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Matt und Aruula ahnen nicht, dass Vasraa auf Novis den Wurmloch-Generator an sich gebracht hat - um zur Erde zu reisen und, wie Kormak zuvor, die Rolle ihres Parallelwelt-Zwillings anzunehmen. In Fort Knocks befindet sich alles, was sie braucht, um Novis zu erobern: Waffen und eine Mannschaft, die das Leben auf der postapokalyptischen Erde satt hat. Und sie hofft auf ein Zusammentreffen mit Kormak - um endlich mit ihm abzurechnen.
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Was bisher geschah...
Triple Trouble
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin der sich mit den Daa'muren ins All aufmacht...
Durch eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums tauchen überall auf der Erde Areale verschiedener Parallelwelten auf. Zwar können unseren Helden die Risse versiegeln – aber eine letzte Bruchstelle tauscht ein Areal um den Victoriasee in Afrika aus. Eine gewaltige Stadt erscheint, deren Bewohner einen »Dunklen Keim« verbreiten.
Nach einigen Angriffen der Dunklen auch auf die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur findet man dank der befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen saugen den Dunklen Keim aus den Infizierten! Die Gefährten erobern Château zurück.
Ein Flug über die Gigantolpole wird Matt und Aruula zum Verhängnis: In ihren Tiefen werden sie zum Bösen umgepolt, ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten. Doch der Hydrit Quart'ol überwältigt die beiden und bringt sie zur Wolkenstadt. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können gerettet werden und sprengen das Zentrum der Stadt. Da die Stadt daraufhin erstarrt, hoffen sie das Dunkle Herz zerstört zu haben.
Doch da naht eine neue Gefahr: Ein Roboter mit dem Geist von Professor Dr. Smythe, Matts Erzfeind, begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen, weshalb der dort lebende Hydree Wang'kul Matts Geist per Hologramm zum Roten Planeten holt. Die beiden können den Streiter per Zeitstrahl sechs Monate in die Zukunft versetzen. Dann erreicht »Robo-Smythe« den Mars – und versucht an Waffen für das Raumschiff zu gelangen, das er gekapert hat: die PLASMA. Doch Matt arbeitet gegen ihn, und Smythe muss fliehen. Sein Ziel ist die Erde, wo er seinem Parallelwelt-Ich begegnet. Es kommt zum Kampf, und letztlich kann Matt »Robo-Smythe« zerstören.
Währenddessen versuchen Tom Ericson und die zwielichtige Vasraa Uon, von den Wurmloch-Architekten auf Cancriss einen mobilen Wurmlochgenerator zu bekommen, mit dem sie eine mächtige Waffe, den Flächenräumer, vom Ringplaneten- ins Sonnensystem schaffen wollen. Doch die Pancinowa lehnen ab. Da stoßen Tom und Vasraa am Nordpol auf einen Oqualun, einen Wandler, der dort schlafend gefangen gehalten wird, um ihm Energie abzuzapfen. Auch Matt und Aruula, die von den Pancinowa zu Hilfe gerufen wurden, entdecken dieses Geheimnis. Indem sie es nicht preisgaben, was Cancriss ins Chaos stürzen würde, erhalten sie einen mobilen Wurmlochgenerator und kehren nach Novis zurück. Doch während Matt und Aruula zur Erde reisen, um dort alles vorzubereiten, bringt Vasraa durch eine Intrige das Wurmloch an sich und folgt ihnen.
Triple Trouble
von Ian Rolf Hill
Der Wirbel aus bläulich lumineszierender Helligkeit fiel hinter ihr zusammen. Die kahlen Wände der Höhle wichen üppiger Vegetation. Irdischer Vegetation!
Vasraa hielt den Atem an und schaute sich um. Theoretisch hätte der Wald auch auf Novis wachsen können, doch es gab eine einfache Möglichkeit, das herauszufinden. Die Erde besaß nämlich nur einen natürlichen Satelliten: den Mond. Wohingegen Novis selbst ein solcher war. Einer von zwanzig. Darüber hinaus war der irdische Mond derart charakteristisch, dass Vasraa ihn auf Anhieb erkannte.
Jetzt musste sie nur noch sicherstellen, dass die Koordinaten korrekt waren. Gar nicht so leicht, wenn man ein Wurmloch zwischen zwei Planetoiden, die mehrere tausend Lichtjahre voneinander entfernt waren, öffnete.
