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Endlich erfahren Matthew Drax und seine Gefährten die Hintergründe über den Exodus der Menschen ins Ringweltsystem - und es ist eine bittere Wahrheit. Wie sollen sie verhindern, dass sich das neue Paradies in eine Hölle verwandelt?
Colonel Aran Kormak hat damit weniger Probleme; ihm geht es nur um die Macht auf Novis und eine einträgliche Zusammenarbeit mit den Initiatoren. Dafür ist er auch bereit, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Falsche Paradiese
Leserseite
Cartoon
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Donato Fierro Perez/shutterstock
Autor: Ian Rolf Hill
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6423-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew Drax, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen, und macht sich deren Notlage zu Nutze. Die Gefährten werden ihrer Erinnerungen beraubt; so helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren.
Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, damit sie später geortet und evakuiert werden können. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson macht sich Matt mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg und trifft dabei auf die Kolonie Colonel Kormaks, erkennt aber dessen Machtgier und überlässt ihm keinen der Peilsender. Darum überfällt Kormak die benachbarte Community und eignet sich deren Sender an.
In Agartha wird derweil nach den Plänen der Initiatoren eine Transportplattform gebaut, mit der Hordelab das Wurmloch bändigen und an jeden beliebigen Ort der Erde versetzen soll, um die Enklaven „einzusammeln“. Die Evakuierung beginnt und alles läuft – aus Sicht der Initiatoren – gut. Dann jedoch erfahren die Rev’rends davon und sind überzeugt, dass Satan seine Hand im Spiel hat. Sie zerstören die Transportplattform; dabei werden die vier Gefährten – Matt, Xij, Tom und Hordelab – ohne Erinnerung an verschiedene Ort versetzt. Drei finden den Weg zurück nach San Antonio, nur Hordelab erlangt sein Gedächtnis nicht zurück und strandet ausgerechnet in Roswell.
Das Wurmloch ist außer Kontrolle, weitere Passagen scheinen unmöglich. Die drei Gefährten suchen Miki Takeo auf, um mit dessen Gleiter die Todeszone und das Wurmloch zu durchfliegen. Sie landen auf Novis, wo sie von Aruulas Visionen erfahren: dass die Offerte der Initiatoren eine Falle sein könnte, um an menschliche Gehirne zu gelangen. Um Klarheit zu erlangen, wollen sie Kontakt zu den Kontras aufnehmen. One führt eine Gefangenenbefreiung beim Ringplaneten durch und holt drei von ihnen nach Novis, wo Matt & Co. einen Widerstand gegen Colonel Kormak aufbauen. Dabei verliebt sich Xaana in Aki, einen Soldaten aus Kormaks Truppe …
Falsche Paradiese
von Ian Rolf Hill
Ein Lidschlag! Mehr Zeit bedurfte es nicht, um die Distanz vom Ringplaneten nach Novis per Sprungfeld-Generator zu überbrücken. Unter der Voraussetzung, dass die Zielkoordinaten korrekt waren. Die kannte glücklicherweise ihr geheimnisvoller Retter: One, eine Schwarmintelligenz, bestehend aus Hunderttausenden winziger Kügelchen, basierend auf einer hochentwickelten Nanotechnologie. Das Wesen hatte ihnen geholfen, aus dem Arrest zu fliehen. Jetzt standen sie in einem spärlich beleuchteten Raum und schauten sich um.
Sie hießen Rankiir, Wozguzz und Bendersuu. Die meisten Initiatoren hielten sie für Terroristen. Sie selbst bezeichneten sich als Kontras. Und sie waren gekommen, um das Unrecht, das den Menschen auf Novis angetan wurde, zu verhindern.
Xij verzog missmutig die Miene. „Keine Chance, an die Schwebeplattformen ranzukommen, Matt. Und zu Fuß wären wir Tage unterwegs. Es muss eine andere Möglichkeit geben, um zum Geisterdorf zu kommen.“
„War doch klar, dass die Initiatoren ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärken würden“, gab Matthew Drax zurück.
