Luthers Hochzeit - Elke Strauchenbruch - E-Book

Luthers Hochzeit E-Book

Elke Strauchenbruch

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Beschreibung

Die Hochzeit gehört zu den aufregendsten Ereignissen im Leben eines Menschen. Der Sinn der Ehe, Antrag, Ja-Wort, Hochzeitskleid, Kranz und Schleier, Ringe, Hochzeitsgäste, Hochzeitsmahl, Liebe, Hochzeitsnacht und vieles mehr - woher kommen eigentlich all diese Bräuche und was bedeuten sie? Die Kulturhistorikerin Elke Strauchenbruch erläutert diese Fragen der Alltagsgeschichte in ihrem Buch "Luthers Hochzeit" auf gewohnt anschauliche Weise und fragt, was der Reformator damit zu tun hat? Martins Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora, die Hochzeit des berühmten ehemaligen Mönches mit der entlaufenen Nonne, war eine der spektakulärsten Eheschließungen der Geschichte. War sie bloße Provokation? Galt sie der Befriedigung sexueller Bedürfnisse? War sie Bekenntnis zur Ehe? Hat sie Einfluss auf unsere heutige Feierkultur?

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Luthers Hochzeit

ELKE STRAUCHENBRUCH

Elke Strauchenbruch studierte in Leipzig Geschichte. Anschließend war sie im Wittenberger Lutherhaus als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Später arbeitete sie als selbständige Buchhändlerin und Antiquarin. Heute lebt sie als freie Autorin vor allem populärer reformationsgeschichtlicher Bücher in Wittenberg. Als Autorin des Buches »Luthers Wittenberg« war sie als Beraterin für das Panorama von Yadegar Asisi »Luther 1517« tätig.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2017 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Cover: Anja Haß, Frankfurt am Main

Coverbild: Ausschnitt aus dem Panorama LUTHER 1517 von Yadegar Asisi, © asisi

Satz: makena plangrafik, Leipzig

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

ISBN 978-3-374-04776-5

www.eva-leipzig.de

Für Yadegar Asisi,

den ich bei der inhaltlichen Erarbeitung des Wittenberger Luther-Panoramas unterstützen durfte und der für dieses Büchlein mehrere Szenen aus dem Panorama zur Verfügung gestellt hat.

Vorwort

Wenn zwei Menschen zusammenfinden und sich versprechen, miteinander leben zu wollen und es dann auch tun, so sind sie vor Gott verheiratet. Ehe und Sexualität sind ein Geschenk Gottes an die Menschen, das sich auf Achtung vor dem Anderen und auf Liebe gründen sollte. Zu solcher Gemeinschaft von Mann und Frau gehören unbedingt auch Kinder, denen nicht nur mit Strenge, sondern vor allem mit Liebe zu begegnen ist. Diese Gedanken Luthers zu Ehe, Familie und Sexualität revolutionierten geradezu die mittelalterlichen Anschauungen.

Bisher hatten die Minne der Ritter, die meist unerfüllt blieb, und insbesondere die Hingabe an Jesus Christus durch das Leben im Kloster das Ideal abgegeben. Nonnen wurden als Bräute Christi bezeichnet und galten wie die Mönche als Vorbilder der Gottesliebe, der rein spirituellen Liebe. Leibliche Sexualität hingegen war dem klar nachgeordnet und möglichst auf die Ehe zu beschränken. Sie sollte vornehmlich der Zeugung von Kindern dienen. So weit das Ideal. In der Praxis aber stand Männern, die z.B. aus wirtschaftlichen Gründen keine oder noch keine Ehe eingehen konnten, der Weg ins Freudenhaus offen. Zu ihnen gehörten auch Gesellen, Studenten, Diener und Knechte. Sexuelle Bedürfnisse von Frauen interessierten nicht. Frauen waren in der mittelalterlichen Gesellschaft dem Mann untergeordnet und rechtlich in ihrer Mündigkeit eingeschränkt. Besonders schlimm erging es unverheirateten Müttern und ihren Kindern.

