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In "Ma: Ein Porträt" präsentiert Lou Andreas-Salomé ein eindrucksvolles und nuanciertes Bild der bekannten Literatin und Künstlerin, die in der kulturellen Szene des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts lebte. Andreas-Salomés literarischer Stil ist geprägt von einem tiefen psychologischen Verständnis und einer poetischen Sprache, die das subjektive Erleben ihrer Protagonistin eindringlich einfängt. Das Werk steht im Kontext der modernen Frauenliteratur und beleuchtet die Themen Identität, Kreativität und die komplexen Beziehungen zwischen Geschlechterrollen in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Lou Andreas-Salomé war nicht nur eine bedeutende Schriftstellerin, sondern auch eine herausragende Denkerin und Psychoanalytikerin. Ihre persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit prominenten Intellektuellen ihrer Zeit, darunter Rainer Maria Rilke und Sigmund Freud, prägten ihren Ansatz zur Darstellung weiblicher Stimmen und deren innerer Konflikte. Durch ihr Leben und Schaffen wird deutlich, dass sie eine Vorreiterin für die Emanzipation der Frau war und sich mit den Herausforderungen der eigenen Identität in einer überwiegend männlichen Welt auseinandersetzte. "Ma: Ein Porträt" ist eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich für die Entwicklung weiblicher Identität und die Einflüsse von Kunst und Literatur auf das individuelle Leben interessieren. Andreas-Salomés tiefgründige Analysen und ihre poetische Sprache laden den Leser ein, über die komplexen Dynamiken von Selbstbild und gesellschaftlichen Erwartungen nachzudenken. Ein Meisterwerk, das sowohl literarisch als auch psychologisch herausragend ist. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Im Spannungsfeld zwischen gelebter Freiheit und den hartnäckigen Projektionen ihrer Zeit entfaltet Ma: Ein Porträt von Lou Andreas-Salomé die Bewegung einer Frau, die ihr Leben ebenso kompromisslos wie tastend entwarf, und erkundet die produktiven Zwischenräume von Nähe und Distanz, Denken und Begehren, Selbstbild und Fremderzählung, wodurch aus biografischen Spuren ein eigenwilliger Resonanzraum entsteht, in dem nicht die Legende, sondern die Suchbewegung einer Schreibenden und Forschenden den Ton angibt und der Leserinnen und Leser einlädt, das offene, riskante, gegen Konventionen behauptete Projekt eines Lebens als Werk zu betrachten und es neu zu hören.
Das Buch verortet sich als literarisches Porträt zwischen Erzählung und Essay und nähert sich seinem Gegenstand mit der Aufmerksamkeit einer Recherche wie der Freiheit einer Imagination. Schauplätze sind die europäischen Kultur- und Denklandschaften um 1900, in denen Lou Andreas-Salomé als Schriftstellerin und später als Psychoanalytikerin wirkte. Die Darstellung folgt nicht touristischen Badhallen der Geschichte, sondern den Innenräumen einer Biografie, ihren Diskursen, Reisen, Arbeits- und Denkräumen. Publikations- und Entstehungskontext werden nicht zum Thema, vielmehr zählt die Form der Annäherung: konzentriert, quellensensibel, literarisch informiert. So entsteht ein Text, der Verbindlichkeit mit Beweglichkeit verbindet.
Ausgangspunkt ist die Entscheidung, Lou Andreas-Salomé nicht als Ikone festzuschreiben, sondern ihr Werden sichtbar zu machen. Das Porträt setzt an Knotenpunkten an, wo eine Stimme an Kontur gewinnt: in Momenten der Wahl, des Widerspruchs, der Arbeit. Es erzählt keine vollständige Chronik, sondern eine Abfolge fokussierter Szenen, die Biografisches, Denkarbeit und gesellschaftliche Rahmenbedingungen miteinander verschränken. Die Annäherung bleibt behutsam: Sie beschreibt, befragt, hält inne und öffnet Räume für das Nicht-Gesagte. Dadurch entsteht ein Lesebeginn, der mehr verspricht als zu behaupten: eine Begleitung auf Zeit, aufmerksam, respektvoll, entschieden. Konflikte werden angedeutet, ihre Entwicklungen bewusst offen belassen.
