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Keuchend riss Matthew Drax die Augen auf und fuhr im Bett hoch. Seine Stirn war schweißnass.
Aruulas besorgtes Gesicht tauchte neben ihm auf. "Matt, was ist los? Hast du schlecht geträumt?"
Er atmete tief durch. "Und wie!" Sein Herz klopfte bis zum Hals. "Es war dieser blöde Komet. Ich hab geträumt, dass er nicht an der Erde vorbeigerauscht wäre. Mein Flieger geriet in sein Gravitationsfeld, und ich...", jetzt musste er wider Willen grinsen, "... ich wurde fünfhundert Jahre in die Zukunft geschleudert. Die Erde war voller Monster und Mutanten ... und du warst eine halbnackte, gedankenlesende Barbarin." Er schüttelte den Kopf. "So einen Bullshit hab ich ja noch nie geträumt. Ich glaub', ich brauche dringend Urlaub."
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Perfekte Welt
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Ian Rolf Hill
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6859-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die verschiedene Spezies durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen! Doch die Gefährten werden ihrer Erinnerungen beraubt; so helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren.
Matt und der Initiator Hordelab reisen zur Erde, um hochstehende Zivilisationen zur Evakuierung zu finden. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson besuchen sie auch die Kolonie Colonel Kormaks, erkennen aber dessen Machtgier und verweigern ihm die Hilfe.
In Agartha wurde nach den Plänen der Initiatoren eine Transportplattform gebaut, mit der Hordelab das Wurmloch an jeden Ort der Erde versetzen kann. Die Evakuierung beginnt. Dann jedoch zerstören fanatische Rev’rends die Plattform. Dabei gerät das Wurmloch außer Kontrolle; Hordelab wird ohne Erinnerung von den anderen getrennt. Die durchqueren das Wurmloch mit einem Gleiter und landen auf Novis, wo sie von Aruula erfahren, dass die Offerte der Initiatoren eine Falle ist. Sie suchen Hilfe bei den Kontras und bauen gleichzeitig den Widerstand gegen Colonel Kormak auf, dem die Flucht nach Novis gelungen ist.
Matts erfährt die Geschichte der Initiatoren: Einst kristallisierte ihr Planet Kasyn und zwang sie, auf einen der Monde umzuziehen. Um sich vor der Kristallstrahlung zu schützen, entwarfen sie einen mit lebenden Gehirnen betriebenen Mentalschild! Doch gleichzeitig erfährt Matt von einer Möglichkeit, die Erde zu retten! Dazu muss er Kontakt mit den Pancinowa auf Cancriss aufnehmen. Zusammen mit einer Kontra wagen er und Aruula die Reise durch das Wurmloch … und stranden in einer Hohlwelt, in die alle, die Cancriss anfliegen, umgeleitet werden. Auf der Suche nach einem Ausweg finden sie heraus, dass die Sonne der Sphäre künstlich ist und ein Wurmloch beherbergt, dringen in die Sonnenstation ein und verhelfen den Völkern zur Flucht. Dafür macht Aruula ein Zugeständnis: bei den Pancinowa zu bleiben, damit die ihre Telepathie erforschen können.
Doch etwas auf Cancriss nimmt Einfluss auf die beiden Menschen: Sie geraten immer wieder in Euphorie. Als sie in einem unterseeischen Naturpark Zuflucht suchen, werden sie gefasst – und fallen bei der Rückkehr an die Oberfläche in eine Art Koma …
Perfekte Welt
von Ian Rolf Hill
Keuchend riss Matthew Drax die Augen auf und fuhr im Bett hoch. Seine Stirn war schweißnass.
Aruulas besorgtes Gesicht tauchte neben ihm auf. „Matt, was ist los? Hast du schlecht geträumt?“
Er atmete tief durch. „Und wie!“ Sein Herz klopfte bis zum Hals. „Es war dieser blöde Komet. Ich hab geträumt, dass er nicht an der Erde vorbeigerauscht wäre. Mein Flieger geriet in sein Gravitationsfeld, und ich …“, jetzt musste er wider Willen grinsen, „… ich wurde fünfhundert Jahre in die Zukunft geschleudert. Die Erde war voller Monster und Mutanten … und du warst eine halbnackte, gedankenlesende Barbarin.“ Er schüttelte den Kopf. „So einen Bullshit hab ich ja noch nie geträumt. Ich glaub’, ich brauche dringend Urlaub.“
Matts Kopf schwirrte von den vielfältigen Eindrücken, die der Traum hinterlassen hatte, und er angelte nach der Mineralwasserflasche, die neben dem Bett auf dem Boden stand.
