Maddrax 574 - Ian Rolf Hill - E-Book

Maddrax 574 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Das Vorhaben, Prinz Victorius in der Parallelwelt zu finden, ähnelt der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zumal er von der bösen Wesenheit Umbusi beherrscht wird. Matthew Drax und Aruula versuchen es trotzdem; das sind sie Pilâtre de Rozier schuldig. Sie ahnen nicht, was der Kaiser derweil im Schilde führt - und auch nicht, in welch verfahrene Situation Victorius in der Zwischenzeit geraten ist. Seine einzige Rettung ist, was auch Matt und Aruula wollen: die Flucht aus der Dunkelwelt ...


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Seitenzahl: 158

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Flucht aus der Dunkelwelt

Epilog

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Mensch¬heit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...

Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das an besonderen Punkten aufbricht – an den Bruchstellen tauchen nun Areale verschiedener Parallelwelten auf.

Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine letzte Bruchstelle kollabiert und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in Afrika in die Gegenwart versetzt. Das Luftschiff des Sohnes von Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, verschwand darin, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Die Menschen dort verbreiten einen »Dunklen Keim«, der sich immer weiter ausdehnt.

Auch die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur wird von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein, die durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen haben. Durch sie erlangen die Gefährten ein erstes Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen können den Dunklen Keim aus den Infizierten herausholen! Matt, Aruula und die Daa'muren holen etliche Kristalle aus dem Kratersee. Sie erobern Château zurück, doch Shadar kann sich mit seiner Gefährtin Elloa absetzen. Für weitere Hilfe wendet sich Matt an Colonel Kormak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Sie versuchen Shadar in Mombassa in eine Falle locken, doch wieder kann der Gottsprecher entkommen. Schwer verletzt, rettet ihn die Stadt selbst, indem sie ihn in ihr Dunkles Herz aufnimmt.

Das wird Matt und Aruula bei einem Flug über die Stadt zum Verhängnis: In den Tiefen der Stadt werden sie zum Bösen umgepolt und ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten, bevor sie sich daran machen, Ei'dons Friedensbemühungen zu sabotieren. Als sie sich Fort Knox als ihr nächstes Ziel wählen, ist ihnen Quart'ol auf den Fersen. Die beiden werden überwältigt und zur Wolkenstadt gebracht. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache für Pilou – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Wie sich herausstellt, schuf das Dunkle Herz Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können aus der Stadt gerettet werden, wobei Grao auch Matts böses Ich tötet. Doch Pilâtre sieht in ihnen die Mörder seines Enkels. Zwar hilft er mit, das Zentrum der Stadt zu sprengen und dabei Shadar und das Dunkle Herz zu vernichten, doch er verfolgt eigene Pläne. Und das Dunkle Herz ist keineswegs zerstört...

Flucht aus der Dunkelwelt

von Ian Rolf Hill

Parallelwelt

»Jetzt sieh dir diese Sauerei an!«

Triell rümpfte die Nase und lauschte dem Schmatzen und Blubbern, das entstand, als sie das Bein aus dem Schlick zog. Sie musste schon reichlich viel Kraft aufwenden. Trotz ihres geringen Gewichts sank sie mittlerweile bis zu den Knien ein.

»Wenn das so weitergeht, ist von dem See bald nichts mehr übrig.«

Der hinter ihr herstapfende Shujaa antwortete nicht. Tat er ohnehin selten, sodass Triell beinahe gezwungen war, Selbstgespräche zu führen. Schwer atmend hielt sie inne und legte den Kopf in den Nacken. Mit geschlossenen Augen genoss sie den warmen Nieselregen, der ihre nackte Haut benetzte.

»Pass bloß auf, dass du nicht steckenbleibst!«, warnte Triell, ohne sich umzudrehen. »Du bist zu schwer zum Herausziehen.«

Shujaa schnarrte.

Triell blieb stehen, warf einen Blick über die Schulter und rollte mit den Augen. »Hab ich's nicht gesagt? Ich hab's gesagt, streit' es gar nicht erst ab. Warte, ich... Scheiße!«

Beim Versuch, sich umdrehen, verlor Triell den Halt. Ihr linker Fuß hatte sich festgesaugt. Durch die Bewegung löste er sich zwar schmatzend, nur leider zur spät. Und ehe sie sich versah, plumpste sie auch schon mit dem Hintern in den Schlamm.

Sie grunzte mürrisch.

