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Während seine Freunde zu dem Parallelwelt-Areal in Florida reisen, folgt Rulfan auf einem instand gesetzten Motorrad weiter der Spur der Okkupierten. Dabei gelangt er zu einer Siedlung, die ihre Energie aus einem Lava-Reservoir bezieht.
Die Krieger des Lichts haben in ihrer Gier die unterirdische Blase angezapft und die Betreiber zu Mutanten gemacht. Eine junge Geologin, Nadiin, versucht die Bewohner zu warnen, doch niemand schenkt ihr Gehör - bis auf Rulfan. Doch ist es nicht schon zu spät, um die sich anbahnende Katastrophe aufzuhalten?
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Höllenschlund
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Ian Rolf Hill
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7517-0041-2
www.bastei-entertainment.de
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Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber etwas geht schief: Areale aus verschiedenen Parallelwelten manifestieren sich plötzlich auf der Erde…
Um diese 50 Kilometer durchmessenden Parallelwelt-Areale, die von hohen Dornenhecken umgeben sind, aufzuspüren, nutzen Matt und Aruula ein im Erdorbit installiertes Satelliten-Netzwerk. Mit einem Gleiter überwinden sie die Pflanzenwälle. In einem parallelen Rom treffen sie auf einen zeitreisenden Archivar namens Patrem, der mit Hilfe gefährlicher Artefakte herrschen will. Matt setzt dem ein Ende. Seine Waffen deponiert er im Hort des Wissens, einer Enklave befreundeter Retrologen und Wissenschaftler.
Da erscheint ein weiteres Areal: die Stadt Coellen – und mit ihr der Neo-Barbar Rulfan, ein in ihrer Welt längst verstorbener Freund, der sich ihnen anschließt.
Matts Erzfeind Colonel Aran Kormak wird derweil auf der Suche nach Verbündeten Chefexekutor der Reenschas in Glasgow. Er greift den Hort des Wissens an, scheitert aber und wird in den Kerker geworfen. Matt und Aruula erleben Kormaks Flucht mit, und wie er in einem Ballon von einem Artefakt verkleinert wird! Später dringt er in den Hort des Wissens ein, erfährt vom Zeitstrahl und versucht ihn zu durchqueren.
Da empfängt Aruula einen Hilferuf der Pflanzenentität GRÜN. In Neuseeland treffen die Freunde auf eine botanische Seuche, die aus einer Parallelwelt herübergekommen ist. GRÜN, der für die Dornenhecken rund um die Anomalien verantwortlich zeichnet, ist dagegen machtlos. Gemeinsam mit den Hydriten – Fischmenschen, die seit Äonen auf der Erde leben – entwickelt man eine Waffe gegen die Rote Pest, die sie dank des wieder gesundeten GRÜN zünden können.
Inzwischen wissen die Archivare, dass ihre Reisen in die Vergangenheit für die Weltenwechsel verantwortlich sind: Wo immer sie ein Portal schufen, wurde die Raumzeit geschwächt und bricht nun durch den Wurmloch-Unfall auf! Spätere Generationen entwickeln ein Gegenmittel, das aus ferner Zukunft in einer Stasiskugel zurückversetzt wird. Doch als die Freunde die Kapsel finden, ist sie leer! Das Wesen darin hat vier Menschen okkupiert, die „Krieger des Lichts“, die einen Feldzug gegen den Weltrat in Washington führten! Nun mutieren sie zu mächtigen Wesen, die auf der Suche nach Energie eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Da taucht ein weiteres Parallelwelt-Areal in Florida auf. Matt, Aruula und Worrex kümmern sich darum, während Rulfan weiter der Spur der Feinde folgt…
Höllenschlund
von Ian Rolf Hill
Das Biest tauchte wie aus dem Nichts neben Rulfan auf. Die Pinien am Wegesrand explodierten und entließen einen wahren Koloss, der sich schnaubend und geifernd auf den Neo-Barbaren stürzte. Reflexartig zog er den Chopper zur Seite und beschleunigte, um den Klauen der Bestie zu entgehen.