Aruula lachte leise. „Ich als halbnackte Barbarin? Ich muss sagen, ich bin über deine lüsterne Fantasie schockiert.“
Auch er musste bei dem Gedanken grinsen. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, das nur durch das kühle, sprudelnde Nass einen kleinen Dämpfer erfuhr. Trotz des verstörenden, geradezu grotesken Traums fühlte er sich nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, allein die Nähe zu seiner Frau vermittelte ihm Geborgenheit und Wärme.
Ihre Stimme sickerte wie Honig in sein Gehirn.
Er liebte diesen einzigartigen Akzent, den sie einfach nicht ablegen konnte.
„Du sahst bezaubernd aus als Barbarin“, flüsterte er, nachdem er die Flasche zugeschraubt und auf dem Nachttisch platziert hatte. Er drehte sich zu ihr um und hauchte ihr einen Kuss auf die wundervoll weichen Lippen. Aruula drängte sich ihm entgegen, schob ihre Zunge in seinen Mund. Ihr Atem ging schneller und schwerer. Matts Hand glitt über ihren Körper, der von einem hauchdünnen Negligé verhüllt wurde.
Er vergaß alles um sich herum, genoss den Augenblick und die traute Zweisamkeit. Er hörte auch nicht das zaghafte Klopfen an der Tür, die leise geöffnet wurde. Im Gegensatz zu Aruula, die sich blitzartig aus seiner Umarmung löste. Sie schob den Träger des Nachthemds gerade noch rechtzeitig zurück auf die Schulter und bedeckte ihre entblößte Brust, ehe ein kleiner Kopf mit dunkelblonden strubbeligen Haaren im Türspalt erschien.
Matt spürte keine Enttäuschung über das unterbrochene Liebesspiel. Im Gegenteil, seine Freude steigerte sich, sodass ihm kurzzeitig schwindelig wurde. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, das von dem Mädchen, das jetzt auf nackten Sohlen in das Schlafzimmer tapste, aber nicht erwidert wurde. Tränen glitzerten in den dunkelbraunen Augen.
„Mommy, Daddy. Ich hab Angst.“
Aruula warf die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und eilte auf das Mädchen in dem rosafarbenen Schlafanzug zu. Sie ging vor ihm in die Hocke und nahm es in den Arm.
„Oh, mein Schatz. Alles ist gut, wir sind doch hier. Hast du schlecht geträumt?“
Trotz Ellie-Sues Furcht musste Matt abermals lächeln, als er Frau und Tochter zusammen sah. Das Kind schüttelte den Kopf. „Nein, hab nicht geträumt. Aber da sind Monster …“ Sie fing wieder an zu weinen.
Aruula warf Matt einen Blick über die Schulter zu. Er seufzte ergeben und folgte der stummen Aufforderung. Er stand auf, ging um das Bett herum und reichte Ellie-Sue die Hand. „Soll ich mal nachsehen?“, fragte er in verschwörerischem Tonfall.
Ellie-Sue rieb sich die Augen und nickte stumm. Ihre Lippen zitterten und verrieten Matt, dass sie reichlich verstört war. Offenbar hatte sie tatsächlich etwas gesehen. Ein Ast im Nachtwind vor dem Fenster vielleicht, oder ein Streifenhörnchen im Geäst. Möglicherweise ein Waschbär. Die Biester wurden immer dreister und kamen auf ihren Diebestouren schon am helllichten Tag in die Gärten. Sein Kumpel Burt Cassidy konnte davon ein Lied singen; dem hatten die bepelzten Gauner das gesamte Barbecue versaut.
Matt nahm Ellie-Sues zerbrechliche Hand in die seine. Er zwinkerte Aruula zu, die ihm ein warmes Lächeln schenkte. Bevor er das Schlafzimmer verließ, fiel sein Blick auf die Digitalanzeige des Funkweckers. Vier Uhr sechsundfünfzig. In knapp einer Stunde schlug der Wecker ohnehin Alarm.
Matt gab sich keinen Illusionen hin; die Nacht war vorbei. Das machte ihm allerdings ebenso wenig aus wie Aruula.
