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Der Auftakt der mitreißenden Small-Town-Romance-Serie von Bestseller-Autorin Laura Pavlov In der malerischen Kleinstadt Magnolia Falls begegnen sich zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Romeo, ein Ex-Boxer mit düsterer Vergangenheit, der sich aus schwierigen Verhältnissen hochgearbeitet hat und nun ein Fitnessstudio besitzt. Und Demi, die Tochter aus gutem Haus, die nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt ein Café direkt neben Romeos Studio eröffnet. Als Nachbarn stehen sie ab Minute eins auf Kriegsfuß, denn es war Demis Familie, die Romeo vor Jahren skrupellos in den Abgrund riss. Aber als Romeo Demi aus einer gefährlichen Situation hilft, beginnen sie einander in einem anderen Licht zu sehen. Doch alte Konflikte und neue Herausforderungen stellen ihre Beziehung auf eine harte Probe. Hat ihre Liebe eine Chance? »Mir gefällt, dass du das Gute in jedem Menschen siehst. Dass du sogar Menschen verteidigst, die es eigentlich nicht verdient haben. Die Welt braucht mehr Demi Crawfords.« »Und was brauchst du?« »Ich brauche mehr von der einen Demi Crawford.« Loving Romeo ist der erste Band der fünfteiligen Small-Town-Romance-Serie MagnoliaFalls - eine gefühlvolle Enemies-to-Friends-to-Lovers-Geschichte voller großer Emotionen, mit einem fantastischen Happy End und heißen Bad Boy vs. Good Girl-Vibes.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Laura Pavlov
Magnolia Falls, Band 1: Loving Romeo
Aus dem Englischen von Beate und Ute Brammertz
Der Auftakt der mitreißenden Small-Town-Romance-Serie von Bestseller-Autorin Laura Pavlov – mit hochwertigem Farbschnitt in der ersten Auflage!
In der malerischen Kleinstadt Magnolia Falls begegnen sich zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Romeo, ein Ex-Boxer mit düsterer Vergangenheit, der sich aus schwierigen Verhältnissen hochgearbeitet hat und nun ein Fitnessstudio besitzt. Und Demi, die Tochter aus gutem Haus, die nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt ein Café direkt neben Romeos Studio eröffnet. Als Nachbarn stehen sie ab Minute eins auf Kriegsfuß, denn es war Demis Familie, die Romeo vor Jahren skrupellos in den Abgrund riss. Aber als Romeo Demi aus einer gefährlichen Situation hilft, beginnen sie einander in einem anderen Licht zu sehen. Doch alte Konflikte und neue Herausforderungen stellen ihre Beziehung auf eine harte Probe. Hat ihre Liebe eine Chance?
Loving Romeo ist der erste Band der fünfteiligen Small-Town-Romance-Serie Magnolia Falls – eine gefühlvolle Enemies-to-Friends-to-Lovers-Geschichte voller großer Emotionen, mit einem fantastischen Happy End und heißen Bad Boy vs. Good Girl-Vibes.
WOHIN SOLL ES GEHEN?
Buch lesen
Viten
Für meinen liebsten fiktionalen Helden aller Zeiten
»Aber der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann. Es zählt bloß, wie viele Schläge er einstecken kann und ob er trotzdem weitermacht.«Rocky Balboa
1
ROMEO
Rülpsen.
Furzen.
Verarschen.
Das waren unsere Stärken.
Die Jungs und ich saßen auf denselben Plätzen wie jede Woche, das hatte seit einer gefühlten Ewigkeit Tradition. Es war die Macht der Gewohnheit oder des Aberglaubens – oder vielleicht ein bisschen von beidem. Boxer sind in diesem Punkt anders als Rennfahrer. Es gibt keine stinkenden Socken, die ein Typ ein ganzes Jahr lang trägt, aber wir haben unsere eigenen Rituale, die manch einem vielleicht seltsam vorkommen, daher auch die feste Sitzordnung. Wir trafen uns im Knockout, dem Boxclub, der jetzt mir gehörte und in den wir seit unserer Kindheit gingen. In diesen vier Wänden war ich praktisch aufgewachsen. Verdammt, im Grunde traf das auf uns alle zu.
»Heute gibt’s viel zu besprechen.« River sah Kingston und Nash mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er ließ sich von keinem was gefallen und war der Erste, der einen zur Rede stellte, wenn er mit irgendwas ein Problem hatte.
»Jammern wir immer noch wegen dem Scheiß-Coffeeshop rum?« Kingston stöhnte. Er und River waren die einzigen biologischen Brüder in der Gruppe, aber im Geiste waren wir das auf unsere Art alle. Auf die Art, die am meisten zählte.
Nash stieß ein bellendes Lachen aus. Ihm und Kingston gehörte die Baufirma ROD Construction, was für Ride or Die stand, die Worte, die wir uns alle vor Jahren auf die Haut tätowiert hatten. »Mann, es war doch bloß ein Job. Was hätten wir denn tun sollen? Den Auftrag ablehnen? Wir hätten wie Trottel ausgesehen. In den letzten vier Jahren haben wir jede Renovierung in der Stadt angenommen.«
»Überraschung! Ihr seht trotzdem wie Trottel aus. Das hat nichts mit den Jobs zu tun, die ihr annehmt.« River lachte leise. »Aber wahrscheinlich habt ihr einfach nur Schiss, es euch mit den Crawfords zu verscherzen.«
Der Familie Crawford gehörten fast alle Immobilien in Magnolia Falls, der Kleinstadt, in der wir aufgewachsen waren. Crawfords Name zierte das Schild der Hauptgeschäftsstraße, die Schulen der Stadt und die Bibliothek … die Liste war endlos. Sie waren stinkreich, und wir hatten unsere Gründe, sie zu hassen.
Doch ich hatte für Nash und Kingston Partei ergriffen, als Demi Crawford sich nach Jahren fernab an der Uni entschieden hatte, einen Coffeeshop direkt neben meinem Boxclub zu eröffnen. Die Bezahlung war gut, und meine persönlichen Differenzen sollten ROD Construction auf keinen Fall im Weg stehen. Die Jungs hatten ja nicht privat mit ihr abgehangen, sondern waren nur dort gewesen, um ihren Job zu erledigen. River sah das jedoch anders.
