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Seit anderthalb Jahren sind Rulfan und seine Freundin Reese nun schon verschwunden, offenbar bei der Suche nach Matt und Aruula mit einem schrottreifen Gleiter abgestürzt, den Aran Kormak ihnen stellte. Der General hatte auch kein Interesse daran, ausgiebig nach den beiden zu suchen; für ihn war Rulfan immer ein Störfaktor. Nach ihrer Rückkehr aus Euree wollen Matt und Aruula nun endlich ergründen, was mit dem alten Freund und seiner Gefährtin geschehen ist. Mit PROTO machen sie sich auf den Weg und stoßen auf das Rätsel im See.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah...
Das Rätsel im See
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.
In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.
Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.
Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.
Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.
Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.
Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.
Dies sind ihre Abenteuer...
Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!
Das Rätsel im See
von Ian Rolf Hill
»Festhalten!«, war Rulfans letztes Wort. Kurz nachdem das Triebwerk ihres Gleiters mit ohrenbetäubendem Knall explodiert war. Die Hitze des Feuers war längst durch das Loch im Heck entwichen. Rasend schnell kam die Felswand auf sie zu.
Reese handelte instinktiv. Raus hier. Sofort! Abschnallen, aufstehen. Leichter gedacht als getan. Eine unsichtbare Faust schien sie in den Sitz zu drücken. Kräftige Hände rissen sie hoch.
Reese stolperte auf das Loch im Heck zu, vor ihr eine Wand aus Feuer, dahinter strahlend blauer Himmel. Sie stieß sich ab. Heiß leckte das Feuer über ihre Haut, verschmorte die Haare. Dann eiskalte Luft. Reese fühlte sich herumgewirbelt und vernahm das Krachen, mit dem der Gleiter zerschellte.
Gefolgt von Stille.
Matthew Drax plagte das schlechte Gewissen.
Und das war noch milde ausgedrückt. Er fühlte sich miserabel. Er hätte längst etwas unternehmen müssen, doch es hatte sich einfach keine Gelegenheit dazu ergeben. Immer wieder war etwas dazwischengekommen.
Erst die Schlacht in Waashton, mit der der Schreckensherrschaft der Nosfera ein Ende gesetzt worden war, dann der Wiederaufbau der Stadt, ihre Reise nach Euree und nicht zuletzt General Kormak, der auf eine baldige Fortsetzung ihrer Mission drängte: In ganz Meeraka als schnelle Eingreiftruppe bei Notrufen und Mysterien zu fungieren und die Botschaft von Sicherheit und Frieden in die entlegensten Winkel zu bringen, auf dass der Weltrat wuchs und gedieh.
Matt verzog das Gesicht. Es wurde höchste Zeit, dass er eigene Prioritäten setzte.
»Einen Perry für deine Gedanken!«
Der Mann aus der Vergangenheit schreckte aus seinen Grübeleien hoch und schaute seine Gefährtin Aruula, die neben ihm im Copilotensitz des Amphibienpanzers PROTO saß, irritiert an. »Was?«
»Sagte man das nicht in deiner Zeit, wenn man erfahren wollte, was der andere denkt?«
»Einen Penny«, knurrte er. »Perry war eine Science-Fiction-Serie, mit der ich meine Sprachkenntnisse aufpoliert habe.«
Aruula richtete ihren Blick durch die Cockpitscheibe, vor der sich der aufgerissene, löcherige Highway 95 gen Süden erstreckte. Schließlich hob sie die Brauen und schürzte die Unterlippe. »Ist doch egal, beides gibt es nicht mehr. Also verrätst du mir, was dich beschäftigt, oder muss ich dich erst belauschen?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Matt lenkte den Panzer um das ausgebrannte Wrack eines Sattelschleppers herum.
Die Kriegerin von den Dreizehn Inseln seufzte. »Das hatten wir doch schon, Maddrax. Es bringt nichts, dich mit Selbstvorwürfen zu zerfleischen. Zumal dich keine Schuld trifft.«
»Das weiß ich alles. Trotzdem: Reese und Rulfan sind auf der Suche nach uns verschwunden. Sie haben alles darangesetzt, uns zu finden, als wir in Amraka verschollen waren. Und was haben wir getan?«
»Willst du darauf jetzt eine Antwort?«
Matt winkte ab und konzentrierte sich wieder auf das Fahren. Er wusste selbst, dass er nach Strohhalmen griff. Die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen war gegen das, was er vorhatte, ein Klacks. Immerhin war ein Heuhaufen ziemlich überschaubar im Vergleich zu der Strecke, die sie abzusuchen gedachten.
