Maddrax 504 - Ian Rolf Hill - E-Book

Maddrax 504 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Eine faszinierende Vorstellung: Was wäre mit der Erde, ihrer Flora und Fauna geschehen, wenn damals, vor 65 Millionen Jahren, der "Große Zerstörer" nicht eingeschlagen wäre und das Ende der Dinosaurier herbeigeführt hätte? Wie wäre die Evolution dann verlaufen? Hätte sich der Mensch überhaupt entwickeln können? Fragen, denen sich Matt Drax und Aruula plötzlich stellen müssen, als ein Parallelwelt-Areal bei Yukatán, Mexiko auftaucht, in dem die Erdgeschichte seit Jahrmillionen völlig anders verlaufen ist ...

Der erste Teil eines Doppelbandes

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EPUB
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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Evolution

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Herschel Hoffmeyer/Onlyrichdesign/shutterstock

Autor: Ian Rolf Hill

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8063-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Chris­topher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete, und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber sie hinterlässt Spuren: Areale aus verschiedenen Parallelwelten tauchen plötzlich auf der Erde auf …

Matt und Aruula ahnen nicht, was bei dem Wurmloch-Unfall geschah; nur, dass der Mond wieder in seinem alten Orbit und die Erde gerettet ist. Vom Untergang der Kasynari im Ringplaneten-System wissen sie nichts, und auch nicht, dass Colonel Aran Kormak mit seiner Flucht durch das Wurmloch zur Erde die Katastrophe ausgelöst hat – und jetzt dabei ist, seine Macht neu zu festigen. Genauso wenig wissen sie, dass der Kasynari Hordelab ins Jahr 1947 versetzt wurde und dort unfreiwillig den Grundstein für die UFO- und Grey-Hysterie legte. Aber sie entdecken ein etwa fünfzig Kilometer durchmessendes Areal, das von einer hohen, lebenden Dornenhecke umgeben ist – ein Stück aus einer Parallel-Erde, wie sie bald herausfinden, das zusammen mit der Stadt Lancaster in ihre Welt versetzt wurde. Hier wird die Technik durch Dampfmaschinen bestimmt und das Britische Empire ist eine Weltmacht. Doch was hat die Versetzung ausgelöst, und kann man sie rückgängig machen?

Während sie von einem mächtigen Luftschiff-Reeder gejagt werden, der die Technik dieser neuen Welt für sich nutzen will, finden Matt und Aruula heraus, dass es im Zentrum des Areals eine Verbindung beider Universen gibt, die aber nur sporadisch „flackert“. Mit der Hilfe des jungen Piloten Julian Springs können sie den Reeder dingfest machen und sich mit den Stadtherren verständigen. Die Bewohner von Lancaster müssen sich in den nächsten Monaten an ihre neue Heimat gewöhnen, die wenigstens von der Dornenhecke vor Mutationen und Barbaren geschützt ist. Wer ließ diese äußerst widerstandsfähige Barriere wachsen, die einen Austausch beider Welten zu verhindern scheint? Und vor allem: Wird es weitere Areale geben? Das will man mit dem Satelliten-Netzwerk herausfinden, das die Pancinowa im Erdorbit installiert haben und das eine Besonderheit des Phänomens erkennen kann: plötzlich auftauchende Polarlichter über dem Ort des Geschehens.

Matt und Aruula sind auf der Wacht; dabei können sie sich mit einem Gleiter aus Miki Takeos Produktion schnell und frei bewegen und den Pflanzenwall überwinden. Vielleicht können sie im nächsten Gebiet herausfinden, was vor sich geht und wie es sich abstellen lässt, bevor die ganze Erde von einen Flickenteppich paralleler Areale mit verschiedenen Entwicklungsständen überzogen ist …

Evolution

von Ian Rolf Hill

Ydiel zügelte den Krallenläufer neben dem Graagonen-Nest. Mit gemischten Gefühlen beobachtete er, wie Rekar zwischen den Bäumen verschwand, um das zweite Gehege zu inspizieren. Er hoffte, dass Rriikahs Rudel die Aufgabe gewissenhaft erledigt hatte und die Graagonen noch ein Weilchen schliefen. Nichts war gefährlicher als eine wütende Graagonen-Mutter, die ihre Brut verteidigte.

Geschmeidig glitt Ydiel vom Rücken des Krallenläufers und ging vor dem Nest in die Hocke, um die Kerntemperatur der Eier zu messen. Sie würde ihm verraten, wann die Graagonen schlüpften.

