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Durch eine List hat der Roboter mit Jacob Smythes Bewusstsein den Streiter ins Sonnensystem gelockt. Auf dem Weg zur Erde, wo er eine kraftvolle Präsenz witterte, von der er sich ernähren wollte, traf ihn ein Schuss mit dem Zeitstrahl und schleuderte in die Zukunft. Leider nicht allzu weit: nur um sechs Monate. Aber eine Chance für die Menschheit, in dieser Zeit wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
Doch nun erreicht "Robo-Smythe" den noch im Chaos versunkenen Mars, wo sich auch sein Erzfeind Matthew Drax aufhält - im Körper von Chandra. Wird es zu einer Begegnung der beiden kommen?
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Was bisher geschah...
Griff nach dem Mars
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...
Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das an besonderen Punkten aufbricht – an den Bruchstellen tauchen nun Areale verschiedener Parallelwelten auf.
Zwar können unseren Helden mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse versiegeln – aber eine letzte Bruchstelle kollabiert und versetzt ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in Afrika in die Gegenwart. Eine gewaltige Stadt taucht dort auf, deren Bewohner einen »Dunklen Keim« verbreiten, der sich immer weiter ausdehnt.
Nach einigen Angriffen der Dunkeln unter ihrem Anführer Shadar auch auf die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur findet man dank der befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein erstes Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen neutralisieren den Dunklen Keim der Infizierten! Die Gefährten holen etliche Kristalle aus dem Kratersee und erobern Château zurück, doch Shadar kann sich absetzen. Für weitere Hilfe wendet sich Matt an Colonel Kormak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Sie locken Shadar in Mombassa in eine Falle. Schwer verletzt kann er entkommen, und die Stadt selbst rettet ihn, indem sie ihn in ihr Dunkles Herz aufnimmt.
Das wird Matt und Aruula bei einem Flug über die Gigantolpole zum Verhängnis: In ihren Tiefen werden sie zum Bösen umgepolt, ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten. Doch der Hydrit Quart'ol ist ihnen auf den Fersen. Die beiden werden überwältigt und zur Wolkenstadt gebracht. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache für Pilou – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können aus der Stadt gerettet werden, wobei Grao auch Matts böses Ich tötet. Es gelingt ihnen, das Zentrum der Stadt zu sprengen. Dabei stirbt Shadar; das Dunkle Herz überlebt.
Doch da naht schon eine neue Gefahr: Ein Roboter mit dem Geistesinhalt von Professor Dr. Jacob Smythe, Matts Erzfeind, begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst aber wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen... weshalb der Hydree Wang'kul ein Hologramm zur Erde schickt, das Matts Geist mit dem Zeitstrahl zum Roten Planeten holt, während sein Körper zurückbleibt – und zwischenzeitlich von einem Daa'murengeist okkupiert wird. Matt und Wang'kul können den Streiter per Zeitstrahl in die Zukunft schicken; wegen einer Rückkopplung aber nur für sechs Monate...
Griff nach dem Mars
von Ian Rolf Hill
Das Raumschiff sah im Vergleich zu der kosmischen Entität lächerlich winzig aus. Glaubten diese Narren ernsthaft, dass sich der Streiter davon beeindrucken ließ?
Ein gleißender Lichtstrahl schoss von dem Planeten empor, traf den Ring am Heck des marsianischen Raumschiffs und fächerte sich auf wie unter einem Prisma. Hunderte winziger Entladungen trafen den Streiter und verloren sich in der Wolke, die zu flackern begann – und verschwand.
Ein Teil des Strahls aber wurde reflektiert. Wie in einer gewaltigen Rückkopplung verschlang seine Energie nicht nur das marsianische Schiff, sondern raste bis zu seinem Ursprung auf der Planetenoberfläche hinab.
»Was ist da gerade passiert?«, brüllte Professor Dr. Jacob Smythe.
