Maddrax 557 - Ian Rolf Hill - E-Book

Maddrax 557 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Nur knapp ist Vasraa Uon dem sorgfältig eingefädelten Plan von Aran Kormak, der sie zur Verräterin und Diebin abstempelte, entkommen. Wenn auch mit schlimmen Wunden an Körper und Geist - denn durch den Absturz mit dem Gleiter hat sie ihr Gedächtnis verloren und ist so den Launen ihres Retters hilflos ausgeliefert.
Doch Vasraa wäre nicht Vasraa, wenn sie sich mit dieser Situation abfinden würde. Und bald schon wird die Gejagte zur Jägerin ...


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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Der Sklavenhändler

Epilog

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...

Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, haben sie nur wenig Zeit, die Katastrophe abzuwenden. Zwar gelingt es, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das in der Folge an besonderen Punkten aufbricht – dort wo die Nachfahren der Menschheit, die Archivare, in der Zeit zurückgereist sind, um technische Artefakte der Vergangenheit zu sammeln. Nun tauchen an den Bruchstellen Areale verschiedener Parallelwelten auf.

Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine Bruchstelle kollabiert, die nicht auf die Archivare zurückgeht, GRÜN und den Organismus beinahe tötet und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in die Gegenwart versetzt. Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, hat den Austausch beobachtet – und dass das Luftschiff seines Sohnes Victorius darin verschwand, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Matt und Aruula stellen fest, dass die Menschen aus dem Areal einen »bösen Keim« verbreiten; dieselbe Kraft, mit der sich auch Aruula über den Kontakt mit GRÜN infiziert hat. Als der Anführer der Dunklen, Shadar, ihr die telepathischen Kräfte rauben will, befreit er sie ungewollt von dem Keim.

Nun wollen Matt und Aruula den Tachyonen-Organismus einsetzen, um das Portal zu öffnen, doch das Wesen ist aus der Stasiskugel verschwunden! Sie vermuten Colonel Kormak dahinter, doch der kann die Schuld auf seine Assistentin Vasraa abwälzen und sie anschließend »entsorgen»... so denkt er jedenfalls.

Inzwischen wird die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt mit einer Roziere. Er will durch das Portal in die Parallelwelt zu seinem Sohn, wird von Matt aber daran gehindert. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein. Sie haben durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen und machten sich auf den Weg nach Afra – begleitet von einem Kind, das infiziert ist und seine Artgenossen herbeiruft, um die Echsenwesen zu bezwingen, die aber siegreich bleiben.

Ira hat auf ihrem Weg eine Präsenz des Wandlers gespürt, der sie nun nachgehen und auf einen Daa'muren treffen, der einen Kristall mit dem Geist seines Sohnes hütet. Beim Kampf mit einem Dunklen zerbricht der Kristall – und sie stellen fest, dass die Splitter den Dunklen Keim aus einem Infizierten saugen können!

Der Sklavenhändler

von Ian Rolf Hill

Die Welt empfing sie mit beißendem Schmerz. Stechend fuhr er durch das Fleisch, kratzte über den Knochen und zerrte an der Haut, ehe er gleißend im Schädel explodierte. Und dann ging das Ganze von vorne los. Gnadenlos und unbarmherzig. Ein endloser Kreislauf.

Stechen, kratzen, zerren – Bamm!

Kalter Stahl bohrte sich durch blutiges Gewebe, einen rauen Faden hinter sich herziehend, der mit hektischen Bewegungen festgezurrt wurde. Es fühlte sich an wie Säure, die ihr jemand auf den Schädel träufelte.

Es war schwer, sich zu konzentrieren. Unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Dabei verlangte sie ja gar nicht viel. Nur die Antwort auf eine einzige Frage: Wer bin ich?

Zuvor

King Curd fluchte nicht zum ersten Mal.

Die Biisch* saute ihm glatt die ganze Karre ein. Er hatte die größten Wunden zwar notdürftig abgebunden, doch das Weib blutete schlimm.

Er kannte weder ihren Namen, noch wusste er, woher sie genau stammte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Knocks, jener Militärbasis, die nur wenige Meilen hinter Louisville lag, umgeben von einem gigantischen Pflanzenwall.

Dorthin war Curd unterwegs gewesen, als er den Hubschrauberabsturz beobachtet hatte. Und weil der Verbrecherkönig aus Waashton ein Mann schneller Entschlüsse war, hatte er kurzerhand umdisponiert und sich auf den Weg zur Absturzstelle gemacht, die gar nicht so leicht zu lokalisieren war, da sich das Wrack über mehrere hundert Quadratmeter verteilte.

