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Atemlose Jagd
Als Ydiel von der fremden Waffe getroffen wird, schließt er mit seinem Leben ab. Umso überraschter ist er, als er nach kurzer Ohnmacht in einer fremden Welt erwacht - eine Welt riesiger Gewächse und skurriler Monster. Doch allmählich begreift der Sauroide, dass er noch immer auf derselben Erde weilt - nur auf Insektengröße verkleinert.
Ydiel hat nicht viel Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen, denn in dieser Welt herrscht ein ständiger Kampf ums Überleben, und er ist die Beute!
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Atemlose Jagd
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Tsuneomp; Pingkan G.L; Okxi/shutterstock
Autor: Ian Rolf Hill
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8716-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber sie hinterlässt Spuren: Areale aus verschiedenen Parallelwelten tauchen plötzlich auf der Erde auf …
Matt und Aruula wissen nicht, was bei dem Wurmloch-Unfall geschah; nur, dass der Mond wieder in seinem alten Orbit ist. Vom Untergang der Kasynari im Ringplaneten-System und dass Colonel Aran Kormak mit seiner Flucht durch das Wurmloch zur Erde die Katastrophe ausgelöst hat, ahnen sie nichts. Sie entdecken fünfzig Kilometer durchmessende Areale von Parallel-Erden, die von einer hohen Dornenhecke umgeben sind und in deren Zentrum es eine Verbindung beider Universen zu geben scheint.
Um weitere Areale aufzuspüren, nutzen Matt & Co. ein im Erdorbit installiertes Satelliten-Netzwerk, das plötzlich auftauchende Polarlichter über dem Ort der Versetzung anzeigt. Mit einem Gleiter des Androiden Miki Takeo können sie den Pflanzenwall überwinden, begleitet vom Sauroiden Ydiel.
Die letzte Reise führte sie in ein paralleles Rom, das vom Archivar Patrem regiert wird. Als Rom nun vom Rest seiner Welt abgeschnitten wird, bringt Patrem Matt unter seine Kontrolle und will Rom opfern, um in Agartha ein neues Machtzentrum zu eröffnen. Er beschädigt ein Artefakt, das ihn vor Verfolgern seiner Spezies schützt, sodass es bald kollabieren wird. Während seine Freunde in Rom um ihr Leben kämpfen, fliegt Matt den Archivar nach Tibet – doch Agartha ist verschwunden! Denn ein Transfer gleich nach dem Wurmloch-Kollaps blieb unbemerkt: Das Königreich wurde in eine Parallelwelt versetzt. Bei der Rückkehr nach Rom wird Patrem Opfer seines eigenen Vernichtungsplans, und während Matt seine Gefährten und einige Hydriten retten kann, verschwindet er zusammen mit ganz Rom – in der Zeit!
Da taucht Kormak auf! Er hat einen Gleiter von Takeo gestohlen und stellt die Gefährten bei Nürnberg zum Kampf. Dabei wird Ydiel von einer Artefaktwaffe getroffen. Matt kann Kormaks Gleiter lahmlegen, der in einen See stürzt. Die Suche nach ihm bleibt ergebnislos und wird abgebrochen, als ein weiteres Areal erscheint: die Stadt Coellen – und darin ein lebender Rulfan und ein inhaftierter Professor Dr. Smythe! Die Freude über das Wiedersehen mit dem alten, in ihrer Welt verstorbenen Freund währt nur kurz, denn Smythe kommt frei und entführt Rulfans Familie. Zwar kann er gestoppt und scheinbar getötet werden, er installiert zuvor aber eine Bombe am Gleiter, die bei 500 Höhenmetern explodieren wird!
Atemlose Jagd
von Ian Rolf Hill
„Ich wünsche einen guten Flug!“ Zufrieden klappte Professor Dr. Jacob Smythe den Verschluss der vorderen Landekufe wieder in die ursprüngliche Position. Während Drax und Rulfan seinem Double hinterherjagten, hatte er die nötigen Vorkehrungen getroffen – für den Fall, dass seine Feinde der vorbereiteten Falle entkommen sollten.