Die erzählerische Stimme ist nahbar, aber nie vereinnahmend; sie hält Distanz, um Genauigkeit zu gewinnen, und findet doch einen warmen, aufmerksamen Ton. Der Stil verbindet Klarheit mit poetischer Dichte, meidet Effekte zugunsten einer kontrollierten Intensität und trägt essayistische Passagen ebenso selbstverständlich wie szenische Verdichtung. Rhythmus und Bildlichkeit bleiben aus dem Material entwickelt, nicht aufgesetzt. Zwischentöne, Pausen und das, was Texte und Zeugnisse nicht sagen, werden als Teil der Aussage verstanden. So entfaltet sich ein Leseerlebnis, das gleichermaßen analytisch und sinnlich ist und die Ambivalenzen seiner Figur nicht glättet. Sie lädt zum Mitdenken ein.
Zentrale Themen sind Selbstentwurf und Selbstbehauptung, die Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Autorschaft, das Wechselspiel von Körper und Geist, ebenso wie die Frage, wie Denken in Beziehungen geschieht. Das Buch zeigt, wie Nähe zugleich Erkenntnisraum und Risiko wird und wie Arbeit an Texten eine Lebensform prägt. Es verhandelt Öffentlichkeit und Privatheit, Freundschaft und Begehrensverhältnisse, ohne sie in einfache Kategorien zu zwingen. Dabei bleibt der Blick auf Sprache geschärft: Wie benennt eine Zeit, was sie noch nicht sieht? Was lässt sie gelten, was verdrängt sie? Das Porträt antwortet mit Formen, nicht mit Parolen.
Gerade darin liegt seine Gegenwartsrelevanz: Es erinnert daran, dass Biografien nicht nur von Ereignissen, sondern von Entscheidungen und Haltungen getragen werden, und dass Freiheit immer situiert ist. Leserinnen und Leser von heute werden in Lous Eigensinn und ihrer intellektuellen Beweglichkeit Fragen wiederfinden, die Debatten über Geschlechterrollen, Arbeit, Begehren und Care prägen. Das Buch zeigt, wie produktiv der Austausch zwischen Disziplinen sein kann und wie fragil die Bedingungen schöpferischer Arbeit bleiben. Es ermutigt, Autorinnenschaft als gesellschaftliche Praxis zu begreifen, die nicht nur Werke, sondern Räume für andere ermöglicht. Damit öffnet es historische Stoffe für aktuelle Selbst- und Weltverhältnisse.
Wer dieses Porträt liest, begegnet keiner abgeschlossenen Legende, sondern einer vibrierenden Bewegungsfigur, die das Mitgehen verlangt und belohnt. Das Leseerlebnis ist ruhig und konzentriert, es vertraut auf die Geduld des Blicks und die Intelligenz seiner Leserinnen und Leser. Es verschweigt nichts, wo Schweigen produktiv ist, und sagt genug, um weiterzudenken. Ohne zu verklären, ohne abzurechnen, lädt das Buch ein, Lou Andreas-Salomé als Zeitgenossin wahrzunehmen. Es eröffnet den Wunsch, von hier aus weiterzulesen: ihre eigenen Texte, die Stimmen ihrer Umgebung, und die Gegenwart, die sich in diesem Spiegel anders zeigt. Das bleibt, leise und nachhaltig.
Ma: Ein Porträt von Lou Andreas-Salomé zeichnet eine chronologisch geführte Lebensskizze der Schriftstellerin und Psychoanalytikerin, die ihre intellektuelle Selbstbehauptung in einem männlich dominierten Milieu verfolgt. Das Buch verbindet biografische Szenen mit prägnanten Kontexten zu Literatur, Philosophie und Psychologie der Zeit. Im Fokus stehen Leitfragen nach Freiheit, Identität und der Spannweite zwischen Denken, Glauben und Begehren. Die Darstellung wählt einen nüchternen, beobachtenden Ton und lässt Raum für Ambivalenzen. So entsteht weniger eine Heroisierung als ein sorgfältiges Nachzeichnen von Entscheidungen, die Lou Andreas-Salomé aus Überzeugungen und Gelegenheiten ableitet, ohne endgültige Wertungen vorwegzunehmen.
