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Konrad Kirsch

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Beschreibung

In seinen Filmen setzt David Lynch das Rätselhafte als Erzählstrategie ein. – LOST HIGHWAY bringt das Phantasma einer Flucht auf die Leinwand: Während Fred Madison auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wird, imaginiert er sein alter ego Pete Dayton. Dabei folgt LOST HIGHWAY der Struktur der Kurzgeschichte AN OCCURRENCE AT OWL CREEK BRIDGE von Ambrose Bierce, in der sich Peyton Farquhar seine Flucht ausmalt, obwohl er zeitgleich gehängt wird. Dessen Name ist dem von Freds alter ego eingeschrieben: PEYTON – PEte daYTON. Der gelbe Mittelstreifen des Highway, der den Film leitmotivisch durchzieht, referiert auf den Strick, an dem Peyton gehängt wird. Freds Phantasie transformiert die Stromstöße in grelle Blitze, die den Film durchzucken, übersetzt seine Schreie in ein Freejazz-Saxophonsolo etc. Mit der imaginierten Beziehung von Pete und Alice versucht Fred, seine Hinrichtung und den Mord an seiner Frau Renee ungeschehen zu machen. Als dies misslingt, verschiebt er den Mord von Renee auf seinen Nebenbuhler Dick Laurent. Doch am Ende des Films kann Fred dem Tod durch electrocution nicht entgehen: Statt am Lenkrad seines Wagens sitzt er auf dem elektrischen Stuhl, und die Lichtbögen der elektrischen Ladung sind in die blinkenden Polizeilichter transformiert, die ihn vermeintlich verfolgen. In dem Beitrag werden desweiteren die Funktion der subjektiven Kamera sowie die Rolle des mysteriösen Mannes geklärt und aufgezeigt, dass die Strip-Szene in LOST HIGHWAY strukturell eine Sequenz aus David Lynchs BLUE VELVET wiederholt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Konrad Kirsch

Lynch 1:

»Ein Mensch brennt«

Über LOST HIGHWAY

Impressum

Konrad Kirsch

Lynch 1: »Ein Mensch brennt« – Über lost highway

Juni 2025

eBook

isbn 978-3-929844-37-5

Copyright © 2025 by Konrad Kirsch

All rights reserved.

No part of this book may be used or reproduced in any matter whatsoever without written permission except the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

Dieser Text wurde ohne Unterstützung künstlicher Intelligenz erstellt.

konrad kirsch verlag

c/o block service, stuttgarter str. 106, 70736 fellbach

kir-v[ät]use[dot]startmail[dot]com

konrad-kirsch-verlag.de

konradkirsch.de

Abstract

In seinen Filmen setzt David Lynch das Rätselhafte als Erzählstrategie ein. – lost highway bringt das Phantasma einer Flucht auf die Leinwand: Während Fred Madison auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wird, imaginiert er sein alter ego Pete Dayton. Dabei folgt lost highway der Struktur der Kurzgeschichte an occurrence at owl creek bridge von Ambrose Bierce, in der sich Peyton Farquhar seine Flucht ausmalt, obwohl er zeitgleich gehängt wird. Dessen Name ist dem von Freds alter ego eingeschrieben: PEYTON – PEte daYTON. Der gelbe Mittelstreifen des Highway, der den Film leitmotivisch durchzieht, referiert auf den Strick, an dem Peyton gehängt wird.

Freds Phantasie transformiert die Stromstöße in grelle Blitze, die den Film durchzucken, übersetzt seine Schreie in ein Freejazz-Saxophonsolo etc. Mit der imaginierten Beziehung von Pete und Alice versucht Fred, seine Hinrichtung und den Mord an seiner Frau Renee ungeschehen zu machen. Als dies misslingt, verschiebt er den Mord von Renee auf seinen Nebenbuhler Dick Laurent. Doch am Ende des Films kann Fred dem Tod durch electrocution nicht entgehen: Statt am Lenkrad seines Wagens sitzt er auf dem elektrischen Stuhl, und die Lichtbögen der elektrischen Ladung sind in die blinkenden Polizeilichter transformiert, die ihn vermeintlich verfolgen. In dem Beitrag werden desweiteren die Funktion der subjektiven Kamera sowie die Rolle des mysteriösen Mannes geklärt und aufgezeigt, dass die Strip-Szene in lost highwaystrukturell eine Sequenz aus David Lynchs blue velvet wiederholt.