Die Bombe war nichts Besonderes, besaß nicht einmal außergewöhnliche Sprengkraft. Das Raffinierte war der Zünder, beziehungsweise der daran gekoppelte Höhenmesser. Das Prinzip war simpel: Sobald der Gleiter einen bestimmten Wert über Normalnull überschritt: BUMM!
Die Höhe hatte er auf fünfhundert Meter eingestellt. Das sollte ausreichen, damit die Insassen den Absturz auf keinen Fall überlebten.
Bei Sub’Sisco, Meeraka
Diagnoseprotokoll aktiviert
Positronische Matrix wiederhergestellt, Leistungsfähigkeit derzeit bei 67 %, steigend
Außenhülle zu 98 % intakt, Haarrisse im Bereich der Humeroskapulargelenke
Aktiviere thermale Sensoren: Außentemperatur 81,68 Grad Fahrenheit
Aktiviere olfaktorische Sensoren: Treibstoff- und Schmiermittelmoleküle registriert, Spuren von Rußpartikeln infolge thermaler Zersetzungsprozesse, Körperausdünstungen humanoider Säugetiere
Aktiviere haptische Sensoren: Corpus in horizontaler Position auf hartem Untergrund
Aktiviere auditive Sensoren: Stimmen humanoider Einheiten identifiziert
Aktiviere optische Sensoren
Es dauerte 0,72 Sekunden, bis sich die optischen Sensoren justiert hatten und sich zwei humanoide Gestalten aus den nebelhaften Schleiern herauskristallisierten und an Schärfe gewannen.
Obwohl sie ihm die Rücken zuwandten, erkannte Miki Takeo sofort, um wen es sich handelte. Es waren zwei Frauen. Eine mit zierlicher Figur und ausgeprägtem Flossenkamm, der aus den langen roten Haaren ragte und in sämtlichen Regenbogenfarben schillerte.
Subjekt identifiziert als Aala’na, weiblicher Mendrit
Die Statur der anderen war etwas kräftiger, durchtrainierter. Ihre rotblonde Mähne leuchtete im Licht einfallender Sonnenstrahlen, in denen Staubpartikel tanzten.
Subjekt identifiziert als Brina, weiblicher Mensch
Aktiviere Sprachmodul
„Aala’na, Brina!“
Beiden Frauen, die sich leise unterhalten hatten, fuhren herum. Die Augen der Mendritin weiteten sich. „Miki, endlich!“ Anhand der Frequenz und Stimmlage registrierte er die Erleichterung, die Aala’na empfand.
„Wie geht es dir?“, fragte Brina besorgt und trat näher.
Miki Takeo hatte genug Umgang mit Menschen, um zu wissen, dass weder Aala’na noch Brina an einer Auflistung des Diagnoseprotokolls interessiert waren. In seiner Datenbank fand er das Zitat eines bedeutenden Schriftstellers aus dem neunzehnten Jahrhundert: „Der Bericht über meinen Tod wurde stark übertrieben!“
Aala’na warf Brina einen verwunderten Blick zu, die aber auch nur verständnislos blinzelte.
„Mir geht es den Umständen entsprechend gut!“, versuchte es Takeo erneut. Diesmal schien er die richtigen Worte gefunden zu haben, denn die Frauen entspannten sich. Der Androide richtete seinen zentnerschweren Körper langsam auf.
Dabei prüfte er, ob seine Beweglichkeit gelitten hatte. Die von einer Hülle aus Plysterox geschützten Servomotoren funktionierten zufriedenstellend. Miki Takeo richtete sich auf und stellte fest, dass er sich im Gleiter-Hangar befand, durch dessen Oberlichter grelles Sonnenlicht flutete.
Von dem Fluggerät selbst fehlte jede Spur.
Takeo öffnete den Memory-Speicher und rief die entsprechenden Daten ab, die er brauchte, um sich ein Bild von den Geschehnissen der Vergangenheit zu machen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich sein Betriebssystem aus Sicherheitsgründen heruntergefahren hatte.
Er separierte einen Funkspruch von Suzi Quinn.