Er ballte eine mechanische Hand und hämmerte die Faust auf die Armlehne des umgebauten Kapitänssessels. Im letzten Moment besann er sich und dämpfte die Kraft seines robotischen Körpers. Niemandem war damit geholfen, wenn er die Steuerkonsole der PLASMA zertrümmerte. Am wenigsten ihm selbst.
»Eine unbekannte Energieform emittierte von der Planetenoberfläche und passierte den marsianischen Raumer, der durch eine spezielle Vorrichtung eine Streuung bewirkte, wodurch die gesamte Oberfläche der kosmischen Entität erfasst wurde.«
Smythe wandte langsam den Kopf in die Richtung, aus der die Antwort gekommen war. Lybreyz* stand geduckt zwei Schritte neben seinem Kommandositz, ihre optischen Sensoren geradeaus auf den Sichtschirm gerichtet, auf dem sie das Geschehen im Schatten des zweiten Marsmondes Phobos beobachteten.
Der Professor widerstand der Versuchung, den Frust an seiner Begleiterin auszulassen.
»Danke«, murmelte er verdrossen. »Aber so weit war ich auch schon. Kannst du mir denn auch sagen, was mit dem Streiter passiert ist?«
»Ich wurde geschaffen, um humanoiden Spezies sexuelle Befriedigung zu verschaffen, und bin auf multiple Techniken und mannigfaltige Stimulationen primärer und sekundärer Sexualorgane programmiert. Die Auswertung und Analyse physikalischer Phänomene gehört nicht zu meinem Repertoire.«
Mit einer ruckartigen Bewegung, die Smythe an einen Vogel erinnerte, wandte Lybreyz ihm das konisch zulaufende Robotergesicht zu. Obwohl »Gesicht« kaum die korrekte Bezeichnung war, da es über keine menschenähnliche Physiognomie verfügte.
»Du bist Wissenschaftler. Astrophysiker. Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Gebiet könnten auf dich sexuell anregend wirken und mir helfen, deine Bedürfnisse intensiver zu befriedigen.«
Smythe lupfte eine Braue. »Momentan besteht mein einziges Bedürfnis darin, herauszufinden, was mit dem Streiter geschehen ist.«
Lybreyz neigte den Schädel. »Ich habe verstanden.« Sie wandte sich ab und trat an eine Konsole. Ihre Finger tasteten in atemberaubender Geschwindigkeit über die einzelnen Komponenten. »Die Analyse der zuletzt gespeicherten Position der kosmischen Entität ergibt keinerlei Rückstände. Ergebnis: Er hat sich vollständig aufgelöst.«
»Unmöglich!« Smythe stemmte sich aus dem Sessel und trat hinter Lybreyz an die Konsole. Wieder verfluchte er den Umstand, dass die Erbauer der PLASMA kleiner als Menschen und daher alle Decken so niedrig waren, dass er und Lybreyz sich nur geduckt fortbewegen konnten. Er stieß Letztere zur Seite, um sich von der Richtigkeit der Angaben zu überzeugen.
Doch Lybreyz hatte sich nicht geirrt.
»Wie kann das sein?«, murmelte Smythe im Selbstgespräch. »Materie kann nicht einfach so verschwinden. Selbst wenn der Streiter verdampft wäre, müssten die Scanner Rückstände orten.«
»Schlussfolgerung«, schnarrte Lybreyz. »Die kosmische Entität wurde aus dem Raumzeit-Kontinuum entfernt.«
Smythe verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Ein Materie-Transmitter?«
»Aufgrund der Fakten liegt die Wahrscheinlichkeit für die Existenz einer solchen Apparatur bei 72,47 Prozent.«
Der Professor ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern nahm weitere Einstellungen an der Konsole vor. »Die Scanner registrieren Trümmer. Das Marsschiff wurde also zerstört.«
»Vermutlich infolge einer Rückkopplung!«
»Also entweder ein Unfall oder eine absichtlich zwischengeschaltete Sicherung, um den energetischen Rückstoß zu kontrollieren.«
»Aktuell liegen nicht genug Daten vor, um eine verlässliche Evaluation vorzunehmen.«
Smythe machte eine unwirsche Handbewegung, mit der er Lybreyz zum Schweigen bringen wollte. Die aber glitt geschmeidig auf ihn zu und begann damit, seinen Nacken zu kraulen. »Macht es dich an, wenn ich so rede?«
Jacob Smythe seufzte. »Moment würde es mich mehr anmachen, wenn du mich in Ruhe lassen würdest. Geh dich aufladen, schmier deine Gelenke oder wechsle deine Synovial-Flüssigkeit. Aber geh mir nicht auf die Nerven.«
»Dabei würde ich viel lieber bei dir etwas schmieren, Sugar!«, säuselte sie mit rauchiger Stimme und ließ die Hand zwischen seine Beine gleiten, wo sie natürlich nicht fündig wurde. Smythes Roboterkörper verfügte über keine menschlichen Fortpflanzungsorgane.