Inhalt

Vorbemerkung

Ein Rätsel ist ein Rätsel ist ein Rätsel

Zur Erinnerung

Zur Struktur von LOST HIGHWAY, oder: »Was geht hier vor?«

Der Spalt in der Zellenwand

Der gelbe Mittelstreifen

Petes Welt

»Lesen? Lesen. Was liest du?«

Der Mysteriöse und die Filmmetaphorik von LOST HIGHWAY

»Funny how secrets travel«

Auf dem Sofa mit Fred LOST HIGHWAY ansehen

Haftungsausschluss

Verlagshinweise

Vorbemerkung

David Lynchs Tod Anfang des Jahres war der traurige Anlass, mich nochmals mit lost highway (1997) zu beschäftigen.1 Die Frage, ob sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf mulholland drive(2001) würden übertragen lassen, führte zunächst zu einem angehängten Exkurs. Weil dieser immer umfangreicher wurde, entschloss ich mich, eine Doppelveröffentlichung zu beiden Filmen herauszubringen: Lynch 1 und Lynch 2. Unabhängig von ihnen sei empfohlen, lost highway und mulholland drive (erneut) anzusehen, da sie nichts von ihrer Faszination verloren haben.

April 2025

Ein Rätsel ist ein Rätsel ist ein Rätsel

In seinen Filmen setzt David Lynch das Rätselhafte als Erzählstrategie ein.2 Das wirkt sich auf deren Rezeption aus.

Ein Rätsel besteht zumeist aus mehreren Teilfragen, deren Antworten einander nicht nur nicht widersprechen, sondern sich im Gegenteil sinnvoll ergänzen. So weit ich sehe, wurde weder für lost highway3 noch für mulholland drive ein schlüssiger Interpretationsansatz gefunden, sodass die Forschung über Einzelerkenntnisse bislang nicht hinausgelangt ist. Deshalb ist es keine selten anzutreffende Annahme, dass es gerade ihre Unergründbarkeit wäre, die Lynchs Filme ausmache. Exemplarisch dafür sei folgende Äußerung angeführt: David Lynchs »[…] Filme können nicht verstanden werden und genau darin liegt die Faszination, die von diesen Filmen ausgeht. Die Filme leben von ihren Geheimnissen, die sie nicht preiszugeben bereit sind«.4 Meiner Ansicht nach greift eine solche Mystifikation zu kurz. Dominik Orth, von dem die obigen Zeilen stammen, räumt in Bezug auf lost highwayundmulholland drive allerdings ein – und dass er das tut, ist unbedingt positiv zu werten –: »Dennoch gibt es in beiden Filmen Elemente, die vermuten lassen, dass alles in einen Zusammenhang zu bringen ist. Allerdings fehlen die letzten Anknüpfungspunkte, wodurch das Gefühl der Inkohärenz noch verstärkt wird«.5 – Ohne den Anspruch erheben zu wollen, damit im Wortsinne »alles« (D. Orth) aufzulösen,erweist es sich für die Betrachtung von lost highway erneut als fruchtbar, die hermeneutische Herangehensweise mit einem inter-, oder besser: hypertextuellen Ansatz zu kombinieren.6

Zur Erinnerung

Auf den ersten Blick wirkt lost highway enigmatisch und inkonsistent: Figuren können an zwei Orten gleichzeitig sein, verschwinden plötzlich oder verwandeln sich scheinbar in andere Figuren. Einzelne Sequenzen sind mit einer subjektiven Kamera gefilmt (Point-of-view shot), andere werden rückwärts oder mit erhöhter Geschwindigkeit abgespielt; mal herrscht Dunkel vor, dann wieder strahlende Helle; tiefes Grollen wechselt sich mit sphärischem Gesang oder harter Rockmusik ab. Gleichzeitig besteht zwischen den einzelnen Elementen ein untergründiger Zusammenhang: Doppelgängerfiguren treten auf, es wiederholen sich Motive wie der gelbe Mittelstreifen, der über den nächtlichen Highway zuckt; immer wieder blitzt es blau oder weiß auf, gleißendes Licht überstrahlt schmerzhaft die Szenerie, die Figuren sehen zu Oberlichtern und Deckenlampen auf oder werden von Kopfschmerzen gequält; Dialoge und Situationen wiederholen sich oder werden variiert. All dies erzeugt eine Atmosphäre des Unwirklichen und macht den Film formal ausgesprochen vielfältig.