Die unbekannte Soldatin verdankte es praktisch nur dem zerlumpten Pack, das in den Ruinen der Stadt hauste, dass er sie gefunden hatte.**

Wofür sie ihm dankbar sein sollte. Wer wusste schon, was diese Wilden mit ihr angestellt hätte? Vielleicht hätten sie sie gefressen. Zuzutrauen war es ihnen. In Curds Augen waren das eher Tiere als Menschen.

Dass es sich um eine Soldatin handelte, hatte Curd anhand der Kleidung erkannt. Obwohl die verschmorten, von Blut, Staub und Unrat verdreckten Lumpen kaum noch als Uniform bezeichnet werden konnten, sahen sie immer noch besser aus als das blutige Stück Fleisch, das von ihnen zusammengehalten wurde.

Ein Teil der Kopfschwarte war regelrecht vom Schädelknochen geledert worden und hatte eine nässende Wunde von der Größe einer Hand freigelegt. Und das war noch eine der harmloseren Verletzungen.

Es hatte den King einige Mühe gekostet, die Schwerverletzte zu seiner Dampfkarosse zu schleppen, in der sie nun stumm und reglos vor sich hinblutete.

Von seinem ursprünglichen Vorhaben, Colonel Kormak, dem Kommandanten der Militärbasis, die Leviten zu lesen, hatte er Abstand genommen. Und das aus einem einfachen Grund: Er hatte die Hubschrauber, die sich über den Ruinen von Louisville einen spektakulären Kampf geliefert hatten, sehr wohl erkannt. Es waren die Gleichen, die ihn und seine Männer bei dem Überfall in Sinsati in die Quere gekommen waren.

Bislang war Curd der Ansicht gewesen, die Hubschrauber wären Bestandteil der Streitkräfte des Weltrats gewesen. Dem war offenbar nicht so. Und der Verdacht, dass ihn Kormak absichtlich ins offene Messer hatte laufen lassen, hatte sich schlagartig verhärtet.

Daher betrachtete Curd seinen unerwarteten Fund als Zeichen des Schicksals. Er würde die Soldatin nach Waashton bringen und wieder zusammenflicken. Und dann würde er ihr ein paar sehr unangenehme Fragen stellen.

Bei diesem Gedanken grinste Curd und warf einen Blick über die Schulter zurück. Die Schwerverletzte schaukelte im Rhythmus des Taktes, mit dem die Dampfkarosse über den unebenen, von Schlaglöchern und Rissen übersäten Motowäi rumpelte.

Es dämmerte, als die Maschine langsamer wurde.

Wieder stieß Curd einen unflätigen Fluch aus und schlug mit den Fäusten auf das Lenkrad. Ausgerechnet jetzt. Er hatte keine Ahnung, wie viele Meilen er bereits hinter sich gelassen hatte, beziehungsweise wie viele noch vor ihm lagen. Er schätzte, ungefähr die Hälfte der Strecke.

Wäre er alleine gewesen, hätte er ein Lager aufgeschlagen und die Nacht über kampiert. Mit seiner menschlichen Fracht war das allerdings nicht möglich. Jede Stunde, vielleicht sogar jede Minute konnte über Leben oder Tod entscheiden.

Abgesehen davon wollte er nicht unbedingt bei hellem Tag in Waashton einfahren. Es fehlte gerade noch, dass er in eine Kontrolle der WMC* geriet. Die Knilche waren in letzter Zeit ein wenig zu neugierig für seinen Geschmack.

King Curd wuchtete seine Fleischmassen ins Freie. Die Tür der alten Karosse quietschte erbärmlich. Auf dem Weg zum Kessel auf der Ladefläche am Heck warf er einen Blick zur Sonne, die im Westen über den grün bewaldeten Hängen stand und ihre Strahlen im spitzen Winkel auf das schrundige Asphaltband schleuderte.

Menschliche Behausungen oder gar Siedlungen waren nicht zu sehen. Seit Stunden war Curd niemandem begegnet, und er rechnete nicht damit, dass sich dies in den Nachtstunden änderte.

Allerdings musste er auf der Hut vor Raubtieren sein. Sollte eines den Blutgeruch seiner Passagierin in die Nase bekommen, konnte es gefährlich werden. Ein Grund mehr, sich zu beeilen.