Ausgehend von ihrer Kindheit in St. Petersburg zeigt das Porträt eine junge Frau, deren früh erwachte geistige Neugier sich an Religion, Sprache und Ethik schärft. Die familiäre Prägung durch Disziplin und Weltzugewandtheit bildet den Hintergrund für ihren Wunsch nach eigenständiger Bildung. Die frühen Lehrjahre werden als erste Bewährungsprobe erzählt: Wie lässt sich Unabhängigkeit behaupten, ohne soziale Bindungen zu beschädigen? Das Buch betont dabei die Reibung zwischen bürgerlicher Erwartung an weibliche Lebensläufe und dem Drang, intellektuelle Horizonte zu erweitern. Der Weg in akademische Kreise eröffnet Möglichkeiten, stellt aber zugleich neue, subtile Grenzen in Aussicht.
Die Begegnungen mit europäischen Intellektuellen markieren einen ersten großen Wendepunkt. In den Debatten um Moral, Wahrheit und Lebenspraxis kristallisiert sich ihr Anspruch, Beziehungen nicht als Besitzverhältnisse, sondern als Denk- und Erfahrungsräume zu begreifen. Das Porträt beleuchtet Bekanntschaften und Arbeitsbündnisse, die kreative Energie freisetzen, jedoch zugleich gesellschaftlichen Argwohn provozieren. Aus diesen Konstellationen entstehen Atelier-ähnliche Situationen: Gespräche werden zum Labor, Reisen zu Erkundungen einer Lebensform ohne vorgegebene Rollen. Der erzählerische Schwerpunkt liegt auf der Aushandlung von Nähe und Distanz, nicht auf intimen Details, und vermeidet damit eindeutige Festlegungen oder private Sensationen.
Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Etablierung als Autorin. Romane, Essays und kulturkritische Texte verhandeln Themen wie Glaubenssuche, Geschlechterrollen und erotische Autonomie. Das Buch ordnet diese Arbeiten in die Ideenlandschaft der Jahrhundertwende ein und zeigt, wie Salomés Schreiben zwischen Tagebuchnähe und analytischer Schärfe balanciert. Eine unkonventionell organisierte Ehe wird dabei als Rahmen für geistige Eigenständigkeit geschildert, ohne dass das Private zur Hauptsache wird. Entscheidend ist, wie literarische Form und gelebte Haltung einander wechselseitig prüfen: Narrative Experimente spiegeln Lebensentwürfe, und aus biografischen Grenzerfahrungen erwachsen neue Argumente im Text.
Besonders hervorgehoben wird die schöpferische Partnerschaft mit einem jungen Lyriker, deren Dynamik das Porträt als Schule der Wahrnehmung darstellt. Austausch, Reisen und gemeinsame Lektüren wirken beiderseits stilbildend und eröffnen neue Zugänge zur russischen Kultur wie zur europäischen Moderne. Die Darstellung konzentriert sich auf die produktive Spannung von Fürsorge und Selbstbehauptung: Förderung wird nicht als Hierarchie, sondern als wechselseitige Herausforderung erzählt. Die Stationen dienen weniger der Romantisierung als der Frage, wie künstlerische Entwicklung durch Beziehungskonstellationen beschleunigt, aber auch aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, ohne die Beteiligten auf Rollen festzulegen.
Ein zweiter zentraler Wendepunkt ist der Schritt zur Psychoanalyse. Das Buch zeigt, wie Salomé Anschlüsse an die neuen Seelenmodelle findet, ohne die literarische Perspektive zu verlieren. Fallbeobachtungen, theoretische Skizzen und Debatten um Narzissmus, Begehren und Weiblichkeit werden in ihren historischen Kontext gestellt. Dabei tritt sie als Vermittlerin zwischen Disziplinen auf: analytische Praxis, poetisches Denken und philosophische Skepsis bleiben in produktiver Spannung. Die Darstellung vermeidet doktrinäre Zuschreibungen und konzentriert sich auf ihre Rolle als Beobachterin komplexer seelischer Dynamiken, die eher Fragen vermehrt als einfache Antworten liefert.