Er hatte versucht, anhand der Karten und Aufzeichnungen den Weg seiner Freunde zu rekonstruieren. Doch selbst wenn er an dem Punkt ansetzte, an dem Rulfans Gleiter vom Radarschirm des Weltrats verschwunden war, blieben noch immer Tausende von Quadratmeilen übrig. Und wer wusste schon, wohin es Reese und Rulfan in den letzten anderthalb Jahren verschlagen hatte?
Seine Hoffnungen beruhten darauf, Zeugen zu finden, die vielleicht etwas gesehen hatten. Und sei es auch nur ein flüchtiger Blick auf den Gleiter.
Oder sie empfingen ein Signal des Transponders. Sofern einer an Bord des Gleiters gewesen war, den Kormak seinen Freunden zur Verfügung gestellt hatte.
Matt wusste inzwischen, dass es sich bei dem General, der jetzt im Pentagon saß und die Streitkräfte des Weltrats befehligte, nicht um einen Doppelgänger aus einer Parallelwelt handelte wie anfangs angenommen.
Es war das Original.
Der echte Kormak.
Der Schlächter von Izmir, der König von Novis, ehemaliger Anführer der Reenschas – und ein verdammter Kriegsheld. Wer wusste, ob sie ohne seine Dark Force den Afra-Krieg gewonnen hätten?
Damals war Matt davon ausgegangen, dass Kormak aus einer Parallelwelt stammte und nichts mit dem Kerl zu tun hatte, der Kriegsgefangene und Deserteure an Siragippen verfütterte. Aber er hatte sich geändert. Das hatte er kürzlich erst wieder unter Beweis gestellt, als er sich gegen die Nosfera gestellt hatte.1
Trotzdem blieb ein Rest von Misstrauen. Und die leidige Frage, ob sich Menschen wirklich ändern konnten oder alles nur Fassade war.
»Deine Schuldgefühle werden Rulfan und Reese nicht helfen!«
Aruula ließ einfach nicht locker. Das Problem war nur, dass sie recht hatte. Selbst wenn er sie bat, das Cockpit zu verlassen, oder sie anblaffte, würde sich daran nichts ändern. Was geschehen war, war nun einmal geschehen.
»Als ob ich das nicht wüsste!«
»Ich möchte dich nicht quälen, aber du musst dir im Klaren darüber sein, dass wir möglicherweise keine Spur von ihnen finden werden. Dass sie für immer verschollen bleiben und längst tot sind.«
Normalerweise liebte er Aruula für ihre Direktheit, doch heute hätte er sie dafür am liebsten aus dem Panzer geschmissen.
Matt presste die Kiefer aufeinander.
»Egal, wie sehr du mit den Zähnen knirschst«, fügte Aruula noch hinzu. Sie lehnte sich zurück und schaute demonstrativ durch das Frontfenster.
Noch während er fieberhaft nach einer passenden Antwort suchte, meldete sich das Funkgerät. Matt seufzte. Er konnte sich denken, wer da etwas von ihm wollte. Und er sollte sich nicht getäuscht haben.
»Matt, verdammt!« Kormaks Stimme hallte blechern aus dem Lautsprecher. »Wo steckt ihr?«
Drax überlegte, ob er den General anlügen sollte, kam jedoch zu dem Entschluss, dass das nicht nur kindisch, sondern auch nutzlos gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte er sie längst auf dem Radar.
»Fünfzig Meilen südlich von Waashton«, erwiderte Matt daher wahrheitsgemäß. »Tendenz steigend!«
»Schön für dich. Dann schlage ich vor, du lässt die Tendenz wieder sinken und kommst zurück. Ich habe einen neuen Auftrag für euch.«
»Tut mir leid, ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Was?«
Matt warf Aruula einen kurzen Seitenblick zu, doch die Kriegerin tat so, als würde sie das Gespräch gar nichts angehen. »Wir, äh, machen Urlaub!«
»Willst du mich verarschen?«, blaffte Kormak.