Luthers Idee von der Liebe als Geschenk Gottes revolutionierte den gesellschaftlichen Wert von Ehe und Sexualität und führte letztlich zu einer Aufwertung der Frauen, in denen er die geliebten Partnerinnen ihrer Ehemänner sah. Damit wertete Luther den Ehestand auf und verschaffte ihm als Grundlage der menschlichen Gesellschaft hohes Ansehen. Wer wollte schon ein Geschenk Gottes abwertend betrachten! Kinder rückten in seinen Fokus und in den seiner heiratenden Freunde. Kinder müssen erzogen werden, brauchen Liebe und vor allem Ausbildung. Sie sind die Zukunft der Gesellschaft. Die Reformation wurde zum Bildungswerk, gerade auch für Mädchen!

Martin Luther und seine Freunde schufen neue Kirchenordnungen und begründeten neues Eherecht. Dabei griffen sie immer wieder auf altes regional ausgeübtes Brauchtum zurück. Alles wurde geprüft und, wenn als evangelisch befunden, weiterhin zugelassen. So heirateten viele Paare weiter zu Hause oder vor den Brautportalen der Kirchen. Erst nach Luthers Tod griffen die Obrigkeit und die Kirche ordnend ein und schufen Tauf-, Trau- und Sterberegister. Die Eheschließung verlor ihre von Luther propagierte Privatheit und wurde zu einem öffentlichen Bekenntnis, was den Akt der Hochzeit enorm aufwertete.

Martin Luther brauchte eine lange Zeit, um sich selbst aus seinem Klosterleben zu lösen. In diesem Prozess erkannte er die Problematik des Zölibats und stellte den Klosterinsassen vor Augen fest, dass die Sexualität, mit deren Unterdrückung sie fast alle kämpften, eine Gottesgabe sei, die in der Ehe ausgelebt werden dürfe. Er forderte sie auf, ehelich zu leben und zu lieben und freute sich ungemein, als die ersten Freunde Ehen schlossen. Waren es anfangs nichtgeweihte Theologen wie Philipp Melanchthon, so folgten ihnen bald geweihte Mönche und Nonnen. Luthers Freund, der ehemalige Augustinermönch Bartholomäus Bernhardi, schloss am 24. August 1521 mit einer Bürgerstochter die Ehe und begründete fast vier Jahre vor Luthers Hochzeit das erste evangelische Pfarrhaus. Im Falle von Luthers Freund Johannes Bugenhagen zeigte sich, dass die Eheschließung von ehemaligen Klosterinsassen auch auf Abwehr stieß. Schlimm wurde es, als sich Luther selbst zur Ehe entschloss und dafür mit Katharina von Bora eine geflohene Nonne wählte. Luther, der fast Zeit seines Lebens unter scharfer Beobachtung stand, löste mit seiner Hochzeit breite Debatten aus und stieß teils auf eine Welle der Ablehnung, die sich auch gegen seine Braut richtete. Selbst Philosophen wie Erasmus von Rotterdam diskutierten, ob aus dieser Ehe Kinder im menschlichen Sinne geboren werden könnten oder Ausgeburten der Hölle.

Luther selbst erschien seine Ehe anfangs als eine Art Zweckbündnis. Doch bald erkannte er, dass er richtig gewählt hatte. Katharina war die Liebe seines Lebens und er die ihre. Sie genossen die Freuden der Ehe, teilten alle Sorgen und gingen voller Respekt und sehr partnerschaftlich miteinander um. Dennoch lebten sie in einer männerdominierten Gesellschaft, die das Wirken der Frauen gerne übersah oder offen missachtete. Da die Berichte über Luther und seine Ehe meist von Studenten oder männlichen Beobachtern verfasst wurden, erscheinen die Frauen der Reformatoren darin kaum. Wir wissen nicht, ob sie an Feiern teilnahmen. Auch Gespräche mit ihnen wurden nur ganz selten notiert. Dafür berichtet Luther in fast allen Briefen an die Freunde voller Freude vom Wirken seiner Frau und sprach später auch mit Wärme von seinen Kindern. Briefe an ihn enthalten sehr häufig Grüße an die vielbeschäftigte Lutherin. Man wusste selbst bei Hofe um ihre Bedeutung für sein Seelenleben und achtete es. Luther pries die Freuden der Ehe, half seelsorgerisch bei Kummer, Krankheit und Tod und organisierte sein Leben lang mit Feuereifer weitere Hochzeiten. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieser Reformator die Liebe als Grundlage der Ehe über alles preist! Der Reformator erweist sich bei näherem Hinsehen auch im Alltagsleben als spannende Persönlichkeit, bei der noch viel Neues zu entdecken ist.