»Ich hab dir doch erklärt, dass Saylor sich an der Uni mit ihr angefreundet hat, und laut dem Sonnenschein, mit dem ich irgendwie dieselbe DNA teile, ist Demi cool. Ihre Worte, nicht meine. Ganz offensichtlich.« Hayes verdrehte die Augen bei der Erwähnung seiner jüngeren Schwester, die er abgöttisch liebte und die ein viel freundlicheres Gemüt als ihr grüblerischer großer Bruder hatte. »Die Crawfords sind ganz sicher keine Freunde von mir, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht manchmal mit einem von ihnen zusammenarbeiten müssen. Immerhin leben wir in derselben beschissenen Kleinstadt wie sie. Letztes Jahr musste ich das Feuer in ihrem Gästehaus löschen, und ihr habt mir nicht die Hölle heißgemacht, weil ich es nicht einfach hab abbrennen lassen.«
»Scheiß drauf. Das Projekt ist endlich abgeschlossen.« River nippte an seinem Kaffee und lehnte sich auf der Ledercouch im Hinterzimmer zurück, wo unsere Treffen immer stattfanden. »Jetzt können wir also aufhören, dem Teufel in den Arsch zu kriechen?«
»Korrekt. Aber ich muss euch sagen – sie ist nicht die reiche Zicke, für die ihr sie haltet«, erklärte Kingston und hob abwehrend die Hände hoch, damit River ihm nicht gleich an die Kehle ging. »Ich meine ja bloß. Sie hat auch noch die Wohnung über dem Laden renovieren lassen und wird dort einziehen. Nicht ganz der Elfenbeinturm, den ihr euch anscheinend vorstellt. Meine Meinung.«
»Oh, lass mich raten. Du willst jetzt eine Scheiß-Crawford daten?«, zischte River.
»Schalt mal einen Gang runter, Schwachkopf. King war gestern Abend mit mir was trinken, und ich kann dir versichern, dass er nicht auf der Suche nach nur einem Date ist«, sagte Hayes über das Gelächter hinweg. »Er will jede daten.«
»Bei dir klinge ich wie ein Arschloch. Ich halte mir nur gern ein paar Optionen offen. Und nein, ich will Demi Crawford nicht daten. Sie ist viel zu süß für meinen Geschmack.« Kingston hob die Augenbrauen. Er wusste, dass dieses Thema seinem Bruder unter die Haut ging.
Die Abneigung gegen die Crawfords war in uns allen tief verwurzelt. Und das zu Recht. Doch Demi war im Grunde nicht in die Sache involviert gewesen, und keiner von uns kannte sie besonders gut, weil sie die schicke Privatschule besucht hatte, während wir auf die öffentliche Highschool gegangen waren. Zumindest an den Tagen, an denen wir tatsächlich dort aufgekreuzt waren. Keiner von uns hatte sonderlich gute Noten geschrieben, aber wir hatten alle einen Abschluss geschafft.
River und ich hatten nach den Monaten im Jugendknast eine schwere Zeit durchgemacht, aber wir hatten beide hart gearbeitet, um unser Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Wenn man erst mal seinen Ruf weghat, ist es schwer, das Ruder herumzureißen. Menschen lieben es, über andere zu urteilen – und das Urteil über uns war klar.
»Den Crawfords liegt das Böse im Blut. Aber wir haben genug Zeit damit verschwendet, über sie zu reden. Lasst uns zum Elefanten im Raum übergehen, nicht wahr, Golden Boy?« River richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.
Die Jungs hatten mir diesen Spitznamen gegeben, der sich auch in meiner Boxkarriere durchgesetzt hatte. Ich war der Jüngste in der Gruppe, und wir hatten viel zusammen durchgestanden. Wir hatten uns angefreundet, als wir noch Kinder gewesen und sie zufällig in der Gasse hinter dem Club auf mich gestoßen waren, wo ich gegen drei Typen gekämpft hatte, die alle mehrere Jahre älter waren als ich. Sie hatten mir aus der Patsche geholfen. Seitdem waren wir beste Freunde.
»Wen zum Teufel müssen wir wegen dem Bullshit vermöbeln, den dieses Arschgesicht da schon wieder abzieht?« Hayes beugte sich vor, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt. Er war Feuerwehrmann und sah dementsprechend aus: groß und tough, einfach ein knallharter Typ.
»Er will doch nur Aufmerksamkeit.« Übertrieben lässig zuckte ich mit den Schultern und versuchte, cool zu wirken, obwohl mir die Sache an die Substanz ging.
Leo »The Flamethrower« Burns war Profiboxer. Sie nannten ihn The Flamethrower, weil er behauptete, sein rechter Haken wäre der Kuss des Todes.
Vor einiger Zeit hatte er den Meisterschaftsgürtel an Gunner Waverly verloren. Es war die einzige Niederlage in seiner gesamten Karriere, und seit Monaten heulte er sich bei jedem aus, der ihm zuhörte. Er wollte eine Revanche. Behauptete, es sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen und Gunner habe nur Riesenglück gehabt.
In der Branche war Leo ein großer Name. Er hatte eine riesige Fangemeinde auf Social Media, und die Presse liebte ihn, weil er völlig durchgeknallt und unberechenbar war. Einmal hatte er einen Stuhl durch das Fenster eines Restaurants geworfen, weil die Bedienung ihn nicht erkannt und sich erdreistet hatte, ihn zu bitten, auf einen freien Tisch zu warten.
Der Kerl war ein echtes Arschloch. Und aus irgendeinem abgefuckten Grund hatte er jetzt mich auf dem Schirm. Interessanterweise war nämlich der Kampf, der mir vor ein paar Jahren den Profistatus eingebracht hatte, gegen Gunner Waverly gewesen. Damals war der selbst gerade erst Profi geworden. Mein Vater hatte seine Beziehungen spielen lassen, und Gunner hatte eingewilligt, gegen mich anzutreten. Damals war er noch kein großer Name gewesen, und es hatte kein großes Aufsehen erregt, als ich gegen ihn gewann. Kurz darauf hatte ich der Boxwelt den Rücken gekehrt. Gunner hingegen hatte anschließend eine steile Karriere hingelegt. In einem spektakulären Kampf hatte er Leo den Gürtel abgenommen, und Leo hatte auf jedem Nachrichtensender eine Revanche gefordert. Wir spulen ein paar Wochen vor: Nach einem Verkehrsunfall musste Gunner ein Fuß amputiert werden. Diesen Scheiß kann man sich nicht ausdenken. Gunner hatte sich offiziell aus der Boxwelt zurückgezogen und seitdem Leo nicht aufgehört, wie ein bockiges Kleinkind zu toben, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Der Mann hatte verdammt noch mal einen Fuß verloren, und Leo beschwerte sich jammernd, dass er jetzt seine Revanche nicht mehr bekommen würde.
Und genau zu dem Zeitpunkt wurde ich in diesen Mist reingezogen.
Wie es das Schicksal so wollte, war ich zufälligerweise der Letzte, gegen den Gunner Waverly jemals verloren hatte. Aus diesem Grund schoss Leo sich jetzt darauf ein, seinen Namen zu rehabilitieren, indem er gegen mich boxte. Da Leo der Letzte war, der vor Gunner den Meisterschaftsgürtel getragen hatte, meinte er gegen mich kämpfen zu müssen, um den Gürtel zurückzubekommen. Und allen zu beweisen, dass er besagten Titel verdiente. Obwohl niemand wusste, wer zum Teufel ich war. Und für mich war dieser Mangel an Berühmtheit auch völlig in Ordnung.
