Maddrax 469 - Ian Rolf Hill - E-Book

Maddrax 469 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Seit Wochen läuft die Evakuierung der zivilisierten Enklaven nach Novis auf vollen Touren. Es war nur eine Frage der Zeit, dass auch die Rev'rends davon erfuhren - und ihre eigenen Schlüsse zogen. Ein Verführer, der die von Gott gewollte Reinigung der Erde durch den Mond sabotiert, indem er mit der Hilfe einer fremden Macht arme Seelen durch ein Höllenloch schickt? Kein Zweifel, dies ist das Werk des Teufels - oder Orduugoos, wie ihn die Barbaren nennen. Und so bricht eine Gruppe gläubiger, bis an die Zähne bewaffneter Gotteskrieger auf, um dem unheiligen Treiben Einhalt zu gebieten...

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EPUB

Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Im Namen des HERRN

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Nejron/Shutterstock

Autor: Ian Rolf Hill

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5864-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.

Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew Drax, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen, und macht sich die Zwangslage zu Nutze, dass der Erdmond abzustürzen droht. Doch dann werden die Gefährten gefangen und ihrer Erinnerungen beraubt. So helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren bei ihren Versklavungsplänen.

Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, mittels derer sie später geortet und evakuiert werden sollen. Um Kontakt zu Techno-Enklaven aufzunehmen, lassen die Wissenschaftler vom Hort des Wissens einen Satelliten aufsteigen. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson macht sich Matt mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg und trifft dabei auf die Kolonie Colonel Kormaks, erkennt aber dessen Machtgier und überlässt ihm keinen der Peilsender. Darum überfällt Kormak die benachbarte Community und eignet sich deren Sender an.

Aus Agartha stoßen die Daa’muren Grao und Ira zu den Gefährten. Als sie von einem Dorf mit überlebenden Artgenossen in Indien erfahren, wollen sie es ausfindig machen. Matt überlässt ihnen PROTO und springt mit Hordelab und den anderen nach Meeraka.

Nach langer Fahrt stoßen Grao und Ira auf Fort Allahabad am Ganges, das ein Dutzend Daa’muren von den Menschen erobert hat. Angeführt werden sie von einem Sol, der in einem beschädigten Kristall eingesperrt ist – jener, zu dem der Splitter passt! Während Grao sich seinem Volk zugehörig fühlt und das Bruchstück herausgibt, hat Ira Vorbehalte. Schließlich kommt es zum Bruch zwischen ihnen – auch weil der Sol, der sich nun aus seinem Gefängnis befreien kann, Iras Körper fordert. Als letzten Dienst verhilft Grao ihr zur Flucht. Wenig später muss er selbst fliehen, als er den Sol tötet. Sie treffen auf Matt Drax, der die erste Evakuierung nach Novis einleitet und ein Menschendorf vor den Daa’muren rettet.

Im Namen des HERRN

von Ian Rolf Hill

Corpus Christi, 2548 n. Chr.

Matuus Atem ging schnell und abgehackt, sein Herz raste. Das von der Reise schmutzige Leinenhemd klebte ihm am Leib. Er hastete durch den Mittelgang zur Sakristei. „Rev’rend!“, rief er, der Verzweiflung nahe. „Rev’rend Cruel, wo seid Ihr?“

Ein Schnauben ertönte, dann wurde die Tür des Beichtstuhls aufgestoßen. Eine schmale Gestalt schälte sich aus dem Dunkel. Beiläufig richtete sie den Bund ihrer Hose. Die zweite Tür blieb verschlossen, sodass der Novize nicht erkennen konnte, wem der Rev’rend die Beichte abnahm. „Was willst du, mein Sohn?“, wollte Cruel wissen.

„Er … er kommt nach Saan’tono!“

„Wer kommt?“

„Der Teufel, Vater. Der Teufel kommt in die Stadt, um die Sünder in die Hölle zu holen!“

„Das ist doch Shit! Ganz großer Rhiffalo-Shit, wenn ihr mich fragt!“ Um seine Worte zu unterstreichen, riss Sheeby mit einer ruckartigen Kopfbewegung einen Batzen Fleisch aus der gegrillten Ratze, die er mit beiden Händen an den Enden des Spießes festhielt. Bratenfett lief ihm aus den Mundwinkeln.

Nicht zum ersten Mal fragte sich Rick Broonson, warum Sheeby überhaupt am Tisch des „King“ geduldet wurde. Aber Emry Rokkfar hatte nun mal das Sagen bei diesem Treck.

