Maddrax 589 - Ian Rolf Hill - E-Book

Maddrax 589 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nachdem die unmittelbare Gefahr auf der Erde gebannt ist, machen sich Matt, Aruula und Quart'ol über das Wurmloch auf den Weg ins Ringplanetensystem, um den Flächenräumer zu bergen. Er muss auseinander genommen und ins Sonnensystem verbracht werden, bevor der Streiter dort eintrifft. Auch Victorius de Rozier und Triell begleiten die Freunde, und eine Abordnung der Hydriten.
Die stellen allerdings schnell fest, dass der einfach klingende Plan seine Tücken hat. Und nicht nur das! Matt gerät in tödliche Gefahr, und niemand weiß, ob es ein Unfall oder ein Anschlag war...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Mission Flächenräumer

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin der sich mit den Daa'muren ins All aufmacht...

Durch eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums tauchen überall auf der Erde Areale verschiedener Parallelwelten auf. Zwar können unseren Helden die Risse versiegeln – aber eine letzte Bruchstelle tauscht ein Areal um den Victoriasee in Afrika aus. Eine gewaltige Stadt erscheint, deren Bewohner einen »Dunklen Keim« verbreiten. Nach einigen Angriffen der Dunklen findet man dank der befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen saugen den Dunklen Keim aus den Infizierten!

Ein Flug über die Gigantopole wird Matt und Aruula zum Verhängnis: Sie werden zum Bösen umgepolt, ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten. Doch der Hydrit Quart'ol überwältigt die beiden und bringt sie zur Wolkenstadt. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können gerettet werden und sprengen das Zentrum der Stadt. Da die Stadt daraufhin erstarrt, hoffen sie das Dunkle Herz zerstört zu haben.

Doch da naht eine neue Gefahr: Ein Roboter mit dem Geist von Professor Dr. Smythe, Matts Erzfeind, begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen, weshalb der dort lebende Hydree Wang'kul Matts Geist per Hologramm zum Roten Planeten holt. Die beiden können den Streiter per Zeitstrahl sechs Monate in die Zukunft versetzen. Dann erreicht »Robo-Smythe« mit einem gekaperten Raumschiff, der PLASMA, den Mars. Doch Matt arbeitet gegen ihn und Smythe muss fliehen. Sein Ziel ist die Erde, wo er seinem Parallelwelt-Ich begegnet.

Währenddessen versuchen Tom Ericson und die zwielichtige Vasraa Uon, von den Wurmloch-Architekten auf Cancriss einen mobilen Wurmlochgenerator zu bekommen, mit dem sie eine mächtige Waffe, den Flächenräumer, vom Ringplaneten- ins Sonnensystem schaffen wollen. Indem sie ein Geheimnis der Regierung aufdecken, aber Stillschweigen bewahren, erhalten sie den Generator und kehren nach Novis zurück. Doch während Matt und Aruula zur Erde reisen, um dort alles vorzubereiten, bringt Vasraa das Gerät an sich und folgt ihnen. Es kommt zu einer Konfrontation zwischen Parallelwelt- und Novis-Vasraa, wobei Letztere getötet wird und Erstere auf Novis eine neue Heimat findet.

Damit ist der Generator wieder in Matts Hand, und auch ein weiterer Erfolg ist zu verbuchen: Es gelingt ihnen, Robo-Smythe endgültig zu zerstören.

Da geschieht in Afra Seltsames: Die Dunklen stoppen ihren Vorwärtsdrang und folgen einem Ruf zur Dunklen Stadt, um dort zu vergehen. Das Herz der Stadt ist wieder erwacht und saugt alle Energie ein, derer es habhaft werden kann – bis die vier Daa'muren Grao, Ira, Balat und Soro es in sein Koma zurückstoßen können; Letzerer opfert dafür sogar sein Leben.

Mission Flächenräumer

von Ian Rolf Hill

Der Hass drohte ihn zu zerfressen.

Geboren aus Trauer, hilfloser Wut und grenzenloser Enttäuschung bestimmte er fortan sein Sinnen und Trachten. Seit ihm das Liebste auf Erden genommen worden war, konnte er an nichts anderes denken als an Rache.

Rache an den feigen Mördern, die so viel Unglück über ihn gebracht hatten. Und nicht nur über ihn. Warum wurden sie dafür nicht zur Rechenschaft gezogen? Wieso ließ man sie gewähren?