Ein hohes Kreischen, das in abgehackte Schreie überging, ließ Ydiel instinktiv in Deckung gehen. Es war der Krallenläufer, der die Laute ausstieß. Er bäumte sich auf und fächerte dabei die armlangen Klauen an den Vorderläufen.

Ydiel wusste, was das zu bedeuten hatte. Gefahr!

Ydiel drehte sich um. Er hob die Arme und ging langsam auf den Krallenläufer zu, um ihn zu beruhigen. „Ruhig, Gharr. Ganz ruhig!“

Das Tier wich zurück; die hohen Angstschreie kamen nun schneller, hektischer. Ohne Vorwarnung bäumte sich der Krallenläufer auf. Ydiel erschrak und taumelte rückwärts, stolperte über eine aus dem Boden ragende Wurzel und stürzte.

Sein Blick ging zum Himmel … wo die Wolken in Bewegung geraten waren. Rasend schnell flogen sie über das Firmament, bildeten einen Wirbel genau über ihm, und mit einem Mal rauschte es in den Kronen der umstehenden Bäume, die sich unter heftigen Sturmböen von einer Seite auf die andere bogen.

Ein Wirbelsturm!, zuckte es durch Ydiels Gehirn. Er stützte sich mit den Klauenhänden im hohen Gras ab und wollte auf die Beine springen, als etwas über seine Finger huschte. Winzige krallenbewehrte Pfoten kratzten über seine verhornte Haut. Ein pelziger brauner Körper huschte durch das Gras, dicht gefolgt von einem zweiten und dritten. Der Krallenläufer tänzelte auf der Stelle und schickte sich an, die Flucht zu ergreifen.

Mit einem Satz sprang Ydiel auf die Füße, stürzte vorwärts und bekam das Zaumzeug des Krallenläufers zu fassen. Er musste sich vorsehen, dass ihm das Tier in seiner Panik nicht die armlangen Krallen in den Leib rammte. Deshalb hängte er sich mit seinem gesamten Gewicht an die Zügel, zog den Schädel des Krallenläufers zu sich herunter und schlang die Arme um den im Vergleich zum Körper winzigen Kopf.

Gharr folgte dem Impuls, ließ sich auf die Vorderläufe fallen und grub die Krallen ins Erdreich. Dass er dabei einen der pelzigen Nager aufspießte, bekam er vermutlich gar nicht mit. Ydiel presste den Kopf seines Reittieres fest gegen seine Brust, um dessen Augen zu verdecken. Die Flanken des Krallenläufers zitterten und bebten. Sie blähten sich in panischen Atemzügen.

Ydiel erging es nicht anders, als er die zahllosen Pelztiere erblickte, die an ihm und Gharr vorbeiströmten. Dazwischen hüpften zweibeinige, gefiederte Pixies mit langen Schwänzen, die hinter ihren filigranen Körpern zuckten und peitschten. Ein deutliches Zeichen ihrer Erregung.

Gharr stieß ein monotones Brummen aus, mit dem er sich selbst zu beruhigen versuchte. Ein Schutzreflex der Krallenläufer, den sie nur dann einsetzten, wenn Flucht und Angriff keine Optionen mehr waren.

Blitze zuckten am Horizont. Der Himmel verdunkelte sich, wurde zu einer schiefergrauen Wand. Heißer Wind fegte in Ydiels Rücken und die Erde unter seinen Füßen begann zu beben.

Trotz seiner Furcht konnte sich Ydiel der Faszination des Schauspiels nicht entziehen. Die Blitze schienen sich auf einen klar abgegrenzten Bereich zu beschränken, der sich wie ein Bogen am Horizont spannte. Dass sie nicht getroffen wurden, lag einzig daran, dass sie sich nicht näher an dieser Grenze befanden. Wären sie nur ein kleines Stück weitergeritten …

Rekar!

Der Gedanke an seine Gefährtin sorgte bei Ydiel für ein schmerzhaftes Zusammenziehen der oberen Hornschichten. Der Wunsch, nach ihr zu suchen, wurde übermächtig. Doch gleichzeitig wurde das Beben unter seinen Füßen stärker. Dicht neben ihnen krachte ein Baumstamm zu Boden. Das Dröhnen eines Graagonen-Schreis mischte sich in das Knacken und Knistern der Blitze.

