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Der Androidenkopf bestätigt, was Matt schon ahnte: Die Dunklen sind das Dienervolk eines Streiters! Damit stellen sie eine noch größere Gefahr dar als angenommen - denn was, wenn es ihnen tatsächlich gelingt, ihren "Dunklen Herrn" herbeizurufen? Doch um den Vormarsch der Dunklen zu stoppen, benötigt man eine Armee; da reichen die kaiserlichen Truppen auf Dauer nicht aus.
Matt will den Weltrat davon überzeugen, ihnen beizustehen. Vor allem in Kormak setzt er seine Hoffnungen, auch, weil sich der Paralysator noch in dessen Besitz befindet. Mit Aruula macht er sich auf den Weg nach Meeraka...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Was bisher geschah...
Operation Dark Force
Epilog
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...
Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das in der Folge an besonderen Punkten aufbricht – dort wo die Nachfahren der Menschheit, die Archivare, in der Zeit zurückgereist sind, um Artefakte der Vergangenheit zu sammeln. Nun tauchen an den Bruchstellen Areale verschiedener Parallelwelten auf.
Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine Bruchstelle kollabiert, die nicht auf die Archivare zurückgeht und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in die Gegenwart versetzt. Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, hat den Austausch beobachtet – und dass das Luftschiff seines Sohnes Victorius darin verschwand, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Matt und Aruula stellen fest, dass die Menschen aus dem Areal einen »bösen Keim« verbreiten; dieselbe Kraft, mit der sich auch Aruula über den Kontakt mit GRÜN infiziert hat. Als der Anführer der Dunklen, Shadar, ihr die telepathischen Kräfte rauben will, befreit er sie ungewollt von dem Keim.
Nun wollen Matt und Aruula den Tachyonen-Organismus einsetzen, um das Portal zu öffnen, doch das Wesen ist aus der Stasiskugel verschwunden! Sie vermuten Colonel Kormak dahinter, doch der kann die Schuld auf seine Assistentin Vasraa abwälzen und sie anschließend »entsorgen»... so denkt er jedenfalls. In Wahrheit überlebt sie aber und sinnt auf Rache.
Inzwischen wird die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt mit einer Roziere. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein. Sie haben durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen und machten sich auf nach Afra.
Ira spürte unterwegs eine Präsenz des Wandlers, der sie nun nachgehen und auf einen Daa'muren treffen, der einen Kristall mit dem Geist seines Sohnes hütet. Beim Kampf mit einem Dunklen zerbricht der Kristall – und sie stellen fest, dass die Splitter den Keim aus einem Infizierten saugen können! Pilâtre will nun schnellstens hinüber in die Parallelwelt, doch er muss sich gedulden; erst gilt es, mehr Kristalle zu bergen. Dazu fliegen Matt, Aruula und die Daa'muren zum Kratersee. Mit etlichen Kristallen kehren sie zum Victoriasee zurück, wo de Rozier zwischenzeitlich versucht hat, seinen Sohn zurückzuholen, aber scheiterte.
Nun ist es Zeit zu handeln! Mit der Wolkenstadt Orleáns-à-l'Hauteur erobern sie Château zurück. Nur Shadar kann sich mit seiner Gefährtin Elloa absetzen. 25 Dunkle werden gefangen genommen, die infizierten Bewohner geheilt. Gleichzeitig taucht der Kopf eines Androiden auf, zu dem Matt Drax in der Parallelwelt wurde. Die Hydriten können ihn instand setzen.
OperationDark Force
von Ian Rolf Hill
Vasraa hielt den Atem an. Binnen weniger Augenblicke schrumpfte ihre Welt zu einem Tunnel zusammen, der sie mit der Person schräg unter ihr auf der Straße verband: Colonel Aran Kormak. Der Mann, dem sie nicht nur zahlreiche Narben zu verdanken hatte, sondern auch einen schwerwiegenden Gedächtnisverlust. Erst Kormaks Anblick hatte die mentale Blockade, die sie wochenlang von ihren Erinnerungen getrennt hatte, eingerissen. Sie wusste wieder, wer sie war. Und ihr Hass kannte keine Grenzen.
