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er Krimi handelt von einem Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums, Heidelberg. In seinem derzeitigen Forschungsprojekt entwickelt er einen Wirkstoff, der Krebszellen der Bauchspeicheldrüse überlistet und abtötet. Dies mit nur ganz geringen Nebenwirkungen. Die erste klinische Erprobungsphase ist äußerst erfolgreich durchlaufen. Bernecker ist sich dessen bewusst, dass er sich damit viele Feinde schafft. Die Pharma- oder die Medizingeräteindustrie drohen wegzubrechen. Plötzlich ist Prof. Bernecker wie vom Erdboden verschluckt. Es stellt sich heraus, dass er wohl entführt wurde. Der Anführer benutzt ihn nur für seine eigenen Zwecke. Schöllkopf will nämlich ein Druckmittel gegen das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle entwickeln, damit es seiner Firma die Ausfuhrgenehmigung für die Technik, Designerbabys herzustellen, erteilt. Ein e atemlose Verfolgungsjagd quer durch Europa nimmt ihren Lauf. Sie endet in Slowenien, wo Schöllkopf von Beamten des Sondereinsatzkommandos in einer Scheune erschossen wird. Andreas Brauneisen
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Luis klopft an Christophs Tür. >>Können wir gehen?<<
>>Ich freue mich. Bin gleich fertig. 5 Minuten.<<
Kurz darauf sind beide, bewaffnet mit Sporttasche, unterwegs zum sports-parc im Heidelberger Stadtteil Kirchheim.
>>Wer ist heute der Bessere?<<, fragt Christoph.
>>Werden wir sehen. Du musst dich heute aber ganz schön warm anziehen. Ich bin fit<<, entgegnet der sympathische gebürtige Brasilianer.
Nach 20 Minuten sind beide an ihrem gemeinsamen Ziel angekommen, dem sports-parc. Voller Freude auf das große Schwitzen ziehen sie sich um. Im Squash-court spielen sich die beiden Freunde zunächst 5 Minuten lang ein. Schließlich müssen sie vor dem Spiel ein bisschen warm werden.
>>Also, Luis. Bist du auf deine Niederlage vorbereitet?<<
Ein Lachen.
>>Wer beginnt?<<
>>Du darfst den ersten Aufschlag machen<<, sagt Christoph.
Der erste Satz ist hart umkämpft. Die Führung wechselt immer hin und her. 3 : 3, Christoph, 4 : 3, Luis, 6 : 5, Christoph. Später ruft Christoph: >>10 : 9, ich gewinne.<<
Hart umkämpfter Ball. Luis hechtet. Per Rückhand schmettert er einen unmöglich scheinenden Ball in die Ecke. Keine Chance für Christoph. 10 : 10.
>>So schnell gewinnst du den Satz nicht. Ob der Satz an mich geht oder nicht, das Spiel gewinne ich.<<
Lachen.
>>Nur Mut<<, kommt von Luis´ Kontrahent.
Der erste Satz geht schließlich 15 : 13 an Christoph.
>>Der nächste ist aber meiner<<, murmelt Luis vor sich hin. Tatsächlich geht der nächste, wie auch der übernächste Satz an Luis. Schweißgebadet machen beide zwischen den Sätzen eine kurze Trinkpause. Nach ein oder zwei Minuten geht es weiter. Vierter Satz: Christoph gewinnt ihn. 2 : 2. Letzter Satz: es gibt ein ähnlich spannendes Duell zwischen den beiden Professoren des Deutschen Krebsforschungszentrums.
Mit 16 : 14 geht der Satz und damit das Spiel an Luis Oliveira.
>>Was habe ich dir gesagt? Heute musst du dich warm anziehen. Aber du warst echt gut.<<
>>Ich hätte natürlich gewonnen. Ich war aber gedanklich so sehr mit meinem Projekt beschäftigt.<<
Schweißtriefend trocknen sich die beiden sportlichen Wissenschaftler für´s Erste mit ihren Handtüchern ab.
>>Jetzt will ich aber schnurstracks in die Sauna.<<
Schweigend begleitet Luis seinen Freund und Kollegen in den Schwitzraum.