Doch selbst wenn sie sich um ein paar hundert Kilometer verrechnet haben sollte, allein die Passage zur Erde war Gold wert.
Ein seltsames Gefühl überkam Vasraa. Wie lange war sie nicht mehr hier gewesen? Fünf Jahre?
Und obwohl sie noch nie zuvor in ihrem Leben in Meeraka gewesen war, befiel sie eine Art Wehmut. Sofern es sich wirklich um Meeraka handelte.
Vasraa warf einen Blick auf den Chronometer an ihrem linken Handgelenk. Dort war nicht die aktuelle Tageszeit zu sehen, sondern ein Countdown, der unaufhaltsam herunterzählte. Sobald er bei null angekommen war, würde sich das Wurmloch erneut öffnen.
So war es mit Javuz vereinbart, einem der wenigen Soldaten auf Novis, die loyal zu ihr standen. Was wohl nicht zuletzt daran lag, dass sie eine Frau war. Und eine ziemlich attraktive noch dazu. Ein Umstand, den Vasraa durchaus für ihre Zwecke einzusetzen wusste.
Sie war in ihrem Leben an mehr als genug Männer geraten, um zu wissen, wie solche Kerle tickten. Wenn sie sicherstellen wollte, dass sie nach ihrer Pfeife tanzten, musste sie sie an der langen Leine führen.
Hauptsache, Javuz wurde nicht vorzeitig entdeckt und mit Gewalt daran gehindert, den Wurmlochgenerator, den sie von den Pancinowa erhalten hatten, wieder zu aktivieren.*
Höchst unwahrscheinlich, aber Vasraa wusste auch, dass sie ihre Gegner, allen voran Xij Hamlet und Tom Ericson, nicht unterschätzen durfte.
Momentan war es jedoch müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Das Wurmloch würde sich frühestens in achtundvierzig Stunden wieder öffnen. Eine Sicherheitsvorkehrung, damit keine Unbefugten die Verbindung entdeckten und in umgekehrter Richtung passierten.
Vasraa gedachte die achtundvierzig Stunden zu nutzen, um das Vertrauen der Soldaten von Knocks zu erringen und eine Falle für Aran Kormak vorzubereiten. Auch wenn es sich nicht um das Original handelte, das laut Matthew Drax über dem Loch Lomond ums Leben gekommen war.
Sie würde sich eben mit dem Doppelgänger aus einer Parallelwelt zufriedengeben müssen.
Vasraa versuchte sich zu orientieren. In der Dunkelheit gar nicht so leicht. Zum Glück hatte sie vorgesorgt und eine leistungsstarke Handlampe mitgenommen. Der fahle Lichtkegel geisterte über die knorrigen Stämme der Bäume.
Zögernd trat sie ein paar Schritte in das Dickicht hinein. Nach wenigen Dutzend Metern lichtete sich der Bewuchs. Vasraa schaltete die Taschenlampe aus und wartete, bis sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Vor ihr, zwischen den Bäumen, wurde das helle Mondlicht von einem breiten Band reflektiert, das sich durch den Wald schlängelte. Kein Fluss, dafür war es zu starr und vor allem lautlos.
Vasraa ging weiter und erkannte, dass es sich um eine asphaltierte Straße handelte, die sich in einem bemerkenswert guten Zustand befand. In einem sehr viel besseren, als es nach über fünfhundert Jahren hätte der Fall sein dürfen. Es sei denn, sie wäre in der Zwischenzeit instandgesetzt worden. Nur von wem und wofür?
Dann erinnerte sich Vasraa, was Drax ihr über Kormaks neue, alte Basis erzählt hatte: dass sie selbst aus einer Parallelwelt stammte. Zusammen mit einem fünfzig Kilometer durchmessenden Areal, das bis an eine Stadt namens Louisville heranreichte – in der ihr eigenes Pendant bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war.
Zumindest hatten das Drax und Kormak lange Zeit angenommen. Angeblich hatte ihre Doppelgängerin versucht, zu putschen und einige Siragippeneier nebst einer auf Tachyonen basierenden Lebensform zur Seite zu schaffen.*
Erst sehr viel später hatten sie erfahren, dass die Parallelwelt-Vasraa überlebt und sich mit einem abtrünnigen Geheimdienst-Offizier namens Stackowitz zusammengetan hatte. Der war bei einem Angriff auf Knocks ums Leben gekommen, Vasraas Doppelgängerin seitdem untergetaucht.**
Wie es wohl wäre, ihrem anderen Ich aus einer Parallelwelt gegenüberzutreten?