Im Schlussabschnitt fasst das Porträt die nachhaltige Wirkung zusammen: Lou Andreas-Salomé erscheint als Figur, die Grenzen zwischen Literatur, Lebenskunst und Wissenschaft durchlässig macht. Das Buch unterstreicht, wie aus der Beharrlichkeit auf Selbstdefinition ein Modell intellektueller Autonomie entsteht, das bis in Gegenwartdebatten über Geschlecht, Freiheit und Subjektivität hineinreicht. Anstatt letzte Urteile zu fällen, belässt die Darstellung Spannungen bestehen und lenkt den Blick auf das Offene ihrer Biografie: Denken als Bewegung, Beziehung als Experiment, Schreiben als Erkundung. Die übergeordnete Aussage ist die Ermutigung zu eigenständiger Wahrnehmung – und zu Lebensformen, die dem Denken standhalten.
Das historische Umfeld von Ma: Ein Porträt von Lou Andreas-Salomé liegt im europäischen Fin de Siècle und der Zwischenkriegszeit, etwa 1880 bis 1937. Geographische Schwerpunkte sind Sankt Petersburg, Zürich, Rom, Berlin, Wien und Göttingen. Prägende Institutionen für diese Biografie sind die Universität Zürich (frühe Öffnung für Studentinnen), die Wiener Psychoanalytische Vereinigung um Sigmund Freud sowie – im Weimarer Kontext – das Berliner Psychoanalytische Institut. Literarisch-kulturelle Vermittler wie S. Fischer Verlag und die Zeitschrift Die Neue Rundschau rahmen die Debatten, in denen Andreas-Salomé publizierte. Das Porträt verortet sein Subjekt in diesen Netzwerken, deren Spannungen die Moderne in Mitteleuropa formten.
Geboren 1861 in Sankt Petersburg als Tochter einer deutschbaltischen Familie, wuchs Lou Andreas-Salomé in der multikonfessionellen, kosmopolitischen Hauptstadt des Zarenreichs auf. Private Lehrer führten sie früh an Theologie und Philosophie heran; die Möglichkeit akademischer Bildung für Frauen eröffnete sich ihr besonders in Zürich, das Frauen schon vergleichsweise früh zum Studium zuließ. Ihre intellektuelle Sozialisation steht damit im Zeichen eines sich europäisch vernetzenden Bildungsbürgertums, das über Kirchen, Lesekreise und Vortragsvereine Wissensräume schuf. Diese Voraussetzungen erklären, warum sie sich in mehreren Sprachen und Milieus bewegen konnte und weshalb ihre frühen Schriften unmittelbar in überregionale Debatten über Religion, Kunst und Gesellschaft eingriffen.
Ein frühes Kristallisationszentrum ihrer Laufbahn war Rom Anfang der 1880er Jahre, wo sie mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche verkehrte. Die Begegnungen 1882/83, die berühmte Atelierfotografie des Trios und die in Erinnerungen und Briefen dokumentierten Heiratsanträge machten sie in den europäischen Feuilletons sichtbar und verbanden ihren Namen mit Fragen weiblicher Selbstbestimmung. Zeitgleich prägten naturwissenschaftliche und philologische Debatten die Geisteswelt, in der Nietzsche seine Kulturkritik entfaltete und Rée moralpsychologisch argumentierte. Andreas-Salomé positionierte sich literarisch-essayistisch in diesem Spannungsfeld; ihre Rezeption Ibsens und das Interesse an religiöser Erfahrung verknüpften die skandinavische Moderne mit den Kontroversen des deutschen und russischen Bildungsbürgertums.