Shujaa zischte und walzte vorwärts. Triell riss die Arme hoch. »Nicht! Warte! Ich bin bloß...«

Doch es war schon zu spät. Im Bestreben, seinen Schützling vor Schaden zu bewahren, stapfte Shujaa auf Triell zu. Prompt passierte das, was sie die ganze Zeit über befürchtet hatte: Ihr Begleiter blieb stecken.

»... gestolpert!«, vollendete Triell den Satz und seufzte.

Resignierend hob sie die Arme und ließ sie in den Matsch fallen. Immerhin war sie klug genug gewesen, ihre Kleidung auf das Notwendigste zu beschränken. Die Funktionsweste mit den zahlreichen Taschen, in denen sich alles an Werkzeug befand, was Triell für eine schnelle Reparatur benötigte, ein knappes Höschen und die Stiefel, die bis über die Knie reichten.

Paps hatte die Aufmachung überhaupt nicht gefallen. »So was bringt die Kerle nur auf dumme Gedanken!«, hatte er zum Abschied gemeint.

»Was denn für Kerle? Bei diesem Wetter traut sich doch sowieso keiner ins Freie. Und selbst wenn, ich weiß mich schon zu wehren!« Bei diesen Worten hatte sie mit dem Daumen auf den Kolben ihres Gewehrs gezeigt, der über die rechte Schulter hinweg ragte. »Und falls das nicht reicht, ist ja noch Shujaa da. Wer auch immer sich an mir vergreifen will, wird es bitter bereuen.«

Damit war die Diskussion beendet gewesen, und Triell hatte sich auf den Weg gemacht, um im Uferschlick nach Fischen oder anderen essbaren Tieren zu suchen. Das war zumindest die offizielle Begründung. Paps war so mit seinen Tüfteleien beschäftigt, dass die Nahrungsbeschaffung in den Zuständigkeitsbereich seiner Tochter fiel, in den er sich nur sehr selten und höchst ungern einmischte.

Dabei war es weniger der Hunger, der Triell immer wieder hierher an die Ufer des geheimnisvollen Sees führte, der buchstäblich aus dem Nichts heraus erschienen war. Es war vielmehr die Neugier, die sie antrieb.

Seit die Dunkle Stadt verschwunden war, hatte sich das Leben in der Umgebung stark verändert. Im wahrsten Sinn des Wortes. Nach Erscheinen des Sees hatte Triell Fische und Kreaturen entdeckt, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte. Das Wort, das Paps benutzt hatte, nachdem sie ein fast zwei Meter langes Wesen, halb Fisch, halb Reptil, mit nach Hause gebracht hatte, lautete »bizarr«.

Aber er wusste, dass er seine Tochter von einem einmal gefassten Entschluss nicht abbringen konnte. Sie hatte nun mal nicht nur sein technisches Verständnis geerbt, sondern auch seinen Forscherdrang.

Man hätte meinen können, das Leben sei einfacher geworden, nachdem sich die Dunklen mitsamt ihrer widerlichen Gigantopole in Luft aufgelöst hatten, aber weit gefehlt.

Ohne die ständige Bedrohung durch die Götzendiener und ihre infizierten Opfer quollen die Anderen wie Ratten aus ihren Löchern. Die Ausgestoßenen, die Vertriebenen und Vergessenen, die alleine oder in Sippen in den Ruinen der alten Stadt hausten und die weder Ehre noch Mitgefühl kannten.

Manchmal ertappte sich Triell bei dem Gedanken, dass es mit den Dunklen leichter gewesen war. In ihrem Fanatismus waren sie wenigstens berechenbar gewesen. Anders als die Schlammkriecher, wie Triell sie insgeheim nannte. In ihren Augen waren das nicht mehr als Tiere. Degenerierte Geschöpfe, die ums nackte Überleben kämpften.

Sie hätte ja Mitleid mit ihnen gehabt, wären sie nicht so bösartig gewesen.

Aber bin ich denn wirklich so viel anders?, dachte Triell, während sie sich abmühte, auf die Beine zu kommen, wobei sie immer wieder ausglitt, bis sie über und über mit Schlamm besudelt war. Triell kniete mittlerweile auf allen vieren und funkelte Shujaa zornig an.

»Jetzt glotz nicht so dämlich, sondern...« Sie verstummte abrupt, als sich etwas Glitschiges um ihren Unterarm wickelte. Es schimmerte grau und besaß eine schleimige, halbtransparente Haut. Ein Wurm oder...?

Ehe Triell den Gedanken zu Ende denken konnte, wurde sie nach vorne gerissen, landete bäuchlings im Schlick und wurde in Richtung Wasser gezerrt, das wenige Schritte vor ihr über das verschlammte Ufer leckte. Ihr Hilferuf erstickte im Matsch, der ihr mitten ins Gesicht klatschte.