>>Jetzt bin ich aber schon etwas fertig<<, spricht Christoph vor sich hin, halb an Luis gerichtet. Die beiden sitzen in der Sauna nebeneinander auf ihren Handtüchern. Nach der Sauna ist Christoph etwas scheuer, was das kalte Bad anbelangt. Luis wagt aber einen kühnen Sprung in das kühle Nass des Außenbeckens. Freudestrahlend taucht er wieder auf. >>Jetzt trinken wir noch etwas. Dann geht es heim.<<
Nach der Dusche sitzen sie noch eine Weile in der Kneipe des sports-parcs zusammen, um eine Radler und eine Spezi zu trinken. >>Du bist der einzige Kollege, der es sowohl in der Wissenschaft, als auch im Sport mit mir hin und wieder aufnimmt. Du bist vielseitig verwendbar<<. Beide lachen.
>>Ich fahre so langsam heim. Natürlich öffentlich.<<
3 Minuten, nachdem er an der Haltestelle Messplatz angekommen ist, fährt die Straßenbahn Nr. 26 zum Bismarckplatz. Nach wenigen Minuten Umsteigezeit fährt der 33-er-Bus zur Haltestelle Köpfel, von der er nur wenige Meter entfernt wohnt. Kurz nach 19:30 Uhr schließt Christoph Bernecker sein Haus im Oberen Rainweg, in der schönsten Wohngegend Heidelberg-Ziegelhausens, auf.
>>Hallo, meine Prinzessinnen, hallo, mein Schatz.<<
Ein lahmes >>Hallo<< von allen Dreien schallt ihm entgegen. >>Na, wie war es heute bei euch? Habt ihr euch auch so viel bewegt wie wir uns?<<
>>Na ja, wenn man auch nichts im Haushalt tun muss wie ihr Männer, kann man sich ja sportlich verausgaben. Ich würde das auch gerne tun, habe aber das Defizit, eine Frau mit Pflichten zu sein.<<
>>Wir auch!<<, unterstützen die beiden gewitzten Töchter ihre Mutter.
>>Na ja<<, erwidert Christoph. >>Ich kann die Frauenrolle nicht von heute auf morgen ändern.<<
>>Du willst es auch nicht.<<
>>Nur gemach. Es ist nicht gerade einfach, mit drei Feministinnen in einem Haushalt zusammen zu leben. Aber jetzt ist es für euch Zeit, ins Bett zu gehen<<, spricht er die kleinen Ladies an.
Meline gibt den beiden Hübschen den Befehl: >>Zähne putzen<<, was sie dann im Bad tatsächlich tun. Christoph geht mit ihnen in das Kinderzimmer und erzählt seinen 8-jährigen Töchtern, nachdem sie ihren Schlafanzug angezogen haben, eine selbst erfundene Gute-Nacht-Geschichte.
>>Klein-Biber Zottel sammelt Zweige, um das Erstellen eines Baus im Bach zu üben. Er geht an Land. Dort, nah am Wasser, steht ein wunderschöner Baum, der von Zottel gefällt werden möchte.
>>Wunderbar, da habe ich ja ordentlich etwas abzunagen<<, jubiliert der halbwüchsige Biber. Wolllüstig fletscht er seine spitzen Zähne. Zottels riesiges Maul öffnet sich wie ein Scheunentor, aus dem der schwarze Schlund herausschaut. Der Mirabellenbaum erzittert unter der schlimmen Vorahnung des gefällt Werdens durch den schon einigermaßen großen Biberjungen. >>Halt, halt!<<, schallt es laut.
Der Appell erklingt aus dem Schnabel des einen der beiden
Entenschwesterchen, Jana heißt es. Hübsch sieht es aus, lieb.
>>Der Baum trägt sehr gut schmeckende Früchte, Mirabellen. Es gibt Mirabellen mit und welche ohne Stein. Das ist einer ohne. Da sind schon einige heruntergefallen. Du kannst sie einfach fressen.<<
>>Was tue ich, wenn ich eine fresse und tot umfalle?<<
>>Das wäre schade. Aber das tust du nicht. Probiere doch eine Mirabelle.<<
Vorsichtig nimmt Zottel eine in sein Maul.