„Dich fragt aber keiner“, kommentierte Bud Oneel. Kurz sah es so aus, als wolle Sheeby aufbegehren, aber dann schwieg er. Niemand legte sich mit dem Seelsorger des Trecks an.

Doch so grobschlächtig Buddy mit seinem fassförmigen Körper und dem prächtigen roten Vollbart auch wirken mochte, im Grunde seines Herzens war er der gutmütigste Kerl, den Rick kannte. Solange man ihn nicht reizte.

Rick griff nach dem Becher mit gegorenem Brabeelensaft, den Rokkfar für diese Gelegenheit hatte springen lassen. „So jung kommen wir nicht mehr zusammen“, hatte er gesagt und seiner Tochter einen vielsagenden Blick zugeworfen, die wie immer solch zarte Andeutungen geflissentlich zu ignorieren verstand.

Über den Rand des Bechers begegnete Ricks Blick dem von Lou. Ihr schlanker, durchtrainierter Körper war unter dem schlichten Leinenkleid nur zu erahnen.

Während Rick trank, reflektierte er noch einmal Rokkfars Entscheidung. Natürlich war er dankbar, dass er ihn zu seinem Stellvertreter ernannt hatte. Immerhin konnte er so mehr Zeit in Lous Nähe verbringen, was dem King ganz recht war. Doch die junge Frau mit dem kurzgeschorenen Haar kümmerte sich anscheinend lieber um die beiden Rhiffalos Kiin und Worzz statt um ihn. War es Schüchternheit, Desinteresse oder schlichte Koketterie? Rick wusste es nicht, war aber entschlossen, es herauszufinden.

„Das ist kein Rhiffalo-Shit, sondern die Wahrheit“, erhob sein Kumpel Otis Butcher seine Bassstimme. „Wir haben die Präsentation mit eigenen Augen gesehen und die Ausführungen dieses Commanders …“

„Drax“, half Rick ihm aus. „Matthew Drax.“

„… von diesem Commander Drax gehört“, fuhr der hünenhafte Schwarze fort. „Der wusste, wovon er redete. Seine Vorführung hatte Arm und Bein.“

„Hand und Fuß“, korrigierte Buddy automatisch und brachte Rick damit zum Schmunzeln.

„Das stimmt“, sprang er seinem Kumpel bei. „Man muss doch nur die Augen aufmachen und zum Himmel sehen. Der Mond nimmt permanent zu und die Unwetter werden immer häufiger und heftiger.“

Man hörte es auch. Draußen pfiff der Wind scharf um den mit Brettern, Metallplatten und Kunststoffteilen geflickten Trailer des Kings. Nicht mehr lange und der nächste Hurrikan würde über das Lager hinwegfegen. Solche Stürme waren mittlerweile an der Tagesordnung.

„Mag sein“, warf Sheeby ein. „Aber glaubt ihr im Ernst, dass euer Commander Drax tatsächlich über eine Technik verfügt, die ein Tor in eine andere Welt erschaffen kann?“

„Wenn du nicht dran glaubst, warum hast du dich überhaupt dem Treck angeschlossen?“ Otis durchbohrte Sheeby mit seinem Blick.

„Weil ich nicht allein zurückbleiben wollte“, schnappte der. „Und weil euch ja einer zur Besinnung bringen muss, bevor ihr in euer Unglück lauft. Selbst die beiden Blutsäufer glauben euer Geschwätz. Frage mich sowieso, was die hier verloren haben.“

„Gaari und Bila sind Kinder des Herrn, so wie wir alle“, mischte sich Buddy erneut in das Gespräch ein. „Selbst du wirst einst Gnade im Angesicht Gottes finden.“

Wie auf Stichwort wurde Rokkfars Wagen von einer besonders heftigen Böe gebeutelt, als würde ein zorniges Taratzenrudel an seiner Außenhülle rütteln.

Das war der Moment, in dem der King, der dem Streitgespräch bislang stumm gelauscht hatte, in die Hände klatschte und die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zog.

„Der Sturm wird heftiger. Wir müssen eine Wagenburg bilden, sonst ist morgen nichts mehr übrig vom Treck. Außerdem will ich euch zänkisches Pack nicht die ganze Nacht ertragen.“ Damit leerte er seinen Becher in einem Zug.