Shujaa brauchte zum Glück keine Extraeinladung, um zu reagieren. Triell vernahm eine Reihe gedämpfter Detonationen und spürte das Zucken des Fangarms, als die Projektile hinein hämmerten. Ihre Rutschpartie endete ebenso abrupt, wie sie begonnen hatte.

Reflexartig wälzte Triell sich herum. Ihr Oberkörper schnellte hoch, ihr Puls raste. Japsend rang sie nach Atem. Der Druck auf ihren Unterarm verringerte sich dagegen nur minimal.

Als sie ihn sich vors Gesicht hielt, wusste sie auch, warum. Der Tentakel wand sich noch immer um ihren Arm. Nur endete er jetzt in einem wild hin und her peitschenden Stumpf, aus dessen ausgefranstem Ende eine milchigweiße Flüssigkeit spritzte, die auf der Haut brannte wie Säure.

Triell kassierte eine schallende Ohrfeige, als das Ding ihr ins Gesicht peitschte. Sie schrie zornig, wedelte mit dem Arm und schaffte es tatsächlich, den Tentakel mit Hilfe der Fliehkraft wegzuschleudern. Einige Meter neben ihr klatschte der Wurm in den Schlick.

Triell schlug dennoch weiter panisch um sich. Dabei schaufelte sie den Schlamm zur Seite und schaffte es tatsächlich, sich auf die Beine zu kämpfen.

Leider war der Regen nicht stark genug, um den Schlick und das weiße Wurmblut von ihrem halbnackten Körper, besonders aber von ihrem Gesicht zu spülen. Triell zwinkerte und musste schließlich sogar die Augen schließen, damit nichts von der Suppe hineinlief.

Zum Glück hatte sie vorher gesehen, wo Shujaa stand. Sich vorwärts kämpfend versuchte sie, den Schmodder abzuwischen. Die Hände triefen schließlich ebenfalls.

Ein Hieb traf ihren Arm. Nicht allzu stark, aber heftig genug, um den Halt zu verlieren. Triell spürte warmes Metall auf nackter Haut. Das war eindeutig Shujaas Kanone mit den rotierenden Läufen, mit der er ihr den Hintern gerettet hatte.

»Pass doch auf, verflixt«, knurrte sie trotzdem. Halb blind ertastete sie Shujaas gepanzerten Leib. Ihr Beschützer stapfte abwechselnd mit den Beinen, wohl in dem Bestreben, sich aus dem Schlick zu befreien.

»Hör auf!«, rief Triell und zog sich an seinem massigen Körper hoch. »Dadurch machst du es nur noch schlimmer!«

Shujaa erstarrte. Triell drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen ihn und stemmte die Füße in den schlammigen Untergrund. Nach einem Dutzend Anläufe hatte sie genug Grip gefunden.

Sand knirschte zwischen ihren Zähnen, als sie die Kiefer aufeinanderpresste. Dann drückte sie ihre Schultern mit aller Kraft gegen Shujaas Körper.

Wäre sie nicht mit Schlamm besudelt gewesen, ihr wäre der Schweiß sicherlich in Strömen über die Haut geflossen. Doch die Mühe lohnte sich. Zentimeter für Zentimeter schob sie ihren Freund dorthin, wo der Untergrund zwar nicht unbedingt trockener, aber zumindest ein wenig fester war.

»Wenn... Paps... fragt... dann... sind wir.... gestolpert und... aaah!«

Shujaa hatte festen Grund erreicht und stapfte nun selbständig in Sicherheit, ohne auf seinen Schützling zu achten, der prompt den Halt verlor und abermals in den Schlamm klatschte.

Der Fluch blieb Triell im Halse stecken. Bäuchlings robbte sie auf ihren Begleiter zu und erreichte sicherere Gefilde. Schwer atmend wälzte sich die junge Frau herum, schob sich auf dem Hosenboden an Shujaa heran und lehnte sich an ihn. Den Kopf leicht in den Nacken gelegt, schloss sie die Lider.

Bis die dumpfen Echos von Donnerschlägen an ihre Ohren drangen. Triell stutzte. Eigentlich hörte sich das viel zu kurz und gleichmäßig an für ein Gewitter. Das klang mehr wie... Kanonenschüsse!

Triell öffnete die Augen – und glaubte zu träumen.

Sanyu wankte mit ausgestreckten Armen auf Victorius zu. In ihren braunen Augen mäanderte der Dunkle Keim, löste sich aus den Glaskörpern und tastete sich in Form gewundener Nebelschlieren auf sein Gesicht zu.