>>Die Mirabelle schmeckt aber gut, besser, als ich gedacht hatte.
Ich würde euch gerne morgen wieder treffen. Morgen, gleiche Zeit, gleicher Ort?<<
>>Sehr gerne. Wir beiden werden hier sein.<<
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann freuen sie sich noch heute aneinander.<<
>>Witzig, Papa<<, sagt Lisa. >>Ich wäre fast eingeschlafen<<, maunzt seine entzückende Lisa.
>>Morgen Abend bringst du etwas besseres.<<
Papa protestiert: >>Die Gute-Nacht-Geschichten sind meine beste Leistung des ganzen Tages. Enttäuscht mich bitte nicht. Jetzt aber noch ein Küsschen und dann gute Nacht.<<
Er drückt Lisa, dann ihrer genauso überwältigenden Zwillingsschwester Sanna ein Küsschen auf die Backe. >>Gute Nacht.<<
>>Gute Nacht<< von beiden.
Nun ist es gerade Zeit für die Nachrichten im Fernsehen. Danach schauen sich Meline und Christoph einen Film an. Sie fragen sich aber beide, ob er denn überhaupt würdig sei, angeschaut zu werden – wie bei so vielen Filmen. Christoph ist es nach dem langen Tag aber einfach zu anstrengend, noch etwas zu lesen.
Am nächsten Morgen läutet der Wecker um 6:30 Uhr – laut! Nach missmutigem Aufstehen der gleiche Ablauf wie immer, Dusche, Frühstück, Bad – ach, nein: >>Sanna?<<
Die Tür zum Bad ist zu, der Fön lärmt.
>>Ich brauche noch 10 Minuten.<<
>>Hey, Sanna, lasse mich doch bitte kurz ins Bad. Ich will nur die Zähne putzen und mich rasieren. Du kannst deine Haare auch woanders föhnen.<<
Gnädig öffnet seine Tochter die Tür. >>Aber mache schnell.<<
>>Gott sei Dank<<, denkt Christoph erleichtert vor sich hin. Wenige Minuten später ist Christoph im Bad fertig und fertig angezogen. Ein schneller Kuss seiner tollen Frau Meline.
>>Ich liebe dich. Ciaou.<<
Schon ist er auf dem Weg zur Bushaltestelle.
2
8:02 Uhr, pünktlich wie fast immer, fährt der Bus ins Tal in Richtung Heidelbergs Knotenpunkt Bismarckplatz. Dort nimmt Bernecker den Bus Nr. 32 zur Chirurgischen Klinik. Wie immer genießt er den kurzen Spaziergang von der Haltestelle Chirurgie rechts ab, entlang der Vorderseite des Botanischen Gartens, zum DKFZ. Kurz vor der biomedizinischen Forschungsinstitution mit solch großem Ruf begegnet er einem seit vielen Jahren bekannten Geschäftspartner eines mit ihm kooperierenden Pharmaunternehmens.
>>Hallo, Herr Schöllkopf. Wie kommt es, dass wir uns jetzt um diese Zeit hier sehen?<<
>>Hallo, Herr Bernecker<<, entgegnet ihm der 1,85 Meter große Mann.
Er vermittelt auf seine Mitmenschen einen mit seinem eigenen Leben unzufriedenen Eindruck, also auch auf Bernecker. Für den Professor des DKFZ ist das Verhältnis zu ihm aber schon seit vielen Jahren zur Normalität geworden.