Er glaubte sich schon in Sicherheit, als ein mörderischer Schlag das Heck des Motorrads traf. Rulfan wurde herumgeschleudert, verlor den Halt und wirbelte durch die Luft. Hart krachte er mit dem Rücken auf den löcherigen Asphalt, während die Maschine funkensprühend im Straßengraben landete.
Rulfan erstarrte, als sich das Ungeheuer vor ihm aufbäumte und das Maul aufriss, das ihm wie der Schlund zur Hölle erschien.
Kurz zuvor
Das gleichmäßige Röhren des Viertakters übte auf Rulfan einen beruhigenden Effekt aus. Der Neo-Barbar genoss das Gefühl von Freiheit, das ihn stets überkam, sobald er sich in den Sattel der Renegade Commando 125 schwang. Dann perlte sämtlicher Stress von ihm ab wie Wasser aus dem Fell eines Lupas. Für kurze Zeit vergaß er sogar all seine Sorgen und Nöte, die ihn schon viel zu lange plagten.
Da war ja nicht nur das Parallelwelt-Areal in Coellen, durch das er überhaupt erst mit seiner Familie in diese Welt gelangt war. Eine Welt, in der die Bedrohung durch die Daa’muren längst der Vergangenheit angehörte, während sie in seiner alten Realität allgegenwärtig war.1) Allein der Gedanke, dass die zurückgebliebenen Freunde und Verbündeten ihr tagtäglich ausgesetzt waren, belastete Rulfan. Womöglich schlugen sie gerade jetzt die entscheidende Schlacht gegen die außerirdischen Aggressoren, die den Planeten in eine Lavahölle verwandeln wollten, um ihn ihrer zerstörten Heimatwelt anzugleichen.
Das galt es zu verhindern, weshalb sich Rulfan zwei Freunden angeschlossen hatte, die in seiner Welt längst den Tod gefunden hatten: Aruula und Matthew Drax. Sie erforschten das seltsame Erscheinen der Parallelwelt-Areale, die immer wieder und scheinbar wahllos auf dem Globus aufgetaucht waren.
Mittlerweile wussten sie, dass dieses Phänomen auf die geheimnisvollen Archivare, die Menschen einer fernen Zukunft, zurückzuführen war. Durch ihre Dimensionsreisen hatten sie das Raum-Zeit-Gefüge irreparabel beschädigt. Und nachdem der auf die Erde stürzende Mond mit Hilfe der Wurmlochtechnologie einer außerirdischen Spezies namens Pancinowa wieder auf seine ursprüngliche Umlaufbahn versetzt worden war, war es zu einer Art Kaskadeneffekt gekommen.
Immer mehr Parallelwelt-Areale erschienen in immer kürzeren Zeitabständen und drohten die hiesige Erde zu verschlingen, sodass am Ende nicht mehr als ein Flickenteppich aus zahllosen Welten-Fragmenten unterschiedlichster Entwicklungsstufen übrigbleiben würde. Sowie ein instabiles Raum-Zeit-Kontinuum, das auseinanderbrechen würde wie ein von Termiten zerfressenes Holzhaus.
Anfangs hatte Rulfan nur nach einem Weg gesucht, um in seine Welt zurückzukehren, damit er den Kampf gegen die Daa’muren fortsetzen konnte. Eine Absicht, die schlussendlich zum Bruch mit seiner Frau Maleen geführt hatte, die es überhaupt nicht einsehen wollte, die neugewonnene Sicherheit aufzugeben.2)
Wie trügerisch diese Sicherheit war, hatte Rulfan erst sehr viel später erfahren. Für seinen Entschluss, Matt und Aruula zu unterstützen, spielte es ohnehin keine Rolle. Wenn überhaupt, wurde er lediglich darin bestärkt.