»Er ist ein echter Mistkerl. Aber wenn du gegen dieses Arschloch antrittst, dann stehen wir hinter dir«, sagte Kingston kopfschüttelnd. Meine Jungs hatten mich bei jedem einzelnen Kampf begleitet, seit ich in der Highschool mit Boxen angefangen hatte. So waren wir nun mal. Wir ließen einander niemals im Stich.
Ride or die.
»Fuck, ich erinnere mich an den Kampf gegen Gunner. Du hast es ihm richtig gezeigt, und alle waren völlig überrascht.« River rieb sich die Hände. »Aber die Sache mit Leo ist völlig außer Kontrolle geraten. Ich weiß, du bist hin- und hergerissen, ob du wieder in den Ring steigen sollst, aber eins muss ich dir sagen … Ich würde liebend gern zusehen, wie du diesem Kerl das Maul stopfst.«
Meine Boxhandschuhe hatte ich an den Nagel gehängt, als mein Vater ein paar Monate nach dem Kampf gegen Gunner neben dem Ring zusammengebrochen und wenige Stunden später verstorben war. In jenem Moment verlor ich sämtliche Lust am Boxen und fing stattdessen an, das Knockout mit Rocco, dem Geschäftspartner meines Dads, zu leiten, der vor einem Jahr in Rente gegangen war. Ich konnte ihn ausbezahlen, und jetzt gehörte der Boxclub mir und hielt mich ziemlich auf Trab. Ich trainierte ein paar Boxer, kümmerte mich um die Angestellten und sorgte dafür, dass die Lichter hier nicht ausgingen. Der Club warf genug ab, dass ich gut über die Runden kam. Aber die große Kohle machte ich nicht gerade, und dieser Kampf bot eine Möglichkeit, schnell gutes Geld zu verdienen. Während meine Schwester an der Uni studierte, tat ich mein Bestes, um nach dem Tod meines Vaters meine Mom und meine Großmutter zu unterstützen. Ich war froh, dass die beiden zusammengezogen waren, damit keine von ihnen allein war.
»Ich hab mit Lincoln drüber gesprochen, und er hat mir geraten, mich nicht von ihm reizen zu lassen. Er kennt sich mit diesem ganzen Mist viel besser aus als ich.« Lincoln Hendrix war mein großer Halbbruder, von dem ich erst nach dem Tod meines Vaters erfahren hatte. Unser Dad hatte meinem unbekannten Bruder einen Brief hinterlassen, und ich hatte Lincoln aufgespürt. Seitdem standen wir uns sehr nahe.
»Leo findet es wahrscheinlich super, dass du einen berühmten älteren Bruder hast«, sagte Nash. »Er erwähnt es bei jeder Gelegenheit. Und Cutler würde es definitiv lieben, seinen Onkel Ro in einem echten Boxkampf zu erleben.«
Cutler war Nashs Sohn – und seit dem Tag seiner Geburt einer von uns. Jetzt war er fast sechs, und der Knirps war das coolste Kid, dem ich jemals begegnet war. Wir waren alle vier Patenonkel, und es gab nichts, was wir nicht für ihn getan hätten. Nash zog ihn praktisch allein auf, abgesehen von den seltenen Wochenenden, an denen seine Ex auftauchte, um Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen. Also war Cutler im Grunde unser gemeinsames Kind. Vor ein paar Wochen hatte er bei mir im Club angefangen, boxen zu lernen.
»Ja. Er hat mir letzte Woche in den Ohren gelegen, dass er mich gern kämpfen sehen würde. Ich hatte mir überlegt, vielleicht einen von euch als Sparringspartner in den Ring zu holen«, sagte ich lachend.
»Wer weiß. Vielleicht solltest du Leos Angebot doch annehmen. Hast du mitbekommen, was er gestern über deinen Namen rausgehauen hat?« River verstellte die Stimme, um wie ein kleines Mädchen zu klingen, und trällerte: »O Romeo! Warum denn Romeo?«
Leo war von einem nationalen Sportsender interviewt worden, und als sie ihn wegen seines nächsten Kampfs befragt hatten, hatte er den Romeo-Scheiß vom Stapel gelassen. Bekäme ich jedes Mal ein Fünfcentstück, wenn jemand diese Worte zu mir sagte – tja, dann hätte ich nicht in Erwägung gezogen, zurück in den Ring zu steigen.
In Wahrheit fand ich die ganze Sache zermürbend.
Jeder in der Stadt fragte mich ständig, ob ich Leo einen Arschtritt verpassen würde, denn der Wichser wollte einfach nicht die Klappe halten und hörte nicht auf, bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit gegen mich zu sticheln.
»Er will dich nur aus dem Konzept bringen«, sagte Nash. »Wenn du wieder in den Ring willst, werde ich das voll und ganz unterstützen, denn zuzusehen, wie du diesen Kerl vermöbelst, wäre echt fantastisch. Aber wenn du dich weiter aus dem aktiven Boxgeschäft raushalten willst, nur zu, du schuldest diesem Kerl nicht das Geringste.«
»Hört, hört!« Hayes hielt seinen Kaffee hoch, und wir taten es ihm alle gleich.
»Ich muss drüber nachdenken. Keine Ahnung, was zum Teufel ich tun will.« Nach einem kurzen Räuspern drehte ich mich zu Nash zurück. »Bringst du Cutler heute nach der Schule her?« Nash und Kingston hatten einen Riesenauftrag von der Stadt an Land gezogen, und er würde lange arbeiten müssen.
»Ja. Vielen Dank. Es ist auch nur für ein paar Stunden, nach dem Abendessen hole ich ihn bei dir ab.«
»Hört sich gut an. Ich lass ihn ein bisschen im Ring spielen, dann holen wir uns eine Pizza.«
»Cutler ist echt ein kleiner Glückspilz. Er hat die allercoolsten Onkel der Welt. Stellt euch bloß mal das unglaubliche Selbstbewusstsein vor, das dieses Kind haben wird, wenn er erst in der Highschool ist.« River stieß ein röhrendes Lachen aus.