Und dann, von einem Moment auf den anderen, endete das Inferno! So schnell, wie die Blitze erschienen waren, verschwanden sie auch wieder.

Der Wolkenwirbel trieb auseinander und bildete konzentrische Ringe, wie Wellen auf einem See, in den ein Stein geworfen wurde. Gleichzeitig erstrahlte der Himmel in einem grünblauen Licht, das unablässig waberte.

Plötzlich herrschte Stille, nur durchbrochen von Gharrs monotonem Brummen. Der Krallenläufer blieb unverändert stehen und machte keinerlei Anstalten, die Flucht zu ergreifen.

Wieder fühlte Ydiel diesen Bewegungsdrang in sich, dem er nun endlich nachgab. Er öffnete Gharrs Satteltasche und holte den Kommunikator hervor. „Rekar, melde dich!“, rief er in das obere Ende des fingerlangen Zylinders.

Vergebens wartete er auf eine Antwort.

Ydiel wechselte die Frequenz, um mit dem Labor Kontakt aufzunehmen. Mit demselben Ergebnis. Langsam ließ er den Kommunikator sinken und versuchte das Zittern in seinen Gliedern zu ignorieren. Was es auch war, das dieses Phänomen verursacht hatte, es hatte die Funkverbindung unterbrochen. Vermutlich eine Art elektromagnetisches Feld, das von den Blitzen verursacht worden war und auch diese seltsame Lichterscheinung erzeugt hatte.

Oder gab es einfach niemanden mehr, der ihm hätte antworten können? Aber das würde ja bedeuten, dass ganz Rhaaka betroffen war!

Ydiel rief sich die Blitze ins Gedächtnis. Wenn er sich nicht täuschte, war ihre Grenze genau dort verlaufen, wo sich die Stadt befand. Er musste umgehend dorthin zurück.

Zunächst aber galt es Rekar zu finden.

Gharr hatte sich inzwischen so weit beruhigt, dass Ydiel es riskierte, in den Sattel zu steigen. Er zog sachte am Zügel. Das Tier hob den Kopf und keckerte aufgeregt. Zögernd setzte sich der Krallenläufer in Bewegung.

Von seiner erhöhten Position aus ließ Ydiel den Blick über das Ausmaß der Verheerungen schweifen. Die Blitze hatten eine Furche aus verbrannter Erde hinterlassen, aus der dichter Rauch quoll. Täuschte er sich, oder verlief sie tatsächlich kreisrund in beide Richtungen? Das war physikalisch doch gar nicht möglich!

Der Krallenläufer scheute, weigerte sich, weiterzugehen. Ydiel versuchte ihn anzutreiben, ohne Erfolg. Schließlich glitt er von dem Tier herunter und setzte den Weg zu Fuß fort. Als er von einem umgestürzten Baumstamm sprang, versanken seine Füße mit einem feuchten Klatschen im Erdreich. Wasser rauschte mit leisem Gurgeln durch das Gras und verwandelte den Grund des Waldes in einen Sumpf.

Es schmatzte, als Ydiel den Fuß herauszog. Der morastige Boden schien ihn gar nicht loslassen zu wollen. Er klammerte sich an den Baumstamm und zog sich keuchend hinauf.

Nun begriff er, warum der Sturm den Baum so leicht hatte umwerfen können: Sein Wurzelwerk hatte im sumpfigen Untergrund keinen Halt mehr gefunden, und die Sturmböen hatten den Rest erledigt.

Ydiel balancierte bis zum Blätterdach vor, das dicht bei der rauchenden Linie lag, die nur wenige Nothane1) breit war.

Ein Graagone lag nicht weit entfernt, direkt vor dem verbrannten Streifen. Anhand der Größe und der Form der Nüstern erkannte Ydiel, dass es sich um ein Weibchen handelte.

Dort, wo eigentlich die muskulösen Oberschenkel in den massigen Rumpf übergingen, befand sich … nichts mehr. Nur Qualm, der aus der verflüssigten Erde emporwölkte. Es war das Wasser, das in der Hitze verdampfte.

Ydiels Entsetzen kannte keine Grenzen. Sein Mund fühlte sich trocken an.

Wenn Rekar sich in der Nähe aufgehalten hatte, war sie nun tot! Vielleicht sogar vollständig zu Asche und Schlacke verbrannt.

Ydiel schluckte das aufkeimende Keckern hinunter. Jetzt war nicht die Zeit zum Trauern!