Doch es gab auch Hoffnung, die wie ein Silberstreif schwach am Horizont leuchtete. Ausgerechnet die Archivare hatten eine Lösung gefunden und eine Tachyonen-basierte Lebensform erschaffen, mit deren Hilfe sie das löchrige Raum-Zeit-Gefüge reparieren wollten. Durch einen Trick war es ihnen gelungen, die in ferner Zukunft entwickelte Entität in einer Stasiskapsel in die Vergangenheit zu schicken, ohne eine weitere Destabilisierung des Kontinuums zu riskieren.
Das Problem dabei: Als Matthew und ein Archivar namens Worrex die Stasiskapsel bergen wollten, mussten sie feststellen, dass diese aufgebrochen und der Inhalt verschwunden war.3) Mehr noch, die aus Tachyonen, Prionen und Einzellern entwickelte Lebensform hatte sich anscheinend in vier Menschen eingenistet und sie auf erschreckende Weise verändert.
Deren Spur hatte die Gefährten bis nach Cincinnati geführt, wo die Veränderten ihren wachsenden Hunger nach Strahlungsenergie stillen wollten. Der Verbleib der vier war bis zur Stunde unklar. Rulfan und seine Freunde konnten nur versuchen, den weiteren Weg der Fremden anhand des Kartenmaterials aus dem Gleiter abzuschätzen.4)
Doch bevor sie aufbrechen konnten, hatte zur Unzeit das Satellitennetzwerk der Pancinowa Alarm geschlagen und das Erscheinen eines neuen Parallelwelt-Areals vermeldet. Aus diesem Grund hatte Rulfan die Verfolgung der mit Tachyon-Prionen verschmolzenen Menschen allein aufgenommen.
Sein erstes Ziel lag beim Kernkraftwerk Lasalle, elf Kilometer südlich von Ottawa, Illinois. Zunächst folgte er der Route 74 nach Indianapolis, wo er sich Hinweise erhoffte. Doch niemand dort hatte irgendwelche Krieger gesehen, die sich schneller als das Auge bewegen konnten und einen unstillbaren Appetit auf Schilddrüsen und Knochenmark besaßen – beides Organe, die über eine hohe Radiotoxizität verfügten und daher für die Mensch-Tachyon-Hybriden besonders wertvoll waren.
Also fuhr Rulfan weiter nordwärts. Der Weg über die Otowajii war mit Hindernissen gespickt; überall lauerten Schlaglöcher und blockierten Wracks die Fahrbahn. Er schaffte weniger als hundert Kilometer, bis der Abend dämmerte.
Für eine nächtliche Fahrt war die Strecke zu gefährlich, also suchte er sich einen Rastplatz – und bemerkte ein Lagerfeuer umweit der Straße. Ein achtköpfiger Jagdtrupp hatte es entzündet.
Rulfan beobachtete die Barbaren eine Zeitlang mit seinem Binokular. Als er sich sicher war, dass keine Gefahr von ihnen ausging, näherte er sich und gab sich zu erkennen. Sie luden ihn an ihr Feuer ein und teilten eine halbe Wisaau mit ihm. Dabei kamen sie ins Gespräch.
Und was Rulfan kaum zu hoffen gewagt hatte: Sie berichteten ihm von einer unheimlichen Beobachtung, die sie am Vortag gemacht hatten. Eine Herde Rhiffalos, der sie seit Tagen gefolgt waren, war vier jungen Leuten in Uniformen zum Opfer gefallen.
„Es war ein fleischgewordener Albtraum“, hatte ihm der Anführer erzählt. „Es sah aus, als würden sie in der Sonne schmelzen! Trotzdem haben sie noch gelebt und wie verrückt geschrien. Glaub mir, mein weißhäutiger Freund, solche Schreie hast du in deinem Leben noch nicht vernommen.“
Für Rulfan stand außer Frage, dass er die Spur der Gesuchten wiedergefunden hatte. Gern hätte er sich die Tiere näher angesehen, doch die Barbaren hatten sie verbrannt.