Schöllkopf antwortet:
>>Ich bin heute sowieso in Heidelberg. Ich weiß von Ihrem aktuellen Projekt, weiß auch, dass Sie kurz vor der zweiten klinischen Versuchsreihe stehen. Ihre Erkenntnisse kämen einer bahnbrechenden Neuerung in der Krebsforschung gleich. Unsere Wissenschaftler haben Ihren Ansatz etwas weiterentwickelt. Wir meinen, einen Wirkstoff nicht nur gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs, vielmehr gegen Krebs an sich gefunden zu haben. Ich finde aber, Ihr Arbeitsplatz ist nicht geeignet, über solche Dinge zu sprechen. Über solch weitreichende Dinge spricht man besser an einem neutralen Ort.<<
Bernecker zögert, geht aber mit in das 10 Gehminuten entfernte Parkhaus des Zoos.
>>Mein Auto steht hier links<<, sagt Schöllkopf, als sie im Parkhaus angelangt sind.
Der hochkarätige Wissenschaftler misstraut seinem alten Kooperationspartner.
>>Was soll das werden? Wohin will er mit mir fahren?<<, denkt sich Bernecker. Am Auto angekommen - einem weißen Audi A6 – stößt Schöllkopf sein Knie mit voller Wucht in Berneckers Solarplexus, die empfindlichste Stelle des menschlichen Körpers, direkt unter dem Rippenbogen. Bernecker bricht wie ein Klappmesser zusammen. Schöllkopf öffnet seinen Rucksack, holt im darknet organisierte Handschellen heraus und legt sie dem bewusstlosen Prof. Bernecker an. Auch drückt er ihm ein Klebeband über den Mund und eines über beide Augen, so dass sichergestellt ist, dass Bernecker nichts sehen oder sagen kann. Mit hartem Stoß wirft der Mann ihn daraufhin in den Kofferraum. Berneckers rechte Augenbraue platzt auf, da er mit genau dieser auf der inneren Seitenwand des Kofferraums aufkommt. Blut tropft auf den Boden.
>>Entschuldige<<. sagt Schöllkopf. Er zieht Berneckers Handy aus seiner Hosentasche heraus. Der gewalttätige Kooperationspartner verändert die Einstellungen so, dass es nicht mehr geortet werden kann. >>Wir wollen ja die nächste Zeit unter uns bleiben<<, erwähnt der Pharma-Mitarbeiter.
>>Das ist nun einmal eine andere Autofahrt für dich.<<
Schöllkopf lacht höhnisch vor sich hin.
Er weiß wohl, dass Bernecker ihn nicht bewusst wahrnehmen kann. Das ist ihm aber auch vollkommen egal.
>>Ich muss dir sagen, dass die Fahrt für dich nicht so angenehm sein wird, weil du dauernd mit dem Kopf anstößt, aber es muss sein<<, sagt der Fahrer. >>Soll ich das Radio für dich anmachen?<<
Schöllkopf dreht das Radio an. >>Walking on the moon<< wird gespielt.
>>Wir fahren jetzt zu der Firma, für die ich arbeite.
Ehrlich gesagt, habe ich dich vorhin belogen, als ich dir gesagt habe, dass unsere Wissenschaftler einen Universalwirkstoff gegen Krebs gefunden haben. Das war aber eine Notlüge, und Notlügen gehen ja, wenn es sein muss, nicht wahr?<<
Wenig nach Schöllkopfs Monolog kommt Bernecker nach und nach wieder zu sich. Über seine Situation ist er aber alles andere als erfreut.
3
Deutsches Krebsforschungszentrum. Das wöchentliche Professorengespräch findet ab 9 Uhr in Raum C 4 statt. Anwesend sind die souveräne Leiterin, Prof.Dr.med. Anke Schuler, heute in einem chicen Pinkgrün. Hr.Prof.Dr.med. Leuninger, Hr.Prof.Dr.med. Oliveira, Fr.Prof.Dr.med.Géraldine Picard, Frau Prof.Dr.med. Sandy Randell, Hr.Prof.Dr.rer.nat.Jury Rodjonow, Prof.Dr.rer.nat. Lisa Guillermet. Prof.Dr.Berthold Brisch weilt derzeit auf einem Kongress in Vancouver. Hinter dem Schild >>Prof.Dr.med.Dr.rer.nat.Christoph Bernecker<< steht nur ein leerer Stuhl. Bernecker ist nicht gekommen. Schuler fragt Oliveira etwas verunsichert, ob er wisse, wo Bernecker abgeblieben sei.