Er verstand es nicht. Wollte es auch gar nicht verstehen. Das Einzige, was er wollte, war Vergeltung. Es war schließlich nur gerecht, wenn die Mörder dasselbe Schicksal erlitten wie ihre Opfer. Es gab für ihn keine Alternative.

Matthew Drax und Aruula mussten sterben!

Es war ein Paradies!

Ein Paradies, für das Xenia Vangelis unendlich dankbar war. Und stolz. Immerhin hatte sie dabei mitgeholfen, es aufzubauen. Im Gegensatz zur Hauptstadt Novis Prime war New Athen nämlich nicht vorab von den Kasynari errichtet worden.

Die Ballonköpfe hatten zwar das Material geliefert, aber aufgebaut wurden die Gebäude von den Bewohnern unter der Leitung ihres Vaters Ilias und seines Stellvertreters Lazarus.

Mittlerweile war die Siedlung zu einem richtigen Dorf angewachsen, in dem nicht nur Flüchtlinge der Techno-Enklave des irdischen Athens wohnten, sondern auch zahlreiche andere Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken und Winkeln der Erde.

Von dort waren sie auf den Mond eines fremden Planetensystems evakuiert worden, um der vermeintlichen Katastrophe zu entgehen. Einer Katastrophe, die im allerletzten Moment abgewendet worden war.

Der Mond war nicht, wie befürchtet, mit der Erde kollidiert.

Trotzdem war eine Rückkehr nicht möglich, denn durch unglückliche Umstände war das Sonnentor, über das Xenia mit ihren Leuten hierhergebracht wurde, zerstört worden beziehungsweise kollabiert; so genau wusste sie das nicht. Es interessierte sie auch nicht wirklich.

Selbst wenn es einen Weg vom Ringplanetensystem, zu dem ihre Heimat Novis gehörte, gegeben hätte, Xenia wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, zurückzukehren. Für sie war die Erde mit dem Tod ihrer Mutter untergegangen und gestorben.

Nicht nur sprichwörtlich, denn der sich der Erde annähernde Mond hatte durch seine Anziehungskraft eine Reihe von Naturkatastrophen ausgelöst, darunter gewaltige Flutwellen, von denen eine auch ihre Heimat Athen getroffen und verschlungen hatte.

Sie selbst hatte sich mit ihrem Bruder Philipos auf einen Tempel retten können, während ihre Mutter jämmerlich ertrunken war. Und anschließend waren die Taratzen gekommen.*

Noch heute wachte Xenia Vangelis manches Mal schweißgebadet auf, glaubte das Quieken der mutierten Riesenratten zu hören, den Gestank ihrer räudigen Pelze zu riechen.

Nun, hier auf Novis gab es keine Taratzen.

Ein Grund mehr, zu bleiben.

Und irgendwie war es ja auch ein Abenteuer. Sollte sie selbst irgendwann Kinder bekommen, würden diese ein Teil der ersten Generation von echten Novisianern sein. Oder Novisten?

Egal; jedenfalls keine Flüchtlinge mehr, sondern schlicht und ergreifend Bewohner. Bürger einer neuen Welt.

Und Xenia sah es als Pflicht, ihren Kindern ein besseres und komfortableres Leben zu bieten. Ohne Furcht, dass man ihnen die Köpfe abschnitt, um mit der Energie ihrer Gehirne einen Mentalschirm aufrechtzuerhalten, um irgendeine kosmische Entität zu verbergen.

Papa hatte ihr nach der Katastrophe, die so viele Ballonköpfe das Leben gekostet hatte, zu erklären versucht, was da genau passiert war. Und warum. Allerdings hatte Xenia schnell gemerkt, dass er selbst keine richtige Ahnung hatte.

Doch das spielte für Xenia auch keine Rolle. Wichtig war nur, dass sie außer Gefahr waren. Hätte sie sich für die Hintergründe interessiert, hätte sie nach Novis Prime gehen und Xij Hamlet oder Tom Ericson befragen können, die sie damals in Athen vor den Taratzen gerettet hatten.

Um ehrlich zu sein, war die Hauptstadt zurzeit jedoch der letzte Ort, an dem sie sein wollte.

Die Wahrscheinlichkeit, Zekiya dort über den Weg zu laufen, war zwar gering, aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Und darauf legte sie nun absolut keinen Wert.