„Was ist mit den vier Uniformierten?“, erkundigte er sich. „Konntet ihr sehen, in welche Richtung sie weitergezogen sind?“
Der Truppführer nickte. Die Erinnerung an den Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Zum Sonnenuntergang“, sagte er.
Nach Westen also. Dann musste es dort eine weitere Energiequelle geben, die in den Karten des Gleiters nicht verzeichnet war.
„Es gibt Felder mit flüssigem Stein, etwa drei Tagesreisen von hier“, sagte der Anführer auf seine Frage hin.
Vulkanische Aktivität?, wunderte sich der Albino. Die hätte er eher weiter westlich erwartet, im Gebiet des Yellowstone-Parks. Aber nach Kristofluu war vielerorts die Erde aufgebrochen.
„Verrückte leben dort, die sich die Urgewalt untertan machen wollen“, fuhr der Jäger fort und schüttelte den Kopf. „Die Welt ist aus den Fugen geraten.“
Rulfan gab ihm im Stillen recht, wenn auch aus anderen Gründen. Die wahre Gefahr ging von den Parallelwelt-Arealen aus, nicht von den vier Okkupierten oder einer Gruppe Wissenschaftler, die offenbar thermale Energien nutzbar machen wollten.
Wie auch immer; er musste dorthin, so schnell wie möglich.
„Du hast von drei Tagesreisen gesprochen“, hakte er nach. „Zu Fuß, nehme ich an?“
Der Anführer deutete um sich. „Siehst du irgendwo Fahrzeuge? Natürlich sind wir zu Fuß unterwegs. Sonst würden wir das Wild verjagen.“
Okay, dann schmolz dank seines Choppers die Entfernung auf einen Tag zusammen. Vielleicht holte er die Gesuchten sogar unterwegs noch ein. Für die Leute bei den vulkanischen Feldern wäre das sicher besser – auch wenn er warten musste, bis Matt, Aruula und Worrex im Gleiter zu ihm aufschlossen. Das hatte er Matt versprechen müssen.
Kurz überlegte er, den Peilsender jetzt schon zu aktivieren, entschied sich aber dagegen. Erst wenn Ergebnisse vorliegen.
Am frühen Morgen setzte der Neo-Barbar seinen Weg fort. Und je weiter er nach Westen kam, desto deutlicher wurden die Spuren, die die vier Krieger hinterließen: deformierte Leiber von Tieren und Menschen, die ihrem unstillbaren Appetit zum Opfer gefallen waren.
Je höher die Sonne stieg und je kürzer der Schatten wurde, den Rulfan auf das rissige, von Schlaglöchern übersäte Pflaster der Straße malte, desto nervöser wurde er. Seit Stunden war er keiner Menschenseele begegnet. Die Gegend als dünn besiedelt zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung gewesen.
Zu allem Überfluss gab es keinerlei Hinweise mehr auf die vier Fremden, sodass ihn langsam aber sicher das Gefühl beschlich, auf der falschen Fährte zu sein. Womöglich hatten sie doch noch den Weg zum Kernkraftwerk Lasalle eingeschlagen.
Andererseits konnte es bis zu den Lavafeldern nicht mehr weit sein. Also würde er zuerst diesem Hinweis folgen. Wenn er die Zeichen richtig deutete, bewegte er sich bereits auf den ersten Ausläufern des unterirdischen Vulkanfelds. Die geothermische Aktivität war in Form von Geysiren erkennbar.
Und ein solcher Geysir brach Minuten später auf der karstigen Ebene knapp fünfzig Meter neben der Straße aus, über die Rulfan in Schlangenlinien fuhr, um den tiefen Rissen und Schlaglöchern im Asphalt auszuweichen.
Genau in dem Moment, als der Angriff erfolgte.
Ein Biison, schoss es Rulfan durch den Kopf.
Im selben Moment erkannte er seinen Irrtum. Das war kein gewöhnliches Biison, sondern eine Chimäre, die mit einem halben Dutzend Lupas verschmolzen war, deren zähnestarrende Schädel aus dem tonnenförmigen Leib ragten, als handele es sich um die Skulptur eines wahnsinnigen Bildhauers.