»Nichts läge mir ferner!«
»Ihr seid wochenlang kreuz und quer durch Euree getingelt – mit einem von meinen Gleitern, wohlgemerkt.«
»Das war doch kein Urlaub«, protestierte Matt. »Sorry, Aran, aber wir sind keine Soldaten, die du nach Belieben herumscheuchen kannst.«
»Okee, tut mir leid«, lenkte der General überraschend schnell ein. »Und wie lange soll euer Urlaub dauern?«
»So lange, bis wir Rulfan und Reese gefunden haben!«
»Das ist doch Irrsinn. Das kann Monate dauern! Und wenn ihr nie eine Spur findet, was dann?«
»Dann wirst du dir wohl ein paar neue Botschafter suchen müssen. Ende und aus!« Matt deaktivierte das Funkgerät.
Kaum hatte er das getan, bereute er seinen harschen Ton auch schon. Aber auch ein General Kormak musste lernen, dass ihr Daseinszweck nicht darin bestand, Gewehr bei Fuß zu stehen, sobald er es verlangte.
Trotzdem hatten seine und Aruulas Worte eine wichtige Frage aufgeworfen. Wie lange würde es dauern, bis er einsah, dass er einer fixen Idee hinterherjagte?
Anderthalb Jahre zuvor
Die Druckwelle des explodierenden Gleiters erfasste Rulfan und schleuderte ihn herum.
Die Welt drehte sich irrsinnig schnell. Der Neo-Barbar wusste nicht mehr, wo oben oder unten war. Längst hatte er Reese aus dem Blick verloren. Wie ein welkes Blatt war sie ihm aus der Hand gerissen worden.
Mit der Druckwelle kam der Knall. Ein stechender Schmerz fuhr Rulfan durch die Ohren, explodierte hinter seiner Stirn und löschte sein Bewusstsein aus.
Erst als er in das eiskalte Wasser des Bergsees klatschte, kehrte es zurück. Schlagartig. Rulfan zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag erlitten. Um ihn herum waren eisige Stille, lähmende Kälte und diffuses Licht, das von schwammiger Finsternis geschluckt wurde.
Auf seiner Lunge lastete ein mörderischer Druck.
Reflexartig reckte er dem verwaschenen Licht die Arme entgegen, strampelte mit den Beinen. Ein brennender Schmerz im rechten Knie raubte ihm fast das Bewusstsein. Gleichzeitig kämpfte er gegen das stärker werdende Verlangen an, den Mund aufzureißen und einzuatmen.
Das Licht wurde größer, greller. Obwohl es in den Augen schmerzte, schloss der Neo-Barbar nicht die Lider. Und dann – durchstieß sein Kopf die Wasseroberfläche.
Schwer hingen ihm die tropfnassen weißen Haare ins Gesicht. Rulfan schleuderte sie zurück und schnappte keuchend nach Luft. Um ihn herum Wasser. Und eine steil aufragende Felswand, aus der sich eine fette schwarze Rauchsäule in den wolkenlosen Himmel schraubte.
Darunter waberte weißer Dampf über der Wasseroberfläche, dort, wo die heißen Trümmer ihres Gleiters in den See gestürzt waren.
Das war mehr als knapp, schoss es Rulfan durch den Kopf.
Sein nächster Gedanke galt Reese. Wasser tretend warf sich der Neo-Barbar herum, ließ den Blick über die Wellen schweifen, ohne den feuerroten Schopf seiner Freundin zu erblicken.
Heiß wie die aufsteigende Lava in einem Vulkanschlot stieg die Angst in ihm hoch. Aus Leibeskräften brüllte er: »Reeeeeese!«
Der Schrei erstickte in einem Schluchzen, als sich seine malträtierte Brust schlagartig verkrampfte. Hastig atmete Rulfan tief durch. Ein, aus. Ein, aus. Und wieder – ein und aus!
Dann noch einmal: »Reeeeese!«
Doch seine Freundin blieb verschwunden. Die eisige Tiefe hatte sie geschluckt und gab sie nicht wieder her!
Jetzt
PROTO schaukelte wie ein Schiff auf hoher See über den löcherigen Asphalt der otowajii, wie die Wandernden Völker in Euree die Autobahnen nannten, die im Laufe der Jahrhunderte zu unwegsamen Pisten geworden waren.