Die Lippen wichen von den Zähnen zurück, formten ein Grinsen, das Sanyus einst so liebliches Antlitz zu einer fratzenhaften Grimasse verzerrte. Dunkles Blut sickerte über ihre Unterlippe, troff auf die entblößten Brüste.

»Komm zu mir, Geliebter«, raunte das untote Geschöpf. »Nimm mich in deine Arme und küss mich!«

Ekel übermannte Victorius. Ekel und eine grenzenlose Trauer. Seine Fäuste umklammerten den Schaft des Speeres, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Ein Teil von ihm wollte die Waffe von sich schleudern und Sanyus Aufforderung Folge leisten. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach ihren Berührungen. Doch es war keineswegs ein rein fleischliches Verlangen. Er hatte Sanyu geliebt.

Trauer drohte ihn zu überwältigen. Verzweifelt suchte Victorius in ihren Augen nach einem Rest jenes Wesens, mit dem er die letzten Wochen und Monate zusammen verbracht hatte, doch alles, was er fand, war Finsternis!

Erst als ihre Fingerspitzen sein Gesicht berührten, nach seinem Hals tasteten und sich um seinen Kiefer schlossen, fiel die Starre von ihm ab. Mit einem Laut des Entsetzens auf den Lippen wich er zurück, hob den Speer und rammte ihn Sanyu mitten ins Herz.

»Vic...tooo...rius!«, krächzte sie. »Wieso... hast du... das getan?«

Dann brach sie zusammen und fiel auf den Rücken. Die Speerspitze glitt aus ihrer Brust. Schwarzes Blut sprühte ihm ins Gesicht. Sanyus Haut trocknete binnen weniger Lidschläge vollständig aus, bekam Risse und zerfiel zu puderiger Asche, die von ihrem blanken Gerippe rieselte.

Victorius ließ den Speer fallen, sank neben seiner toten Geliebten auf die Knie und...

... fuhr schweißgebadet aus dem Schlaf.

Kalter Regen peitschte ihm ins Gesicht. Die Gondel der Roziere schwankte im Wind hin und her. Es dauerte Sekunden, bis Victorius begriff, dass es nicht Sanyus Blut war, das seine Haut benetzte, und noch einige mehr, bis er wieder wusste, wo er sich befand.

Narr, zischte Umbusi in seinen Gedanken. Willst du uns umbringen? Wenn du tot bist, schlaf von mir aus, so viel du willst. Aber ich für meinen Teil würde gerne noch ein wenig weiterleben. Also hoch mit dir.

Victorius hangelte sich an den Tauen, die die Gondel mit dem Ballon verbanden, zum Steuer. Dabei glitt sein Blick unweigerlich über die Reling in die Tiefe, automatisch Ausschau haltend nach einem etwaigen Landeplatz. Nur für den Fall, dass sich das Wetter weiter verschlechterte und er runtergehen musste.

Doch was er sah, vertrieb schlagartig die restlichen Spuren von Müdigkeit. Wo Victorius auch hinschaute, überall war – Wasser!

Was hast du denn erwartet? Wir sind über dem Victoriasee. Natürlich ist hier Wasser! Obwohl ich mir wünschte, es wäre nicht so.

Victorius, Sohn des Kaisers Pilâtre de Rozier, dem Erfinder der gleichnamigen Luftschiffe, ignorierte seinen dunklen Passagier. Stattdessen reduzierte er die Flughöhe weit genug, bis sich der Flug stabilisierte.

Tatsächlich wurde der Wind ruhiger; der Regen verkam zu einem feinen Sprühnebel, der sich wie ein Film auf seine Haut legte.

Victorius atmete tief durch, wischte sich mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht und zupfte an der feuchten Kleidung, die an seinem Körper klebte. Kaum war die unmittelbare Gefahr abgewendet, da kehrten Schuld und Trauer mit voller Wucht zurück, wühlten sich einem Fausthieb gleich in seinen Magen, sodass ihm speiübel wurde.

»Sanyu!« Schluchzend entfuhr ihm der Name seiner Geliebten, die nicht nur in seinem Traum einen schrecklichen Tod gestorben war.

Wie lange lag es jetzt schon zurück, dass er mit der Roziere Sou'land verlassen hatte? Nachdem sich der Dunkle Keim dort ausgebreitet hatte – dank ihm?*

Dass er nur ein Werkzeug Umbusis gewesen war, tröstete Victorius keineswegs. Das machte weder Sanyu noch irgendeines der anderen Opfer wieder lebendig.