Das Fell des Biisons schlug Wellen, das Fleisch schwappte regelrecht über den Asphalt. Das Monstrum wälzte sich mehr über den Untergrund, als dass es lief. Andernfalls hätte es Rulfan vermutlich längst erwischt. Doch auch so wurde es für den Neo-Barbaren eng, denn das weit aufgerissene Maul des Biisons wurde größer und größer, bis der Schädel eines mächtigen Lupas herausschoss und nach Rulfan schnappte.
Er warf sich zur Seite, griff zur Marushin im Rückenhalter und zerrte die Shotgun heraus. Mit einer Handbewegung lud er sie durch und legte an, kaum dass er der blitzschnellen Attacke entgangen war. Krachend entlud sich der Lauf und spie der Monstrosität eine ellenlange Mündungsflamme entgegen.
Die Schrotgeschosse prasselten gegen den Biison-Schädel. Statt ihn jedoch auseinanderzureißen, hieben die Kügelchen in die verschmolzene Masse wie in Teig. Zahllose Löcher klafften auf – und schlossen sich umgehend wieder. Rulfans Herz übersprang vor Entsetzen einen Schlag. So kam er dieser Bestie nicht bei.
Der unförmige Leib schwang herum und wälzte sich auf den Albino zu. Dem blieb nur der Sprung über den Straßenrand hinweg in Graben.
Rulfan rutschte die schmale Böschung hinab, überschlug sich und krachte hart neben der Renegade in den Schotter, die Shotgun dabei krampfhaft festhaltend. Über sich vernahm er das vielstimmige Heulen der Bestie.
Die Laute waren Ausdruck purer Agonie und grenzenloser Wut. Vermutlich litt das Tier Höllenqualen und hatte sich aus reiner Verzweiflung auf ihn gestürzt. Der primitive Instinkt der Bestie kannte nur Flucht oder Angriff, und wovor hätte dieses Monstrum fliehen sollen?
Noch auf dem Bauch liegend, ruckte Rulfans Kopf herum. Sein Blick saugte sich förmlich an dem Reservekanister fest, der hinter dem Sozius an der stählernen Rückenstütze festgezurrt war.
In Cincinnati hatten sie die Mutanten-Melange mit Benzin in Brand gesteckt. Wenn er überhaupt eine Chance hatte, das Biest zu besiegen, dann so.
Nur leider kam ihm dieser Gedanke ungefähr zwei Sekunden zu spät. Rulfan war gerade dabei, sich auf die Beine zu stemmen, als sich ein Schatten über ihm auf der Straße aufbäumte. Die scheinbar knochenlose Kreatur schwappte den Hang hinunter und begrub das Motorrad samt Benzinkanister unter ihrem tonnenschweren Balg.
Das Knirschen des Rahmens drang Rulfan durch Mark und Bein. Am Rande seines Bewusstseins zuckte ein absurder Gedanke auf: Worrex wird mich umbringen!
Für die Dauer eines Lidschlags war der Neo-Barbar wie gelähmt, und diese Zeitspanne wurde ihm zum Verhängnis, denn das Monster musste sich ja nicht einmal umdrehen. Die Lupa-Schädel, die aus der Flanke wuchsen, schnappten mit geifernden Kiefern nach ihm.
Eins der Mäuler bekam den Schaft seines Stiefels zwischen die Zähne, ein anderes verbiss sich in der Shotgun. Das erneute Durchladen und Feuern erfolgte im Reflex.
Ein Regen aus zerfetztem Gewebe stob aus dem Hinterkopf des Lupas, der zurückzuckte. Dann verlor Rulfan abermals den Halt, als der zweite Schädel am Stiefelschaft zerrte.
Wieder knallte der Neo-Barbar auf den Rücken und schlug dabei mit dem Kopf an einen Stein. Er hörte nicht nur die Engel singen, er glaubte sogar Maleens Stimme zu hören. Nicht aufgeben!, spornte er sich an. Sonst siehst du sie und Leonard nie wieder!