»Immer mit der Ruhe, ja? Er zieht jetzt schon diesen gottverdammten Ledermantel nicht mehr aus, den du ihm geschenkt hast.« Nash sah River mit hochgezogener Augenbraue an, bevor er sich an Kingston wandte. »Und neuerdings fragt er mich ständig, wie alt er sein muss, um das Ride or Die-Tattoo zu bekommen, weil jemand – und ich nenne keine Namen – ihm gesteckt hat, dass er tätowiert sein muss, um unserer Bruderschaft anzugehören. Das war echt Bullshit, King. Er ist noch nicht mal sechs und will unbedingt dieses verfluchte Tattoo.«
Grinsend hielt Kingston die Hände hoch. »Mann. Als er letzte Woche bei mir war, habe ich mein T-Shirt ausgezogen, und er hat nicht aufgehört, mir Löcher in den Bauch zu fragen. Außerdem hat er mir verraten, dass er seinen Namen nicht mag und ihn ändern will.«
»Was zum Teufel ist das mit dem Namen? Mir hat er gesagt, er würde nicht zu ihm passen und er müsste sich noch einen neuen überlegen, mit dem er sich wohlfühlt. Wahrscheinlich verkorkse ich das Kind sogar noch mehr, als ich dachte.« Nash fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Hey«, widersprach ich. »Cutler ist der coolste kleine Kerl, den ich jemals getroffen habe. Und er ist selbstbewusst. Verdammt, mit fünf hatte ich nicht dieses Ego.«
»Da bin ich mir nicht so sicher … Der kleine Romeo hat in ziemlich jungen Jahren schon Herzen gebrochen und Kids, die doppelt so groß wie er waren, hinterm Boxclub die Ärsche versohlt«, sagte Hayes laut lachend. »Aber ich stimme dir zu. Um deinen Jungen musst du dir keine Gedanken machen, Nash. Er wächst mit echt viel Liebe auf. Und das kann hier nicht jeder von sich behaupten, oder?«
Die ganze Runde nickte. Wir alle hatten eine heftige Kindheit durchgemacht, jeder auf seine eigene Art. Doch wir hatten überlebt, und dieser gemeinsame Erfahrungshorizont hatte wahrscheinlich dazu geführt, dass wir uns gefunden hatten. Zu dieser Freundschaft. Dieser Bruderschaft.
Wir waren uns einig, dass Cutler es leichter haben sollte. Er mochte kein traditionelles Zuhause haben, aber er war von Familie umgeben, und unsere Liebe für den kleinen Jungen war unverwüstlich.
»Ganz genau. Cutler wird mehr geliebt, als jede von euch hässlichen Visagen es jemals wurde.« Ächzend stand River auf.
Mein Handy vibrierte. Ich blickte nach unten und seufzte laut.
»Was ist los?«, fragte Kingston.
»Mimi will, dass ich ihr und Mom irgendwann die Woche eines dieser schicken Pumpkin-Spice-Getränke aus dem Magnolia Beans mitbringe.« Ich verdrehte die Augen. Jedes Mal, wenn ein neuer Laden in der Stadt öffnete, machten meine Mom und meine Großmutter ein Riesentamtam.
»Fuck. Wenn es von Mimi und deiner Mom kommt, werden wir wahrscheinlich von nun an alle Crawford-Kaffee trinken.« River zeigte uns den Mittelfinger, während er seinen Einwegbecher in den Müll warf.
»Es ist nichts Persönliches. Die Crawfords hassen wir trotzdem noch«, sagte Kingston. »Aber ich liebe einfach meinen Pumpkin Chai Latte mit dem Herz oben auf dem Schaum.«
Weiteres Gelächter.
Wir vollführten unseren üblichen Handschlag, und Hayes rief auf dem Weg zur Tür unseren Schlachtruf. »Ride or die. Brothers till the end. Loyalty always. Forever my friend.« Er machte ein Peace-Zeichen und spazierte nach draußen.
Ich ging zurück in den Club, um mich wieder in die Arbeit zu stürzen. Mir schwirrte der Kopf, und ich würde wegen des Boxkampfes bald eine Entscheidung treffen müssen.
2
DEMI
Die große Eröffnung ein paar Tage zuvor war geradezu lächerlich hektisch gewesen. Es hatte sich angefühlt, als wäre jeder einzelne Bewohner der Stadt gekommen. Klar, ich war begeistert, endlich geöffnet zu haben, nachdem ich monatelang renoviert und an der Speisekarte gefeilt hatte.
Ich hatte im Hauptfach Ernährungswissenschaften und Betriebswirtschaft im Nebenfach studiert, und es war mein Ziel, Magnolia Beans irgendwann zu mehr als nur einem normalen Coffeeshop zu machen. Ich wollte die Speisekarte im Lauf der nächsten Monate erweitern und grüne Smoothies, Proteinshakes und außerdem ein paar weitere gesunde Alternativen anbieten.
Der Ansturm ließ allmählich nach. Peyton war hinten in der Küche und räumte auf. Wir waren zusammen aufgewachsen, und sie belegte Onlineseminare, um ihren Master in Erziehungswissenschaften zu machen. Im Moment brauchte sie einen Teilzeitjob, das Timing war perfekt.
Die Tür wurde schwungvoll aufgestoßen, und bei seinem Anblick wurden meine Augen riesig. Er war groß und schlank und der schönste Mann, der mir jemals begegnet war. Welliges Haar, vorn ein Stück länger, dunkelbraune Augen und markante Gesichtszüge, bei denen jedes GQ-Model vor Neid platzen würde.
Im Lauf der Jahre war ich Romeo Knight natürlich schon öfter über den Weg gelaufen, und ich wusste, wer er war, auch wenn es eine Weile her war, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Aber ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern, dass er früher so verdammt gut ausgesehen hätte, obwohl ich damals wahrscheinlich auch wenig auf Äußerlichkeiten geachtet hatte. In dieser Hinsicht war ich eine Spätzünderin.
»Hey, du bist Romeo, richtig?«, fragte ich und lächelte ihn strahlend an, erntete allerdings nur ein Stirnrunzeln, gefolgt von einem finsteren Blick, was mir zeigte, dass sich nichts geändert hatte. Er war nie nett zu mir gewesen, was immer irgendwie zu seiner Bad-Boy-Attitüde gepasst hatte. Doch jetzt waren wir erwachsen.
»Ich brauche zwei von diesen … wie auch immer diese Pumpkin-Spice-Dinger heißen, die es hier gibt. Meine Mom und meine Gran liegen mir deswegen ständig in den Ohren.«
Wow. Nicht nett, aber okay.
»Ja. Na klar. Zwei Pumpkin Chai Latte mit einem Hauch von Zimt.« Ich gab seine Bestellung in die Kasse ein, bevor ich wieder zu ihm aufblickte. »Wenn du auch einen für dich willst, ginge der aufs Haus.«
»Glaubst du etwa, ich wäre auf deine Almosen angewiesen?«, erwiderte er, seine Stimme eiskalt und ohne jeden Humor.
Er fühlt sich tatsächlich wegen eines Gratisgetränks persönlich angegriffen?