Mit jeder Meile, die sie sich von Waashton entfernten, wurden die Schlaglöcher tiefer und der Bewuchs dichter. Längst hatten sie die Appalachen erreicht. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren ihre Ausläufer von Schnee und Eis bedeckt gewesen. Die Verschiebung der Erdachse hatte praktisch die gesamte Ostküste Nordamerikas in eine Eiswüste verwandelt.
Die Staubwolke, die der Einschlag des Kometen in die obere Atmosphäre geschleudert hatte, hatte ihr Übriges dazu beigetragen, eine neue Eiszeit einzuläuten.
Seitdem war eine Menge passiert.
Die Überschwemmungen, die auf die Erde stürzende Mondtrümmer im Jahr 2528 ausgelöst hatten2, beschleunigten die Schmelze der Schnee- und Eismassen.
Die Temperaturen waren gestiegen und jetzt, knapp fünfhundertfünfzig Jahre nach dem Einschlag von »Christopher-Floyd« war die Ostküste wieder weitestgehend eisfrei. Nur in den Wintermonaten fegten noch regelmäßig Blizzards über das Land, wie man sie früher nur aus Kanada und den nördlicheren Territorien gekannt hatte.
Ein heftiger Schlag erschütterte den Panzer. PROTO schlingerte, neigte sich zur Seite. Matt steuerte gegen.
Aus der Kabine erklang ein Poltern, gefolgt von einem derben Fluch. Anscheinend war Aruula nicht nur unsanft geweckt worden, sondern auch aus der Koje gefallen.
Matt stand der kalte Schweiß auf der Stirn. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war, dass PROTO umkippte und wie ein Käfer in Rückenlage auf dem Dach zu liegen kam.
»Was ist passiert?«, erklang Aruulas Stimme hinter ihm.
»Der Asphalt ist unter uns weggebrochen, das ist passiert!«
Als wollte PROTO die Worte des Commanders bestätigen, ging ein Ächzen durch seine Panzerung. Das schwerbewaffnete Amphibienfahrzeug kam so ziemlich mit jedem Gelände zurecht, doch selbst PROTO konnte in Bedrängnis geraten. Zum Beispiel, wenn der Boden das tonnenschwere Gewicht nicht mehr zu tragen vermochte.
»Wir sind zu schwer!«, fügte Matt hinzu. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
»Willst du damit sagen, ich sei zu fett?« Aruula schwang sich auf den Copilotensitz.
Doch Matt war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er versuchte wieder festen Boden unter die Räder zu bekommen, doch dafür musste er diese erst mal einmal aus der Spalte herauskriegen.
Matt spielte mit dem Gaspedal. PROTO bockte.
Die Bäume am Wegesrand schwankten vor und zurück, als würden sie auf einer dünnen Erdschicht stehen und nicht tief verwurzelt im Boden stecken.
Schließlich war es der Mann aus der Vergangenheit leid und er rammte den Vorwärtsgang ins Getriebe. Der Panzer machte einen Satz nach vorne. Matt schlug das Steuer ein. Nach rechts, hangaufwärts, in der Hoffnung, dass der Boden dort fester war. Gut fünfzig Yards vor und zehn Yards über ihnen zog sich der schmale Grat eines bewaldeten Bergrückens entlang.
Wenn sie den erreichten, hatten sie es geschafft, auch wenn das bedeutete, dass sie deutlich langsamer vorankamen.
Aber das Schicksal hatte, wie so oft, ohnehin ganz andere Pläne. Kaum hatte sich PROTO aus der Erdspalte befreit, öffnete sich unter ihm der Boden.
Statt zur Seite, neigte sich der Panzer plötzlich nach vorne und rutschte über die Kante des weggebrochenen Asphalts einen Hang hinunter.
Selbst mit seinen verbesserten Augen hatte Matt das Loch zu spät gesehen. Das Spiel aus Licht und Schatten, das das dichte Kronendach auf den Boden warf, hatte ihm die Sinne verwirrt. Jetzt war es zu spät.