Vasraa spürte weder den harten Beton unter ihrem Körper noch den kühlen Wind, der über ihre erhitzte Haut strich. Es gab nur noch den Mann mit dem roten Punkt des Laservisiers auf der Brust.
Fahr zur Hölle, dachte sie und drückte ab.
Mit donnerndem Krachen entlud sich die Explosionsenergie innerhalb der Kammer und beschleunigte das Projektil auf eine Mündungsgeschwindigkeit von achthundertvierundachtzig Metern pro Sekunde.
Das war mehr als die doppelte Schallgeschwindigkeit! Kormak würde den Knall des Schusses erst hören, wenn das Geschoss sein Herz bereits in Fetzen gerissen hatte.
Gleichzeitig wurde das Projektil durch die Züge und Felder innerhalb des Laufs in eine Rotation um die Längsachse gebracht, die es in eine stabile Flugbahn zwangen. Es war praktisch unmöglich, dem Geschoss auszuweichen.
Und trotzdem gelang es dem Scheißkerl auch dieses Mal, dem sicheren Tod zu entkommen. Es dauerte zwei Herzschläge lang, bis Vasraa überhaupt begriff, was geschehen war.
Das 5,56-Millimeter-Projektil war in die Seite von Curds Dampffahrzeug geschlagen und hatte ein Loch in die Karosserie gestanzt, in dem sich der Laser des Rotpunkt-Visiers verlor.
Kormak lag daneben im Staub, hinter der dünnen Frau mit der Lederkleidung, die geschmeidig auf die Beine sprang und sich zu ihr umdrehte.
Vasraa hatte das Gefühl, ihr direkt in die Augen zu schauen. Sie fluchte, als sie sah, wie Kormak nach seinem Driller tastete, und handelte. Mit geübtem Griff schaltete sie das M4 von Einzel- auf Dauerfeuer. Wenn sie noch etwas erreichen wollte, musste sie ebenso schnell wie kompromisslos sein. Sie durfte Kormak nicht den Hauch einer Chance lassen.
Den Kolben des Sturmgewehrs fest an die Schulter gepresst, richtete sie sich auf und hielt den Lauf schräg nach unten. Einen Atemzug später drückte sie ab. Sie sah noch, wie die Dürre in den Schatten des Hauses rannte, auf dem Vasraa stand, dann zuckte das M4 in ihren Fäusten. Hart hämmerte der Kolben gegen ihre rechte Schulter. Die Patronenhülsen flogen in hohem Bogen seitlich auf der Kammer und klimperten neben Vasraa aufs Dach.
Tief unter ihr sprühten Funken, als die Garbe in das Straßenpflaster und die Dampfkarosse hackte, hinter der Kormak, Curd und der Fremde mit der Brille und dem Zopf in Deckung gegangen waren. Staub, Dreck und Asphaltbrocken wurden hochgeschleudert.
Drei Sekunden. Länger brauchte es nicht, um das Kurvenmagazin zu leeren.
Vasraa knirschte mit den Zähnen. Kein Blut, keine Leichen, nur die verdammte Karosse, die vor dem Einäugigen stand, jener versifften Klitsche, in der Curd den King spielte.
Mit geübtem Griff zog Vasraa das Magazin aus dem Schaft, ließ es fallen und ging in die Hocke. Dem neben ihr auf dem Dach liegenden Rucksack entnahm sie ein neues Magazin. Ohne die Straße aus den Augen zu lassen, rammte sie es in das Sturmgewehr. Das Klicken, mit dem es einrastete, war Musik in ihren Ohren.
Vasraa war klar, dass sie schnell sein musste. Kormak war kein Anfänger, er wusste genau, weshalb sie das Feuer eingestellt hatte, und er wäre ein Narr, wenn er sich diese Gelegenheit entgehen lassen würde. Schon tauchte seine Gestalt hinter der Karosse auf, den Driller in der ausgestreckten Faust, deren Arm er, ganz Profi, mit der freien Hand abstützte.