„Deine Barbarin macht dann mal Frühstück“, hauchte sie ihm ins Ohr, als sie Ellie und ihm in den Flur folgte.
Zunächst aber verschwand sie im Bad. Matts Blick saugte sich an ihrem strammen Po fest, als sie mit gekonntem Hüftschwung die Tür hinter sich ins Schloss warf.
„Daddy, komm!“, rief Ellie-Sue und zerrte an seinem Arm. „Sonst sind die Monster weg!“
Er tat so, als würde er sich kaum auf den Beinen halten können, und taumelte vorwärts. „He, nicht so wild, kleines Fräulein. Sonst falle ich noch um!“
Das Zimmer seiner Tochter lag nur eine Tür weiter. Bunte Kunststoffbuchstaben klebten daran und verrieten auf den ersten Blick, wer hier residierte. Matt öffnete und tastete nach dem Lichtschalter. Gedämpfte Helligkeit breitete sich aus.
Das Bettchen stand dem Kleiderschrank direkt gegenüber in der Mitte des Zimmers. Ein bunter Spieleteppich, auf dem Straßen und Häuser abgebildet waren, lag dazwischen auf den hölzernen Dielen. Kein Spielzeug lag herum, alles war sorgsam in Kisten verstaut, die sich an den Wänden stapelten. In einem Regal reihten sich Bilderbücher aneinander.
Ellie-Sue besaß einen ausgeprägten Hang zur Ordnung, wofür ihre Eltern dankbar waren, denn das Mädchen wurde von allen Seiten mit Geschenken geradezu überhäuft. Vor allem von Matts eigenen Eltern, die ganz vernarrt in ihre Enkeltochter waren.
„Wo hast du das Monster denn gesehen?“, wollte er wissen und warf zunächst einen Blick auf das Fenster, unter dem noch die Wickelkommode stand. Ihm war, als sei es erst gestern gewesen, dass er seinem kleinen Mädchen darauf die Windeln gewechselt hatte. Jetzt häuften sich dort Dutzende von Plüschtieren. Nur Ellies braun-schwarz gescheckte Stoffkatze namens Schnurrer durfte bei ihr im Bett schlafen.
Das Mädchen deutete auf den Kleiderschrank und schob sich hinter seinen Vater.
Die Türen standen spaltbreit offen, und als Matt sie ganz öffnete, quollen ihm Unmengen an Klamotten entgegen. Ellie-Sue wuchs so schnell, dass sie sie fast jeden Monat neu einkleiden mussten. Aber bis auf die schreiend bunte Textil-Kaskade war der Schrank dahinter leer. Keine Spur von einem Monster.
Matt wandte den Kopf und schaute seine Tochter unter hochgezogenen Augenbrauen an. Er wollte ihr gerade erklären, dass einem die Fantasie manchmal üble Streiche spielte, als von außen etwas über die Fensterscheibe kratzte.
Ellie-Sue zuckte zusammen und riss erschreckt die Augen auf. Matt grinste nur schief, als der Ast des massigen Ahorns ihm durch das Glas hindurch zuwinkte und dabei die belaubte Spitze über das Fenster streifte. Er würde den Ast demnächst abschneiden. Allein schon, damit Ellie-Sue nicht irgendwann auf die Idee kam, aus dem Fenster zu klettern.
Matt drehte sich um und ging vor seiner Tochter auf die Knie. „Ist das dein Monster?“, fragte er ernst, doch Ellie-Sue schüttelte den Kopf und zeigte abermals auf den Schrank. „Nein, da drin.“
„Hm, und wie sah es aus?“
„Böse!“
„Hm. Aber da ist nichts.“ Er setzte sich auf die Kante des Bettchens und hob Ellie-Sue auf seine Oberschenkel. „Pass auf, Schatz. Manchmal, wenn wir schlecht träumen, sehen wir im Dunkeln Dinge, die gar nicht da sind. Und dann reicht oft schon ein Geräusch, um uns Angst zu machen.“
„War aber da!“, beharrte Ellie-Sue, rutschte von seinem Bein und flitzte um das Bett herum. Zielsicher griff sie sich ein Malbuch aus dem Bücherregal, das sie Matt vor die Nase hielt.
„Ninja-Turtles?“, fragte er. „Wo hast du das denn her?“
„Von Opa!“
„War ja klar“, murmelte Matt und beschloss bei nächster Gelegenheit mit seinem Vater über angemessene Geschenke für dreijährige Mädchen zu reden.