Obwohl ihr gemeinsames Abenteuer in der Menschfabrik, wo sie von Siragippen gejagt worden waren, bereits einige Jahre zurücklag. Trotzdem hatte sie nicht vergessen, wie Zekiya sie losgelassen, sie im wahrsten Sinn des Wortes fallengelassen hatte, nachdem eine der Riesenspinnen ihre Giftklauen in Xenias Bein versenkt hatte.*

Sie hatte überlebt, aber das hatte sie nicht Zekiya zu verdanken. Tatsächlich hatte Xenia ihren Vater, Xij und Tom darum gebeten, Zekiya in dem Glauben zu lassen, sie wäre gestorben.

Warum sie das getan hatte, wusste sie selbst nicht so genau. Ihre Mutter hätte diese Entscheidung mit Sicherheit nicht gutgeheißen, und auch Papa hatte es abgelehnt, für sie zu lügen. Aber das hatte Xenia auch gar nicht von ihm erwartet.

Sie hatte bloß darum gebeten, Zekiya nichts von ihrer Rettung zu erzählen, es sei denn, sie hätte nachgefragt. Und genau das hatte sie nicht getan. Und damit war Zekiya für sie ebenso gestorben wie Xenia für Vasraas Tochter.

»Nun mach schon, Phil. Trödel nicht herum!«

Zum gefühlt hundertsten Mal ermahnte Xenia ihren jüngeren Bruder, dass er endlich in die Hufe kommen sollte. Die Beharrlichkeit und Sorgfalt, die der Vierjährige beim Binden seiner Schuhe an den Tag legte, ging ihr zunehmend auf die Nerven. Es fehlte nicht viel und sie hätte die Senkel selbst in die Hand genommen, um die Aktion abzukürzen.

Aber sie wusste auch, dass es das Verkehrteste war, was sie tun konnte. Philipos musste nun mal lernen, seine Schuhe selbst zu binden, je früher desto besser. Wenn sie ihn ständig bevormundete, weil er nicht schnell genug war, würde er niemals Selbstvertrauen entwickeln.

Was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass es sie nervte.

Klar, dass Papa ihr diesen Job aufs Auge gedrückt hatte. Während er schon seit annähernd zwei Stunden auf dem Feld war und die Installation des neuen Bewässerungssystems überwachte, musste sie den Babysitter spielen. Und das nur, weil Philipos noch zu jung für die Schule war und alle anderen beim Bau des Aquädukts halfen. Selbst Tante Ismene, die ganz vernarrt in ihren kleinen Neffen war.

Nun, anscheinend nicht so vernarrt, als dass sie dabei zugeschaut hätte, wie er in Zeitlupe die Schnüre miteinander verknotete. Mit der rechten hatte er offenbar deutlich mehr Probleme.

Xenia atmete tief durch. Mit mühsam beherrschter Stimme erklärte sie ihm, wie er die Bänder führen musste. »Nein, erst strammziehen und den Haltknoten binden, dann die Schleife. Ja, sehr gut. Und jetzt den zweiten Knoten.«

Nun mach schon, dachte sie. Mach hinne.

Sie stand so unter Strom, dass sie erleichtert aufstöhnte, als Phil es geschafft hatte und ihr freudestrahlend seine Milchzähne präsentierte.

»Ja, ganz toll.« Erwarte jetzt bloß keinen Orden, fügte sie in Gedanken hinzu. Laut sagte sie stattdessen: »Und nun Abmarsch. Wenn wir so weitermachen, dann fahren sie schon die erste Ernte ein, bevor wir überhaupt da sind.«

Philipos erhob sich und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Das geht doch gar nicht. Papa und Onkel Lazarus haben gesagt, die ollen Bäume brauchen gaaanz doll lange, bis sie groß sind.«

»Olivenbäume«, korrigierte Xenia automatisch. »Und halb lange ist ja auch schlecht möglich.«

Ausnahmsweise wollte Phil dieses Mal nicht wissen, wie seine große Schwester das gemeint hatte. Er rannte aus dem Haus zu dem Fahrrad mit den Stützrädern und fuhr so schnell los, dass Xenia Mühe hatte, ihn einzuholen.

Nein, nicht wirklich.

Aber immerhin hatte er schon ein gutes Stück Vorsprung, als sie sich in den Sattel ihres eigenen Fahrrads schwang. Die hatten sie noch den Kasynari vor dem Untergang ihres Scheinplaneten nach Vorgaben der Retrologen auf dem Maschinenmond Binaar in Auftrag gegeben. Seitdem florierte das Geschäft. Angeblich gab es eine ganze Fabrik, die nur mit der Herstellung von Fahrrädern beschäftigt war.