Wenn dieses Büchlein über Luthers Hochzeit erscheint, werden wir mitten im Jahr des Reformationsjubiläums 2017 sein. In der Forschung über die Reformationsgeschichte hat sich vor allem in den vergangenen Jahren die Aufmerksamkeit auf alltagsgeschichtliche Zusammenhänge gerichtet. 500 Jahre nach Beginn der Reformation ausgerechnet von der Liebe zu sprechen und mit Luther den Ehestand als Grundlage der Gesellschaft und unserer Zukunft zu loben, zeigt angesichts der derzeit sehr bedenklichen Entwicklungen in der Welt, dass wir Hoffnung haben sollen und können. Die Liebe wird am Ende gewinnen.

Ich danke der Evangelischen Verlagsanstalt für die immer gute Zusammenarbeit. Ich danke Yadegar Asisi, dass wir drei seiner wunderbaren Szenen aus seinem Panorama Luther 1517 im Buche abbilden dürfen. Meine Mitarbeit am Panorama gehört sicherlich zu den eindrucksvollsten und schönsten Aufgaben in meinem Berufsleben. Ich habe sie genossen. Ich hoffe auf ein friedliches, weltoffenes, interessantes und schöne Erkenntnisse und Erlebnisse bringendes Reformationsfest, zu dem ich mit meiner Arbeit ein wenig beitragen wollte.

Auf dem Höhepunkt dieses Jahres würde ich meine Silberhochzeit zu feiern haben, wäre mein Ehemann nicht 2002 verstorben. Beim Schreiben des Buches habe ich immer wieder auch an meine Ehe gedacht. Es war die Liebe, die unser Leben schön gemacht hat.

Meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich Freude am Leben und Liebe.

Elke Strauchenbruch

Lutherstadt Wittenberg im kalten Februar 2017

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Die Autorin

Impressum

Widmung

Vorwort

Luthers Entschluss zur Ehe

Ehe und Ehelosigkeit im Mittelalter

Luthers Auseinandersetzung mit Zölibat und Ehe

Luther als Förderer der Hochzeiten seiner Freunde

1. Philipp Melanchthon

2. Johann Agricola

3. Justus Jonas

4. Johannes Bugenhagen

5. Caspar Cruziger

Die rechte Partnerwahl

Martin Luther als Bräutigam

Katharina von Bora – Klosterleben, Klosterflucht und erste Liebe

Hochzeitstermin und Aufgebot

Luthers Verlobung, Trauung und Beilager am 13. Juni 1525

Trauungen in facie ecclesia – die Brautportale

Das Ja-Wort

Die Trauringe

Das Beilager

Die ersten Hochzeitsessen der Luthers

Hochzeitsnacht und Küssewochen

Hochzeitsgeschenke des Rates der Stadt Wittenberg

Hochzeitsgäste als Zeugen der Eheschließung

Luther als Hochzeitsgast

Das Brautkleid der Katharina

Unter die Haube gebracht

Kirchgang und Brautmesse

Die Hochzeitsfeier

Luthers Hochzeitstanz

Hochzeitsgeschenke

Cranachs Hochzeitsbilder

Jung verheiratet

Die Rolle der Frau bei Luther und seinen Freunden

Anmerkungen

Abbildungsnachweis

Weitere Bücher

Luthers Entschluss zur Ehe

Geht die Welt jetzt unter? fragten sich die Menschen Ende April/Anfang Mai 1525. Aus Tirol, Südwestdeutschland und dem Harzvorland kamen immer mehr Nachrichten vom Aufstand des Gemeinen Mannes gegen weltliche und kirchliche Herrschaften. Martin Luther reiste Mitte April mit Freunden in seine Heimat im Mansfelder Land und fand sich mitten im Aufstandsgebiet wieder. Nicht ahnend, dass der Bauernkrieg seinem schrecklichen Höhepunkt in der Schlacht von Frankenhausen zustrebte, verfasste er zu Beginn seiner Reise einen Aufruf an die Aufständischen zum Frieden. Wenige Tage später erkannte er die ungeheure Tragweite der Vorgänge und forderte die Herren in einer weiteren Schrift auf, die Aufstände ohne Rücksicht mit dem Schwert niederzuschlagen und so die göttliche Ordnung wiederherzustellen, wenn zuvor alle Verhandlungen um Frieden gescheitert wären. Ihm wurde klar, dass die Aufstände den weiteren Ausbau der sich gerade gründenden evangelischen Landeskirchen gefährden konnten und tat, was er in solchen Fällen immer tat: er wandte sich rücksichtslos gegen die vermeintlichen Feinde, wurde dabei aber durchaus nicht zum willenlosen Werkzeug der Fürsten.1