„Wir haben ein Problem, Blechmann!“ Er kannte die Generalin lange genug, um zu wissen, dass sie ihn nicht grundlos kontaktierte. „Ich habe hier eine junge Frau namens Enoya, die behauptet, dass unser Neuzugang Demir Mitchell ein Betrüger ist. Er heißt in Wahrheit Colonel Aran Kormak. Laut Enoyas Angaben hat er sie in der Sonora-Wüste vergewaltigt und zum Sterben zurückgelassen.“
„Dann nehmen Sie ihn in Gewahrsam und befragen Sie ihn!“, hatte er geantwortet.
„Das werde ich, sobald ich ihn gefunden habe!“
„Sie wissen nicht, wo er sich aufhält?“
„Nein, aber ich habe einen Verdacht.“
Und der war völlig korrekt gewesen: Colonel Aran Kormak hatte nicht nur versucht, den neuen Gleiter zu stehlen, es war ihm auch gelungen. Offenbar war dies von Anfang an seine Absicht gewesen.
Miki Takeo war gerade auf Patrouille gewesen, als Quinns Funkspruch ihn erreicht hatte. Sofort war er umgekehrt und eben noch rechtzeitig gekommen, um mitzuerleben, wie der Gleiter gestartet wurde.
Zwei menschliche Körper hatten blutend am Boden gelegen, ein unbekanntes Subjekt und Suzi Quinn. Miki Takeo hatte nicht lange gezögert und war mit einem gewaltigen Satz auf das Heck des Gleiters gesprungen. Er hatte Kormak um jeden Preis aufhalten wollen. Der Gleiter durfte nicht in falsche Hände geraten.
Aber der Pilot hatte es bemerkt und war einige waghalsige Manöver geflogen, bis Takeo den Fliehkräften nicht länger standgehalten und den Halt verloren hatte. Die internen Sensoren hatten eine Fallgeschwindigkeit von zweihundertdreiundneunzig Stundenkilometern registriert, bevor er in eine Ruine vor Sub’Sisco eingeschlagen war.
Ab diesem Zeitpunkt endete die Memory-Aufzeichnung.1)
Der Abruf hatte nicht länger als 1,2 Sekunden gedauert. Zu kurz, um Aala’na und Brina erneut in Sorge zu versetzen. Takeo hoffte, dass sie seine Informationslücken schließen konnten. Seit seiner Deaktivierung und der Wiederherstellung der positronischen Matrix waren laut seinen internen Sensoren sieben Tage, vier Stunden, dreiundzwanzig Minuten und fünfundfünfzig Sekunden vergangen.
„Was ist passiert?“
„Die Männer, mit denen du auf Patrouille warst, haben deinen Absturz beobachtet“, antwortete Aala’na. Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht und dich vor sechs Tagen in den Trümmern einer Ruine gefunden. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis du irgendwann aufwachst.“
„Warum habt ihr hier bei mir gewartet?“
Die Augenbrauen der Frau zogen sich über der Nasenwurzel zusammen, die Lider verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Weil wir uns Sorgen um dich gemacht haben, du grober Klotz.“
„Ich bin kein grober Klotz, ich bin ein Android!“, antwortete Takeo sachlich.
„Was du nicht sagst!“
Er erkannte, dass diese Diskussion nicht zielführend war. „Wo ist der Gleiter?“
„Weg!“, rief Brina aufgebracht. „Dieser Kormak hat ihn gestohlen und ist damit auf und davon.“
Takeo schwieg für einen Moment, um die aus dieser Information resultierenden Konsequenzen zu berechnen. Gleichzeitig eruierte er, was ihm noch an Fakten fehlte, um das Gesamtbild zu vervollständigen.