Xenia trat kräftig in die Pedale, bis sie ihren Bruder eingeholt hatte. Nebeneinander rollten sie aus der Siedlung Richtung Baustelle. Die Sonne brannte heiß vom wolkenfreien Himmel, an dem sich schwach die Silhouetten der Monde Aquus und Botan abzeichneten. Binaar war dagegen nur bei Nacht zu erkennen. Doch dann leuchte und strahlte er wie eine Diskookugel. Was auch immer Tante Ismene damit meinte.

Xenia hatte sich jedenfalls fest vorgenommen, später einmal die anderen Monde zu besuchen. Zunächst aber gab es Wichtigeres und da stand das Aquädukt an erster Stelle.

Sie ließ das Rad rollen und stemmte sich auf den Pedalen aus dem Sattel, um eine bessere Sicht über die sanft geschwungenen Hügel bis hin zu den bewaldeten Hängen zu haben.

Die Rohre glänzten im Sonnenlicht, als seien sie poliert worden. Sie ruhten auf schweren Halterungen aus rostfreiem Stahl, die im Boden verankert waren.

Einige aus dem Dorf, darunter ihr Onkel Lazarus, hatten für die Tragegestelle Holz verwenden wollen, doch die Mehrheit hatte sich dagegen entscheiden. Stahl war langlebiger und vor allen Dingen stabiler. Die Gefahr, dass hölzerne Stützen unter dem Gewicht der Rohre zusammenbrachen, war einfach zu groß.

Außerdem wollten sie vermeiden, durch Rodungen das empfindliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das Ziel war es, Land für Felder und Plantagen zu erschließen und die nahegelegene Wüste fruchtbar zu machen. Zumal der Boden dort ideal für den Anbau von Olivenbäumen und Zitrusfrüchten war.

Bevor sie jedoch die Baustelle erreichten, stieg das Gelände noch einmal leicht an, sodass Xenia und Philipos ordentlich in die Pedale treten mussten.

»Ich kann nicht mehr«, jammerte Phil, und dieses Mal konnte Xenia ihrem jüngeren Bruder die Schwäche nicht einmal verübeln.

Auch ihr bereitete der letzte Abschnitt der Strecke jedes Mal Probleme. Noch vor drei Jahren hätte sie die mit Leichtigkeit gemeistert, obwohl sie damals viel kleiner gewesen war. Es waren die Nachwirkungen des verdammten Siragippengifts, das für ihre Kurzatmigkeit verantwortlich war.

Aufgeben kam für sie natürlich nicht in Frage. Im Gegenteil; sobald sie merkte, dass etwas nicht klappte, wie sie wollte, packte sie der Ehrgeiz. So wie jetzt.

»Halt dich fest!«, schrie sie ihrem Bruder zu und stemmte sich abermals aus dem Sattel, um ihre Kraft mit dem eigenen Körpergewicht zu unterstützen.

Sie wartete gerade lange genug, bis Phil den Gepäckträger zu fassen bekam, dann legte Xenia zu. Die Reifen knirschten auf dem Sand des befestigen Weges, der zwischen den Feldern hinaus in die Wüste und im spitzen Winkel in Richtung Baustelle führte.

Höchstens ein, zwei Tage noch, dann konnte die Anlage in Betrieb genommen werden.

Xenia keuchte.

Jeder Atemzug schmerzte und hinterließ ein brennendes Gefühl in der Brust. Schon nach wenigen Metern war sie in Schweiß gebadet. Am liebsten hätte sie sich die Stirn abgewischt, traute sich aber nicht, die Hand vom Lenker zu nehmen.

Schlagartig verkrampften sich die Bronchien. Tränen schossen Xenia in den Augen. Das Fahrrad schwankte – und rollte über die Hügelkuppe.

Als sie merkte, wie ihr Rad Fahrt aufnehmen wollte, trat sie instinktiv auf die Bremse, während Philipos jauchzend an ihr vorbeischoss. Hügelabwärts; dorthin, wo so ziemlich das gesamte Dorf, siebenundvierzig Frauen und Männer, damit beschäftigt war, das stählerne Konstrukt, das sich wie eine chromblitzende Schlange aus den Bergen hinab ins Tal und weiter hinauf in Richtung Wüste wand, um ein Rohr zu erweitern.