Lou schmunzelte und erhob sich als Erste. „Ich sehe nach Kiin und Worzz. Sie werden bei Sturm immer unruhig.“

Rick nickte. „Hast recht, Emry. Wir sagen den anderen Bescheid. Komm, Otis, den Sturkopf werden wir heute ohnehin nicht überzeugen.“

„Und morgen gewiss auch nicht“, erwiderte Sheeby und warf den Rest der abgenagten Ratze auf den leeren Teller. Dann folgte er Lou und den beiden Männern aus dem Trailer. Bud Oneel schloss sich ihnen an. Sheeby verschwand flink wie ein Gerul zwischen den hintereinander aufgereihten Fuhrwerken.

Es war ein bunt zusammengewürfelter Tross aus fast dreißig Fahrzeugen, von denen keins einen eigenen Motor besaß. Emry Rokkfars Wagen war der größte der Kolonne und wurde von den beiden Rhiffalos Kiin und Worzz gezogen. Vor die meisten der kleineren Vehikel waren Horsays gespannt, sogar eine zahme Wisaau befand sich unter den Zugtieren.

Der Wind schlug den Männern heftig entgegen, kaum dass sie den Schutz des Trailers verlassen hatten. Hier draußen in der Prärie gab es keinen Schutz vor dem aufgewirbelten Sand, daher schlangen sie sich Tücher um Mund und Nase und setzten ihre Plastikbrillen auf.

Geschirr aus Blech klapperte an einer Leine, die zwischen zwei Wagen gespannt war. Ein Mann und zwei Frauen waren dabei, sie aufzuhängen, damit Wind und Sand es reinigte. Wasser war ein seltenes Gut, mit dem man sparsam umgehen musste.

„Hey!“, rief Rick. „Packt zusammen! Wir bilden eine Wagenburg!“ Sekundenlang starrten die drei ihn an, dann nickten sie wortlos und nahmen die bereits aufgehängten Teller, Töpfe und Pfannen wieder ab.

Otis und Buddy waren schon vorgegangen. Der Geistliche klopfte an die Tür des nächsten Wagens, einem aus Holz gezimmerten Trailer, der den Nosfera Gaari und Bila gehörte. Obwohl Rick sich bemühte, den beiden unvoreingenommen zu begegnen, konnte er nicht verhindern, dass es ihm bei ihrem Anblick kalt den Rücken hinunterlief.

Otis stiefelte weiter und passierte den nächsten Wagen, ohne innezuhalten. Der gehörte nämlich Buddy selbst, was schon an dem großen Holzkreuz an der Seite erkennbar war. Beim nächsten Vehikel machte der Hüne mit dem zerschlissenen roten Pullover Halt. Rick schloss zu ihm auf.

Keine zehn Minuten später waren sämtliche Treckmitglieder informiert und das Lager glich einem Ameisenhaufen. Durch das zunehmende Jaulen des Windes drangen das unwillige Schnauben der Horsays und das protestierende Röhren der Rhiffalos.

Rick setzte sich auf den Bock, der an dem schiefergrauen Zweiachser, den er sich mit Otis teilte, festgeschweißt war. In der Ferne erkannte er Lou, die die beiden Rhiffalos zum Trailer ihres Vaters dirigierte, damit sie im Inneren der Wagenburg vor dem Wind Schutz fanden.

Einige der Wagen konnten mit Bohrstangen, die sich hydraulisch in die Erde fraßen, verankert werden. Auch Ricks Gefährt verfügte über eine solche Vorrichtung, doch die meisten anderen Fuhrwerke mussten per Muskelkraft befestigt werden.

Schemenhaft sah er die vermummten Gestalten der beiden Nosfera, die mit einem schweren Hammer eine lange Eisenstange im Boden versenkten. Das helle Klirren drang über den Sturm hinweg an seine Ohren.

„Was ist das denn? Ein Sandsturm?“

Broonson schrak hoch, als die Stimme des Freundes unvermittelt neben ihm aufklang. Otis, gerade im Begriff, sich auf den Bock zu schwingen, war in der Bewegung verharrt und hatte den Kopf in Richtung Heck gedreht.

Rick ließ die Zügel sinken und wandte sich auf dem Bock sitzend um. Er kniff leicht die Augen zusammen, als er die Staubwolke sah, die am Horizont aufstieg und schnurstracks auf den Treck zuhielt. Sein erster Gedanke galt einer Windhose, doch dann erkannte er, dass die Wolke viel zu ungleichmäßig war und nach unten hin breiter auslief.