>>Ich weiß es nicht. Gestern Abend haben wir noch zusammen Squash gespielt. Ich wundere mich auch. Er ist sonst deutlich vor 9 Uhr hier im DKFZ.<<
>>Ich rufe nach der Besprechung seine Frau an<<, versichert die leitende Professorin.
Hauptthema der stattlichen, mit vielen Ehren ausgestatteten Runde ist, wie es geschafft werden kann, dass die Forschungsleistung nach der Corona-Krise wieder auf den Stand von Anfang des Jahres hochgefahren werden kann. Hier sind die Aspekte Personal, Gerätschaften, Software und Beziehungen zu Kooperationspartnern zu beachten.
Die letzten Monate waren nur Computersimulationen am heimischen Arbeitsplatz möglich. Spitzenforschung sieht anders aus.
>>Hierbei muss beachtet werden, dass wir ständig gegenüber den Gesundheits- und den Wissenschaftsministerien des Bundes und des Landes Baden-Württemberg rechenschaftspflichtig sind<<, betont Prof. Schuler.
>>Bezüglich des Personals hatten wir Glück. Es hat sich keiner unserer Professoren mit dem Virus infiziert oder kam mit einem Infizierten in Kontakt – auch kein sonstiger Mitarbeiter. Unvorstellbar, wenn es eine Corona-Infektion gegeben hätte. Dann wären wir jetzt alle zumindest für zwei Wochen in Quarantäne. Sie wissen, was das bedeutet. Es gäbe für diesen Zeitraum keine Krebsforschung. Also schützen Sie sich alle gut vor einer möglichen Ansteckung. Zum Beispiel 2016 gab es laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten in Deutschland 492.000 Krebspatienten. Sie sehen also die Verantwortung, die Sie tragen.<<
Bedeutungsschwer macht Frau Prof. Schuler eine lange Pause.
Nachdem sie nach einer Stunde die Sitzung beendet, allen Professorinnen und Professoren dankt, geht die Leiterin der besten deutschen Einrichtung im Bereich Krebsforschung auf direktem Wege in ihr geräumiges Arbeitszimmer, in Unikreisen >>Dreiachser<< genannt. Sofort wählt sie die Nummer von Berneckers Frau. Nach 4-maligem Klingelton hört sie am anderen Ende >>Bernecker.<<
>>Hallo, Frau Bernecker. Hier ist Schuler, DKFZ.<<
Hallo, Frau Schuler.<<
>>Wir sind etwas in Sorge. Bis vorhin war die wöchentliche Professorenbesprechung. Ihr Mann war nicht dabei. Ich habe mit Herrn Prof. Oliveira gesprochen. Die beiden haben gestern Abend noch Squash gespielt. Wissen Sie mehr?<<
>>Mein Mann kam gestern ca. 19:30 Uhr heim. Bald darauf erzählte er unseren Töchtern eine Gute-Nacht-Geschichte. Sie ist für ihn ein vielleicht größeres Ritual, als für die beiden >>großen Kleinen<<. Danach hatten mein Mann und ich Nachrichten angeschaut und einen Film. Wir sind dann normal ins Bett gegangen. Heute Morgen ist er, wie immer, zum Bus gegangen, der 8:02 Uhr in die Stadt fährt.<<
>>Bei Ihnen gab es also keine Besonderheiten? Dann müssen wir auf jeden Fall nachforschen, ob ihm etwas zugestoßen ist.<<
>>Bitte informieren Sie mich sofort, wenn Sie Neues erfahren
bezüglich meines Mannes<<, antwortet Meline Bernecker, nun schon sehr in Sorge.
Nachdem sich die beiden Frauen verabschiedet hatten, greift Frau Prof. Schuler sofort wieder zum Hörer und ruft die Heidelberger Uniklinik an.