»Nein. Aber du bist mein Nachbar, und ich habe eine Visitenkarte in alle Briefkästen in dieser Straße gesteckt, mit dem Angebot eines Gratisgetränks als nette Geste. Das nennt man gute Nachbarschaft.«
»Nein danke, kein Bedarf.«
»Kein Problem.« Ich hob eine Augenbraue und presste die Lippen zu einer geraden Linie zusammen. Dein Pech, Arschloch. Ich gab mir Mühe, und er legte sich voll ins Zeug, den Blödmann raushängen zu lassen. »Soll ich dein Gratisgetränk auf eines von diesen übertragen?«
»Ich bezahle für beide.«
Ich verdrehte die Augen und streckte die Hand aus. »Das macht genau elf Dollar.«
Er fischte die Banknoten aus seinem Portemonnaie und schleuderte sie auf die Ladentheke, als wäre ihm allein die Vorstellung zuwider, mir das Geld in die Hand zu drücken. Was um alles in der Welt war nur los mit dem Kerl?
Es war meine erste Woche als Geschäftsinhaberin, und ich würde mich nicht reizen lassen. Ich zählte das Geld in die Registrierkasse und bereitete dann die Getränke zu. Als Erstes füllte ich beide Becher mit heißem Wasser. Als ich den Kopf hob, bemerkte ich, dass er mich beobachtete, und erwartete, dass er sich ertappt wegdrehen würde, doch das tat er nicht. Er starrte mich einfach böse an, als hätte ich was Ekliges im Gesicht kleben.
Warum zum Teufel schaut er dann nicht weg?
Ich stieß einen langen Atemzug aus, bevor ich wieder nach unten sah und die Getränke in peinlichem Schweigen fertig machte.
Saylor Woodson und ich hatten uns im College angefreundet. Ich wusste, dass ihr älterer Bruder Hayes im selben Freundeskreis wie Romeo war. Mein Bruder Slade hatte mich immer vor diesen Jungs gewarnt und ich mich von ihnen ferngehalten. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuschte, waren sie in ihrer Jugend wegen Diebstahl und Schulschwänzen verknackt worden. Nicht dass Slade nicht selbst ständig für Ärger gesorgt hätte. Außerdem hatten zwei der Jungs, Kingston Pierce und Nash Heart, bei der Renovierung des Coffeeshops geholfen, und sie hatten sich sehr professionell benommen. Supergesprächig waren sie zwar nicht gewesen, aber immerhin freundlich, und sie hatten gute Arbeit geleistet.
Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was Romeo gegen mich hatte. Oder vielleicht war er auch nur gestresst, weil irgendein berühmter Boxer seinen Namen ständig in den Nachrichten herausposaunte. Ich war kein großer Sportfan. Doch hier in der Stadt war es Gesprächsthema Nummer eins.
»Alles picobello. Ich mach mich dann mal vom Acker«, sagte Peyton, als sie aus der Küche trat, und erstarrte beim Anblick von Romeo mitten in der Bewegung.
»Danke fürs Aufräumen. Wir sehen uns morgen.« Ich spähte zu ihr und verdrehte die Augen.
Sie kapierte sofort. Und machte alles nur noch schlimmer. Typisch Peyton!
Natürlich schlenderte sie nun neugierig zur Kasse. »Du bist Romeo Knight, oder?«
Sein Blick glitt zu ihr. »Ja.«
»Ah, ein Mann weniger Worte.« Sie kicherte. »Dein Boxclub ist gleich nebenan. Ihr zwei solltet eine Art Kooperation ins Leben rufen. Dann kriegen die ganzen heißen Boxer zwei Kaffees für den Preis von einem bei uns!« Sie sah von ihm zu mir, und ich stöhnte innerlich auf. Peyton hatte es noch nie gut verstanden, die Vibes in einem Raum zu lesen.
»Ich schätze, das ist nicht nötig. Jeder weiß, dass ihr hier seid. Immerhin bist du ’ne Crawford.« Er kam einen Schritt näher, als ich ihm die beiden Getränke mit finsterer Miene hinstellte.
»Du weißt also, wer ich bin.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich habe nie das Gegenteil behauptet.« Er nahm die Becher von der Ladentheke und drehte sich zur Tür um.
»Keine Sorge, diesen Deal mit deinem Boxclub wollte ich sowieso nicht«, rief ich und ärgerte mich augenblicklich maßlos über meine schwache Retourkutsche.
Er stieß die Tür auf und blickte über die Schulter zu mir zurück. »Glaub mir, schlaflose Nächte wird deswegen niemand haben.« Und mit diesen Worten spazierte er nach draußen.
Mir stand der Mund offen. »Was für ein Arsch!«
»O mein Gott!«, meinte Payton neben mir. »Er ist aber echt verdammt heiß. Dieses Gesicht. Diese Haare. Dieser Körper. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen.«
»Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, von ihm beleidigt zu werden. Was um alles in der Welt habe ich diesem Kerl nur getan? Er hat sich aufgeführt, als hätte ich eines seiner Familienmitglieder ermordet. Nicht mal das Gratisgetränk aus der Nachbarschaftsaktion wollte er annehmen.«
»Ich bin ihm schon ein paarmal über den Weg gelaufen, und er war nie supernett, aber das hier war ein ganz neues Level von Unfreundlichkeit. Keine Ahnung, warum er dich nicht ausstehen kann.«
Oh, wow.
»Ich hab auch nicht den blassesten Schimmer. Ich kenne ihn nicht mal.«
»Nun ja, deine Familie gehört zur High Society von Magnolia Falls, und manchmal sind Leute eifersüchtig auf die Stinkreichen. Zu deinem Glück bist du meine beste Freundin und verwöhnst mich nach Strich und Faden, weshalb es mich nicht stört.« Laut lachend legte Peyton den Kopf in den Nacken.
»Ich war vier Jahre an der Uni und habe einen Laden eröffnet, in dem ich jeden Tag hart arbeite. Ich wohne in einer kleinen Wohnung über dem Coffeeshop und versuche, die Dinge eigenständig zu erledigen. Und trotzdem werde ich gehasst, weil meine Familie im Geld schwimmt? Romeo Knight kann mich mal. Ich selbst habe mir nie ein Urteil über ihn erlaubt. Er hat überhaupt keine Ahnung von meinem Leben. Vor dem heutigen Tag haben wir kein Wort miteinander gewechselt. Er hatte sich seine Meinung über mich gebildet, noch bevor er durch diese Tür spaziert ist.«
»Du hast natürlich recht. Er ist ein Arsch. Aber ein schrecklich gut aussehender Arsch.«
»Es interessiert mich nicht, wie er aussieht. Er ist ein Blödmann. Das sticht jegliches Aussehen. Außerdem ist es mir sowieso kaum aufgefallen.«
Ich hoffte, er würde in Zukunft einen großen Bogen um meinen Coffeeshop machen, denn ich brauchte hier keine negative Energie. Entschlossen schüttelte ich das eben Erlebte ab und drehte mich zu Peyton, die über meine Bemerkung in schallendes Gelächter ausgebrochen war.