Neugierig war sie schon. Vielleicht würde sie nach ihr suchen. Später, wenn sie die entsprechenden Leute an der Hand hatte und Kormak tot war.
Vasraa blickte die Straße entlang in beide Richtungen. In welche sollte sie gehen?
Schräg vor ihr, hinter den Bäumen, schimmerte bereits der Schein des erwachenden Tages. Dort war also Osten. Nicht, dass ihr das sonderlich viel nützte, da sie nicht wusste, wo genau sich die Basis befand. Instinktiv wandte sie sich nach rechts, also in Richtung Süden.
Sie war nicht mal fünf Minuten unterwegs, als sie das sich nähernde Knattern eines Verbrennungsmotors vernahm. Es war ein altmodisches Automobil aus der Zeit vor dem Kometen. Ebenfalls in einem hervorragenden Zustand, so weit sie das beurteilen konnte.
Im ersten Impuls wollte Vasraa in Deckung gehen, überlegte es sich aber anders. Früher oder später musste sie sich sowieso zu erkennen geben, warum also nicht gleich hier und jetzt? Zumal sie keine Lust verspürte, stundenlang über die Straße zu irren, womöglich noch in falscher Richtung.
Also stellte sie sich kurzentschlossen mittig auf die Fahrbahn und streckte die Arme dem heranrasenden Fahrzeug entgegen, das tatsächlich abbremste. Die Scheinwerfer blendeten Vasraa, sodass sie nicht erkennen konnte, wer hinter dem Steuer saß.
Das Auto selbst war dunkel lackiert; unmöglich zu sagen, ob es ein militärisches Vehikel war.
Sekundenlang geschah nichts. Langsam ließ Vasraa die Arme sinken und schritt auf das Fahrzeug zu. Da wurden die Türen aufgestoßen und zwei menschliche Silhouetten erschienen.
»Major...?«
Die Stimme des Mannes klang verunsichert und ungläubig. Vasraa gönnte sich ein Lächeln, in der Hoffnung, dass es nicht allzu selbstgefällig wirkte. Zumindest äußerlich schien sie ihrer Doppelgängerin stark genug zu ähneln, dass man sie auf Anhieb erkannte.
»Schön, dass Sie mich nicht vergessen haben...«
Sie trat näher und versuchte einen Blick auf die Rangabzeichen an der Uniform zu erhaschen. Als sie den Arm mit der Taschenlampe hob, meldete sich der zweite Soldat.
»Keinen Schritt weiter!«, bellte er. »Bleiben Sie stehen und nehmen Sie die Hände hoch.«
Plötzlich hielt der Mann mit dem kahlen Haupt eine Waffe in der Hand, deren Mündung auf ihre Brust zielte.
Vasraa tat, wie ihr befohlen. Sie hatte damit gerechnet, nicht mit offenen Armen empfangen zu werden. Aber auch dafür hatte sie sich schon eine Strategie zurechtgelegt.
»Wie reden Sie mit einer vorgesetzten Offizierin, Soldat?«
Der Angesprochene ließ sich nicht einschüchtern. Geschmeidig glitt er hinter der offenstehenden Tür hervor. »Sie sind nicht meine Vorgesetzte, Major Uon. Jedenfalls nicht mehr.«
Obwohl er sich bemühte, seiner Stimme einen autoritären Klang zu verleihen, entging Vasraa das leichte Zittern darin keineswegs. Ganz so abgebrüht, wie sich der Mann gab, war er nicht. Sie gedachte das zu ihrem Vorteil zu nutzen.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
Der junge Mann mit dem sorgfältig gestutzten Bart kam auf sie zu. Vasraa erkannte, dass er eine Brille trug. Laut den Abzeichen auf den Schulterklappen handelte es sich um einen Corporal.
»Wo kommen Sie hierher?«, verlangte er zu erfahren.
Vasraa schüttelte den Kopf. »Das... weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern.«
Der Soldat blieb stehen. Mit dieser Antwort schien er nicht gerechnet zu haben. Er wirkte ein wenig ratlos.
Sein Kollege war ebenfalls mutiger geworden. Im Gegensatz zu seinem Kameraden besaß er flachsblondes Haar und ein schmales sonnengebräuntes Gesicht.