Und da es ihm auch an den entsprechenden Hormonen mangelte, verspürte er keinerlei Bedauern über ihre Abwesenheit, geschweige denn ein gesteigertes Verlangen nach Zärtlichkeit. Er hatte schon mehrfach versucht, Lybreyz das klarzumachen, aber in dieser Hinsicht schien der Liebesroboter von Binaar beratungsresistent zu sein.
Gleichzeitig fragte sich Smythe, wo Lybreyz gelernt hatte, so zu sprechen. Sie klang, als wäre sie einem irdischen Porno der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entstiegen.
Da die Antwort auf diese Frage für ihn jedoch keinerlei Priorität besaß, beschäftigte er sich mit dringlicheren Aufgaben. Zum Beispiel der Suche nach dem Ursprung des Energiestrahls.
Zum Glück schien Lybreyz zu begreifen, denn sie stellte ihre Verführungsversuche ein, blieb aber trotzdem auf der Brücke. Smythe kümmerte sich nicht um sie, da er fündig geworden war.
»Offenbar kam der Strahl aus der unmittelbaren Nähe des Elysium Mons.«
»Eines Berges?«
»Eines Vulkans«, korrigierte Smythe automatisch. »1972 von der Sonde Mariner 9 entdeckt.«
Er nahm weitere Feinjustierungen vor.
»Erstaunlich«, murmelte er. »Es gibt nicht nur Anzeichen von höher entwickeltem Leben, die Scanner registrieren auch mehrere Siedlungen. Eine Größere in der Nähe des Mie-Kraters nahe des Utopia-Meeres, die anderen in unmittelbarer Nähe des Elysium Mons.«
»Schlussfolgerung: Der Planet wurde besiedelt«, warf Lybreyz ein.
»Korrekt«, bestätigte Smythe. »Und anscheinend verfügen die Bewohner nicht nur über ein bemerkenswertes technologisches Wissen, sondern auch über die entsprechenden Ressourcen.«
Abrupt drehte er sich um und stapfte zurück zum Kommandosessel.
»Lybreyz!«
Sie hob den Kopf und neigte ihn zur Seite, bereit, weitere Instruktionen zu empfangen. Und dieses Mal ließ sich Smythe auch nicht lange bitten.
»Bereite alles für die Landung vor! Wir gehen runter.«
»Nomi!«, ächzte Chandra.
Die Ziehtochter der ehemaligen Mars-Präsidentin, die ebenfalls schon an der Spitze der hiesigen Regierung gestanden hatte, wenn auch unverhältnismäßig kürzer, machte einen überraschten Eindruck.
Nein, dachte Matt, überrascht ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Verstört trifft es eher.
Der Mann aus der Vergangenheit konnte es ihr nicht verdenken. Immerhin hatte die junge Frau die Auswirkungen, die die Ankunft des Streiters auf die Bevölkerung gehabt habe, vermutlich ebenfalls gespürt. Nach dessen Verschwinden war die Wirkung der aggressiv machenden Strahlung schlagartig von Mensch und Tier abgefallen.