»Selbst wenn mir die Augen verbunden und ein Sack über den Kopf gestülpt werden würde und es weder natürliches Sonnenlicht noch Elektrizität auf der Welt gäbe, würde ich merken, dass er ein Hottie ist.«
»Ist ja auch egal. Im Laden ist es heute wieder super gelaufen. Die Leute haben uns die Türen eingerannt, und ich werde heute Abend jede Menge Bestellungen aufgeben müssen, weil unsere Vorräte schneller ausgehen, als ich angenommen hatte.«
»Sieh mal einer an, du kleines Genie. Dein schicker Abschluss trägt Früchte.« Sie umarmte mich rasch und schnappte sich einen Cookie, bevor sie mir zum Abschied winkte.
Anschließend räumte ich fertig auf und ging dann nach oben. Mein Apartment war eine kleine Zweizimmerwohnung, doch ich hatte jedes noch so winzige Detail in meinem Zuhause und meinem Laden selbst ausgewählt, und ich liebte dort einfach alles.
Mein Großvater und mein Vater hatten sich immer über Immobilien unterhalten. Über harte Arbeit und darüber, etwas von null aufzubauen. Mein Großvater war Politiker, mein Vater besaß eine Investmentfirma, weshalb mir von klein auf ein starkes Arbeitsethos eingebläut worden war. Ja, mir war eine Chance geboten worden, die nicht jeder bekam. Mein Treuhandfonds war stattlich, und ich hatte einen guten Teil davon für dieses Gebäude genutzt, das mir gleichzeitig als Arbeitsplatz und Zuhause dienen würde. Es war eine kluge, sichere Investition. Im Erdgeschoss gab es einen weiteren Laden, aber ich hatte noch nicht entschieden, was ich damit tun würde. Immobilien in Magnolia Falls waren heiß begehrt, besonders im Stadtzentrum. Ich würde abwarten, wie die Dinge im Coffeeshop liefen, und dann entweder expandieren oder den Laden vermieten.
Meine Mutter war entsetzt gewesen, dass ich über dem Coffeeshop wohnen wollte. Immerhin hatten meine Eltern angeboten, mir als Geschenk zum Uniabschluss ein Haus zu kaufen. Doch ich war fest entschlossen, das Geld in meinem Treuhandfonds sinnvoll einzusetzen. Ein paar meiner Freundinnen stammten ebenfalls aus reichen Familien und waren nach ihrem Studium monatelang durch Europa gereist, während ich an meinem Businessplan gearbeitet und das Haus renoviert hatte. Ich war immer schon anders als diese Mädchen gewesen. Na klar, auch ich mochte schöne Klamotten und hübsche Dinge, aber ich hatte immer hart gearbeitet. Im College hatte ich einen Teilzeitjob angenommen, und ich fand es schön, mein eigenes Geld zu verdienen. Die Menschen unterstellten mir immer, dass mir alles auf dem Silbertablett serviert wurde. Als ich an einer der prestigeträchtigsten Universitäten in Kalifornien angenommen worden war, hatte ich ständig Kommentare von Leuten gehört, die überzeugt waren, dass mein Großvater seine Beziehungen hatte spielen lassen. Und wenn ich ihnen gesagt hätte, dass ich wegen meiner hervorragenden Noten für die ganzen vier Jahre ein Vollzeitstipendium erhalten hatte, wäre ich als eingebildete Bitch abgestempelt worden. Deshalb hatte ich mir lieber auf die Zunge gebissen. Doch ich hatte mir in der Highschool den Arsch aufgerissen, und mein Ehrgeiz hatte auch im College nicht nachgelassen. Ich wollte mir ohne meine Familie einen Namen machen. Und beweisen, dass ich all die Dinge, die ich besaß, verdient hatte. Die Crawfords kannten die Schattenseiten des Lebens nur zu gut, und ich wollte meine Familie stolz machen.
Als ich die Tür zu meiner Wohnung öffnete, musste ich unwillkürlich lächeln. In sämtlichen Zimmern war ein herrlicher Holzdielenboden verlegt. Die kleine weiße Küche hatte einen bunten Fliesenspiegel, der ihr einen besonderen Charakter verlieh. Ich hatte mir einen dieser hinreißenden altmodischen, hellblauen Kühlschränke besorgt, der bei der Planung bereits berücksichtigt worden war und sich perfekt in den kleinen Raum einfügte. Es gab eine quadratische Kücheninsel, an der ich meistens aß, und im sich anschließenden winzigen Wohnzimmer eine weiße Couch mit gemütlichen Kissen und einer rosa Decke, die über einer der Armlehnen hing. An den Fenstern hatte ich mich für weiße Raffrollos entschieden, damit der Raum hell und lichtdurchflutet blieb. Mein Schlafzimmer und das Bad waren im gleichen Stil eingerichtet, den ich French Farmhouse Chic nannte.
Es war nur eine Siebzig-Quadratmeter-Wohnung ohne Garten, dafür gehörte jeder Zentimeter mir. Seufzend ließ ich mich aufs Sofa fallen. Im Herzen war ich ein echtes Country Girl. Schon immer gewesen. Eines Tages wollte ich unbedingt eine Ranch mit eigenen Pferden besitzen. Bis dahin müsste ich meinen Eltern oder Großeltern einen Besuch abstatten, um auf Teacup zu reiten. Außerdem war mein Plan ja fürs Erste, hart zu arbeiten.
Von der Straße drang Gelächter in meine Wohnung, und ich setzte mich auf dem Sofa auf die Knie, um aus dem Fenster zu schauen. Romeo kam mit einem kleinen Jungen an der Hand aus seinem Boxclub, der etwa fünf oder sechs Jahre alt sein musste. Der kleine Knirps trug einen Ledermantel, und seine Haare waren mit Gel nach hinten gestylt. Er spähte zu dem Mann neben ihm hoch, und der Anblick von Romeos breitem Lächeln verschlug mir schier den Atem.
Er ist wirklich ein wunderschöner Mann, selbst wenn er ein übellauniger Arsch ist.
Und er konnte offensichtlich lächeln, wenn er die Person in seiner Nähe nicht gerade hasste. Ich fragte mich, ob der Junge sein Kind war. Möglich wäre es durchaus. Ich war zweiundzwanzig und ziemlich sicher, dass er ein oder zwei Jahre älter als ich war, also hatte er vielleicht eine ganze Familie, von der ich nichts wusste.
Ich drehte mich wieder um und ließ mich genau in dem Moment auf die Couch fallen, als mein Handy vibrierte und ich eine Nachricht von meinem Bruder erhielt.
Slade: Hi, Schwesterherz. Ich vermisse dich. Ich bin zurück in der Stadt, aber das müssen Mom und Dad nicht gleich wissen. Lust auf ein gemeinsames Abendessen?