1887 heiratete sie den Orientalisten Friedrich Carl Andreas; ihr weiterer Lebensmittelpunkt wurde u. a. Berlin und später Göttingen, ein Universitätsort mit philologischen und orientalistischen Traditionen. 1897 lernte sie den jungen Dichter René (später Rainer) Maria Rilke kennen; die enge Verbindung führte 1899 und 1900 zu gemeinsamen Russlandreisen, bei denen Rilke u. a. Leo Tolstoi begegnete. In diesen Jahren verband sich ihr literarischer Austausch mit symbolistischen und modernistischen Strömungen, die von München bis Prag reichten. Mehrsprachigkeit und ausgeprägte Briefkultur machten ihre Kreise transnational; Verlage und Zeitschriften wirkten als Knotenpunkte einer europäischen Moderne, die Gattungsgrenzen produktiv überschritt.
Ihre eigene schriftstellerische Arbeit spiegelte die großen Diskurse der Zeit. Romane wie Ruth (1895) und Fenitschka (1898) sowie Essays wie Henrik Ibsens Frauengestalten (1892) verhandelten Religiosität, Selbstbestimmung und Geschlechterrollen in einer sich industrialisierenden Gesellschaft. Mit Die Erotik (1910) legte sie eine pointierte Kultur- und Gesellschaftsanalyse vor, die breite Aufmerksamkeit, Zustimmung und Widerspruch hervorrief. Publikationsorte wie die Neue Rundschau verbanden ihre Texte mit dem metropolitanen Literaturbetrieb. So lässt sich an ihrem Werk nachvollziehen, wie das Fin de Siècle normative Vorstellungen hinterfragte und dabei Frauen- und Sexualitätsdebatten in den Mittelpunkt einer breiteren, auch naturwissenschaftlich geprägten Moderne rückte.
Ab 1912 trat Andreas-Salomé in die entstehende psychoanalytische Bewegung ein und nahm Kontakt zu Sigmund Freud auf. Sie besuchte Vorträge in Wien, beteiligte sich an Diskussionen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und publizierte in psychoanalytischen Zeitschriften wie Imago. Nach dem Ersten Weltkrieg, der die europäischen Geistesnetzwerke tief erschütterte, arbeitete sie in Göttingen als Analytikerin und Autorin weiter. Die Verbindung von literarischer Beobachtungsgabe und psychologischem Interesse prägte ihre Fall- und Theoriebeiträge, die häufig Fragen weiblicher Identität, Religiosität und Kreativität berührten. Damit steht sie exemplarisch für die Verzahnung von Literaturkritik und Seelenforschung in der Kultur der frühen Moderne.
In der Weimarer Republik professionalisierte sich die Psychoanalyse, sichtbar etwa im 1920 gegründeten Berliner Psychoanalytischen Institut, mit dem ihre Kreise vernetzt waren. Andreas-Salomé veröffentlichte weiter, reflektierte ihr Leben und Wirken in Lebensrückblick (1931) und blieb im Austausch mit Freud und Kolleginnen und Kollegen. Nach 1933 geriet die psychoanalytische Bewegung im Deutschen Reich unter Druck; zahlreiche Analytiker emigrierten. Andreas-Salomé blieb in Göttingen und starb 1937. Die politischen Brüche rahmen rückblickend eine Karriere, die von der Spätzeit des Zarenreichs bis in den autoritären Umbruch des 20. Jahrhunderts reicht und deren Quellenlage durch umfangreiche Briefe und Publikationen gut dokumentiert ist.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Ma: Ein Porträt von Lou Andreas-Salomé als zeitdiagnostischer Kommentar lesen: Die Fokussierung auf eine Autorin, die Nietzsche, Rilke und Freud quer durch Europa verband, bündelt die großen Umbrüche von Säkularisierung, Geschlechterpolitik, Literatur- und Wissenschaftsreform. Ohne mehr zu verraten als historisch nötig, zeigt ein solches Porträt, wie Biografik die Dichte einer Epoche erfahrbar macht: über nachweisbare Begegnungen, Bücher, Vorträge, Reisen und Institutionen. Es hält die Modernisierungsdynamiken fest, die aus dem Fin de Siècle in die Krisen der Zwischenkriegszeit führten, und macht ihre Konflikte im Medium eines Lebenswegs anschaulich.