Noch hatte er sie nicht entdeckt. Vasraa hatte sich diesen Platz nicht umsonst ausgesucht. Mit der Sonne im Rücken bot sie kein besonders gutes Ziel. Dennoch feuerte der Colonel, hielt aber viel zu hoch. Das Drillergeschoss fuhr an ihr vorbei in den Himmel, wo es keinen Schaden anrichtete.
Vasraa drückte den Fanghebel. Der Verschluss wurde freigegeben und hebelte die obere Patrone in die Kammer. Das M4 war wieder schussbereit.
Geblendet kniff Kormak sein verbliebenes Auge zusammen und warf sich nach hinten.
Keine Sekunde zu früh, denn der unbekannte Schütze drückte erneut ab. Offenbar war sein eigener Schuss daneben gegangen. Dafür prasselte die nächste Garbe dort in den Bürgersteig, wo Kormak eben noch gestanden hatte.
»Scheiße, wer ist das?«, quiekte Curd.
Genau das wollte der Colonel auch zu gerne wissen. Möglicherweise ein Agent des SIS, der seine Kameraden rächen wollte. Oder ein loyales Mitglied aus Lucky Mamas Organisation.
O ja, Feinde hatten er und seine Mitverschwörer sich hier in Waashton bereits genug gemacht.*
Letztendlich spielte es aber auch keine Rolle, zu wem der unbekannte Heckenschütze gehörte, der sie vom Dach des gegenüberliegenden Hauses unter Beschuss nahm. Es zählte allein, dass sie ihn unschädlich machten.
Auf Curd brauchte er dabei nicht zu setzen. Der Verbrecherkönig kniete mit vornübergebeugtem Oberkörper hinter seiner Dampfkarosse, das kahle Haupt in den Armen verborgen.
Blieb noch Smythe.
Der war blass geworden, wirkte aber mehr verärgert denn ängstlich. Seine sehnigen Finger umklammerten die Schallkanone, deren Wirkung Kormak bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Dank der trichterförmigen Mündung brauchte der Schütze das Ziel nur grob anzuvisieren. Dadurch konnten sie den Vorteil des Heckenschützen, der sich durch seinen erhöhten Standort in der besseren Position befand, ausgleichen.
Smythe brauchte nur auf die unteren Stockwerke zu halten, und das ganze Gebäude würde in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Nur würde daraus nichts werden, solange der Professor die Waffe wie ein Heiligtum an seine Brust presste.
»Worauf wartest du?«, brüllte Kormak, als der Schütze das Feuer einstellte. Wahrscheinlich lauerte er nur darauf, dass sich einer von ihnen aus der Deckung wagte. »Knall den Mistkerl ab!«
Die Augen hinter Smythes Brillengläsern zuckten unruhig. »Haaley ist in dem Gebäude!«
»Na und?«
»Ich...« Smythe hob den Kopf. Funken sprühten, als die Projektile über ihm ins Innere der Dampfkarosse prasselten. Nicht mehr lange, und der Schütze würde das Ding in ein Sieb verwandelt haben. Und da machte er sich Sorgen wegen dieser irren Schlampe?
Kormak zögerte keine Sekunde. Ehe sich Smythe versah, riss er ihm die Schallkanone aus den Händen. Der Professor wollte nachgreifen, doch der Colonel versetzte ihm mit der Stirn einen Hieb auf die Nase. Nicht so heftig, dass sie brach, aber stark genug, damit Smythe irritiert zurückzuckte.
Schon hackte die nächste Garbe in die Karosse. Jetzt warf sich auch Smythe zu Boden. Kormak sah seine Chance gekommen. Das war genau die Ablenkung, die er brauchte.