>>Als sich jemand am anderen Ende meldet, sagt sie: >>Guten Tag, Schuler hier, leitende Professorin DKFZ. Ein professor unserer Einrichtung ist heute Morgen verschwunden. Das Nächstliegende wäre ein Unfall. Ich habe aber keine Ahnung, in welcher Klinik man versorgt wird, wenn man einen Unfall hat.<<
>>>Ich versuche es einmal in verschiedenen Kliniken. Die Chirurgie wäre in diesem Falle naheliegend. Wie heißt denn Ihr Kollege?<<
>>Prof. Dr. Christoph Bernecker.<<
>>Danke. Warten Sie kurz?<<
Ein Knacken. Fünf Sekunden nichts.
>>Hören Sie?<<
>>Ja.<<
Die Chirurgie hat keinen Patienten namens Bernecker aufgenommen. Als Nächstes versuche ich es in der Orthopädie. Warten Sie mal kurz.<<
Wieder einige Sekunden des Wartens.
>>Frau Professor Schuler, Herr Bernecker ist dort auch nicht aufgenommen worden. Eine letzte Möglichkeit: die Neurochirurgie.<<
Wieder einige Sekunden des Wartens.
>>Frau Schuler, Herr Bernecker ist auch nicht in die Neurochirurgie eingeliefert worden.
>>Vielleicht die Medizinische Klinik?<<
>>Ich versuche es einmal. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Stimmt, er könnte einen Herzstillstand erlitten haben. In diesem Fall ist er in der Medizinischen Klinik am besten aufgehoben.<<
Wieder vergehen viele Sekunden. Die Frau an der Zentrale der Uniklinik meldet sich zurück: >>Frau Schuler, kann es denn sein, dass Bernecker eine Geliebte hat? Er wollte vielleicht, statt zur Arbeit zu gehen, mit ihr ein nettes Schäferstündchen abhalten?<<
>>Kann natürlich sein. Aber halte ich für sehr unwahrscheinlich. Er hat ein sehr gutes und enges Verhältnis zu seiner Frau. Seine Töchter sind für ihn das Größte.
Dass er eine Geliebte hat, glaube ich einfach nicht.
Ich rufe einfach die Polizei an.<<
>>Gut, tun Sie das. Viel Erfolg Ihnen.<<
Die Professorin wählt die Nummer des zuständigen Polizeireviers.
>>Polizeidienststelle Heidelberg Mitte, Grämlich. Guten Tag.<<
>>Schuler, Deutsches Krebsforschungszentrum. Ich muss einen Kollegen als vermisst melden. Es handelt sich um Prof. Christoph Bernecker. Er ist seit heute Morgen verschwunden. Können Sie mich mit einer zuständigen Person verbinden?<<
>>Ja, natürlich. Bitte warten Sie einen Augenblick. Ich verbinde Sie gleich mit dem Leiter der zuständigen Kriminalpolizei.<<
Nach wenigen Sekunden hört sie mein >>Hordtke.<<
>>Hallo, Herr Hordtke. Mein Name ist Schuler. Ich bin leitende Professorin im Deutschen Krebsforschungszentrum.<<
>>Hallo, Frau Prof. Schuler.<<
>>Unsere Forschungseinrichtung hat ein Problem. Herr Prof. Christoph Bernecker, einer meiner wichtigsten und besten Kollegen, ist heute nicht zum Dienst erschienen. Das wäre ja nicht weiter beunruhigend. Aber ich habe mit seiner Frau gesprochen. Sie sagt, er sei heute ganz normal zur Arbeit gefahren. Er fährt immer 8:02 Uhr mit dem Bus von der Haltestelle Köpfel in die Stadt, dann nimmt er die 32 ins Neuenheimer Feld.
Ich mache mir Sorgen. Er könnte vielleicht einen Unfall gehabt haben. Ich habe aber mit der Uniklinik telefoniert. Dort wurde er in keiner Klinik aufgenommen. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Vielleicht sonst etwas. Wissen Sie mehr von einem mit ihm zusammenhängenden Ereignis?<<
>>Bis jetzt gerade war mir nichts bekannt von einem Verschwinden oder einem Unfall Ihres Kollegen. Ich nehme das als Vorgang auf. Dankeschön. Wir haben natürlich eine Akte zu Herrn Prof. Bernecker<<, sage ich langsam, überlegend. >>Als Krebsforscher unterliegt er der erhöhten Gefahr, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Über ihn steht alles in unseren Datenbanken. Wir werden sofort eine Vermisstenmeldung in das Internet stellen und an allen maßgeblichen Stellen Plakate aufhängen.<<
Ich gehe aus meinem Zimmer zu meiner Mitarbeiterin, Natalie Werner.
