dem Schulfest mal einen Eintopf daraus gekocht.“

Sophia Murmelstein strahlte plötzlich. „Ach, die gute Gloria. Sie ist wirklich besonders originell und eine tolle Lehrerin. Ich sollte sie um Rat für meinen Unterricht bitten.“

Luna stöhnte. „Bloß nicht! Frau Herzblatt ist total schnarchnasig. Du müsstest sie mal in der Schule hören. Sie schläft fast ein, wenn sie uns etwas erklärt. Wahrscheinlich glaubt sie, dass das Wissen besser in unseren Köpfen hängen bleibt, wenn sie in Zeitlupe spricht. Wenn du so unterrichtest wie sie, dann laufen dir deine Gesangsschüler schon nach der ersten Stunde weg. Wir dürfen das ja leider nicht, wegen der Schulpflicht.“

Ihre Mutter guckte verwundert. „So hätte ich Gloria gar nicht eingeschätzt. Sie kommt mir immer sehr munter und unternehmungslustig vor.“

Luna schüttelte den Kopf. „Da täuschst du dich, Mama.“

Sie schaute ihrem Vater zu, wie er ungeübt begann, ihr Pausenbrot vorzubereiten.

„Ich hoffe, du machst mir demnächst keine Yamswurzel für die Schule, Papa. Sonst streike ich. Krieg ich jetzt noch Frühstück oder musst du die Zutaten dafür erst aus Nigeria einfliegen lassen? Es ist übrigens schlecht für das Klima, Lebensmittel aus fernen Ländern zu beschaffen. Frag mal Melody, die hat ein Buch, wo das alles drinsteht.“

Sie schaute triumphierend. Jetzt hatte sie ihren Vater erwischt.

„Ich wette, man kriegt diese Wurzeln auch aus heimischen Gärten“, verteidigte er sich.

„Aber nicht aus unserem, Papa“, erwiderte Luna und grinste. „Da wachsen nur die leckeren Kartoffeln, die Mama angebaut hat.“

Jetzt griff Frau Murmelstein ein. „Verdirb Papa nicht den ganzen Spaß, Luna“, verteidigte sie ihren Mann. „Ich finde es schön, dass er sich so viele Gedanken um unser leibliches Wohl macht und dabei auch noch so lustig ist. Lass das mal, Georg, ich mach das Frühstück schnell fertig.“

Sie nahm den Apfel vom Tisch, schnitt ihn und eine Banane in Windeseile klein, schüttete Müsli und Milch dazu und stellte die Schale auf den Tisch. „Lass es dir schmecken, Schatz.“

Dann bereitete sie das Pausenbrot zu, füllte die Trinkflasche mit Wasser und packte alles in Lunas Rucksack. „Ab morgen macht das aber Papa für dich. Stimmt’s, Georg?“, sagte sie energisch.

Aber Herr Murmelstein schrieb schon wieder Notizen in sein Buch.

Luna ahnte Schlimmes. Anscheinend hatte sich ihr Vater vorgenommen, in nächster Zeit ganz besonders ausgefallene Gerichte zu servieren.

Da half nur eines: möglichst nicht zu Hause essen. Bei Jonas auf dem Bauernhof gab es mittags immer etwas Leckeres, und sie war dort gern gesehen. Und Melody hatte köstliche Pizzen auf Vorrat im Tiefkühlfach.

Bei Casper kochte seit Kurzem sogar eine Haushälterin, die ein ganz tolles Rezept mit Reis und Hühnchen kannte. Casper durfte sich jeden Tag seine Lieblingsgerichte wünschen und Freunde dazu einladen. Sicher standen bei ihm keine Yamswurzeln mit Kokosmilch auf der Liste.

Luna war optimistisch, dass sie irgendwie über die Runden kommen würde, bis ihr Vater seine wilde Kochphase überwunden hatte. Sie musste nur achtgeben, dass er nicht misstrauisch wurde, wenn sie plötzlich ständig Gruppenreferate vorbereiten musste oder mit Melody für Klassenarbeiten übte. So fleißig war sie nämlich normalerweise nicht.