Die Schallkanone senkrecht vor sich haltend, schob er sich am linken Vorderrad vorbei. Die Karosse war zur rechten Seite hin abgesackt, dorthin also, wo der Beschuss die Bereifung in Fetzen gerissen hatte.
Kormak aktivierte die Waffe und bereitete sich darauf vor, an der Kühlerhaube vorbei auf die oberen Stockwerke zu zielen. Zum Glück war die Funktionsweise nicht allzu kompliziert.
Dachte Kormak...
Er aktivierte die Kanone, spürte das Vibrieren unter den Fingerspitzen. Die Anzeige im Display wechselte von Grün auf Rot. Kormaks Brauen zogen sich zusammen. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten?
Ein greller Stich zuckte so unvermittelt durch seine Trommelfelle in den Schädel, als hätte jemand glühende Nadeln hineingerammt. Der Schmerz explodierte genau zwischen seinen Augen.
Kormak ließ die Schallkanone fallen und brach keuchend in die Knie.
Vasraa sah die Bewegungen hinter der Dampfkarosse nur schemenhaft. Leider bot das Gefährt ihrem Beschuss erheblich mehr Widerstand als erhofft. Angestrengt dachte sie über eine neue Taktik nach. Sie konnte nicht ewig auf dem Dach stehen und darauf warten, bis sich Kormak und seine Vasallen aus der Deckung wagten.
In den Seitengassen und an den Fenstern des Einäugigen registrierte sie Bewegungen. Ihre Befürchtung, man könne sie von dort aus ins Visier nehmen, bewahrheitete sich zum Glück nicht.
Ihr Finger lag am Abzug, bereit, sofort das Feuer zu eröffnen.
Sie wusste nicht genau, was sie gewarnt hatte. Ein leises Geräusch, möglicherweise das Knirschen von Sand unter Schuhsohlen. Sie fuhr herum und in die Höhe und wich dem Angriff aus, ohne dabei das Sturmgewehr herunterzunehmen. Die Mündung machte die Bewegung mit.
Vasraa glaubte in der schattenhaften Gestalt, die ihr entgegensprang, die dünne Frau in der Lederkleidung zu erkennen, der Kormak seine Rettung verdankte. Sie war nicht, wie Vasraa angenommen hatte, im Schatten des Hauses in Deckung gegangen, sondern in das Gebäude hineingelaufen, um sie persönlich vom Dach zu holen.
Die ehemalige Soldatin hatte die Drehung noch nicht vollendet, als sie bereits abdrückte. Doch da lag die Fremde schon am Boden und schlitterte auf sie zu, um ihr mit einem Tritt das Knie zu brechen und sie in die Tiefe zu schleudern.
Vasraa verdankte es ihren schnellen Reflexen, dass sie der Attacke entging. Sie hechtete nach vorn, über die Angreiferin hinweg. Im Sprung presste sie das Sturmgewehr an den Leib, krümmte den Oberkörper und rollte sich über die Schulter ab.
Der Aufprall auf das harte Dach löste neue Schmerzreize in ihrer Brust aus, dort wo Hesch Täggs Sichelmesser sie getroffen hatten. Offenbar war die Verletzung doch noch nicht vollständig verheilt.*
Vasraa biss die Zähne zusammen, ignorierte den Schmerz und federte zurück auf die Beine. Erneut wirbelte sie um die eigene Achse. Jetzt hatte sie die Sonne wieder im Rücken und ihre Angreiferin stand am Rand des Daches.
Schulterlanges, dunkelblondes Haar umwehte ein schmales Gesicht mit weit aufgerissenen Augen, die mit Dreck oder Öl verschmiert waren. Aus dem ebenfalls offenen Mund wehte Vasraa ein gackerndes Gelächter entgegen.
Das Lachen irritierte die Soldatin dermaßen, dass sie versäumte, nachzusetzen und der offenkundig Wahnsinnigen, den Rest zu geben. Das rächte sich, denn die Gegnerin wiederum zögerte keine Sekunde, sie mit Schlägen und Tritten einzudecken.