Ellie-Sue setzte sich neben ihn auf das Bett und fing an, in dem Malbuch zu blättern. Die ersten Seiten zeigten die vier Turtles, von bunten Kritzeleien übermalt, wie es nur Kleinkinder machten, doch Ellie-Sue blätterte schnell weiter und verharrte auf einer Seite, auf der eine krötenartige Mutation zu sehen war: ein gedrungener Leib mit überlangen Armen und einem Schädel, der kaum etwas Menschliches hatte. „Muckman“ stand darunter.
„Und dieses Ding war in deinem Schrank?“, fragte Matt.
Ellie-Sue nickte ernsthaft.
Matthew seufzte schwer und strich dem Mädchen über das Haar. „Schatz, das ist nur eine Erfindung. Wahrscheinlich hast du dich vor der Zeichnung so gefürchtet, dass du von dem Monster geträumt hast. Der Ast kratzte am Fenster, die Tür schwang im Wind auf. Nichts als Einbildung, verstehst du?“
Ellie-Sue hörte den Worten ihres Vaters zu und schien darüber nachzudenken.
Matt betrachtete seine Tochter, in der er die Züge seiner geliebten Aruula zu erkennen glaubte, versonnen. Im selben Moment vernahm er die Stimme seiner Frau vom Fuß der Treppe: „Beeilt euch, das Frühstück ist gleich fertig!“
Auf dem Gesicht von Ellie-Sue ging sprichwörtlich die Sonne auf. Jegliche Angst vor Monstern und Mutanten schien vergessen. „Pancakes!“, krähte sie und wollte losstürmen. Doch Matt war schneller, schnappte sie sich und riss sie in seine Umarmung.
„Nichts da, du kleiner Vielfraß!“, rief er und drückte ihr einen Kuss in die Halsbeuge. Er wusste, dass sie dort kitzelig war. Prompt fing das Mädchen an zu quieken und zu kichern. „Erst wird sich gewaschen und angezogen.“
Gemeinsam suchten sie die Klamotten heraus, die Ellie-Sue anziehen wollte. Eine pinke Hose und einen Pullover aus Frottee mit einem Einhorn auf der Vorderseite. Rosa war eindeutig ihre Lieblingsfarbe, selbst die Schühchen besaßen diese Farbe. Zehn Minuten später saßen sie am reich gedeckten Frühstückstisch.
Der Duft nach frisch gekochtem Kaffee erfüllte die geräumige Küche, durch deren Fenster die Morgensonne schien. Ellie-Sue schaufelte ihre Pancakes, die in Ahornsirup schwammen, in sich hinein, als hätte sie tagelang nichts zu essen bekommen.
„Den Hunger hat sie eindeutig von dir“, kommentierte Aruula lächelnd und servierte Matt ebenfalls einen ordentlichen Stapel. In der weißen Bluse und dem engen roten Rock, der bis zu den Knien reichte, sah sie einfach umwerfend aus. Ihre Aufmachung erinnerte ihn daran, was heute für ein Tag war.
„Wann musst du los?“
Aruula winkte ab. „Ach, die Kunden kommen erst um neun. Die Unterlagen habe ich schon alle zusammen, aber ich möchte vorher gerne noch einmal alleine durch das Crow-Anwesen gehen, um mich vorzubereiten.“
„Soll ich Ellie zu meinen Eltern bringen?“, bot er an.
„Zu Oma un’ Opa?“, nuschelte das Mädchen und wurde von Aruula sanft gescholten:
„Mit vollem Mund spricht man nicht.“ Dann nickte sie. „Ja, zu Oma und Opa.“ Sie wandte sich an Matt. „Das ist nicht nötig. Du musst ja selbst früher los. Es reicht, wenn ich eine Stunde eher beim Crow-Anwesen bin. Auf dem Weg dorthin nehme ich Ellie mit.“
„Was ist das Cow-Wesen?“, fragte diese und schaute ihre Mutter neugierig an.
„Nicht Cow-Wesen. Crow-Anwesen“, erwiderte Aruula. „Anwesen bedeutet nichts anderes als Haus. Und weißt du was?“
Ellie-Sue schüttelte den Kopf.