Er hob den Kopf und versuchte den Rauchschleier mit Blicken zu durchdringen. Möglicherweise war Rekar schneller gewesen und stand nun irgendwo hinter der verbrannten Zone.

Er schmatzte und versuchte genug Speichel zu sammeln, um nach seiner Gefährtin zu rufen. Dann warf er den Kopf in den Nacken, breitete die Arme aus und wölbte die Brust. Ein schriller Laut verließ seine Kehle.

Gharr, einige Nothane hinter ihm, schnaubte irritiert und richtete sich auf die Hinterbeine auf. Ydiel verstummte, lauschte auf eine Antwort.

Als keine erfolgte, wiederholte er den Schrei. Wieder und wieder. Bis sein Verstand nach einer gefühlten Ewigkeit begriff, dass Rekar nicht mehr antworten und auch nicht zurückkehren würde.

Nie mehr!

Wieder erbebte Ydiels Körper unter dem Zittern der Muskeln, die ihn anfeuerten, nicht stehenzubleiben. Nur zu gern gab er diesem Impuls nach, denn mit einem Mal war ihm klar, was dieser Vorfall zu bedeuten hatte.

Das war kein willkürliches Wetterphänomen gewesen. Es war ein Angriff!

Ydiel warf sich herum, rannte über den Baumstamm zurück zur Wurzel und sprang hinunter.

Auch hier hatte das Wasser mittlerweile den Boden aufgeweicht, wenn auch nicht so stark wie weiter vorne. Seine Füße versanken nur bis zu den Knöcheln, lösten sich schmatzend aus dem Morast, und die Abdrücke füllten sich mit braunem Wasser.

Gharr wich instinktiv zurück; sein Gewicht hätte ihn unweigerlich in die Tiefe gezogen. Ydiel hastete auf den Krallenläufer zu, schwang sich in den Sattel und zog das Tier an den Zügeln herum.

Einer weiteren Aufforderung bedurfte Gharr nicht. Wie von Graagonen gehetzt, jagte er zurück in Richtung Stadt.

Als der Krallenläufer den Ausgang des Geheges passierte und Ydiel das lose hin und her schwingende Gatter sah, erkannte er das gesamte Ausmaß der Bedrohung.

Das Magnetfeld der Blitze musste die automatische Verriegelung außer Kraft gesetzt haben. Die Tiere waren frei!

Hastig blickte Ydiel sich um, aber nichts war zu sehen.

Natürlich nicht. Hätte sich ein anderes Tier genähert, ein Graagone oder ein Langmauler, dann hätte Gharr längst reagiert. Trotzdem war es unklug, länger als unbedingt nötig zu verweilen. Ydiel trieb den Krallenläufer von neuem an.

Mit weiten Sätzen näherte er sich der Stadt. Noch verdeckte der breite Buschgürtel Rhaaka, doch jetzt schon hörte Ydiel die weiteren Auswirkungen des Angriffs: mehrere, dicht hintereinander erfolgende Detonationen. Extrem laut, sodass er sie selbst aus großer Entfernung hören konnte.

Ydiel zweifelte nicht einen Atemzug lang an ihrem Ursprung. Das waren Schüsse!

Die Brandung fuhr gurgelnd zwischen die Steine, leckte mit salzigen Zungen in Risse und Spalten, nur um sich kurz darauf als weißer Schaum wieder mit dem Ozean zu vereinigen.

Kike kauerte auf der Kuppe des größten Felsens und spähte hinab auf einen flachen, mit Algen und Muscheln bewachsenen Brocken, der die Ausmaße einer kleinen Insel besaß.

Nun, das mochte ein wenig übertrieben sein, doch der blankgewaschene Fels mit der eigentümlichen Maserung bot immerhin genug Platz, dass fünfzig Personen dichtgedrängt darauf stehen konnten.

Sie hatten es vor einigen Jahren ausprobiert.

Freilich nicht bei diesem Exemplar, bei dem es sich weder um einen Felsen noch um eine Insel handelte. Sondern um einen mehrere Zoll dicken Schild aus Horn und Kalk.

Der Panzer einer Seeschildkröte. Einer mutierten Seeschildkröte, wohlgemerkt. Daher war Vorsicht geboten. Die Biester konnten reichlich unangenehm werden, wenn sie bei der Eiablage gestört wurden.