Überrascht wich Vasraa zurück. Der Angriff erfolgte mit einer Vehemenz, die sie nicht erwartet hatte. Diese Frau wusste sich ihrer Haut zu wehren, auch wenn ihr Kampfstil sehr eigenwillig war. Sie ignorierte Vasraas Körpermitte, konzentrierte sich ausschließlich auf Kopf und Knie, wobei die auf ihr Gesicht gezielten Schläge sie ablenken und verwirren sollten.
Diese Frau war keine Soldatin, aber trotzdem eine gefährliche Gegnerin, die es nicht zu unterschätzen galt. Vor allem durfte sie mit ihr keine Zeit verschwenden.
Vasraa wich Schritt für Schritt zurück, knickte mit dem Bein weg und bot der Irren ihren Oberschenkel an. Der Tritt erschütterte sie bis unter die Schädeldecke. Sie nutzte die Gelegenheit, um mit dem Lauf des Sturmgewehrs nach ihr zu stoßen.
Die Angreiferin nahm den Kopf zur Seite, packte den Schaft des Gewehrs, um ihrer Gegnerin mehrere Kniestöße zu verpassen. Sie schaffte gerade mal einen, der Vasraa zwar die Luft aus den Lungen presste, aber nicht verhindern konnte, dass sie den Abzug drückte.
Dicht neben dem rechten Ohr der Frau krachte der Schuss.
Die Unbekannte keuchte erschreckt, klammerte sich jedoch weiter verbissen an dem Sturmgewehr fest – das Vasraa ihr überließ. Verdutzt taumelte die Gegnerin zurück.
»Was zum...?«
Vasraa explodierte förmlich. Von einer Sekunde zur anderen ließ sie die Fassade vorgetäuschter Schwäche fallen und ging ihrerseits zum Angriff über. Die Augen der Mageren wurden noch größer. »Moment mal, so...«
Weiter kam sie nicht, denn jetzt traf Vasraa ihre Gegnerin in den Bauch. Sie hatte das Gefühl, gegen einen Gummireifen zu treten. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht: Diese Frau war durchtrainiert und bestand offenbar nur aus Muskeln und Knochen.
Der Wucht des Tritts konnte sie trotzdem nicht standhalten. Sie flog zurück, ließ das Sturmgewehr fallen und verwandelte den Sturz in eine Rolle rückwärts, der genau an der Dachkante über der Seitengasse endete.
Die Irre stand noch gebückt, als Vasraa mit einem Tritt gegen den Kopf die Sache zu Ende bringen wollte. Aber ganz so einfach machte es ihr die andere dann doch nicht.
Gedankenschnell fing sie Vasraas Fuß ab, um ihn herumzudrehen. Und zwar so, dass Vasraa sie nicht aus der Bewegung heraus mit einem Roundhouse-Kick außer Gefecht setzen konnte.
Brauchte sie auch nicht, denn diesmal war Vasraa schneller. Sie wuchtete sich mit ihrem ganzen Körpergewicht nach vorne, spürte, wie die andere über das Dach rutschte; und dann vollführte Vasraa urplötzlich einen Salto rückwärts.
Ihre Schutzspitze knallte der Wahnsinnigen unters Kinn.
»Unfaaaair«, hallte ihr Schrei von den Wänden wider, als sie in die Tiefe stürzte.
Vasraa landete auf allen vieren und gönnte sich zwei Sekunden Pause. Schwer atmend lauschte sie dem verhallenden Echo.
»Eindeutig irre«, murmelte Vasraa, stemmte sich hoch und schnappte sich noch im Vorwärtstorkeln das M4. Am Rand des Daches blieb sie stehen und traute ihren Augen kaum.
Die Wahnsinnige hatte eindeutig mehr Glück als Verstand. Sie war auf eine zwischen zwei Häusern gespannte Markise gefallen, aus der sie sich gerade fluchend hervorkämpfte.