„Wie ist der Zustand von General Quinn?“
„Es hat sie ziemlich schwer erwischt, aber sie wird überleben“, sagte Aala’na. „Nur etwas weiter links hätte das Geschoss die große Arterie im Oberschenkel zerfetzt und sie wäre verblutet.“
„Und ihr psychischer Zustand?“
„Nicht gut, fürchte ich“, erwiderte Brina. „Sie gibt sich die Schuld für das, was geschehen ist. Offenbar hat Kormak es geschafft, ihr Vertrauen zu gewinnen, sodass sie unvorsichtig wurde. Es sind Menschen gestorben. Sie wird Zeit brauchen, um darüber hinwegzukommen.“
„Das wird sie“, sagte Takeo zuversichtlich. Als er sah, wie Brina das Kinn nach vorne reckte, fügte er hinzu: „Sie ist eine starke Persönlichkeit. Ich werde mit ihr reden. – Wer war die zweite Person?“
„Ihr Name ist Enoya. Eine Frau, die aus der Sonora-Wüste kam. Sie behauptet, Kormak habe sie vergewaltigt und gedemütigt. Sie wurde ebenfalls verletzt. Eine Kugel durchschlug ihre rechte Schulter.“
„Ich möchte mit ihr sprechen.“
„Wir bringen dich zu ihr.“
Miki Takeo folgte den beiden Frauen zu einem Jeep, der draußen vor dem Hangar stand. Die diensthabenden Soldaten blickten zu Boden. Befürchteten sie, gemaßregelt zu werden, weil sie den Diebstahl nicht verhindert hatten? Dafür bestand kein Anlass. Immerhin war es auch ihm selbst nicht gelungen.
Suzi Quinn und Enoya waren in ein halbwegs instandgesetztes medizinisches Versorgungszentrum am Stadtrand gebracht worden. Von dem General erfuhr Miki Takeo nichts Neues. Sie hatte viel Blut verloren und war kaum ansprechbar. Dafür erzählte ihm Enoya einige bemerkenswerte Details. Sie lag allein in einem Zimmer, das von zwei Soldaten bewacht wurde.
Ihre sonnengebräunte Haut besaß die dieselbe aschgraue Farbe wie das verwaschene Bettzeug. Ihre Wangen waren eingefallen, die Knochen traten spitz hervor. In ihren Augen lag ein harter Glanz, der auf Rachsucht schließen ließ. Möglicherweise hatte Suzi Quinn deshalb die Bewachung angeordnet.
„Kormak war in Begleitung einer anderen Frau namens Margaux. Vermutlich treibt sie sich noch irgendwo hier herum.“ Enoya beschrieb sie, so gut sie konnte.
„Wir werden sie finden!“, sagte Brina und eilte aus dem Zimmer, gefolgt von Aala’na. Miki Takeo blieb einige Sekunden am Krankenlager der jungen Frau stehen.
„Sobald du gesund bist, kannst du dich entscheiden, ob du hierbleiben willst oder nicht“, sagte er nur.
„Ich will nur, dass dieses Schwein bekommt, was es verdient.“
Darauf, Kormak zu schnappen, war auch Takeo aus. Aber damit sollte sich Suzi Quinn befassen, sobald sie wiederhergestellt war. Der Android hatte andere Prioritäten. Er kehrte in seine Werkstatt zurück und aktivierte sein internes Funkmodul. „Miki Takeo an Commander Drax. Miki Takeo an Commander Drax. Bitte melden, over!“
„… ki Ta … an …der Drax …itte …elden, over!“
Die Satzfragmente gingen im Rauschen der statischen Störungen beinahe unter. Matt verzog das Gesicht, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen.
„Wahrscheinlich sind wir noch zu dicht am Parallelwelt-Areal dran“, gab Aruula zu bedenken.
„Ich werde den Schub erhöhen und höher steigen.“
Matt beschleunigte und beobachtete den Höhenmesser, dessen Anzeige rasch größer wurde. Schon überschritten sie die Zweihundert-Meter-Marke.
Sie hatten Coellen vor nicht mal zehn Minuten verlassen und waren auf dem Weg nach Nuunbeg, wie das frühere Nürnberg heute hieß. Dort wollten sie die Suche nach dem Gleiterwrack fortsetzen, mit dem Aran Kormak abgestürzt war.
Hinter ihnen lag ein aberwitziges Abenteuer, das sie zusammen mit ihrem alten – und eigentlich toten! – Freund Rulfan erlebt hatten. Beziehungsweise mit seinem Parallelwelt-Zwilling, dessen Leben einen anderen Verlauf genommen hatten, nachdem seine Freunde Matt und Aruula von einem Daa’muren getötet worden waren.