„Du kannst gerne deine Freunde zu uns einladen“, sagte Georg Murmelstein in diesem Moment. „Damit ihre Gaumen auch mal mit anderen Geschmäckern geschult werden.“

Luna warf ihrer Mutter einen Hilfe suchenden Blick zu, aber die war schon wieder ganz in ihr dickes Notenbuch versunken und befand sich in anderen Welten.

Sie seufzte. Ihre Lieblingsspeisen konnte sie in den nächsten Wochen vergessen, bis Mama absehen konnte, wie stressig die neue Arbeit war.

Hoffentlich tauchte Julius Jupiter nicht im Forsthaus auf, um ihr Ratschläge für ihren Unterricht zu geben. Luna reichte es schon, wenn Gloria Herzblatt unangemeldet hereinschneite. Seit diese im Chor sang, lud Frau Murmelstein sie ständig zu ihnen ein.

Luna löffelte hastig ihr Müsli leer und schnappte sich ihren Rucksack. Im letzten Augenblick fiel ihr ein, dass sie noch etwas Wichtiges vergessen hatte: die Zauberflöte!

Frau Herzblatt hatte sich bei ihrer Mutter auffallend neugierig nach den Fortschritten von Lunas Flötenspiel erkundigt, sodass Luna ihr kostbares Instrument nur noch ungern allein ließ. Es musste einen Grund geben, warum sie Luna nicht selber darauf ansprach, aber Luna wollte sie auf keinen Fall danach fragen. Denn sie hatte das Gefühl, Frau Herzblatt interessierte sich insgeheim mehr für die Flöte als für ihr Spiel.

Ob Herr Jupiter mit ihrer Lehrerin darüber gesprochen hatte? Bekanntlich liebte er Flöten und hatte eine ansehnliche Sammlung. Sie lagen in einer Glasvitrine auf edlem Samt. Luna hatte ihn schon früher im Verdacht gehabt, dass auch ein Platz für ihre Zauberflöte vorgesehen war, die früher einmal Jupiters bester Freundin Margerita gehört hatte.

Luna wischte die dunklen Gedanken energisch fort. Trotzdem war es wichtig, die Zauberflöte nicht aus den Augen zu lassen, das fühlte sie in jeder Pore.

Jetzt brauchte sie das Instrument dringend für Melodys Geschenk. Zwar hatte sie erst in zehn Tagen Geburtstag, aber als i-Tüpfelchen hatte Luna sich etwas ganz Besonderes für das Bild ausgedacht: ein Pfotenabdruck von Valentino.

Melody und der Fuchs mochten sich sehr gerne, und manchmal dolmetschte Luna sogar ihre Gespräche miteinander.

Luna hatte ihn schon ein paar Wochen nicht gesehen. Es war wichtig, ihn so schnell wie möglich herbeizuflöten, damit er sich auf dem Bild verewigen konnte. Sie musste nur achtgeben, dass Melody keinen Wind davon bekam.

Also rannte sie mit der Schultasche zurück in ihr Zimmer, verstaute ihre Flöte, rollte das Geschenk vorsichtig ein und steckte es in ein Plastikrohr, damit es geschützt war.

2.

Ein Fuchs als Künstler

Herr Murmelstein war schon längst wieder draußen, als Luna die Treppe hinuntergepoltert kam. Ihre Mutter war immer noch in ihrer Liederwelt versunken, deswegen schickte Luna ihr nur einen Luftkuss zum Abschied.

Daisy und Drago hockten ebenfalls vor der Tür und beobachteten gespannt, wie der Förster neben einem Brennholzstapel mit einem Stück Wellblech hantierte.

„Was machst du da, Papa?“, rief Luna.

Georg Murmelstein legte einen Finger auf die Lippen. „Psst!“

Die Dackel knurrten unterdrückt.

„Dieser faule Nichtsnutz! Schläft bis in die Puppen, bei allerbestem Wetter, verstopft mit seinem Krempel die schönsten Wühlmausgänge und kriegt auch noch Leckereien. Ich versteh die Welt nicht mehr“, schimpfte Drago.