Und es bewegten sich dunkle Schemen darin, auf Bodenniveau.

„Schnell, das Binokular!“, rief Rick und machte mit der Hand eine auffordernde Geste.

Otis hangelte sich hinunter zum Einstieg und verschwand im Wagen, in dessen Dach sich kurz darauf eine Luke öffnete. Otis’ Quadratschädel mit dem schwarzen Kraushaar erschien. Er reichte seinem Freund das Fernglas.

Auf Knien kroch Rick auf die Luke zu und nahm das Binokular entgegen. Hätte er sich aufgerichtet, wäre er von der nächsten Böe vom Dach gefegt worden.

„Was ist da oben los?“, kam von unten Bud Oneels Stimme.

Rick stellte die Optik scharf und hörte, wie Otis, der zurück ins Wageninnere getaucht war, den Prediger über ihre Entdeckung in Kenntnis setzte. Seine Aufmerksamkeit war voll und ganz von der Wolke aus Staub und Sand vereinnahmt. Beziehungsweise von dem, was sich in ihr dem Treck näherte. Und das er nun erkannte.

Ricks Kehle fühlte sich mit einem Mal rau und trocken an. Er senkte Kopf und Fernglas und brüllte er über das Brausen des Windes hinweg: „Otis! Lauf zur Rokkfar. Sag ihm, es gibt Ärger!“

„Was ist los?“, wiederholte Buddy.

Rick fixierte erneut die in der Ferne anrückende Gefahr durch das Binokular. Seine Hoffnung, dass er sich vielleicht getäuscht hatte, erfüllte sich leider nicht, und so erwiderte er auf Oneels Nachfrage: „Rev’rends! Da kommen Gotteskrieger direkt auf uns zu!“

Einige Stunden zuvor in Corpus Christi

„Satan wandelt in vielerlei Form auf Erden, mein Sohn. Das wissen wir besser als jeder andere.“ Ein Hustenanfall schüttelte die Gestalt des Greises in dem hochlehnigen Stuhl.

Trübe Augen, in denen aber noch immer der unerschütterliche Glaube an die Macht des HERRN stand, richteten sich auf Rev’rend Cruel.

Der stand vor dem pompösen und doch schmucklosen Schreibtisch seines Mentors, dem Altar seiner Weisheit. Den Zylinder hatte der Rev’rend abgenommen und hielt ihn zwischen den zusammengelegten Händen, das Haupt leicht gesenkt wie immer, wenn er sich im Arbeitszimmer des geistlichen Oberhaupts von Corpus Christi aufhielt. Sein Okulaar, ein messingfarbener optischer Aufsatz, den er über dem linken Auge trug, schimmerte im Licht der Kerzen.

„Ihr dürft keine Zeit verlieren, Rev’rend Cruel“, fuhr Rev’rend Punish fort. „Noch heute müsst Ihr aufbrechen, um dem Teufel das Handwerk zu legen.“

Cruel nickte. „Wer soll mich begleiten?“, fragte er demütig.

„Alle!“ Aus der donnernden Antwort sprach ein Aufflackern jener göttlichen Kraft, die immer noch in dem ausgemergelten Leib von Rev’rend Punish steckte. Seine Miene indes blieb vollkommen regungslos.

Aus den Schatten hinter dem Lehnstuhl huschte eine schwarz vermummte Gestalt dienstbeflissen an Punishs Seite, ergriff den ihm dargebotenen Arm und half dem Greis, aufzustehen. Allerdings nur, um den geschwächten Körper in den bereitstehenden Rollstuhl zu hieven. Die Gelenke des Alten knackten bedenklich dabei.

„Hast du es hergebracht?“

Die Frage war nicht an Cruel gerichtet, sondern an den vermummten Novizen, der stumm nickte und den Rollstuhl mit Rev’rend Punish zu einer eisenbeschlagenen Truhe schob, auf der eine schlichte handgewebte Decke lag.

Punish winkte Cruel heran, und mit einem Mal wirkte er wieder so schwach und kraftlos wie zuvor. Das Aufflackern der alten Energie war nicht mehr als ein Strohfeuer gewesen.

„Schon im zweiten Brief der Korinther steht: Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Künder und verstellen sich als Apostel des HERRN“, murmelte Punish. „Und das ist auch kein Wunder, denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel GOTTES. Es ist nichts Erhabenes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit, deren Ende wird sein nach ihren Werken.“

Er beugte sich in dem Rollstuhl vor, dass seine krumme Wirbelsäule knarzte. Mit einem Ruck schleuderte er die Decke von der schmucklosen grauen Truhe, auf der die Worte PROPERTY OF U.S. ARMY eingebrannt waren.