Xenia konnte die Freude ihres jüngeren Bruders durchaus nachvollziehen, sah sich momentan jedoch außerstande, sie zu teilen. Sie war mit anderen Dingen beschäftigt.

Zum Beispiel mit Atmen.

Sie spürte zwar, dass sie mitsamt dem Rad zur Seite kippte, allein, sie konnte es nicht verhindern. Immerhin schaffte sie es, den Sturz mit den Händen abzufangen, wobei sie mit den Knien über den harten Untergrund schrammte. Währenddessen versuchte sie verzweifelt, Luft zu holen.

Sie schien zäh wie Sirup zu sein.

Stiche zuckten durch Xenias Brustkorb, bunte Lichter zerplatzten vor ihren Augen, hinter denen sich die Umgebung drehte, als stünde sie in einem Karussell.

So schlimm war es noch nie gewesen!

Wieso bekam sie keine Luft mehr? Panik drohte Xenia zu übermannen. Wo war das Atemspray, das ihr die Ärztin gegeben hatte? Wo?

Aus der Ferne hörte sie Phil ihren Namen rufen, konnte sich aber nicht um ihren Bruder kümmern. Blind tastete sie ihre Kleidung ab, fand den schmalen Zylinder jedoch nirgends.

Nein, nein, nein!

Jemand packte sie an den Schultern, riss sie zurück. Xenia spürte einen weichen Widerstand im Rücken. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als würde eine wahnsinnige Siragippe mit allen acht Beinen auf sie einstechen, wobei sie unablässig ihre Giftklauen in Xenias Fleisch bohrte.

Seltsamerweise besaß die Siragippe die Stimme ihres Vaters, der beruhigend auf sie einredete – und ihr das Mundstück des Inhalators zwischen die Lippen schob.

Gierig schlürfte Xenia die bitter schmeckende Substanz ein. Zuerst tat sich überhaupt nichts, sodass sie erneut in Panik verfiel.

Papa wischte ihr den Schweiß von der Stirn, streichelte ihre erhitzte Haut. Schatten wallten herbei, verschlangen die Lichter und brachten das Karussell zum Stehen.

Ich sterbe, begriff Xenia, auf seltsam distanzierte und nüchterne Weise.

Und plötzlich bekam sie wieder Luft. Tief atmete sie ein. Unersättlich, gierig. So hastig, dass sie sich beinahe verschluckte und ihr erneut schwindelig wurde.

»Langsam, Xenia. Ganz ruhig. Nicht so schnell.«

Die Worte halfen ihr, das richtige Maß zu finden. Ihre Lungen füllten sich mit Luft, die Stiche wichen wohltuender Wärme, die Sicht klärte sich. Der Schleier löste sich auf, schuf Platz für das verkrampft lächelnde Gesicht ihres Vaters, dessen Augen feucht schimmerten.

Xenia hustete. »Ich... hab... hab's... verbockt.«

»Du warst zu ehrgeizig«, meldete sich Tante Ismene, die Phil im Arm hielt. Sein Gesicht war nass vor Tränen. Offenbar hatte sie ihrem Bruder einen gehörigen Schrecken eingejagt. Und nicht nur ihm.

»Wieso musst du immer die Starke spielen?«, murmelte Papa. »Lass es doch einmal sachte angehen.«

Xenia presste die Lippen aufeinander. Sie hätte ihm auf die Frage durchaus eine Antwort geben können. Sie hing mit den Albträumen zusammen. Mit ihrer Flucht vor dem Wasser, den Taratzen, den Schreien ihrer sterbenden Mutter. Doch das hätte nur noch mehr Salz in die Wunden ihres Vaters gestreut.

Sie war vielleicht erst vierzehn, aber sie war nicht blöd.

»Geht's wieder?«, fragte Lazarus, das bärtige Gesicht zu einem Lächeln verzogen. »Da bist du wohl gerade von den Toten auferstanden.«

Ihr Onkel hatte schon immer einen seltsamen Sinn für Humor gehabt. Als Angehörige einer ehemaligen Techno-Enklave mit gut ausgestatteter Bibliothek und eigener Kapelle wusste sie genau, wer Lazarus war. Allerdings blieb ihr das Lachen im Halse stecken.

»Komm«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Ich zeige dir und deinem Bruder die Baustelle.«

Xenia beobachtete, wie Ismene die Stirn in Falten legte.