Schnaufend hangelte sich Curd auf die Ladefläche, zog einen eisernen Haken aus der Halterung und zerrte die Klappe auf. Er musste dringend Holz nachlegen. Außerdem konnte es nicht schaden, Wasser nachzufüllen. Zwar verfügte der Kessel über eine Auffangvorrichtung für Regenwasser, aber es sah nicht so aus, als ob die ihm in absehbarer Zeit etwas nutzen würde.

Also opferte Curd zwei Ersatzkanister, die hinter dem Kessel an der Rückwand der Fahrerkabine vertäut waren. Er hatte sie vor der Abfahrt in Sinsati mit Wasser aus dem Fluss gefüllt.

Als er fertig war, schulterte Curd das Gewehr, griff nach einem Beil und schob es sich in den Gürtel. Dann stapfte er in Richtung Straßengraben, der so dicht bewachsen war, dass die Sträucher und das Gestrüpp eine fast unüberwindbare Barriere bildeten.

Ungefähr fünfzig Schritte hinter seiner Karosse ragte die Krone eines umgestürzten Baumes auf die Straße. Curd schaute sich noch einmal um, ehe er das Sturmgewehr ablegte und zum Beil griff. Dann fing er an, einige armdicke Äste abzuschlagen. Schon nach wenigen Minuten war er in Schweiß gebadet. Schließlich befreite er sich sogar von seinem Taratzenfell.

Er wollte eben seine Arbeit erneut aufnehmen, als im Wald ein Knacken und Brechen erklang, das gleich darauf wieder verstummte. Curds ohnehin schon heftig klopfendes Herz schlug unwillkürlich schneller.

»Scheiße«, murmelte er und hämmerte verbissen auf den Ast ein. Schließlich hatte er ihn so weit, dass er das Werkzeug fallen ließ und ihn mit bloßen Händen abzureißen versuchte. Es misslang. Also griff er wieder nach dem Beil und hackte weiter.

Endlich fiel der meterlange Ast zu Boden. Der erste. Curd brauchte er mindestens drei oder vier davon, wollte er nicht mitten in der Nacht erneut mit seiner Dampfkarosse liegenbleiben.

Auf der Suche nach den passenden Kandidaten erklang wieder das Knacken. Laub raschelte in der Nähe. Curd ließ das Beil fallen und schnappte sich das Sturmgewehr, das er in Anschlag nahm und entsicherte, wie Kormak es ihm beigebracht hatte.

Das Zittern der Arme übertrug sich auf den Lauf; nicht allein wegen der Furcht vor dem Unbekannten, sondern auch wegen der ungewohnten Anstrengung.

Curd zwinkerte, als ihm der Schweiß in die Augen rann. Sein Atem ging schnell und pfeifend. Er wollte gerade eine Hand von der Waffe nehmen, um sich mit dem Unterarm die Stirn abzuwischen, als das Rascheln lauter wurde. Ein Strauch, nur wenige Meter von ihm entfernt, schüttelte sich.

Das Knattern des Sturmgewehrs zerriss die Stille.

Der Verbrecherkönig erschrak selbst, als die Schüsse losgingen. Der Kolben hämmerte gegen seine Schulter und hätte ihn fast von den Beinen gefegt. Die Garbe fuhr ins Unterholz und prasselte in den Wurzelstock des Strauchs, der auseinandergefetzt wurde.

Eine dunkle Flüssigkeit spritzte aus dem dichten Unterwuchs und malte ein rötliches Muster auf das Laub. Curd stellte das Feuer ein und richtete den Lauf gen Himmel. Schwer atmend und mit brennenden Augen starrte er dorthin, wo es eben noch geraschelt hatte.

Nichts rührte sich mehr. Und bis auf das Pfeifen in seinen Ohren war auch nichts zu hören.

Endlich kam King Curd dazu, sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Er kratzte all seinen Mut zusammen und näherte sich vorsichtig der Stelle im Unterholz, nicht ohne das Gewehr zuvor wieder in Anschlag zu nehmen.

Curd setzte den Fuß auf einen der umgeknickten Äste, der prompt unter seinem Gewicht nachgab. Plötzlich steckte er bis zu den Hüften im Gestrüpp – und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Tierkadaver, der verkrümmt vor ihm im Laub lag.

King Curd fing an zu lachen. Erst leise, dann immer lauter. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und plumpste auf den Hintern. Das Sturmgewehr legte er auf seine Schenkel.

»Ein Mausbiber«, presste er zwischen glucksenden Lachern hervor. »Ich habe einen verschissenen Mausbiber abgeknallt.«

Zum Glück hatte das niemand gesehen. Es gab Leute, die verehrten diese pelzigen Viecher geradezu, als ob sie irgendwelche übernatürlichen Kräfte besäßen. Für Curd waren es nicht mehr als mutierte Ratzen. Vielleicht taugte ihr Fleisch ja etwas.