„Was machen wir also?“
Als bewaffnete Soldaten auftauchten, zog Matt seine Begleiterin am Arm zurück in die schmale Gasse, aus der sie gerade getreten waren. Er deutete mit dem Kinn auf den Trupp, der an ihnen vorbei marschierte. „Kormak rüstet auf, und die Initiatoren lassen ihn gewähren.“
„Die sind froh, dass sie jemanden gefunden haben, der für Ordnung sorgt. Hättest dich beizeiten um den Job bewerben sollen.“ Xij grinste schräg.
Sie eilten beide ans andere Ende der Gasse und lugten um die Mauerecke. „Die Luft ist rein! Weiter!“ Sie liefen über die Straße und tauchten in die gegenüberliegende Gasse ein.
Ihr Ziel war der nordöstliche Rand von Novis Prime. Zwanzig Minuten später standen sie vor dem Schuttberg, den Matt irgendwie ergiebiger in Erinnerung gehabt hatte.
„Nach brauchbarer Ausbeute sieht das aber nicht aus“, meinte auch Xij. „Was hast du gehofft hier zu finden? Einen Laster der Müllabfuhr, bei dem der Schlüssel noch steckt?“
Matt sparte sich eine Antwort. Er schlenderte am steil abfallenden Rand der Senke entlang, in der sich der Schutt zu einem flachen Hügel türmte, der doppelt so hoch war, wie er selbst. Der Umfang der Grube betrug ungefähr einen halben Kilometer.
„Sonderbar, wie still es hier ist“, murmelte er dabei. „Normalerweise wimmeln solche Müllhalden vor Schädlingen.“
„Das ist eben der Vorteil, wenn man einen ganzen Mond neu einrichtet“, sagte Xij. „Man kann all das weglassen, was –“
Sie brach abrupt ab. Ihre Augen weiteten sich, ihr Blick ging starr an Matt vorbei. Der reagierte sofort, warf sich zur Seite und rollte sich ab. Während er wieder auf die Beine kam, gewahrte er aus den Augenwinkeln einen langgestreckten Schatten, der wie der Kopf einer Schlange hin und her pendelte.
Gleichzeitig sah er, wie Xij ihren Teleskopstab zückte und in Kampfstellung ging. Dann erst erkannte er das Wesen, das sich ihm schlängelnd und mit zuckenden Mandibeln näherte.
Keine Schlange, wie er im ersten Moment gedacht hatte, sondern ein Wesen mit Dutzenden von segmentierten, stelzenartigen Beinen, die beidseits des abgeplatteten Leibes bogenförmig zum Untergrund reichten. Sie bewegten sich in rasender Geschwindigkeit, was den Eindruck erweckte, das Geschöpf würde auf einer Welle dahingleiten.
Ein Hundertfüßer, immens vergrößert und gut drei Meter lang. Und er krabbelte direkt auf ihn zu! Doch kurz bevor er ihn erreichte, änderte er die Richtung und verschwand in einer Lücke zwischen dem Schrott.
Xij hielt noch immer den Kampfstock stoßbereit in den Fäusten. Ihr flackernder Blick wanderte zu Matt. „Man soll es eben nicht beschreien“, sagte sie. „Das Ungeziefer scheint sich auf Novis schon eingenistet zu haben.“
Matt atmete tief durch und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Wenn die hiesigen Hundertfüßer ähnlich wie ihre Vorbilder auf der Erde veranlagt waren, mussten sie keinen Angriff befürchten.
Nun grinste er. „Wir hätten ihn einfangen und als Reittier nutzen sollen“, meinte er scherzhaft.
„Ohne Sattel und Zaumzeug? Hast du noch mehr solch grandioser Einfälle in petto?“
„Jede Menge“, gab er zurück. „Ich frage mich aber, woher das Vieh kommt. Die Initiatoren haben doch die Fauna und Flora nach Aruulas und Xaanas Angaben kreiert.“
Xij schürzte die Unterlippe und steckte den eingefahrenen Teleskopstab wieder weg. „Vielleicht ist auch Ungeziefer für das Gleichgewicht der Natur notwendig. Oder es gab die Biester schon vor dem Terraforming, so wie die Silizier, und sie sind durch die Strahlung mutiert. Wir sollten froh sein, dass hier wenigstens keine Taratzen hausen.“
„Wie auch immer.“ Matt setzte seinen Weg fort. „Ich werde bei Gelegenheit Maltuff danach fragen.“ Maltuff war als Initiator für das Terraforming von Novis verantwortlich.