»Major, gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor.«
Vasraa straffte die Schultern. »Was genau wird mir vorgeworfen?«
»Sie sollen gemeinsame Sache mit einem Kollaborateur des hiesigen Weltrats gemacht und einen Angriff auf das Fort gestartet haben. Ihr Gleiter wurde abgeschossen. Man hielt Sie für tot, doch Ihre Leiche wurde nicht gefunden.«
»Nun, wie Sie sehen, lebe ich noch, Corporal. Aber an einen Angriff kann ich mich nicht erinnern. Um ehrlich zu sein, kann ich mich an gar nichts mehr erinnern, seit...«
»Seit wann?«
»Seit dem Hubschrauberabsturz bei Louisville!«
Die beiden Corporals wechselten einen raschen Blick. Ein Fehler, den Vasraa umgehend ausnutzte. Der Bärtige stand nahe genug für einen Angriff.
Mit einem Satz war sie bei dem Soldaten, ergriff die Waffe in seinen Händen und rammte ihm das Knie zwischen die Beine.
Der Mann ächzte gequält, brach zusammen und kippte stöhnend auf die Seite. Vasraa wich zurück und richtete die Mündung auf den Blonden, der ruckartig die Arme in die Höhe riss.
»Tut mir leid, Jungs«, log Vasraa. »Aber ich habe keine Zeit für solche Spielchen. Bringt mich zu eurem vorgesetzten Offizier. Und zwar hurtig, wenn ich bitten darf.«
»Mein Name ist Sergeant Walsh«, schnarrte der befehlshabende Kommandant der Basis, die von den Soldaten »Fort Knox« genannt wurde.
Breite Schultern, dunkelbraune Haut und noch weniger Haare als bei dem bärtigen Corporal, der versucht hatte, Vasraa festzunehmen und dessen Namen sie bereits vergessen hatte.
Sergeant Walsh dagegen war deutlich mehr auf Zack.
Noch bevor Vasraa einen Fuß über die Schwelle des Gebäudes setzen konnte, war sie von schwer bewaffneten Soldaten umringt gewesen. Und Walsh hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht gewillt war, klein beizugeben. Selbst wenn dies auf Kosten eines seiner Männer ging.
Mit Terroristen wurde nun mal nicht verhandelt.
Vasraa würde es niemals offen zugeben, doch sie war beeindruckt. Gleichzeitig beglückwünschte sie sich zu dem Entschluss, einen Gedächtnisverlust vorgetäuscht zu haben, denn bislang hatte sie nicht ein bekanntes Gesicht gesehen. Aber auch das war nicht zu erwarten gewesen. Obwohl sich beide Realitäten ähnelten, trennten sie noch immer ein Ozean und ein kompletter Kontinent von ihrer ursprünglichen Heimat.
Ihr war klar gewesen, dass es nicht einfach sein würde, das Vertrauen der Frauen und Männer zu gewinnen. Umso wichtiger war es, zunächst die Füße stillzuhalten, ohne dabei Schwäche zu zeigen.
Sie nickte. »Ich schätze, ich kann mir die Vorstellung sparen.«
Walsh beugte sich vor. Er saß ihr gegenüber am Tisch, der neben den beiden Stühlen, auf denen sie Platz genommen hatten, der einzige Einrichtungsgegenstand in dem kahlen Vernehmungsraum war. Es sei denn, man zählte die Kamera an der Decke dazu.
»Nun, das kommt ganz darauf an.«
Vasraa tat so, als wüsste sie nicht, worauf der Sergeant anspielte. »Was meinen Sie?«
»Ob Sie wirklich die Vasraa Uon sind, die wir kennen.«
Sie starrte Walsh ausdruckslos an, erwiderte ungerührt seinen lauernden Blick. Schließlich nickte sie langsam. »Verstehe. Das Parallelwelt-Areal. Sie fürchten, ich könnte eine Doppelgängerin sein.«
Er lehnte sich zurück. »Ist das so abwegig?«
»Gegenfrage: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Doppelgängerin ausgerechnet hier aufkreuzt?«
Walsh zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Ich war nie gut in solchen Dingen. Wahrscheinlichkeitsrechung, Parallelwelt-Theorie, Entropie. Aber falls sich eine Doppelgängerin Zugang verschaffen wollte, würde sie sicherlich einen Gedächtnisverlust simulieren, um Widersprüche zu vermeiden.«
»Zu dumm nur, dass ich nicht wusste, dass die hiesige Vasraa eine gesuchte Terroristin ist.« Sie grinste säuerlich.