Tief in seinem Inneren wusste er, dass er diesen Kampf nicht gewinnen konnte, nicht mit der Marushin, in der noch drei Patronen steckten, und schon gar nicht mit dem Säbel. Selbst Aruula hatte mit ihrem Schwert keine Chance gegen die Hybrid-Wesen in Cincinnati gehabt.
Ein hohes Sirren erklang, dicht gefolgt von klatschenden Einschlägen, die sich im selben Atemzug zu donnernden Explosionen ausweiteten. Der Rumpf der Kreatur platzte an zwei Stellen auf und entließ Fontänen dunkelroten Blutes, die wie ein warmer Regen auf den Neo-Barbaren niedergingen.
Aus dem Augenwinkel sah Rulfan drei Gestalten oben auf der Straße stehen.
Die Fremden, schoss es ihm durch den Kopf.
Er kannte sie nur aus Worrex’ Beschreibungen und denen der Straßenkinder von Cincinnati, aber hatten sie nicht von einer blonden Frau und drei Männern gesprochen?
Die mittlere Gestalt war eindeutig eine Frau, das erkannte Rulfan selbst auf die Distanz, auch wenn ihre Kleidung mehr Ähnlichkeit mit einem Overall als einer Uniform hatte.
Noch während er diese Eindrücke in sich aufnahm, hob die Unbekannte den Arm mit der im Vergleich zur Marushin lächerlich kleinen Waffe und feuerte erneut. Wieder explodierte der Schädel eines Lupas.
Ein Driller!, erkannte Rulfan, und ein grimmiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. Doch es wurde nicht mehr als eine verkrampfte Grimasse. Schon einen Herzschlag später musste er einsehen, dass selbst die Explosivgeschosse nur marginalen Schaden anrichteten.
Eins hatten das Trio jedenfalls erreicht: Das Ungeheuer war jetzt nicht nur wütend, es tobte in blinder Raserei!
Aus dem, was er für den Hinterleib gehalten hatte, schoben sich drei Lupaschädel, zogen sich grotesk in die Länge und schnappten nach den Kriegern, denen Rulfan zweifellos sein Leben zu verdanken hatte. Einer der Männer wurde von den Beinen gerissen und über die Böschung gezerrt.
Das Explosivgeschoss aus seinem Driller befreite ihn zwar, doch der Fremde konnte die Vorwärtsbewegung nicht mehr stoppen und rollte, sich mehrfach überschlagend, den Abhang hinab. Das Donnern einer weiteren Explosion erklang, als der Mann vor der Bestie auf den Boden schlug. Ein Schwall heißer Luft traf Rulfan von hinten; wieder ging ein warmer Regen auf ihn nieder.
Der Neo-Barbar benötigte zwei, drei Herzschläge, bis er begriff, dass diese Detonation nicht von einem Driller verursacht worden war.
Der Geysir!, zuckte es durch sein Hirn.
Ohne lange zu überlegen, hob Rulfan die Shotgun und feuerte. Der Schrothagel prasselte in den aufgeblähten Balg. Der Neo-Barbar rappelte sich auf die Beine und brüllte sich dabei die Lunge aus dem Leib. Er musste die Aufmerksamkeit der Kreatur auf sich lenken.
Er bekam sie nach einem weiteren Schuss.
Gerade noch rechtzeitig, wie er feststellte, als sich das Monstrum in seine Richtung bewegte und von dem fremden Mann im silbernen Overall abließ. Wie eine Snäkke walzte das Ungeheuer hinter Rulfan her, der sich wagemutig in die heißen Dampfschwaden stürzte, die über das karstige Geröllfeld waberten.
Die Hitze raubte ihm den Atem, doch Rulfan war Schlimmeres gewohnt. Er durfte nur nicht zu forsch vorpreschen. Wenn er den Krater im Boden zu spät bemerkte, würde er es sein, der bei lebendigem Leib gesotten wurde.