Für ihn war die Begegnung also ähnlich aufwühlend gewesen wie für sie beide.
Damals, vor über dreißig Jahren, hatte der Neo-Barbar zu ihren engsten Freunden gehört; er und Matt waren sogar Blutsbrüder. Später hatte Rulfan in ihrer Welt auf Canduly Castle den Hort des Wissens gegründet, wo er schließlich auch starb. Nach der Eroberung und teilweisen Zerstörung der Burg durch die Reenschas war der Hort in ein ehemaliges Wasserkraftwerk am schottischen Loch Lomond umgezogen. Dort befand er sich auch heute noch, angeführt von Rulfans Sohn Juefaan. Ein Sohn, den er in der Parallelwelt nie – oder noch nicht – gehabt hatte.
Der Hort des Wissens war eines der nächsten Ziele von Matt und Aruula. Dort wollten sie die BagBox, die sie in Rom einem Archivar namens Patrem abgenommen hatten, sicher unterbringen.2) Sie war zwar verschlossen, stellte aber in den falschen Händen ein unkalkulierbares Risiko dar. Und wie schnell die darin enthaltenen Artefakte in solche Hände geraten konnten, hatten sie vor kurzem erst am eigenen Leib erfahren müssen.
Vor allem Aruula hatte sich von dem Körpertausch mit Kormak immer noch nicht richtig erholt. Von Ydiels Tod, den ihr Erzfeind – einen Titel, den sich Kormak mit Professor Jacob Smythe teilen musste – ebenfalls auf dem Gewissen hatte, ganz zu schweigen.3)
Matt seufzte. Wäre er esoterisch veranlagt, hätte er glauben können, dass es an seinem schlechten Karma lag, solche Subjekte anzuziehen wie das Licht die Motten.
Aber beide sollten tot sein. Kormak war mit dem Gleiter bei Nuunbeg abgestürzt, und Smythe lag jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Trümmern der Technischen Hochschule begraben. Dort befand sich auch das Zentrum der Parallelwelt-Verwerfung. Matt hatte Rulfan gebeten, sich dort umzuschauen. Sie mussten endlich herausfinden, was es mit dem scheinbar wahllosen Auftreten der Parallelwelten auf sich hatte.
Nach dem Besuch des Horts wartete eine unangenehme Aufgabe auf Matt und Aruula: Sie würden über den Atlantik nach Yucatán fliegen, um der Anführerin der Sauroiden, Rriikah, zu erklären, dass ihr Brutpartner Ydiel nicht mehr lebte. Und anschließend wollten sie Sub’Sisco einen Besuch abstatten, um nach Miki Takeo zu sehen.
Aber manche Dinge im Leben erledigten sich von selbst; so auch hier in Form eines Funkspruchs, der mit zunehmender Höhe allmählich klarer wurde. Matt beendete den Steigflug bei etwas über vierhundert Metern.
„… Takeo an Commander Drax! Bitte melden, over!“
„Miki!“, rief Matt. „Wie geht es dir?“
Der Android schwieg zwei Sekunden lang, dann sagte er: „Den Umständen entsprechend akzeptabel.“
„Deiner Wortwahl entnehme ich, dass du über den Diebstahl des Gleiters Bescheid weißt“, schlussfolgerte Matt.