Zumindest von jenen, die nicht durch den massiven Kraftentzug durch Wang'kul zugrunde gegangen waren. Der Hydree von Aquus, der auf dem Mars nicht nur eine neue Heimat, sondern auch eine neue Bestimmung gefunden hatte, hielt sich dankenswerterweise zurück.
Jetzt galt es, Nomi zunächst behutsam über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Dazu gehörte unter anderem die Tatsache, dass sich Chandra ihren Körper zurzeit mit dem Bewusstsein von Matthew Drax teilte, dessen Physis sich weiterhin auf der Erde befand.*
Wang'kul, der Chandras Bewusstsein als holografische Projektion zum blauen Planeten gesandt hatte, hatte den Geist des Ex-Commanders mit zurückgenommen, damit dieser vor Ort half, den Angriff des Streiters abzuwehren.
Zumindest das war ihnen auch irgendwie gelungen. Wenngleich nicht in dem Maße, wie sie sich das erhofft hatten.
»Nomi, mein Kind!«, fuhr Chandra fort. »Geht es dir gut?«
Sie trat auf die zierliche Frau zu, die ihre Ziehmutter anstarrte wie der berühmte Fuchs nach dem Waldbrand.
»Ob es mir...« Sie verstummte. Ihr Blick flirrte zu Wang'kul, ehe sie ihn über die Schulter zurück zu Nachtstimme schweifen ließ, der mit Scharan am Eingang der Höhle stehengeblieben war. Endlich fand Nomi die Fassung und damit auch ihre Sprache wieder.
»Das frage ich dich«, ereiferte sie sich. »Nachtstimme hat euch gehört. Er hat dich gesehen! Du... du lagst in einem Sarg und sahst aus wie...«
Plötzlich schimmerten Tränen in ihren Augen. Chandra trat auf ihre Tochter zu und nahm sie in den Arm. »Es tut mir so leid«, wisperte sie ihr ins Ohr.
Es fühlte sich für Matt seltsam an, die Empfindungen der ehemaligen Mars-Präsidentin zu spüren. Die Trauer, die Scham, aber auch die Freude über das Wiedersehen mit Nomi. Er roch den Duft ihres Haares, der ihm vertraut war, obwohl er Nomi nie zuvor so nahegekommen war.
Im Gegensatz zu ihrer Ziehmutter, mit der zeitweise sogar das Bett geteilt hatte.
Er hatte sich vorgenommen, den Moment der Zweisamkeit nicht zu stören, doch der Drang, die Verlegenheit aufzulösen, wurde mit jeder verstreichenden Sekunde stärker. Bis er es nicht länger aushielt.
»Ein Alkoven«, hörte er sich mit Chandras Stimme sagen.
Nomi versteifte sich. Sie hob den Kopf und drückte ihre Ziehmutter an den Schultern zurück.
»Bitte was?«
Matt verzog Chandras Lippen zu einem unsicheren Lächeln. Es fiel reichlich verkrampft aus, denn seiner Gastgeberin war momentan überhaupt nicht nach Lachen zumute.
»Es war ein Alkoven, in dem deine Mutter lag. Kein Sarg.« Als er merkte, was er gerade gesagt hatte, korrigierte er sich schnell: »Ich meine mich. Also ich lag in dem Alkoven. Es ist ein Gerät der Urhydree.«
Nomi musterte Chandra prüfend. »Ist das auch der Grund dafür, dass du so... jung aussiehst?« In ihrer Stimme schwang ein Hauch Unsicherheit mit. Unsicherheit und Angst.
»Richtig«, sagte Chandra daher auch schnell. »Die Prozedur, der ich mich unterzogen habe, hatte als Nebeneffekt eine verjüngende Wirkung. Aber mir geht's gut. Wirklich, alles bestens.«
Sie warf Wang'kul einen raschen Blick zu. Dann erklärten Matt und der Hydree abwechselnd, was passiert war.