Wäre seine Freundin wenigstens nur infiziert gewesen, dann hätte er zumindest versuchen können, sie mit einem der von Harz umschlossenen Kristallsplitter, die er in einem ledernen Beutel bei sich trug, zu heilen.

Doch Sanyu war gestorben. Wegen ihm. Wegen...

Hör auf, dich in Selbstmitleid zu suhlen! Umbusis mentale Stimme glich einem Zischen. Für einen winzigen Augenblick vertrieb der Hass auf seinen dunklen Passagier das lähmende Gefühl der Schuld.

Der Drang, sich über die Reling in den Tod zu stürzen, wurde übermächtig, allein um Umbusi eins auszuwischen. Doch Victorius wusste, dass das fremde Bewusstsein, mit dem er sich nun schon seit Monaten seinen Körper teilen musste, dies nicht zulassen würde. Trotz des Amuletts, das um seinen Hals hing.

Ganz recht. Und was spielt es überhaupt für eine Rolle, seit wann wir Sou'land verlassen haben? Wichtig ist nur, was vor uns liegt.

Victorius gab es nicht gerne zu, aber Umbusi hatte recht. Es brachte ihn kein Stück weiter, wenn er sich Vorwürfe machte oder in Erinnerungen verlor. Von Bedeutung war nur, dass er das Portal und damit einen Weg in seine Heimat fand. Fort aus dieser fremden Welt, die von einer schaurigen Seuche beherrscht wurde, einer Seuche, die aus harmlosen Menschen Monster machte. So wie Umbusi eines war.

Ein Kichern hallte durch seinen Geist.

Monster? Wer hat denn der armen Sanyu den Speer durch den Körper gerammt? Du oder ich? Und mich nennst du Monster?

Victorius ballte die Hände zu Fäusten. Es war zwecklos, mit Umbusi zu diskutieren. Am besten er ignorierte ihn. Er griff nach seinem Rucksack, in dem er einige unerlässliche Utensilien aufbewahrte. Beispielsweise den unbehandelten Kristallsplitter, mit dem er Umbusi bezwungen hatte, als dieser die vollständige Kontrolle über seinen Körper erlangt hatte.* Und ein Fernrohr.

Wonach hältst du überhaupt Ausschau?, wollte Umbusi wissen.

Das war eine verdammt gute Frage, wie Victorius zugeben musste. Immerhin lag das Portal, durch das schon sein Vater Pilâtre hierher gelangt war, um seinen Sohn zu retten, unter Wasser. Zwar war der Spiegel bereits merklich gesunken, weil immer wieder Wasser durch das flackernde Portal hindurchströmte, trotzdem würde der Pegel nicht so weit sinken, dass es über die Wellen ragte.

Victorius zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen, als er feststellte, dass der Wind sie abgetrieben hatte. Es würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als an die Küste zurückzufliegen und einen neuen Fixpunkt zu suchen, von dem aus er sich neu orientieren konnte.

Nicht nötig! Ich kann ihn bereits hören. Endlich. Nach so langer Zeit. Er ruft nach mir.

Wer?

Die Frage war so naheliegend, dass Victorius sie nicht mal bewusst zu formulieren brauchte. Die Antwort jedoch erschütterte ihn bis ins Mark.

Das Dunkle Herz!

Victorius war klar, wer damit gemeint war. Jene Präsenz, der diese Welt ihren Niedergang zu verdanken und die sich im Victoriasee niedergelassen hatte.

Plötzlich erfüllte ihn Euphorie, nur um gleich darauf einer tiefen Enttäuschung zu weichen. Sie ähnelte der Trauer um Sanyu und war doch irgendwie anders. Fundamentaler.

Victorius begriff, dass es nicht seine Empfindungen waren, sondern die Umbusis.

Was ist geschehen?, fragte er seinen dunklen Passagier.

Ich habe ihn verloren, antwortete das fremde Bewusstsein bereitwillig. Er ist verstummt.

Hast du dich nicht getäuscht?

Frevler! Wie kannst du es wagen? Ich...

Die Gedankenkette zerbrach und Victorius spürte erneut das Gefühl von Glückseligkeit.

Da ist es wieder!

Dieses Mal dauerte der Triumph fast eine halbe Minute, bis sich abermals dumpfe Enttäuschung breitmachte, wenn auch nicht so tiefgreifend wie beim ersten Mal.

Das Portal, dachte Umbusi. Es muss sich kurz geöffnet haben.

Na und?, entgegnete Victorius. Was nützt es uns? Es liegt unter Wasser und...

Dieses Mal war er es selbst, der den inneren Dialog unterbrach. Schräg vor ihnen näherten sich drei schwarze Punkte.



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