Punish hob die Hände an den Hals und zerrte an einer dünnen Kette. Cruel rechnete damit, dass er ein Kruzifix hervorholte, doch es war ein Schlüssel, den er dem Novizen reichte. Der machte sich am Schloss zu schaffen und hob den Deckel der Kiste an.

Cruel konnte nicht erkennen, was sich darin befand. Der Novize beugte sich hinunter und beförderte einen länglichen, gut einen Meter langen Kasten zutage.

Punish warf den Deckel wieder zu, sodass der Vermummte das Behältnis darauf ablegen konnte. Auf dem metallgrauen Kasten befanden sich Symbole verschiedenster Herkunft. Ein Zeichen symbolisierte Explosionsgefahr, ein anderes zeigte einen Blitz, daneben prangte das Kreuz des HERRN und war offenbar nachträglich aufgemalt worden.

Der längliche Kasten war mit zwei weiteren, kleineren Schlössern versehen, für die Punish ebenfalls Schlüssel besaß. Sie hingen an derselben Kette, die der Novize immer noch in der Hand hielt. Punish nickte dem Vermummten zu. Er zog die Schlüssel vom Ring und reichte sie Cruel, der sie nachdenklich betrachtete. Den Zylinder hatte er sich wieder aufs kahle Haupt gesetzt.

„Dies ist die Vergeltung GOTTES“, erklärte Punish. „Der Stecken und Stab unseres Hirten, der die Finsternis erhellen wird.“

Cruel beugte sich vor, um den Kasten zu öffnen, als sich unvermittelt Punishs Finger in seinen Unterarm gruben. Das geschah mit einer Vehemenz und Kraft, die Zeugnis ablegten von der Stärke, die einst in dem Körper gewohnt hatte.

„Nein! Den Schrein jetzt schon zu öffnen und dem Heiligtum ansichtig zu werden, hieße dem HERRN zu freveln. Doch im Vertrauen zu GOTT sind wir stark. Mit seiner Macht werden wir den Teufel und seine Spießgesellen zur Hölle schicken, auf dass sie nicht das Tor zur Verdammnis öffnen. Oh, was gäbe ich darum, euch begleiten zu können, Rev’rend Cruel. Doch meine Knochen sind alt und schwach, meine Kräfte schwinden von Tag zu Tag mehr. So werde ich zurückbleiben, um in Corpus Christi weiter das Wort des HERRN zu verkünden. Ihr aber, Rev’rend Cruel, ihr werdet in heiliger Mission das Werk GOTTES vollbringen.“

Cruel neigte bei diesen salbungsvollen Worten das Haupt. „Ich diene dem HERRN“, raunte er. „Sein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“

Zufrieden seufzend lehnte sich Punish im Rollstuhl zurück, griff nach den Rädern und fuhr aus eigener Kraft schwungvoll rückwärts, während sein Novize das Leinentuch wieder sorgfältig auf der Truhe platzierte.

Punish wendete und rollte an seinen Arbeitstisch. Dort schob er den wuchtigen Lehnstuhl beiseite, zog die mittlere Schublade auf und holte ein dunkles Etui aus brüchigem Leder hervor. Auf den ersten Blick sah es aus wie das Behältnis eines Binokulars. Punish öffnete die Tasche und Cruels Augenmerk fiel auf vier nebeneinanderliegende Phiolen, in deren durchsichtigen Glaskolben sich eine klare Flüssigkeit befand.

„Dies ist geweihtes Wasser, mein Sohn. Doch es ist nicht nur geweiht, es wurde vom HERRN selbst gesegnet und besitzt auf die ungläubigen Sünder eine … spezielle Wirkung. Sei dir ihrer bewusst und nutze es weise, Rev’rend Cruel.“

Als Cruel vernahm, zu was dieses geweihte Wasser imstande war, lief ihm ein ehrfürchtiger Schauer über den Rücken. Er nahm das Etui entgegen, an dem ein dünner lederner Gurt befestigt war, den er sich um die Hüften schlingen konnte. Die Schlüssel zu der heiligen Reliquie verstaute er in einer Tasche der Jacke, die er zusätzlich mit einem Reißverschluss sicherte.