Und das hatten Kike und seine Freunde vor, denn eine solche Seeschildkröte vermochte nicht nur die vier Jäger, sondern ihre kompletten Familien für wenigstens eine Woche zu ernähren.

Allein bei dem Anblick lief Kike das Wasser im Mund zusammen, und im Geiste sah er die Feuer, über denen das saftige, salzige Fleisch brutzelte. Er roch den würzigen Duft und schmeckte bereits das zugegebenermaßen eigenwillige Aroma. Mutierte Seeschildkröte war nichts, was man das ganze Jahr über essen konnte oder sollte.

Aber außerhalb der Brutzeit war es ohnehin so gut wie unmöglich, einem solchen Tier zu begegnen, geschweige denn es zu fangen. So etwas war nur an Land möglich, und dorthin kamen diese Monster nur einmal im Jahr. Das Zeitfenster war verdammt eng. Hinzu kam, dass die Tiere trotz ihrer beachtlichen Größe nicht leicht zwischen all den Felsen und dem angespülten Unrat auszumachen waren.

Außerdem hatte es im vergangenen Jahr ein weiteres Problem gegeben, das sich in den letzten Monaten massiv verschärft hatte. Kike konnte es immer noch nicht fassen, dass sie alle mit dem Leben davongekommen waren. Und mit „alle“ meinte er nicht nur seine Familie und Freunde oder die Einwohner von Méda, sondern die gesamte Menschheit.

Noch vor wenigen Wochen hatte der Mond als gigantisches Mahnmal einer drohenden Apokalypse am Himmel gestanden. Tornados, Taifune, Sturmfluten, all das waren nur die Vorboten der bevorstehenden Vernichtung gewesen.

Kike konnte nicht behaupten, sich mit dem unvermeidlichen Schicksal abgefunden zu haben, aber jeder Mensch musste irgendwann sterben. Schmerzhaft war nur der Gedanke gewesen, dass niemand übrig geblieben wäre, um sein Andenken zu ehren. Aber er hatte sich zumindest mit dem Tod arrangiert gehabt.

Auf die Gerüchte, dass einige Scharlatane weiter nördlich damit prahlten, eine sichere Zuflucht auf einem weit entfernten Planeten gefunden zu haben, hatte er von Anfang an nichts gegeben. Absoluter Schwachsinn, wie er jeder weltumspannenden Katastrophe vorausging.

Einige von ihnen hatten sich trotzdem mit Sack und Pack auf den Weg nach Saan’tono gemacht, wo angeblich ein Tor in diese neue Welt existieren sollte. Kike konnte darüber nur den Kopf schütteln.

Doch das spielte ohnehin keine Rolle mehr. Denn von einer Sekunde auf die andere war es vorbei gewesen.

Na ja, ganz so simpel war es natürlich nicht. Das Phänomen, das sie an jenem Tag am Himmel beobachtet hatten, war mit Worten kaum zu beschreiben gewesen. Und das Ergebnis bestand darin, dass die schrundige Fratze des Mondes, die wie der leibhaftige Tod seit Wochen und Monaten auf sie herabgestarrt hatte, plötzlich wieder winzig klein am Himmel stand.

Geblieben waren die Auswirkungen der Katastrophen, die der näherkommende Mond verursacht hatte. Die Küstenlinie hatte sich um fast eine Meile ins Landesinnere verschoben und den kompletten Sandstrand verschlungen.

Von den üppigen Urwäldern jenseits der Stadt war kaum mehr übrig geblieben als ein unzugänglicher Sumpf, der die Bewohner von Méda und der gesamten Halbinsel von der Außenwelt abschnitt.

Méda war zu einer Enklave geworden und die Häuser, die durch die Flüchtlinge verwaist waren, standen nicht lange leer. Viele der umliegenden Dörfer waren nicht mehr bewohnbar und vollkommen verwüstet worden.

„He, Kike! Schläfst du?“

Der ehemalige Techno wandte den Kopf und schaute über die Schulter zurück zu dem niedrigen Felsen, auf dem sein jüngerer Bruder Nacho stand. Auch er hatte sich die Schuhe ausgezogen. Die Hose reichte bis zu den Knien, das Hemd schlackerte um seinen sehnigen Leib.

Nacho war drei Jahre jünger als er und hatte erst letzten Sommer seine Volljährigkeit gefeiert. Seitdem hatte er sich auf diese Jagd gefreut, denn Kike hatte versprochen, ihn diesmal mitzunehmen.



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