„Du hast ganz recht“, stimmte ihm Daisy zu. „Der Chef hat ihm sogar eine Dose Katzenfutter aufgemacht. Köstliches Huhn. Und wir müssen immer die gleichen Hundefutterbrocken hinunterwürgen. Die Welt ist ungerecht! Der Chef ist ungerecht …“ Sie schnaufte. „Man sollte den Laden mal richtig aufmischen.“

Luna ging neben den Dackeln in die Hocke. „Hey, was ist los?“, wisperte sie hinter vorgehaltener Hand, damit ihr Vater nichts mitkriegte. „Auf wen oder was seid ihr denn jetzt schon wieder sauer?“

In dem Moment rief Georg Murmelstein leise nach Luna. „Komm mal her!“

Eilig rannte sie zu ihm hin.

Der Förster zeigte auf einen Haufen Äste und Moos. „Unsere Freunde haben einen kleinen Igel aus dem Schlaf gerüttelt“, erklärte er. „Er hatte sich so ein gemütliches Winterlager gebaut, aber die Dackel haben ein Wühlmaus-Zuhause darunter vermutet und wie die Weltmeister gebuddelt. Ich versuche, ihn noch mal zum Schlafen zu bewegen, denn es ist eigentlich zu früh für ihn. Ich habe ihm ein Schälchen Fressen hingestellt und schütze das Lager mit dem Wellblech vor Regen.“

Luna beugte sich vor. Der Kleine blinzelte sie ganz verschlafen aus seinen Knopfaugen an. Leider konnte sie nicht mit ihm sprechen. Um mit einem Tier eine erste Verbindung aufzunehmen, musste sie ihm etwas auf der Flöte vorspielen. Das ging natürlich nicht, wenn ihr Vater dabei war.

Schade, fand Luna, denn sie hätte den Igel beruhigen und ihm sagen können, dass die Dackel es nicht auf ihn abgesehen hatten. Sie würde das am Nachmittag nachholen, wenn niemand in der Nähe war. Falls er dann nicht schon wieder schlief.

Der Förster schaufelte eine ordentliche Portion trockene Rinde um das Igel-Schlafzimmer. Er ließ nur einen winzigen Zugang frei, an dem das Schälchen mit Katzenfutter stand, und wandte sich dann an die Dackel.

„Lasst mir den Kleinen und das Futter in Ruhe“, befahl er streng.

„Ja, genau“, pflichtete Luna ihm nun in normaler Lautstärke bei. „Sonst kriegt ihr auch mit mir Ärger.“

Die Dackel drehten beleidigt die Köpfe zur Seite.

„Ich kann Igel nicht ausstehen“, zischte Daisy. „Sie haben ein hässliches Stachelfell und fressen unser Futter weg.“

Drago setzte sich in Bewegung. „Komm, Daisy. Wir verziehen uns, bis die Luft wieder rein ist. Dann sichten wir die Lage noch mal.“

Luna sah ihnen empört hinterher. „Ich habe euch im Auge!“

Herr Murmelstein winkte ab. „Vergiss es. Die Dackel sind verrückt nach Katzenfutter, obwohl das nicht gesund für sie ist. Igel dagegen sollen kein Hundefutter bekommen. Es nimmt sich also niemand etwas weg. Ärgere dich nicht, Luna. Sie verstehen dich ja nicht, und mir gehorchen die Dackel sowieso besser, weil ich ihr Chef bin.“

Wenn du wüsstest, Papa, dachte Luna. Aber vielleicht war es besser, dass er nicht mitbekam, was Drago und Daisy sagten. Sie konnten ganz schön respektlos über ihren Chef, wie er sich bezeichnete, herziehen.

„Was hast du da in der Rolle?“, fragte Herr Murmelstein neugierig.

„Mein Geschenk für Melody“, antwortete Luna. „Ich habe ein Bild aus Pflanzen gebastelt. Jetzt soll da noch ein wenig feuchte Walderde ran.“

Das war nicht ganz falsch, aber natürlich fehlte die eigentlich wichtige Information, dass ein Fuchs die Erde auftragen würde.