Meine Augen füllten sich mit Tränen, während meine Finger zögerlich über dem Display schwebten. Slade war immer mein bester Freund gewesen – bis er es nicht mehr gewesen war. Bis er sich völlig verändert hatte. Ich vermisste ihn schrecklich. Nach mehreren Aufenthalten in Entzugskliniken hatte ich aufgehört, mir Hoffnungen zu machen … oder es zumindest versucht. Meine Eltern wollten nach dem letzten Vorfall in unserem Haus vor einem Jahr nichts mehr mit ihm zu tun haben. Mein Großvater hingegen bezahlte weiterhin für die stationäre Behandlung, denn er und ich waren beide fest entschlossen, es immer weiter zu versuchen, auch wenn wir nicht wussten, was dabei herauskommen würde. Sobald wir alle Slade aufgäben, würde er selbst es auch tun.
Ich: Hi. Natürlich. Ich würde dich total gern sehen. Sollen wir uns im Golden Goose treffen?
Das Golden Goose war ein Diner in der Stadt, in den wir seit unserer Kindheit gegangen waren. Wir beide liebten die Milchshakes und Pommes dort.
Slade: Mom und Dad sollen nichts wissen. Aber ich möchte deine neue Bude sehen. Den Laden und die Wohnung. Deshalb bin ich übers Wochenende hergefahren. Ich bin stolz auf dich. Wie wäre es, wenn wir was bestellen?
Ich wischte die Träne weg, die mir die Wange hinablief. Hoffnung war ein gefährliches Gefühl, wenn man es mit Sucht zu tun hatte. Im Lauf der Jahre hatte ich den Verlust meines Bruders in vielerlei Hinsicht bedauert, doch ab und an erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf sein früheres Ich, wofür ich unendlich dankbar war.
Das hier fühlte sich wie einer dieser Momente an.
Ich: Das wäre toll. Bis gleich.
3
ROMEO
»Verdammt. Du verschwendest dein Talent, wenn du mit Sparringspartnern wie mir trainierst, und das weißt du«, sagte Sergio, während ich um ihn herumtänzelte und ihn mit einer Handbewegung ermutigte, noch ein paar Schläge zu wagen. »Du gehörst in den Ring mit diesem Clown, der einfach nicht aufhört, sich über dich das Maul zu zerreißen, Romeo.«
»Bleib konzentriert!«, befahl ich.
Er versuchte es mit einem rechten Haken, dem ich spielend leicht auswich, und ich ärgerte ihn mit ein paar leichten Hieben in der Hoffnung, ihn wütend zu machen und sein Temperament herauszukitzeln. In ein paar Wochen hatte er einen Kampf, und ihm fehlte der Biss.
»Ich brauch ’ne Pause«, stöhnte er und stützte die Hände auf die Knie, um wieder zu Atem zu kommen.
»Serg, du musst langsam anfangen, dich zu pushen, wenn du gewinnen willst.«
»Ich weiß. Ab morgen, okay?« Er kippte ein paar Schlucke Wasser hinunter, bevor er die Seile anhob und aus dem Ring stieg.
Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste, wie man für einen Boxkampf trainierte. Wie man sich vorbereitete und wie man gewann. Sergio hätte nicht die leiseste Chance, wenn er nicht bald anfing, einen Zahn zuzulegen.
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, einen Streit zwischen zwei Boxern zu schlichten und Garcia, ein Nachwuchstalent, zu trainieren, dann begab ich mich in mein Büro, um etwas Papierkram zu erledigen, bevor ich schließlich Feierabend machte.
Als ich mein Handy hervorzog, sah ich, dass es mit unzähligen Nachrichten geflutet war. Das war nie ein gutes Zeichen.
Lincoln: Dieser Kerl hat sich mit dem Falschen angelegt. Ruf mich an, dann können wir es besprechen.
Tia: Ignorier ihn einfach. Er will dich nur provozieren. Du musst niemandem irgendwas beweisen.
Meine jüngere Schwester Tia hasste es, dass ich Boxer war. Sie, meine Großmutter und meine Mom waren alle begeistert gewesen, als ich mich aus dem aktiven Sport zurückgezogen hatte und nur noch den Club leitete.
Brinkley: Wenn du dich entschließt, gegen den Typen anzutreten, kann ich einen Artikel schreiben, nach dem alle auf deiner Seite sind. Ich unterstütze dich, egal, was du tun wirst.
Die Frau meines Halbbruders war eine bekannte Sportjournalistin, und ich wusste, dass sie und Lincoln mir immer den Rücken stärken würden.
Der Ride-or-Die-Gruppenchat war eine nicht enden wollende Abfolge an Nachrichten, denn natürlich wollte jeder seinen Senf dazugeben.
River: Bitte prügel dieses Arschloch windelweich.
Kingston: Zeit, die Boxhandschuhe anzuziehen, Bro. Wir müssen dein hübsches Gesicht beschützen, also lass uns sofort mit dem Training anfangen.
Nash: Dieser Kerl ist das größte Arschloch der Welt. Wir sind für dich da, egal, was du tust.
River: Dieser Wichser weiß nicht, mit wem er es zu tun hat. Ich steige in den Ring und vermöbel ihn, wenn du es nicht tust.
Hayes: Lasst uns dieses Arschloch fertigmachen.
River: Ich habe mit allen gesprochen. Nash hat einen Babysitter für Cutler. Wir treffen uns um 20 Uhr im Whiskey Falls, um die Sache zu besprechen. Wir sind für dich da, Golden Boy.
Mit der Hand rieb ich mir übers Gesicht. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was zum Teufel passiert war, aber offensichtlich nichts Gutes.
Auch auf Social Media hatte ich unzählige DMs von Fremden. Ich tippte auf das Video von Leo Burns, der vor dem Boxclub stand, in dem er in New York City trainierte, und eine Scheißkatze in den Armen hielt, während seine treue Gefolgschaft ihn hofierte. »Hi, Leute. Ich wollte euch allen mein neues Haustier zeigen. Dieses Miezekätzchen hier heißt Romeo. Der Name passt perfekt, findet ihr nicht?« Er lachte, und seine Buddies taten es ihm gleich. Und dann starrte er direkt in die Kamera. »Hör auf, dich zu verstecken, kleiner Romeo. Du kannst Daddys Tod nicht bis in alle Ewigkeit als Ausrede benutzen. Es ist an der Zeit für eine Revanche. Oder du kannst einfach aus deinem Loch kriechen und der Welt gestehen, dass du im Grund nur ein großes Miezekätzchen bist. Das wäre auch in Ordnung. Ich frage mich, was dein berühmter Bruder davon hält, dass du ein Feigling bist?« Er zwinkerte, dann war das Video zu Ende.
Achthundertzweiundsiebzigtausend Aufrufe in den letzten vier Stunden.