„Nicht nur das. Wir wissen auch, wer ihn hat.“
„Ihr kennt Colonel Aran Kormak?“
„Wir hatten das zweifelhafte Vergnügen, ja.“
Die Freunde brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Matt versäumte dabei nicht, das Übernahmeprotokoll des Gleiters zu erwähnen, das ihnen beinahe zum Verhängnis geworden war. „Wann hattest du eigentlich vor, uns davon zu erzählen?“
„Tut mir leid, Matt. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass das Nachfolgemodell in falsche Hände fällt. Aber im elektronischen Handbuch gibt es ein entsprechendes Kapitel darüber.“
„Danke“, erwiderte Matt sarkastisch. „Das habe ich gerade noch rechtzeitig gefunden, um das Protokoll und Kormaks Antrieb zu deaktivieren.“
„Dann ist er abgestürzt?“, fragte Miki Takeo. „Wurde der Gleiter zerstört?“
„Kann ich dir nicht sagen“, gab Matt zu. „Wir haben kurz Ausschau nach Trümmern gehalten, mussten die Suche aber unterbrechen.“
„Es wäre ein herber Verlust. Die Rohstoffe für einen solchen Gleiter sind knapp. Es wäre von größter Wichtigkeit, das Wrack zu sichern, bevor es von Retrologen geplündert und von der Witterung vollständig ruiniert wird.“
„Wir sind schon auf dem Weg dorthin“, beruhigte ihn Matt. „Schon um sicherzustellen, dass Kormak wirklich tot ist. In einigen Stunden werden wir die Suche fortsetzen und dich auf dem Laufenden halten.“
Einen Tag zuvor
Der Gleiter war ein technisches Meisterwerk, das musste Aran Kormak neidlos anerkennen. Die Maschine hatte nicht nur den Absturz in den See unbeschadet überstanden, sie verfügte auch über ein automatisches Lebenserhaltungssystem. Das hatte Colonel Aran Kormak jedoch zwischenzeitlich deaktiviert.
Er wollte kein Risiko eingehen. Die Fremdortung hatte er zwar ausgeschaltet, traute es Drax aber dennoch zu, die Energiesignatur des Gleiters anzupeilen. Erst als ihm die Hitze im Inneren den Schweiß aus den Poren getrieben hatte und die Luft zum Schneiden dick gewesen war, hatte er die Lebenserhaltung wieder eingeschaltet.
Ein Funksignal hereinzubekommen, das ihm zeigte, ob Drax noch nach ihm suchte, erwies sich als erfolglos. Vielleicht verhinderte die Wasserschicht ein Durchkommen, vielleicht war Drax’ Gleiter außer Reichweite. Trotzdem ließ er das Funkgerät auf Standby und schmiedete seine weiteren Pläne.
Zunächst würde er nach Knocks zurückkehren. Die Rache an Commander Drax war ihm zwar ein inneres Bedürfnis, genoss aber bei Weitem nicht oberste Priorität.
Kurz dachte er an Margaux, die er in Sub’Sisco zurückgelassen hatte. Er musste die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Quinn sie festgenommen hatte und durch die Mangel drehte. Schwer zu sagen, ob sie einknickte und dem Feind von Knocks erzählen würde.
Aus dem Bauch heraus hätte Kormak diese Frage verneint, aber er konnte nicht abschätzen, wie groß ihre Wut und Enttäuschung darüber waren, dass er sie im Stich gelassen hatte. Es war vermutlich ein Fehler gewesen, Margaux lebend zurückzulassen, gestand er sich ein. Ein guter Militär wusste um die Schwächen seiner Untergebenen und ignorierte sie nicht.
Auf der anderen Seite hatte es keine Alternative gegeben. Er war ja froh, überhaupt davongekommen zu sein. Die Wunde in seiner linken Hand, wo ihn Quinns Wurfstern getroffen hatte, schmerzte noch immer. Ein Denkzettel, der ihn stets an seinen Fehler erinnern würde. Er hatte Enoya unterschätzt, und dass würde ihm kein weiteres Mal mehr passieren, das schwor er sich.
Sein gesundes Auge richtete sich auf den Desintegrator, der neben ihm auf dem Copilotensitz lag. Eine äußerlich unscheinbare Waffe, einem Elektroschocker nicht unähnlich, deren Wirkung aber frappierend war. Was der blaue Blitz traf, löste er praktisch in Luft auf. Deshalb hatte Kormak ihn „Desintegrator“ getauft.
Ewig konnte er nicht am Grunde des Sees ausharren. Er war kaum anzunehmen, dass Drax und die Barbarin länger als vierundzwanzig Stunden nach ihm suchen würden. Also ging Kormak irgendwann das Wagnis ein und fuhr auch den Antrieb wieder hoch.