Seine kleine Schießübung hatte aber noch was Gutes: Mit den Zweigen des Strauchs konnte er den Kessel befeuern.

Und genau das tat Curd in den folgenden Minuten. Als die Sonne hinter den Hängen verschwand, vibrierte die Dampfkarosse unter dem wachsenden Druck im Kessel.

Anschließend weidete Curd den Mausbiber aus. Die Innereien warf er an den Straßenrand, den Kadaver hängte er an eine der Streben, die sich über der Ladefläche spannten.

Bevor er sich wieder hinter das Steuer klemmte, sah Curd nach seiner »Fracht«. Die unbekannte Soldatin war noch immer bewusstlos. Ihre Haut fühlte sich kalt und klamm an.

»Scheiße, das fehlt mir gerade noch, dass du mir schlapp machst.«

Doch noch lebte die Fremde. Auch wenn ihr Puls unregelmäßig und schwach ging. Sie hatte viel Blut verloren.

Curd opferte etwas von den Wasservorräten, um einen Lappen zu tränken, den er über ihren Lippen auswrang. Danach tupfte er ihr die fiebrige Stirn ab und überprüfte die Verbände. Zwei musste er wechseln; einen am Oberarm, wo die Arterie verletzt war, den anderen am linken Unterschenkel.

»Ich hoffe, du weißt zu schätzen, was ich hier für dich tue, mein kleiner Vogel.« Curd grinste und schob seine fleischige Pranke unter die zerfetzte Uniformjacke. Er stöhnte und schloss die Augen, während er ihre Brust massierte und mit dem Daumen über den weichen Nippel strich.

Das ferne Heulen eines Lupas riss ihn aus seinen Fantasien. Curd grunzte enttäuscht. Aber er musste ohnehin weiter; es war schon fast dunkel. Zum Glück funktionierte die Lichtmaschine, sodass es kein Blindflug wurde.

Curd fuhr die ganze Nacht durch.

Im Licht der aufgehenden Sonne erkannte er die ersten Ausläufer von Waashton.

Der Verbrecherkönig atmete erleichtert auf. Was er jetzt brauchte, waren ein anständiges Frühstück und eine Mütze voll Schlaf. Und er wusste auch schon, wo er beides bekommen würde. Aber erst nachdem er die Fracht abgeliefert hatte.

Curd stoppte die Dampfkarosse in einer schmalen, mit Kopfsteinen gepflasterten Gasse vor einem heruntergekommenen Haus, dessen Fenster verbarrikadiert waren. Schnaufend und ächzend kletterte er rücklings aus der Fahrerkabine. Dabei erhaschte er einen Blick auf seine Passagierin und erschrak.

Die Soldatin war bleich wie Kreide. Die Wangen waren eingesunken, die Lippen kaum zu erkennen; unter den Augen lagen dunkle Ringe.

»Wenn du mir krepiert bist...«, drohte Curd.

Er beeilte sich, aus der Karosse herauszukommen, was gar nicht so einfach war. Das lange Sitzen hatte seine Gelenke steif werden lassen.

Curd hämmerte mit der Faust gegen die Tür und wartete. Nichts rührte sich. Der Verbrecherkönig fluchte und wiederholte seine Bemühungen.

»Mach auf, Peet! Ich weiß, dass du da bist!« Er unterstrich seine Worte mit einem erneuten Klopfen. »Wenn du nicht gleich die verkackte Tür aufmachst, brech ich sie auf und verfütterte dich an die Ratzen!«

Curd hob die Faust, um abermals auf die Tür einzuschlagen, als sie nach innen gezogen wurde. Das verquollene Gesicht eines unrasierten älteren Mannes mit fettigem Haar erschien in der Öffnung.

»C-Curd! W-was willst du denn hier?«

Der säuerlich stinkende Atem schlug Curd auf den Magen. Er trat zurück und winkte dem Männlein. »Komm mit!«, befahl er. »Du musst mir helfen.«

»Was?«, lallte Peet. »Aber ich bin ja nicht mal richtig angezogen.«

»Hauptsache, du bist nicht nackt«, knurrte Curd. »Los, beweg deinen Arsch! Ich hab Kundschaft für dich.«

Peet riss die Augen auf. Schlagartig war er hellwach, blieb aber misstrauisch. Herausfordernd schob er das Kinn nach vorne. »Kannst du mich überhaupt bezahlen?«

King Curd hatte keine Lust auf irgendwelche bescheuerten Diskussionen. Und er war auch nicht in der Stimmung zum Feilschen. Seine Hand schoss durch die Türöffnung, bekam das magere Männchen am Ausschnitt seines fleckigen Hemdes zu packen und zerrte es ins Freie, wo er es neben der Tür an die Mauer warf.