Mitten in diesen schweren Auseinandersetzungen um Krieg und Frieden fand Luther Gelegenheit, seinen Vater wiederzusehen und ein Gespräch mit ihm zu führen. Die Beziehung zu seinen Eltern hatte zu seinem Schmerz schwer unter seinem Eintritt ins Kloster gelitten. Der Vater fühlte seine Wünsche nach einer weltlichen Laufbahn des Sohnes missachtet. Dennoch waren er und seine Freunde Anfang Mai 1507 in einem eindrucksvollen Zuge zur Priesterweihe des Sohnes gekommen. Die Familie hatte in der Folge das Werden des Sohnes und Bruders im Kloster aufmerksam beobachtet und war ihm seit 1517 in seiner neuen Glaubenslehre gefolgt.

1520 besuchten Hans und Margarethe Luther ihren Sohn im Augustinerkloster in Wittenberg. Am 26. November begleiteten sie den Sohn zur Hochzeit von dessen Freund und Kollegen Philipp Melanchthon mit der Wittenberger Bürgermeisterstochter Katharina Krappe.

Als Luther zum Reichstag nach Worms zog, wurde er von seinem Bruder Jakob begleitet, damit doch wenigstens einer der Seinen ihm nahe sei in der Stunde derGefahr. Auf der Rückreise besuchte er mit ihm seine Verwandten in Möhra, vor allem seinen Onkel Heinz Luther, bei dem er seine hochbetagte Großmutter noch am Leben findet, die jedoch im September desselben Jahres stirbt. Am 4. Mai 1521 soll Luther in Möhra/Thüringen unter freiem Himmel gepredigt haben, da die Kirche die vielen herbeieilenden Menschen, die den Helden von Worms sehen und hören wollten, nicht habe fassen können. Luther erzählte in einem Brief an seinen Freund Georg Spalatin scherzend über seine „Gefangennahme“ bei Altenstein, wo sein Bruder mit den anderen vom Wagen gesprungen und davongelaufen sei.2 Er selber wurde auf Befehl des Kurfürsten Friedrich auf die Wartburg gebracht.

Luther hatte immer darunter gelitten, mit seinem Klostereintritt den elterlichen Willen missachtet zu haben. In der an den Vater gerichteten Vorrede zu seiner Schrift über die Mönchsgelübde, hatte er am 21. November 1521 auf der Wartburg schuldbewusst geschrieben: Es geht jetzt fast in das sechzehnte Jahr meiner Möncherei, in die ich mich ohne Dein Wissen und Deinen Willen begeben habe. Du hattest wohl Sorge und Furcht um meiner Schwachheit willen, darum weil ich ein junges Blut von etwa 22 Jahren war. Das heißt, um des Augustinus Wort zu gebrauchen, es war noch lauter heiße Jugend von mir, so zu handeln. … Du warst auch willens, für mich reich und ehrenvoll zu freien und so mich zu fesseln. Weiter schrieb er davon, dass er den Zorn des Vaters erst überwinden konnte, als er ihm von seinem Gelübde in Stotternheim erzählte und von seiner dabei, im Angesicht eines lebensbedrohlichen schweren Gewitters, erlebten Todesnot.

Sein Gewissen und sein Vater sagten ihm, Gott hat geboten, man solle seinen Eltern gehorchen, aber was ich tat, war ganz ungöttlich. Dass es aber nicht aus Gott war, das geht nicht nur daraus hervor, dass es wider Deine Gewalt war, sondern auch daraus, dass es nicht von Herzen und aus freiem Willen getan war. … Aber die Möncherei ist nun bei mir aus und ist nichts, wie ich gesagt habe. Aber der mich aus der Möncherei herausgenommen hat, der hat mehr Recht über mich, als Dein Recht ist. … Und siehe, das ist es, wie gesagt, was weder Du noch ich selbst vorher gewusst haben, dass nämlich Gottes Gebote allen anderen vorgehen müssen. …