Walsh hob die Schultern. »Ja, wirklich tragisch.«
»Aber Sie haben natürlich recht. Ich könnte genauso gut die Vasraa dieser Realität sein. Da ich mein Gedächtnis verloren habe, kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben. Die Frage ist allerdings, ob es überhaupt einen Unterschied machen würde.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ganz einfach.« Vasraa fletschte die Zähne wie ein angriffslustiger Lupa. »Sie sind selbst neugierig. Oder warum haben Sie noch nicht den Weltrat kontaktiert, damit mich die Behörden zu weiteren Verhören abholen?«
»Wer sagt Ihnen, dass ich genau das noch nicht getan habe?«
»Mein Instinkt. Oder täusche ich mich, wenn ich behaupte, dass Sie mit der aktuellen Situation unzufrieden sind?«
»Was für eine Situation soll das denn sein?«
»Der Weltrat«, schoss Vasraa ihren nächsten Pfeil ab.
In seiner Mitteilsamkeit hatte ihr Drax unbeabsichtigt eine ganze Menge Munition geliefert. So wusste Vasraa, dass der hiesige Kormak sehr darum bemüht gewesen war, die Beziehungen zu den Führungsspitzen der hier existierenden Machtblöcke zu festigen und zu pflegen. Sie brauchte nur ein wenig Menschenkenntnis und Verstand, um sich denken zu können, dass dies gerade bei den Soldaten aus der Parallelwelt nicht unbedingt auf Gegenliebe gestoßen war.
Kormak hatte sein Vorgehen damit begründet, einen Brückenkopf in dieser Welt zu installieren, um langfristig einen Austausch von Wissen und Technologie zu ermöglichen. Natürlich zum beiderseitigen Vorteil.
Vasraa hätte am liebsten schallend losgelacht.
Egal, aus welcher Realität er stammen mochte, aber ein Colonel Aran Kormak würde niemals leichtfertig einen Trumpf aus der Hand geben. Zumindest nicht ohne Hintergedanken.
Sie ging davon aus, dass Kormak seinen Einflussbereich auf eigene Faust erweitern wollte. Dazu passte auch die Geschichte, dass das Portal in die Parallelwelt angeblich kollabiert sei.
Statt sich also zu bemühen, es wieder zu öffnen, damit die braven Frauen und Männer zu ihren Familien heimkehren konnten, schloss er Bündnisse mit fremden Mächten und führte Kriege auf anderen Kontinenten.
Walsh mochte ein fähiger Soldat sein, doch er war kein guter Schauspieler. Das merkte Vasraa sofort, als sie den Weltrat erwähnte. Für die Dauer von zwei, drei Herzschlägen verdüsterte sich seine Miene. Oder um es anders zu formulieren: Ihr Pfeil hatte genau ins Schwarze getroffen.
»Das Gespräch ist beendet«, schloss Walsh und erhob sich.
Ohne Vasraa eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging zur Tür. Bevor er sie erreichte, holte ihn ihre Stimme ein.
»Keine Ahnung, was man Ihnen über mich erzählt hat oder was ich getan haben soll, aber ich versichere Ihnen, Sergeant Walsh: Es ist falsch.«
Er deutete einen Blick über die Schulter an. »Wir werden sehen«, knurrte er und hämmerte gegen die Tür.
»Warum spricht Kormak nicht persönlich mit mir?«
Walsh zuckte zusammen. Der nächste Pfeil, der von hinten ins Schwarze getroffen hatte.
»Der Colonel ist zurzeit... indisponiert.«
»Wie bedauerlich. Und Sie haben nicht mal die Chance, ihren kommandierenden Offizier per Funk zu verständigen?«
»Momentan führe ich das Kommando hier. Das muss Ihnen genügen.«
»Wo hält sich Aran auf?«, bohrte Vasraa weiter. Sie nannte absichtlich Kormaks Vornamen, um den Sergeant daran zu erinnern, dass sie und der Colonel einst mehr gewesen waren als bloße Kameraden, die sich die Führungsspitze eines Außenpostens teilten. In der Parallelwelt hatten Kormak und sie sogar ein gemeinsames Kind gehabt, das kurz nach der Geburt gestorben war.
Zekiya.