Auf der Kuppe des Schrotthügels blieb Matt stehen. „Hoppla, was haben wir denn hier?“
Xij erklomm die Anhöhe und stellte sich neben den Freund. „Ich würde sagen, noch mehr Müll?“
Matt rutschte bereits schlitternd den Hang hinunter. Neben einem Stück Mauerwerk blieb er stehen, zerrte an einer Art Brett und legte ein Gestell aus Metall frei. Ein schwarzer runder Gegenstand war daran befestigt, ein Rad mit Gummibereifung. „Perfekt“, murmelte Matthew, und dann lauter an Xij gewandt: „Komm, hilf mir mal!“
Die Frau mit den kurzen blonden Haaren packte mit an, und gemeinsam legten sie ein Fahrzeug frei, das einen zylindrischen Rumpf besaß, der auf zwei breiten Achsen ruhte, an denen wiederum intakte Vollgummireifen angebracht waren.
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass dieses Ding noch fährt?“, fragte Xij skeptisch.
„Wenn wir jetzt noch eine Plane finden, die ich verwenden kann: Ja, das glaube ich.“
Xij runzelte die Stirn. „Was hast du vor? Mir sagt das nichts.“
Matt hob den Kopf. „Schon mal was von einem Strandsegler gehört?“
„Wenn mein Stab zerbricht, rede ich kein Wort mehr mit dir, verstanden?“
Matt, der unter Xij im Schalensitz kauerte, hielt die Lenkung verbissen fest. „Keine Sorge, das Ding ist stabil“, presste er hervor.
Eines musste Xij ihm lassen: Die Idee war grandios. So grandios, dass der Wind sie vermutlich davonwehen würde, hätte Matts Gewicht nicht für die nötige Bodenhaftung gesorgt. Zwei Geröllbrocken auf der hinteren Achse trugen zusätzlich zur Stabilisierung ihres improvisierten Beachcruisers bei.
Der armdicke, biegsame Stamm eines jungen Baumes, den Matt mit dem Laseraufsatz seiner Pistole gefällt und entastet hatte, diente als Hauptmast, den sie so fest im Gestänge verankert hatten, dass er nicht umkippte. Den winzigen Elektromotor hatten sie ausgebaut; er war ohnehin defekt gewesen.
Keine Ahnung, wozu die Initiatoren dieses Gerät genutzt hatten, wo sie für die schnelle Fortbewegung doch über Sprungfeldgeneratoren verfügten und nicht den Eindruck erweckten, Sport- oder Freizeitgeräte zu benutzen. Oder gehörte dieser Buggy etwa den Paalusanern?
Eine Böe riss Xij fast das Segel aus den Händen. Mit beiden Fäusten umklammerte sie das Seil, das von der Spitze des Hauptmastes zur Hinterachse führte, auf der sie zwischen den Schuttbrocken stand. Ihr Teleskopstab, um den sie sich sorgte, diente als Unterliek, das unterhalb des Segels im rechten Winkel zum Hauptmast angebracht war.
Zu ihrem Glück hatte der Wind seit ihrem Aufbruch weder die Richtung geändert noch an Stärke eingebüßt. Im Gegenteil, er war sogar aufgefrischt, sodass die Reifen förmlich über den unebenen Boden hinwegflogen.
Xij genoss das Reißen und Brennen in ihren Armmuskeln, lenkte es sie doch von anderen Gedanken ab – wie die Sorge um ihre Tochter Xaana. Diese war zwar eine erwachsene Frau, doch Xij hatte die Skrupellosigkeit und Brutalität von Kormak und seiner Stellvertreterin Vasraa am eigenen Leib zu spüren bekommen. Dass Xaana ihnen in die Hände fallen könnte, wollte sie sich lieber nicht vorstellen.
Dazu kam, dass sie sich in jemanden aus Kormaks Truppe verguckt hatte, der sich dem Widerstand anschließen wollte. Xij wusste nicht mehr als dessen Namen: Aki. Und dass sie ihm nicht traute.