Von dem Nahen des Streiters, dessen Strahlung die Bevölkerung fast in den Wahnsinn getrieben hatte, von Wang'kuls Versuch, die Pancinowa zu kontaktieren, und von der spontanen Idee, Matts Geist in Chandras Körper zu transferieren.
Es dauerte ein wenig, bis sämtliche Sachverhalte offengelegt waren. Nachtstimme war mit Scharan nähergekommen. Der Kleine hatte angefangen zu quengeln, sodass ihn Nomi kurzzeitig auf den Arm nehmen und stillen musste. Schließlich ruhte er friedlich an ihrer Schulter und schnarchte leise vor sich hin. Die Gesichter von Nomi und Nachtstimme dagegen waren große Fragezeichen.
Der Blick des Waldmenschen heftete sich auf Wang'kul.
»Dann bist du für das Massensterben verantwortlich?«
Wang'kul nickte schuldbewusst. »Für den Versuch, mein Abbild per Zeitstrahl nach Cancriss zu schicken, den Heimatplaneten der Pancinowa, musste ich mich der Kraft der Mutationen bedienen. Leider hat sie nicht ausgereicht. Ich musste abbrechen, sonst wären sie alle gestorben.«
»Also hast du die Energie sämtlicher Lebewesen, die mit den Sporen in Kontakt kamen, angezapft?« Ein leichtes Zittern schwang in Nachtstimmes Worten mit. Matt sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte.
Nomi legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Das war sicher nicht seine Absicht.«
»Keinesfalls!«, klackerte Wang'kul. »Ich weiß, dass ich dem Mars und seinen Bewohnern viel Leid zugefügt habe.«
»Bei dem Versuch, sie zu retten«, mischte sich Chandra ein, und sprach Matt dabei aus dem Herzen. »Hätten wir den Streiter nicht aufgehalten, wären alle gestorben, und wir wären nicht mehr hier, um darüber zu sprechen.«
»Was ist da überhaupt passiert?«
Wieder erklärten Chandra/Matt und Wang'kul im Wechsel, was vorgefallen war.
»Leider hat es nicht so funktioniert wie erhofft«, schloss der Hydree den Bericht. »Der Streiter wurde zwar in die Zukunft versetzt, aber nicht so weit, wie wir es beabsichtigt hatten.«
»Eigentlich sollte er um wenigstens eine Milliarde Jahre transferiert werden.«
»Damit sich unsere Nachkommen mit ihm herumschlagen können?«, fragte Nachtstimme bitter.
»Leider blieb uns nicht viel Zeit, um eine bessere Strategie zu entwickeln«, gab Matt zu bedenken. »Und wer weiß, ob in einer Milliarde Jahre überhaupt noch Leben auf dem Mars existiert.«
»Falls doch, dann ist es mit Sicherheit auf einem höheren Entwicklungslevel«, fügte Wang'kul hinzu. Er sagte wir, doch er meinte natürlich in erster Linie die Menschen. Er selbst besaß durch seine Verbindung zum Rotgrund fast gottgleiche Kräfte.
Nomi schüttelte andeutungsweise den Kopf. »Wenn ihr sagt, dass es nicht so funktioniert hat wie beabsichtigt... von welcher Zeitspanne sprechen wir dann?«
Matte atmete tief durch. Dieses Mal mied er den Blickkontakt mit Wang'kul. »Sechs Monate«, sagte er schließlich. Und es klang nicht im Mindesten hoffnungsvoller als beim ersten Mal. Im Gegenteil, je häufiger er es aussprach, desto schrecklicher hörte es sich an.
Als ob sie wahrlich nicht schon genug Probleme mit den Dunklen und ihrer Gigantopole im Becken des Victoria-Sees hätten.
»Sechs Monate...«, wiederholte Nachtstimme. »In sechs Monaten stehen wir also wieder genau da, wo wir vorher waren?«
Der Mann aus der Vergangenheit nickte mit Chandras Kopf. »Wir haben etwas Zeit gewonnen, mehr nicht!«
»Und was sollen wir jetzt tun?« Obwohl Nomi ihren Gefährten dabei angeschaut hatte, war die Frage nicht an ihn gerichtet gewesen. Das war nicht nur Matt und Chandra klar, sondern auch Wang'kul.