Peter Laurent war ein ehemaliger Techno und Arzt im Dienste des Weltrats gewesen, ehe ihn seine Vorliebe für Hochprozentiges immer öfter in die zwielichtigen Spelunken von Waashton getrieben hatte. Unter anderem in den »Zum Einäugigen«, ein abgehalfterter Puff, der nicht nur Curds Stammlokal, sondern auch seine Haupteinnahmequelle war.

Dort handelte er mit Weibern, Drogen und vor allen Dingen Informationen. Hauptsächlich sogar mit Informationen, denn in einem Schuppen wie dem »Einäugigen« begegnete man jeder Menge interessanter Persönlichkeiten. Auch Colonel Kormak hatte Curd dort kennengelernt.

Ob diese Begegnung jedoch so vielversprechend war, wie er zunächst gehofft hatte, wagte er mittlerweile zu bezweifeln.

Laurent dagegen war ein echter Glücksgriff gewesen. Anfangs war er nur wegen des billigen Fusels in die Spelunke gekommen, später dann auch wegen der Nutten. Es hatte nicht lange gedauert, bis er Probleme bekommen hatte, seinen Stiefel zu begleichen. Da hatte Curd ihm ein Angebot gemacht, das Laurent nicht ausschlagen konnte.

Als Arzt, der für den Weltrat arbeitete, besaß er Zugang zu Medikamenten und Betäubungsmitteln, sprich Drogen. Die er nun für Curd abzweigen sollte.

Dummerweise hatte der billige Fusel schon etliche Hirnwindungen weichgespült, sodass er sich nicht allzu schlau angestellt hatte. Und so war es gekommen, wie es kommen musste: Die WCA war dem Arzt auf die Schliche gekommen. Schlussendlich konnte er froh sein, dass sie ihn nicht auf der Stelle erschossen hatten.

Laurent verlor sämtliche Zulassungen und Privilegien, bis er schließlich in dieser Gosse gestrandet war. Seitdem kümmerte er sich um die Mädchen, die im »Einäugigen« anschafften, und erledigte auch die eine oder andere Gefälligkeit für seinen alten Gönner King Curd.

Gefälligkeiten, die natürlich unterhalb des Radars des Weltrats und seiner Bluthunde von der WMC bleiben sollten.

Deshalb hatte er auch seinen alten Techno-Namen abgelegt. Mittlerweile kannten ihn alle nur unter dem Namen Peet Bull, beziehungsweise Peet Full, weil er stets vollgelaufener war als ein abgesoffener Kutter auf dem Fluss.

»Wenn du mir nicht hilfst, kannst du dich gleich selbst zusammenflicken, kapiert?«, herrschte Curd ihn an.

Peet nickte hastig, wobei er auf das Beil schielte, dessen Klinge dicht vor seiner Nase schwebte. Die Tatsache, dass Curd sie nicht gereinigt hatte und noch immer das Blut des Mausbibers daran klebte, erhöhte die Wirkung der subtilen Drohung um ein Vielfaches.

Curd grunzte zufrieden und ließ das Männlein an der Wand nach unten sinken. »Und jetzt komm und hilf mir.« Er ging zur Dampfkarosse und zog die Tür auf.

Peet erbleichte. »O verdammt! Was ist denn mit der passiert? Ist die von einem Rudel Taratzen angefallen worden?«

»Abgestürzt.«

»Und du hast sie bewegt?«, ächzte Peet.

»Was hätte ich denn machen sollen?«, schnauzte Curd ihn an. »Hätte ich das nicht getan, wär' sie jetzt tot.« Er deutete mit dem Kinn auf die Beine. Peet wuselte an ihm vorbei und klemmte sich die Füße unter den Arm. Curd wich zur Seite, damit der Heiler sich umdrehen und vorangehen konnte.

Gemeinsam schleppten sie die Bewusstlose in den Behandlungsraum, wo sie sie auf eine Trage legten. Peet zog Handschuhe über und griff nach der Verbandsschere. Mit spitzen Fingern hob er die abgelederte Kopfschwarte an. »Jesus!«

»Kriegst du sie wieder hin?«