Für einen Moment hatte sie sich wieder ablenken lassen und nicht auf die Umgebung geachtet. Eine Böe fuhr in das Segel, das herumschwang und sich aufblähte. Die behelfsmäßige Befestigung am Vorder- und Unterliek wurde auf eine harte Probe gestellt. Matt fluchte, als die Räder auf der linken Seite über steinigen Untergrund holperten und ihr Beachcruiser plötzlich nur noch auf den rechten Reifen fuhr.
Xij warf sich instinktiv nach links, hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht in die Seile. Viel war es nicht, was sie in die Waagschale werfen konnte. Wenigstens hatten sie die zusätzlichen Gewichte am Konstrukt vertäut. Der Strandsegler kippte zurück auf alle Viere und schoss ungehindert weiter.
Sie umfuhren ein Wandgebiet und durchquerten eine steppenartige Landschaft, die nach wenigen Kilometern in einen Wüstenstreifen überging. Dort am Rand lag das Geisterdorf, wie Aruula und Xaana die Ansammlung nordafrikanisch anmutender Gebäude genannt hatten.
Die Sonne war längst untergegangen, und hinter einer dichten Wolkendecke war auch von den Monden, die die Nacht von Novis sonst erhellten und ein atemberaubendes Naturschauspiel boten, nichts zu sehen.
Matt korrigierte die Fahrtrichtung mit einem Kompass, der auf den Magnetismus von Novis geeicht war, und trug Xij auf, die Leine straff nach hinten zu ziehen, damit das Segel mit der Längsachse des Fahrzeugs eine gerade Linie bildete.
Die Fahrt wurde merklich ruhiger. Offenbar war der Buggy für den sandigen Untergrund wie geschaffen. Er glitt förmlich über die Dünen und kurze Zeit später kam das Geisterdorf in Sicht.
Keine Minute zu spät, denn der Wind wirbelte den Sand auf, der in wahren Kaskaden auf die beiden Menschen einprasselte und das Atmen erschwerte. Außerdem wurde es mit jeder Minute kühler.
Sie versteckten den Strandsegler am Rand der Siedlung in einer Art Materiallager. Dazu mussten sie den Hauptmast aus der Halterung lösen und herausnehmen. Gemeinsam wickelten sie die Plane um den dünnen Stamm, nachdem Xij ihren Teleskopstab wieder zusammengeschoben und eingesteckt hatte.
„Weißt du, wo wir hinmüssen?“, fragte sie und fröstelte.
Matt schüttelte den Kopf. „Nein, woher? Aruula erzählte aber von einem Energieverteilerzentrum in der Mitte des Dorfes. Dort sollten wir zuerst –“
„Vorsicht!“
Zusammen mit dem Warnruf riss Xij ihren Kampfstab hervor und ließ ihn ausschnappen. Matt sprang reaktionsschnell zurück und zückte seine Pistole. Er legte auf das Monstrum an, das sich vor ihnen aus dem Sand wühlte. Mannshohe Tentakel wuchsen empor, ragten ringförmig aus einem flachen ovalen Korpus.
„Einer dieser Kakteen!“, rief Xij und hob ihren Kampfstab. Diese Tier-Pflanzen-Hybriden kannte sie aus Aruulas Berichten. Doch sie griff nicht an, sondern riss erstaunt die Augen auf, als Matt seine Waffe nicht nur sinken ließ, sondern wieder am magnetischen Holster festmachte.
„Zytakleen“, korrigierte er. „Nur ist das keiner von ihnen. Das ist One.“
„One? Die Schwarmintelligenz?“ Sie hatte sich bislang noch keine Vorstellungen von deren Aussehen gemacht.
Matt nickte und trat auf das Monstrum zu, dessen Bewegungen beinahe mit der Dunkelheit verschmolzen. Xij kniff leicht die Augen zusammen und meinte einen silbrigen Schimmer zu sehen, der wellenförmig über den Rumpf des Ungeheuers floss. Über das Heulen des Sturms hinweg waren keine Geräusche zu hören. Umso überraschter war Xij, als das Wesen vor ihnen die Form veränderte.
Etwas erzählt zu bekommen oder es selbst zu erleben, waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Xij hielt den Atem an. Ihre Augen mochten nicht so gut wie die von Matthew sein, doch sie hatten sich ausreichend an die Lichtverhältnisse gewöhnt, um zu erkennen, dass die künstliche Intelligenz die Gestalt des Ex-Commanders annahm. Dabei blieb sie stumm, denn Stimmbänder konnte sie nicht nachahmen.