>>Frau Werner, wir haben ein neues Problem. Wir hoffen zwar, dass es den hochkarätigen Forscher des DKFZ, Herrn Prof. Bernecker, noch gibt. Wir wissen aber nicht, wo und in welchem Zustand. Können Sie bitte ein Plakat mit seinen Daten und seinem Bild, natürlich auch mit unseren Kontaktdaten erstellen und an folgenden Orten aufhängen: Eingang Polizeidienststelle Heidelberg Mitte, Dienststelle Bismarckplatz, alle Eingänge Hauptbahnhof, Eingänge Rathaus, Eingang des Amts im Palais Graimberg, Eingang des Amts im Prinz Carl, das sich am Kornmarkt befindet. Natürlich wichtig ist, an der Stelle, wo die Treppe von der Kurt-Schumacher-Brücke herunter führt zur Neckarwiese. Und gut befestigen. Ach so, was ich vergessen hatte: an allen Haltestellen der Straßenbahnen und Busse sollen auch Plakate aufgehängt werden. Mir fällt gerade ein, können Sie ein Plakat an den Eingang jedes Instituts im Neuenheimer Feld hängen? Ach so, ganz wichtig, Mensa und Cafeteria.<<
>>Ja, genau. Die Hälfte der Studenten und Uni-Mitarbeiter hängt in den beiden wichtigsten Aufenthaltsmöglichkeiten des Campus´ ab<<, entgegnet Werner.
Ich danke Ihnen. Sie werden dafür mit Sicherheit länger brauchen, als bis zu Ihrem Feierabend. Morgen können Sie die Zeit abfeiern.<<
>>Danke, bis heute Abend hängen alle Plakate. Prof. Bernecker ist dann eine Stadtbekanntheit. Ich kann mir aber vorstellen, nicht ganz freiwillig.<<
Kurz darauf stehe ich im nebenan gelegenen Zimmer von Sandra Rüdiger. Sofort legt sie den Telefonhörer auf, was nicht unbedingt darauf schließen lässt, dass das Telefonat ein Dienstgespräch war. Sandra Rüdiger gilt polizeiintern als Schwatzbase. Ich überlege. Ich weiß aber, dass ich sie diesbezüglich schon so oft ermahnt habe. Das nutzte aber nie zu etwas. Stattdessen ziehe ich die Augenbrauen nach oben, während ich die Augen schließe. Miene >>hoffnungsloser Fall<<.
>>Frau Rüdiger, ich war gerade bei Frau Werner. Wir haben einen neuen Fall. Der scheint in mehrerlei Hinsicht äußerst brisant zu sein. Ein Spitzenforscher des Deutschen Krebsforschungszentrums ist seit heute Morgen verschwunden. Ich bat Frau Werner, eine Vermisstenmeldung mit den Daten von Herrn Prof. Christoph Bernecker und seinem Foto darauf zu erstellen. Können Sie auf unserer Internetseite genau das Gleiche veröffentlichen? Dann bitte ich Sie, die Vermisstenmeldung von Bernecker der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH zu schicken. Sie sollen das Plakat in allen Bussen und Straßenbahnen aushängen. Ach ja, das Nächstliegende habe ich vergessen. Schicken Sie die Vermisstenmeldung auch den Rhein-Neckar-Nachrichten.<<
Nach kurzem Zögern: >>Ich hoffe, das war es dann. Hoffentlich haben wir nichts vergessen. Etwas von solch wissenschaftlicher, wohl auch gesellschaftlicher Tragweite kam mir in meinem Berufsleben noch nicht vor. Heiliger Strohsack!<<, schließe ich.