Er müsse nun im Dienst des Wortes Gottes sein.3

Seit 1521 heirateten Geistliche und nahmen zur wirtschaftlichen Absicherung ihrer Familien ein bürgerliches Leben auf. Doch Martin blieb in seinem Kloster und fand erst im Oktober 1524, nun schon fast 41-jährig, die Kraft, seine Mönchskutte endgültig abzulegen und auch auf Reisen in bürgerlicher Kleidung zu erscheinen. Das gab seinen Eltern Hoffnung, dass ihre Wünsche doch noch in Erfüllung gehen könnten. Auch dieser Sohn sollte endlich nach dem Vorbild seiner Freunde eine Ehe schließen und Vater werden. Im Gespräch zwischen Vater und Sohn soll es Ende April/Anfang Mai 1525 darum gegangen sein, dass der Vater verlangte, der Sohn solle endlich die Wünsche seiner Eltern erfüllen und heiraten.

Womöglich hat Hans Luther in diesem Gespräch erfahren, dass Luther sich gerade zur Eheschließung durchgerungen hatte. Denn Martinus schrieb am 4. Mai 1525 an den mit ihm und seiner Familie befreundeten Rat des Kardinals Albrecht von Brandenburg und der Grafen von Mansfeld, an Dr.Johann Rühel, und teilte dem Freund zwischen allen Nachrichten von Kriegsgräueln im Bauernkrieg überraschend mit: Und kann ichs schicken dem Teufel zum Trotz, so will ich meine Käthe noch zur Ehe nehmen, ehe denn ich sterbe, wenn ich höre, dass die Bauern fortfahren. Ich hoffe, sie sollen mir doch nicht meinen Mut und meine Freude nehmen.4 Er hat in den vergangenen Wochen innerlich also nicht nur die Möglichkeit seiner eigenen Eheschließung durchdacht, sondern mögliche Bräute für sich ins Auge gefasst und die Eine, die Richtige für sich herausgefunden. Gewiss hat er dazu ihr Einverständnis erkundet, denn sonst hätte er Rühel wohl kaum Katharinas Namen genannt. Da Luther Wittenberg Mitte April verlassen hat, muss dieses Gespräch mit Katharina zuvor, also in der ersten Aprilhälfte, stattgefunden haben. Seinen Mut und seine Freude am Leben wolle er sich nicht nehmen lassen. In seinen Gedanken ging es nicht nur um sein Werk, nicht nur um die Kriegsgräuel rings um ihn herum, sondern auch um ihn und sein privates Glück. Dennoch kamen ihm Anfang Juni noch einmal leichte Zweifel auf, die er in einem seiner weiteren Briefe an Rühel äußerte.

Abb. 1Bronzeepitaph Kurfürst Friedrichs des Weisen, Vischer-Werkstatt Nürnberg, nach 1525 in der Schlosskirche Wittenberg

Abb. 2Kurfürst Friedrich der Weise und sein Bruder und Nachfolger Kurfürst Johann der Beständige, Holzschnitt von Lukas Cranach

Luther befand sich noch im Mansfelder Land und konnte dem Wunsche seines Kurfürsten Friedrich (Friedrich der Weise) nicht nachkommen und dem Fürsten bei dessen Sterben seelsorgerisch zur Seite stehen. Luthers langjähriger Beschützer verschied am Nachmittag des 5. Mai in seinem geliebten Jagdschloss Lochau, dem heutigen Annaburg. Friedrichs Tod in so schweren Zeiten beraubte das Kurfürstentum um seinen die Ursachen des Aufstandes erkennenden, weisen Landesherrn, der offenbar bis zuletzt auf eine friedliche Lösung gehofft hatte. Da sich dessen meist männlichen Familienangehörigen wegen des Bauernkrieges im Felde befanden, musste der Sarg des verstorbenen Kurfürsten am 10. Mai ohne die zu solchen Anlässen übliche prunkvolle Begleitung von einem Pferdegespann, das mit Fackeln und Wachskerzen geschmückt war, nach Wittenberg gebracht werden. Die ihren Fürsten auf seinem letzten Weg ein Stück weit begleitenden Lochauer sangen ihm zum Abschied die Lutherlieder Mit Fried und Freud fahr ich dahin und Aus tiefer Not schrei ich zu dir. An der Spitze seines Gefolges waren in Vertretung der Familie sein unehelich geborener junger Sohn Sebastian von Jessen und sein 16-jähriger Neffe Franz von Braunschweig-Lüneburg.5 Die Todesnachricht hat Luther während eines weiteren Aufenthalts bei Johann Rühel in Eisleben erreicht. Offenbar reiste er sofort ab, denn er traf schon am Abend des 6. Mai wieder in seinem Wittenberger Kloster ein. Hier kümmerte er sich gemeinsam mit seinen Freunden und den Bediensteten des Verstorbenen um dessen standesgemäße Bestattung. Er berichtete über die Beisetzung, der Fürst ist ohn Messen und Vigilien von uns, und doch fein, herrlich bestattet6 worden.