»Nachdem der Zeitstrahl im Elysium Mons zerstört wurde, werde ich versuchen, die alten Tunnelfeldanlagen bei Utopia wieder in Betrieb zu nehmen. Wir müssen Kontakt mit Cancriss herstellen!«
Nachtstimme sprang auf. »Aber du sagtest doch gerade, dass die Energie nicht ausreicht!«, rief der Waldläufer.
Auch Chandra/Matt erhob sich. »Genau daran arbeiten wir. Gegebenenfalls müssen wir versuchen, von Novis aus Kontakt zu den Pancinowa aufzunehmen. Aber wir werden auf keinen Fall noch einmal Wohl und Leben der Menschen, Tiere und Pflanzen riskieren.«
Nicht, dass Nachtstimme durch die Beteuerungen beruhigter war, das war dem jungen Waldmenschen deutlich anzusehen. Anscheinend hatte er keine guten Erfahrungen mit den Marsianern aus der Stadt gemacht.
»Und was können wir tun?«, fragte Nomi. Sie reichte Nachtstimme das Kind, um ebenfalls aufstehen zu können.
Der Stolz, den Chandra für ihre Ziehtochter empfand, war auch für Matt deutlich zu spüren. Und obwohl Nomi ein paar Jahre älter war als seine eigene Tochter Xaana, die auf Novis zurückgeblieben war, so fühlte er sich doch ein wenig an sie erinnert.
»Die ALTERA wurde zerstört. Wusstest du, dass Iwao an Bord war?«
»Iwao Gonzales?«, vergewisserte sich Nomi.
Chandra verkniff Matt die Frage, wie viele Iwaos sie denn kannte. Stattdessen einigten sie sich auf ein Nicken.
»Wenn der Präsident tot ist, wird der Rat einen Interims-Präsidenten bestimmen«, murmelte Nomi mehr zu sich selbst. »Oder er beschließt, die dringlichsten Angelegenheiten per Abstimmung zu entscheiden, bis ein neuer Präsident gefunden wurde.«
»Genau das gilt es herauszufinden«, sagte Chandra. »Ich möchte, dass du mit Nachtstimme nach Elysium fährst.«
»Ich?« Nomi riss die Augen auf. »Warum? Ich...«
»Du warst Präsidentin«, erinnerte Chandra sie mit scharfer Stimme. »Und du hast Freunde im Rat. Vergiss das niemals. Dein Wort hat noch immer Gewicht.«
»Willst du mir sagen, dass ich wieder für den Posten der Präsidentin kandidieren soll?« Nomis Tonfall ließ keinen Zweifel daran, was sie von dieser Idee hielt. Matt begriff, dass sie sich selbst deutlich weniger zutraute als jene Frau, die für sie wie eine Mutter war.
Chandra legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ich möchte, dass du die provisorische Regierung unterstützt. Mehr nicht. In der Stadt herrscht sicherlich immer noch Chaos. Was wir brauchen, sind kühle Köpfe. Entscheidungsfreudige Köpfe, die sich nicht in hitzigen Debatten ergehen, um ihre eigene Unfähigkeit zu kaschieren.«
Das waren deutliche Worte, die Chandras Meinung vom Rat perfekt widerspiegelten.
»Außerdem...« Sie zögerte und biss sich auf die Unterlippe. Matt verzog ihr Gesicht, verzichtete aber auf einen stummen Tadel, denn auch von ihm ergriff mit einem Mal Sorge Besitz. Sorge um einen geliebten Menschen. »Außerdem möchte ich, dass du Londo suchst.«
Plötzlich legte sich ein Schatten über Nomis Gesicht. Anscheinend hatte sie bislang kaum einen Gedanken an ihren Halbbruder verschwendet und schämte sich dafür.