Das war … unheimlich. Xij fröstelte nicht nur wegen der zunehmenden Kälte. „Ich will ja nicht drängeln, aber ich würde jetzt gern ins Warme kommen“, ließ sie sich vernehmen.
Matts silbrig glänzender Doppelgänger nickte, drehte sich um und ging vor den beiden her. Der Weg führte ins Zentrum der Siedlung, am Energieverteilerzentrum vorbei und auf einen flachen Bau mit schießschartenartigen Fensteröffnungen zu.
„Maddrax, endlich!“
Noch ehe Matt das Gebäude betreten konnte, erschien die vertraute Silhouette von Aruula in der Türöffnung. Sie zog den Ex-Commander regelrecht herein und in ihre innige Umarmung. Xij folgte ihnen und sah sich in dem großen, annähernd quadratischen Raum um. Sofern das möglich war, denn man sah kaum die Hand vor Augen.
Xij schrak zusammen, als sie am Arm berührt wurde. Dann roch sie den herben Duft ihres Gefährten. „Tom.“ Erleichtert tastete sie nach seinen Schultern und ging dabei äußerst behutsam vor. Sie wollte ihn nicht zu stürmisch umarmen aus Rücksicht auf den gebrochenen Arm, den er in einer Schlinge trug.
„Tut’s noch sehr weh?“, fragte sie besorgt.
„Nur, wenn ich lache“, erwiderte der Archäologe und tat genau das. „Nein, im Ernst: Es ist schon viel besser inzwischen. Die Nanobots leisten gute Arbeit.“
Xij vernahm ein Zischen und es wurde hell im Raum. Aruula hatte eine chemische Laterne entzündet, die auf demselben Prinzip basierte wie die Leuchtkugeln, mit denen sich die Kriegerin während ihres ersten Aufenthalts im Geisterdorf erfolgreich gegen die Zytakleen zur Wehr gesetzt hatte.
„Machen wir mit dem Licht nicht unnötig auf uns aufmerksam?“, fragte Xij skeptisch.
Aruula zuckte mit den Schultern. „Bei dem Sandsturm wird eh niemand nach uns suchen, und außerdem sind wir so sicherer vor den Zytakleen.“
„Ich dachte, die wären ausgerottet“, schaltete sich Matt ein, doch Aruula schüttelte den Kopf.
„One hat noch einige überlebende Jungtiere tief unter der Erde entdeckt“, meinte sie. „Es gab bislang aber keine weiteren Angriffe.“
Xij sah sich im Schein der chemischen Laterne um und bemerkte weitere Personen im Raum: Eileen von den Dreizehn Inseln und drei Initiatoren. Die grauen Gestalten glichen sich wie ein Ei dem anderen; für Xij sahen sie alle aus wie Hordelab.
Was aus dem Initiator geworden war, der sie als Vertretung für Starnpazz auf der Erde begleitet und die Evakuierung nach Novis vorangetrieben hatte, wussten sie immer noch nicht. Durch eine Fehlfunktion seines Sprungfeldgenerators waren die vier Gefährten an verschiedene Orte versetzt worden, und nur Hordelab war nicht zum Wurmloch zurückgekehrt. Vielleicht lebte er nicht mehr, oder er war irgendwo auf der Erde verschollen.
Im Nachhinein wusste Xij nicht einmal, wie sie ihn einschätzen sollte. Während ihrer Reise war er ihr fast schon wie ein Freund erschienen – aber was waren seine Motive gewesen? Nach Aruulas Enthüllungen konnten sie den Initiatoren nicht mehr trauen. Höchstens noch den Kontras wie den drei hier anwesenden Initiatoren, die die offenbar düsteren Pläne der Systemherren nicht zu teilen schienen.
Deren Angebot, einem kleinen Teil der Menschheit den Mond Novis als Fluchtpunkt zur Verfügung zu stellen, war – wie Aruulas Visionen nahelegten – wohl doch nicht von reiner Menschenfreundlichkeit bestimmt gewesen. Bald würden sie hoffentlich Näheres über deren wahre Pläne erfahren.