Der Tod des Kurfürsten im Angesicht des Bauernkrieges brachte den Wittenbergern neue und existentielle Probleme: Wie würde sich Friedrichs Bruder und Nachfolger Johann nun verhalten. Würde er die Reformation und die junge Wittenberger Universität weiter beschützen? Würde er sich von der Reformation als Quelle und Anlass des Krieges abwenden? Kurfürst Johann stand an der Spitze der die Aufständischen in Mitteldeutschland niederschlagenden Adeligen. Nach ihrem Sieg in der Schlacht von Frankenhausen und der Hinrichtung Thomas Müntzers am 27. Mai widmete er sich neben der Befriedung des Landes den nach einer Regierungsübernahme üblichen Aufgaben. So teilte er schon am 1. Juni mit, er wolle die Wittenberger Universität nicht untergehen lassen, brauche nur ein wenig Geduld. Man solle das auch Luther mitteilen.7

Der machte dem seinem Bruder Friedrich nachfolgenden Kurfürsten Johann (Johann der Beständige) zu dessen Stärkung einen erstaunlichen Vorschlag: Und wenn Sr. Kurf. Gnaden wieder sagen sollten, wie ich schon früher gehört habe, warum ich denn selber keine Frau nähme, der ich doch jedermann dazu anweise, dann sollt Ihr antworten, ich hätte immer noch gefürchtet, ich sei nicht tüchtig genug dazu. Doch falls meine Ehe Sr. Kurf. Gnaden eine Stärkung sein sollte, dann würde ich gar bald bereit sein, Sr. Kurf. Gnaden zum Exempel vorherzutraben, da ich ohnehin im Sinn habe, ehe ich aus diesem Leben scheide, mich im Ehestande finden zu lassen, welchen ich als von Gott gefordert ansehe; und sollte es nichts weiter als eine verlobte Josephsehe sein.8

Um die Bedeutung seines Entschlusses zur Ehe besser einschätzen zu können, müssen wir uns etwas mit der Geschichte von Ehe und Ehelosigkeit beschäftigen.

Ehe und Ehelosigkeit im Mittelalter

Der Hochzeitstag ist für jeden Menschen ein sehr emotionaler, ganz besonderer und unvergesslicher Tag, denn die Hochzeit ist die Gründung einer neuen Lebensgemeinschaft und das Einswerden von zwei Menschen in Glück und Hoffnung9. Das gilt für alle Zeiten und alle Kulturkreise. Hochzeitsfeiern und -riten sind allen Völkern bekannt und gehen bis in die Frühzeit der Menschheit zurück. Von Anfang an waren sie gesellschaftlich und religiös bedeutsame Ereignisse und meinten ursprünglich nicht die Verbindung von zwei einzelnen Menschen, sondern die Verbindung von zwei Lebenskreisen oder Familien, die sich, ihre Ahnen und die für sie wirkenden Gottheiten miteinander verbanden. Darum gehen noch heute Brautpaare, zum Beispiel in Estland und Westböhmen, an die Gräber ihrer nächsten Verwandten, legen als Zeichen des ewigen Lebens Blumen nieder und binden so die Verstorbenen in das Ereignis ein. Die Hochzeit war die Vereinigung zweier Gemeinschaften und für diese ein Erlebnis, Weihe und Freude, und ein Wagnis, das Vorsicht auslöst10, und darum von vielen Riten und Bräuchen begleitet wurde und wird: alles, um dem jungen Paar eine glückliche Zukunft zu ermöglichen.