„Wenn Mommy den alten Kasten verkauft, hat sie den Job, den ihr Oma besorgt hat, fest in der Tasche.“
„In der Tasche?“
„Das heißt, sie darf dann jeden Tag arbeiten und wir sehen sie nie wieder“, sagte Matt mit Grabesstimme und kassierte von Aruula einen tadelnden Blick.
„Jetzt mach ihr doch keine Angst.“ Sie beugte sich zu ihrer Tochter hinunter. „Hör nicht auf ihn, Schatz. Ich bin nur morgens und vormittags unterwegs.“
„Darf ich dann zu Oma und Opa?“, rief das Kind fröhlich.
Aruula hob verblüfft die Augenbrauen. „Na, das ging ja schnell. Und schon bin ich abgeschrieben.“
Matt grinste. „Wäre es dir lieber, sie würde Zeter und Mordio schreien?“
Um Aruula eine Antwort auf die ohnehin rhetorische Frage zu ersparen, leerte Matt seine Kaffeetasse und warf einen Blick auf die Küchenuhr. „Verdammt, ich muss los. Wenn ich nicht rechtzeitig komme, hebt Canucklehead ohne mich ab.“
Matt stand auf und ging um den Tisch herum, um Ellie-Sue einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Er trug längst die olivgrüne Fliegerkombi mit dem Emblem der United States Air Force. Seine Tochter streckte ihm die Ärmchen entgegen und er hob sie aus dem Kindersitz. Sie rieben ihre Nasen aneinander, und mit dem Kind auf dem Arm drückte er sich an Aruula.
Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Viel Glück, Liebling. Wir sehen uns dann heute Abend bei Mom und Dad.“
„Ich hab das Maisbrot schon im Ofen und bringe es mit. Du kannst direkt von der Basis aus hinkommen.“
Sie küssten sich ein zweites Mal und er streckte den rechten Arm aus. Aruula nahm ihm das Kind ab und begleitete ihren Ehemann nach draußen, um ihm nachzuwinken. Das glockenhelle Kichern seiner Tochter in den Ohren, stieg Matt in seinen geliebten Ford Mustang.
Das Leben war herrlich.
Aruula wartete, bis Maddrax sich den restlichen Kriegern angeschlossen hatte. Sein Doggar namens „Hund“ hüpfte aufgeregt neben ihm her und schien es kaum erwarten zu können, auf die Jagd zu gehen. Gemeinsam mit Rulfan, Kareen und Xanthippe, die sie nur Xan nannten, verschwand ihr Geliebter im Unterholz des Waldes.
Stolz erfüllte Aruulas Brust. Ihr Gefährte hatte sich problemlos in die Sippe eingefügt und war zu einem nützlichen und wertvollen Mitglied geworden. Allein schon Elisuu, die auf ihrem Arm zappelte und heruntergelassen werden wollte, war der Beweis.
Sie hatten ihre gemeinsame Tochter nach Aruulas Elnak benannt, das lebendige Zeugnis ihrer Liebe – und auch der Grund, weshalb Aruula nicht an der Jagd teilnahm. Natürlich hätte sie das dreijährige Mädchen auch bei einer anderen Frau vom Volk der Dreizehn Inseln lassen können. Oder bei Xans Gefährten Tom, der großes Geschick im Umgang mit Kindern zeigte. Doch Elisuu musste dringend gebadet werden, und das ließ sie sich nur von Aruula gefallen. Eine gute Gelegenheit zudem, um mit Lusaana und Rebeeka zu plaudern.
Das Dorf lag auf einer Lichtung in einem kleinen Tal unweit des Flusses, in dem die Königin und ihre Vertraute gerade ihr morgendliches Bad genossen. Das Wasser glitzerte auf ihren nackten Leibern, als sie Aruula und Elisuu willkommen hießen.
„Ich grüße euch!“, rief die Königin, eine kräftig gebaute Frau mit dunklen Haaren, die offen auf ihre muskulösen Schultern fielen. Von ihren fünf Kindern befand sich keines in der Nähe, wohl aber eine zierlichere Frau mit blasser Haut, deren Kurzschwerter jetzt zusammen mit der Kleidung am Ufer lagen. Rebeeka war nicht nur Lusaanas Vertraute und Stellvertreterin, sondern auch ihre Leibwächterin.
Aruula half Elisuu aus den grob geschneiderten Lederkleidern. Das Mädchen konnte es gar nicht erwarten, zu den beiden Frauen ins Wasser zu hüpfen.