Betrachtet man das Handlungsgerüst, so schildert lost highway zunächst einen Kriminalfall: Aus Eifersucht ermordet der Musiker Fred Madison (Bill Pullman) seine Frau Renee (Patricia Arquette),7 er wird zum Tod auf dem elektrischen Stuhl verurteilt und in eine Gefängniszelle gesperrt. Allerdings drängt sich von Beginn an Rätselhaftes in die Handlung: Jemand sagt über die Gegensprechanlage zu Fred, dass Dick Laurent tot sei, ohne dass der Sprecher oder ein Zusammenhang ersichtlich sind. Die Madisons finden Videocassetten vor ihrem Haus, deren Aufnahmen in ihre Wohnung und in ihr Schlafzimmer führen; die herbeigerufenen Detectives Al und Ed (John Roselius, Lou Eppolito) können jedoch keine Einbruchsspuren feststellen. Fred begegnet einem mysteriösen Mann (Robert Blake), der sich auf der Party von Andy (Michael Massee) und zugleich im Haus der Madisons befindet. Bald nachdem Fred ins Gefängnis gekommen ist, sitzt an seiner Stelle der junge Automechaniker Pete Dayton (Balthazar Getty) auf der Zellenpritsche. Da es sich bei ihm augenscheinlich nicht um Fred handelt, müssen ihn die Beamten aus dem Gefängnis entlassen.

Pete wohnt bei seinen Eltern (Lucy Butler, Gary Busey) und hat eine Freundin namens Sheila (Natasha Gregson Wagner). Er lernt Alice Wakefield (ebenfalls Patricia Arquette) kennen, die mit Mr. Eddy (Robert Loggia) liiert ist, einem in die Jahre gekommenen Gangster. Alice beginnt eine Affäre mit Pete, was Mr. Eddys Eifersucht weckt. Um sich Geld für ihre gemeinsame Flucht zu beschaffen, rauben die Liebenden Alice' Freier Andy aus, der bei dem Überfall zu Tode kommt. Zunehmend ereignet sich auch in Petes Welt Mysteriöses: In Andys Villa erweist sich ein Wohnflur als Hotelkorridor, und Pete sieht in einem roterleuchteten Zimmer Alice beim Sex, obwohl sie zur gleichen Zeit in Andys Wohnraum Wertsachen zusammenrafft. Nach dem Überfall fährt das Paar in die Wüste, um einem Hehler ihre Beute zu verkaufen. Während sie bei seiner Hütte auf ihn warten, haben sie im Licht der Autoscheinwerfer miteinander Sex. Abrupt beendet Alice den Akt, und statt Pete erhebt sich Fred aus dem Wüstensand. Alice ist zwar in die Hütte des Hehlers gegangen, aber dort trifft Fred nicht auf sie, sondern auf den Mysteriösen von der Party.

Dieser filmt ihn mit einer Videokamera und fragt, wer er sei. Statt zu antworten, flieht Fred vor der Situation und fährt zum Lost Highway Hotel, wo Renee mit Dick Laurent (ebenfalls Robert Loggia) Sex hat. Nachdem seine Frau weggefahren ist, verschleppt Fred den Nebenbuhler in die Wüste. Dort zeigt der Mysteriöse Dick Laurent auf einem mobilen Monitor einen Pornofilm, in dem auch Renee auftritt, und tötet ihn gemeinschaftlich mit Fred. Dann ist der Mysteriöse verschwunden, Fred fährt zu seinem Haus und sagt in die Gegensprechanlage, dass Dick Laurent tot ist. Als die Detectives vorfahren, flieht er mit dem Auto in die nächtliche Wüste. Mit rotierenden Blinklichtern nähern sich ihm die Polizeifahrzeuge, das Innere von Freds Wagen wird von einem immer gleißender werdenden Licht erfüllt; er schreit, während er auf dem Fahrersitz hin- und hergeschleudert wird. Der Abspann setzt ein, über die Leinwand flirrt abermals die gelbe, gestrichelte Mittellinie des Highways, und wie im Vorspann erklingt David Bowies elegische Stimme mit der Titelzeile »I'm deranged«.8

»Perhaps it is the very simplicity of the thing which puts you at fault‹, said my friend.