Eine Hochzeit war schon immer vor allem ein rechtlicher und damit weltlicher Akt, ursprünglich ein Akt zwischen zwei Familien, die mit der Verbindung ihrer Kinder bestimmte Ziele verfolgten: zum Beispiel Frieden schließen wollten, neue Bündnispartner an sich binden, sozialen Aufstieg, die Nachfolge sichern und so weiter. Ehen wurden meist von Eltern oder Vormündern für ihre Kinder beschlossen, die aber bei der Trauung ihre Zustimmung geben mussten, das Ja-Wort. Bei der Partnerwahl blieb man möglichst in „seinem“ gesellschaftlichen Stand. Die jeweils herrschende Standesgesellschaft war entscheidend. So durfte der Adel nur unter sich und möglichst nur auf seinem Standesniveau heiraten. Auch in Zünften, Innungen und Gilden heiratete man möglichst untereinander. Seit dem 16. Jahrhundert gab es dann nicht nur in Wittenberg Professoren- und Pfarrerdynastien, die in jeder Generation immer an denselben Universitäten studierten und ihre Berufe und Stellen immer weitervererbten. In bestimmten gesellschaftlichen Kreisen, wie dem Adel und der Bauernschaft, musste man seit dem Mittelalter die Erlaubnis des jeweiligen Herrn einholen. Dessen Verbot war jedoch nicht das einzige mögliche Ehehindernis. Die Liste der Ehehindernisse und -verbote, zum Beispiel zur Inzestvermeidung unter Familienangehörigen, wurde unendlich lang11 und hat auch Luther als Seelsorger beschäftigt. Die Feststellung von Ehehindernissen war schon seit der Zeit Karls des Großen weitverbreitet und wurde 1215 auf dem 4. Laterankonzil durch die damals noch nicht durchgesetzte Einführung des Aufgebots von der Kanzel kirchlich instrumentalisiert.

Abb. 3Holzschnitt-Initiale I: Die Erschaffung der Eva, 1561 (Apostelgeschichte)

In den Evangelien (Mt 19,1–12 und Mk 10,1–10) wird die Ehe als Teil des göttlichen Schöpfungsakts (Gen 1,27 und 2,18–24) begriffen. Sie hat im Gott-Mensch-Verhältnis eine herausragende Bedeutung, weil in der ehelichen Vereinigung der Getauften das Mysterium erkennbar wird, in dem sich die liebende Vereinigung Gottes mit der Menschheit abbildet. Deshalb durfte eine Ehe auch nicht geschieden werden.12

Um 1100 sind in Nordfrankreich die ersten liturgischen Hochzeitsrituale nachweisbar. Kirchenmänner prüften den Konsens des Brautpaares für eine Eheschließung (Ja-Wort) und ihren möglichen Verwandtschaftsgrad. Man unterschied zwischen der Vermählung als Beginn der Ehe und der Hochzeit (eheliches Beilager), mit der die Ehe vollzogen und nach den Normen der Kirche unauflöslich wurde.13

Mit dem Einzug des Christentums in Europa hatten auch hier die Versuche der Kirche begonnen, auf die Eheschließungen Einfluss zu nehmen. Man berief sich dabei auf die Bibel, wo schon in der Genesis die Ehe dem göttlichen Schöpfungsakt zugeschrieben wurde; ohne Ehe keine Zeugung. Durch den Akt der Zeugung schuf Gott die Möglichkeit der Schöpfung, sich fortzupflanzen. In ihm zeige sich die auf Ewigkeit angelegte liebende Vereinigung Gottes mit der Menschheit, die seit dem Sündenfall des ersten Menschenpaares durch die böse Lust belastet ist. Nur in der Ehe könne die so in die Welt gekommene Sünde vor Gott gerecht werden. Alle anderen erotischen Beziehungen gehörten in das große Reich der menschlichen Sünden. Nur der geistliche Stand erlaubte die ideelle Vereinigung mit Christus und galt als der sicherste Weg, vorbei am Fegefeuer direkt in den Himmel zu gelangen.

Zukünftige Nonnen wurden zu Beginn ihrer einjährigen Novizinnenzeit eingekleidet. In Brautkleid mit Brautkranz gekleidet führte man nach einem Jahr die Bräute Christi zu ihrer Profess in die Kirche. Nach Ablegung der Mönchsgelübde wurden die Klosterfrauen als Nonnen in ein Habit gekleidet, das ihren Körper und ihre Person „unsichtbar“