Vasraa kümmerte sich nicht weiter um die Durchgeknallte, sondern eilte zur vorderen Dachkante zurück. Sie musste Kormak erwischen.
Eigentlich war sie wegen Curd gekommen, damit er keine Bedrohung mehr für Ida und ihre Freunde darstellte, aber vielleicht gelang es ihr ja, beide auszuschalten.
Denn eines war sicher: Wenn sich diese zwei Kerle zusammentaten, steckten die Kinder von Sinsati richtig tief in der...
»Scheiße!«
Wie angewurzelt verharrte Vasraa am Dachrand. Von Curd und Kormak war nichts zu sehen. Dafür stand der Weißhaarige mit der Brille und dem Zopf auf der Mitte der Straße, in den Händen eine seltsam klobig aussehende Waffe, die er schräg nach oben richtete.
Allerdings nicht direkt auf sie, wie Vasraa verblüfft feststellte. Er würde lediglich die Hausfassade treffen, wenn er abdrückte, was er in der folgenden Sekunde auch tat.
Halb rechnete sie mit einer Granate, doch stattdessen begann nur die Luft zu flimmern.
Die Wirkung war jedoch absolut verheerend.
Vasraa vernahm einen lauten Knall. Die untere Etage explodierte in einem Schwall aus Glas und Gestein. Das Haus erzitterte wie ein gigantischer Doggar, der sich das Ungeziefer aus dem Pelz schütteln wollte.
Nur dass sie das Ungeziefer war.
»O verdammt!« Vasraa warf sich zurück. Gerade noch rechtzeitig. Die gesamte Vorderfront sackte unter ihr ab. Der Rucksack mit den Reservemagazinen, der Ersatzpistole und dem Proviant verschwand in einer Staubwolke, die aus dem auseinanderbrechenden Beton wallte.
Vasraa warf sich herum, sprang auf die Beine und verlor dabei das M4. Reflexartig wollte sie nach der Waffe greifen, als diese aus ihrer Reichweite schlitterte.
Das Haus stürzt ein!
Der Gedanke allein genügte, um Vasraas Körper mit Adrenalin zu überfluten. Sämtliche Schmerzen wurden regelrecht hinfort geschwemmt.
Vasraa schnellte vorwärts. Bei jedem Tritt spürte sie, wie das Dach dicht hinter ihr weiter absackte.
Schneller, Soldatin, hämmerte es in ihrem Schädel. Schneller!
Die rückwärtige Dachkante schien überhaupt nicht näher zu rücken.
Vasraas Lungen pumpten. Selbst das Adrenalin konnte die Stiche, die durch ihre Brust zuckten, nicht dämpfen. Als würde ihr jemand ein Messer unablässig zwischen die Rippen stechen.
Vasraa machte sich keine Gedanken darüber, was sie tat, sobald sie die Kante erreichte; sie wusste nur, dass sie verloren war, wenn sie jetzt stehenblieb. Schon versanken ihre Schuhsohlen im brüchigen Beton.
Der Zusammensturz des Hauses wurde von einem Grollen und Donnern begleitet, das in Vasraa Erinnerungen an Takeos Angriff auf das alternative Fort Knox in der Parallelwelt auslöste.*
Plötzlich war ihr, als würde sie durch den staubverhangenen dunklen Tunnel auf den Tresorraum zulaufen. Nur mit dem Unterschied, dass an seinem Ende nicht Kormak oder Drax warteten, sondern... Ida, Mirri, Nuar und Kriischa.
Wenn du hier verreckst, ist niemand mehr da, der sie vor Curd und Kormak beschützt, fuhr es ihr durch den Kopf.
Plötzlich wuchs das Dach eines Nachbarhauses vor ihr in die Höhe. Sie begriff instinktiv, dass es sich genau umgekehrt verhielt. Nicht das Nachbargebäude wurde größer, es war das Haus, auf dem sie um ihr Leben rannte, das in seiner Gesamtheit in sich zusammenkrachte.
Alles oder nichts!