›What nonsense you do talk!‹ replied the Prefect, laughing heartily.«

Edgar Allan Poe: the purloined letter

Zur Struktur von LOST HIGHWAY, oder:

»Was geht hier vor?«

Der Film gliedert sich in drei Abschnitte: Der erste (um es vorläufig zu sagen) zeigt die letzten Tage, bevor Fred seine Frau Renee ermordet, und endet, als Pete statt Fred in der Gefängniszelle sitzt. Im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts stehen Pete, Alice und Mr. Eddy; der dritte beginnt, als Pete (um es ebenfalls vorläufig zu sagen) wieder zu Fred wird.9

Inhaltlich gesehen verbindet die drei Abschnitte, dass sie von Affären, Eifersucht und den daraus resultierenden, zumeist tödlichen Folgen handeln. Die darin involvierten Figuren sind auf ebenso enge wie mysteriöse Weise miteinander verbunden. Dies gilt insbesondere für die männlichen Hauptfiguren: Fred scheint sich in Pete und dieser wieder zurück in Fred zu verwandeln. Zudem weisen ihre Namen die Buchstabenfolge ED / ET auf; dies trifft auch auf Mr. Eddys Namen zu. Desweiteren hat Mr. Eddy mit Fred und Pete gemein, dass sie alle drei eine Beziehung mit derselben Frau haben, wenn man Renee und Alice (für den Moment) als eine Figur auffasst, was dadurch nahegelegt wird, dass beide von Patricia Arquette gespielt werden. Schließlich bilden Fred, Pete und Mr. Eddy eine Altersfolge – Pete ist jung, Fred mittleren Alters und Mr. Eddy ist der älteste von ihnen. Dadurch erscheinen sie als unterschiedliche Verkörperungen einer einzigen Figur, analog zur Doppelung der Protagonistin in Renee und Alice. Dem gemäß stellen Pete und Mr. Eddy alter egos von Fred dar, der sich mit dem Wechsel vom ersten zum zweiten Abschnitt des Films in ein jüngeres und ein älteres Selbst aufspaltet.

Reflektiert wird diese Schizophrenie in jenen beiden Szenen zu Beginn und am Ende von lost highway, in denen Fred – im Haus und zugleich davor befindlich – über die Gegensprechanlage zu sich selbst sagt: »Dick Laurent ist tot«.10 Die beiden Szenen verklammern den gesamten Film und stellen ihn unter das Signum der Bewusstseinsspaltung. Bereits Freds Nachname weist seine Geschichte als die eines Irren aus: Madison – the son of madness. Auch der Name des Clubs, in dem er als Musiker auftritt, die Luna Lounge, verweist auf den Wahnsinn, der ihn ergriffen hat: Fred ist ein lunatic. Die Figur, welche im Film die Schizophrenie (um es erneut provisorisch zu sagen) verkörpert, ist der mysteriöse Mann: Während er Fred auf einer Party gegenübersteht, lässt ihn der Mysteriöse mit sich selbst in Freds Wohnung telefonieren, was zugleich dessen Selbstgespräch über die Gegensprechanlage spiegelt.

Nimmt man den ersten Abschnitt (gleichfalls vorläufig) als den Ausgangspunkt der Erzählung an, dann handelt er von Renees und Freds gescheiterter Beziehung, die damit endet, dass er sie aus Eifersucht ermordet und deswegen zum Tod auf dem elektrischen Stuhl verurteilt wird. Mit der scheinbaren Verwandlung in sein alter ego Pete verkehrt sich Freds Rolle im zweiten Abschnitt: Aus dem betrogenen Ehemann wird mit Pete ein erfolgreicher Nebenbuhler; das Moment des Betrogenwerdens ist hier auf Mr.

---ENDE DER LESEPROBE---