„Tolle Idee“, lobte Herr Murmelstein. „Komm pünktlich zum Essen nach Hause. Die Yamswurzeln gibt es allerdings noch nicht heute, die muss ich erst in der Kreisstadt im Bioladen holen.“

Luna bemühte sich, nicht zu erleichtert zu gucken. „Alles klar, Papa. In den nächsten Wochen habe ich aber einige Gruppenreferate. Wir treffen uns reihum, deswegen kann ich mittags nicht immer da sein.“

Sie schwang sich auf ihr Fahrrad, das am Schuppen lehnte, und radelte los. Als sie in sicherer Entfernung vom Forsthaus war, hielt sie hinter einer Fichtenreihe an und holte die Zauberflöte hervor. Mit ihrem Spiel konnte sie ihre tierischen Freunde immer noch am zuverlässigsten zu sich rufen.

Bevor sie der Flöte die ersten Töne entlocken konnte, bemerkte sie auf zwei gegenüberliegenden Fichten eine Schar Meisen, die aufgeregt mit den Flügeln schlugen und sich zu streiten schienen.

Luna erkannte einige Tannenmeisen an den weißen Punkten auf ihren Flügeln und einem hellen Fleck im Nacken. Die andere Art mit einem grauen Kopf und einer schwarzen Maskenzeichnung um die Augen hatte Luna dagegen noch nie gesehen.

Dass Meisen sich im Wald in die Federn bekamen, sah sie selten. Wollen wir gleich mal hören, was da los ist, dachte Luna.

Sie setzte das Mundstück der Querflöte an die Lippen und spielte eine fröhliche Morgenmelodie. Fast wie Zwitschern und Jubilieren hörte sich das an. Tatsächlich wurden die Meisen auf Luna aufmerksam und mäßigten ihr Gezanke.

Eine ganz mutige Tannenmeise flog auf einen Zweig direkt vor Lunas Gesicht und blinzelte sie neugierig an.

„Hallo du“, zwitscherte sie. „Schon so gut gelaunt frühmorgens?“

Luna hörte auf zu spielen und lächelte freundlich. „Auch hallo du“, antwortete sie. „Ich bin meistens gut gelaunt, wenn ich durch den Wald radle. Obwohl ich zur Schule muss, wo es oft gar nicht so lustig ist. Und ihr? Habt ihr Ärger miteinander, oder warum ist es so laut zwischen euch geworden?“

Die Tannenmeise schien zu überlegen, ob sie Luna in den Streit einweihen sollte. „Du bist ganz schön neugierig, Flötenmädchen“, sagte sie dann.

„Ich heiße Luna. Luna Wunderwald“, sagte Luna.

Die Meise kannte sie nicht, das kam selten vor im Sommerwald. Wahrscheinlich war sie erst vor Kurzem geschlüpft.

„Ich bin die Tochter des Försters und spreche oft mit Tieren. Du hast recht, manchmal bin ich neugierig, aber nur, weil ich helfen will. Also, was ist bei euch los?“

Die Tannenmeise plusterte ihr Federkleid auf. „Seit gestern brüten diese Beutelmeisen auf unserem Baum. Die haben da nichts verloren! Die sollen sich verziehen, aber das wollen sie nicht. Sie behaupten, am Waldesrand, wo sie herkommen, gehen zu viele Menschen spazieren. Jemand singt angeblich immer so ohrenbetäubend, dass sie ihr eigenes Gezwitscher nicht mehr verstehen, und das sei nicht gut für ihre Brut. Alles faule Ausreden, wenn du mich fragst!“

Die Tannenmeise war so empört, dass sie immer lauter wurde. Die anderen Tannenmeisen stimmten ihr zu.

„Nur Ausreden!“

„Dummes Geschwätz ist das!“

Luna schaute zu der Fichte hinüber. „Beutelmeisen? Die sagen mir gar nichts“, gab sie zu. „Meine Freunde Melody und Casper kennen sich mit den Arten besser aus als ich.“

Eine zweite Tannenmeise flatterte herbei. „Die muss man auch nicht kennen“, sagte sie energisch. „Die sind völlig überflüssig.“

Luna schüttelte unwillig den Kopf. „Ich verstehe euch nicht. Hier ist doch Platz genug für alle.“

Nun kam eine Beutelmeise mit schönem rostbraunem Rückengefieder angeflogen und setzte sich mit respektvollem Abstand dazu.