Matt knüppelte den Rückwärtsgang rein, doch der nachrutschende Sand machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
Ein dunkler Schlund gähnte ihnen entgegen wie der überdimensionale Trichter eines gigantischen Ameisenlöwen. Vor Matts geistigem Auge flammte kurz das Bild eines solchen auf. Vor einem Jahr hatten sie es mit so einem Vieh zu tun bekommen. Allerdings nicht in einem Erdtrichter, sondern in der Ruine eines verlassenen Hallenbads in Amraka.3
Und schon sprang ihnen das zuckende, wimmelnde Chaos entgegen.
Doch es waren nicht die Zangen eines Ameisenlöwen, sondern schlangengleiche Tentakel, deren Enden sich wie Blütenblätter teilten und einen mit spitzen Zähnen gespickten Schlund entblößten.
»Gejagudoos«, entfuhr es Aruula.
Und zwar ein ganzes Nest von ihnen, fügte Matt im Geiste hinzu. Er tastete nach der Waffensteuerung, während er verzweifelt darum kämpfte, PROTO nicht tiefer in den Abgrund rutschen zu lassen. Kreischend wühlten sich die Räder tiefer in das Erdreich.
Matt musste das Steuer mit beiden Händen halten, so sehr ruckelte es.
Zum Glück war Aruula da.
Ein Gewitter aus bläulich fluoreszierenden Blitzen fuhr hinab in die Tiefe und in das Gewimmel der schlangengleichen Leiber. Die von spastischen Konvulsionen geschüttelt wurden, als hätten sie in eine Stromleitung gebissen.
Aruula schaltete den Taser aus, und die Brut sank qualmend und betäubt in sich zusammen, bildete einen Haufen, der den Commander an anthrazitfarbene Makkaroni erinnerte.
Matt kam eine Idee. Gedanke und Tat waren eins. Er schaltete in den Vorwärtsgang und gab Gas. PROTO schien nur auf dieses Manöver gewartet zu haben. Er katapultierte sich geradewegs nach vorne. Die schweren, an vier Achsen befestigten Plastiflex-Reifen wühlten sich durch das dampfende Fleisch. Blutige Fetzen spritzten nach allen Seiten.
PROTO holperte über die Brut hinweg, bäumte sich auf und raste wie auf einer Rampe über den gegenüberliegenden Hang zurück an die Oberfläche. Matt musste einen kleinen Schlenker nehmen, um nicht gegen die Abbruchkante des Asphalts zu krachen, und das war sein Glück.
Denn kaum hatten sie das Gewimmel hinter sich gelassen, explodierte die blubbernde Masse in einer Fontäne aus Blut, Fleisch und Innereien.
Ein massiger Leib, mindestens dreimal so dick und bestimmt fünfmal so lang wie die Gejagudoo-Brut, schoss hinter PROTO her.
Das Muttertier!
Matt beschleunigte. Die mutierte Erdschlange glitt vor der Abbruchkante vorbei auf den Panzer zu, der zurück auf die Fahrbahn holperte. Der Commander riss das Steuer herum, drückte das Gaspedal durch und aktivierte die Vorderbremse. Das Heck schleuderte herum.
Rückwärtsgang und Bremse lockern.
Wieder zuckten Blitze aus dem Taser und leckten über den Leib des fünfzehn Meter langen Riesenwurms, der sich auf PROTO zu schlängelte. Matt steuerte den Panzer rückwärts im Slalom um die Schlaglöcher und Hindernisse herum.
Mit Entsetzen sah er, dass die Elektroschocks dem Ungeheuer nicht das Geringste anhaben konnten. Der Gejagudoo wurde höchstens noch wütender. Er bäumte sich auf.
Aruula hatte ebenfalls gemerkt, dass sie mit dem Taser nicht weit kamen, und aktivierte stattdessen die Vulkan-Kanone. Die sechs kreisförmig angeordneten Läufe wirbelten um die Längsachse und spuckten 30 mm-Geschoss auf die Hornplatten am Bauch des Monstrums.
Dem massiven Beschuss hielt selbst die Panzerung nicht stand. Sie platzte auf.
Eine rosafarbene Masse spritzte heraus. Der Gejagudoo wurde von den Einschlägen durchgeschüttelt, warf den Kopf in den Nacken, nur um ihn im selben Augenblick wieder nach vorne zu werfen. Matt riss am Steuer und zerrte PROTO in eine enge Linkskurve.
Der herabsausende Schädel verfehlte ihn nur um Haaresbreite.