Ich überflog die Kommentare und die extrem unterschiedlichen Reaktionen. Einige nannten ihn ein Arschloch. Andere pflichteten ihm bei, dass ich mich nicht länger verstecken sollte.
Mein Handy klingelte, und ich ging ran, als ich den Namen meines Bruders auf dem Display sah. »Hi, Linc.«
»Bei dir alles okay?«
»Ja. Beim Training hatte ich mein Handy nicht dabei, also habe ich das Video gerade erst gesehen.«
Er stieß den Atem aus. »Er wird nicht lockerlassen, Romeo. Und er bekommt echt viel Aufmerksamkeit.«
»Tut mir leid, dass er dich da mit reinzieht.«
»Das ist mir echt egal. Er will dich provozieren, und er leistet ganze Arbeit, denn selbst ich bin auf hundertachtzig. Wie gesagt, ich wende mich liebend gern an die Öffentlichkeit und verteidige dich. Weise das Arschloch in seine Schranken.«
»Nein, lass das. Genau das will er doch. Das alles zu einem Riesen-PR-Spektakel aufblasen. Sie haben mir eine Stange Geld geboten, damit ich den Kampf annehme. Das letzte Angebot lag bei siebenhundertfünfzigtausend Dollar, nur damit ich erscheine und gegen ihn antrete. Der Gewinner erhält zwei Millionen.«
»Tu es nicht fürs Geld. Du weißt, dass du auf mich zählen kannst, solltest du was brauchen.« Lincoln drängte mir und Tia ständig seine Hilfe auf. Verdammt, er kam bereits für die Studiengebühren und das Wohnheim unserer Schwester auf, und ich war dankbar, dass er ihr diese Gelegenheit bot. Mir wollte er Geld für die Anzahlung auf ein Haus vorschießen, aber ich hatte alles sehr gut im Griff. Ich war stolzer Besitzer dieses Boxclubs, und hinten schloss sich ein kleines Apartment an. Ich wusste seine Großzügigkeit zu schätzen, doch ich wollte keine Almosen. Und ich brauchte sie nicht.
»Sagt der Kerl mit mehreren Millionen Dollar auf der hohen Kante. Das ist viel Kohle, Linc. Ich muss das alles genau abwägen, immerhin geht es um richtig viel Geld. Es könnte eine einmalige Gelegenheit sein. Mit der ganzen Kohle könnte ich den Club ausbauen, Mom und Granny unter die Arme greifen, ein Haus am See kaufen und den Rest unter die Matratze legen.«
»Die große Frage ist: Willst du wieder boxen?«
Nachdenklich fuhr ich mir mit der Hand über den Nacken. »Ich dachte, das hätte ich längst hinter mir gelassen. Aber ich weiß nicht … Vielleicht wäre ein allerletzter Kampf nicht so schlimm. Wann werde ich jemals wieder die Chance bekommen, so viel Geld in ein paar Stunden zu verdienen?«
»Wie lang würde es dauern, dich auf einen solchen Kampf vorzubereiten? Er boxt seit vielen Jahren auf Profiniveau, während du dich aus dem Game verabschiedet hast. Also hat er die Erfahrung auf seiner Seite, und er muss ein ganz passabler Boxer sein, wenn er den Meisterschaftsgürtel hatte, bevor Gunner ihn ihm abgenommen hat.«
»Ja, er ist ein großspuriger Kotzbrocken, aber im Ring ein absolutes Tier. Es wird mindestens zwei Monate dauern, bis ich das nötige Niveau erreicht habe. Außerdem wird es Mom und Mimi wirklich zusetzen. Und Tia wird total ausrasten, wenn ich wieder in den Ring steige.«
»Vergiss jetzt mal alle anderen. Was willst du?«
»Ich will nicht den Rest meines Lebens was in die Fresse bekommen«, sagte ich und lehnte mich auf meinem Schreibtischstuhl zurück.
»Nachvollziehbar. Das will ich auch nicht für dich.«
»Aber es würde mir nichts ausmachen, für einen letzten Kampf anzutreten, nur um diesen Wichser zum Schweigen zu bringen und mit einer Stange Geld davonzuspazieren. Ich muss nur dafür sorgen, dass er mich nicht auseinandernimmt. Wenn ich mich richtig vorbereite, sind seine Schläge auszuhalten. Doch ich würde schon eine heftige Tracht Prügel einstecken.«
»Romeo, hier ist Brinkley«, schaltete sich meine Schwägerin ein, die Lincoln anscheinend das Handy aus der Hand gerissen hatte, was bei unseren Telefonaten nicht unüblich war. »Mir gefällt der Gedanke auch nicht, dass dir jemand die Fresse polieren will. Aber wenn du diesen Kampf als eine einmalige Sache erachtest, werde ich in meinem Magazin anregen, dass wir ein ganzes Porträt über dich machen. Wir könnten klarstellen, dass du nur diesen einen Boxkampf annimmst und dich anschließend für immer zurückziehst. Nicht weil du Angst hast – sondern weil du clever bist. Lass mich deine Seite der Geschichte erzählen und dir ein positives Presseecho verschaffen. Ganz ehrlich, mit deinem Gesicht hast du am Ende einen riesigen Fanclub.«
»Das gute Aussehen muss wohl in der Familie liegen, Baby«, hörte ich Lincoln sagen und lachte.
»Na schön. Ich denke drüber nach. Wenn ich mich für den Kampf entscheide, kannst du die Geschichte groß aufziehen, Brinks. Danke für das Angebot. Lasst mich eine Nacht drüber schlafen.«
»Wir stehen so oder so hinter dir. Ich will bloß, dass dieses Arschloch endlich die Klappe hält.« Lincolns Stimme war eisig.
»Ja. Geht mir ganz genauso, Bruderherz.«
Ich beendete das Gespräch und erledigte noch ein paar Dinge im Club, bevor ich nach unten sah und die neue Textnachricht bemerkte.
Mom: Es ist Ende Januar und es schneit immer noch. 🙄 Ich habe die Nase voll von der Kälte. Mimi und ich wollen eine Liebeskomödie anschauen und Pumpkin Chai Latte trinken. Könntest du uns welche besorgen und vorbeibringen?
WTF! Was hatte es nur mit diesem verdammten Gesöff auf sich? Nach meinem letzten Besuch nebenan war ich nicht gerade darauf versessen, wieder einen Fuß in den Coffeeshop zu setzen. Ich hatte mich wie der letzte Arsch aufgeführt. Zu Recht. Die Crawfords hatten River und mich reingelegt, und ich wollte mit keinem von denen etwas zu tun haben. Selbst wenn Demi nicht wissen sollte, was damals passiert war, gehörte sie trotzdem zu dieser Familie.
Es hatte mich überrascht, dass meine Unhöflichkeit sie tatsächlich getroffen hatte, auch wenn sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Natürlich war ich noch nie zu ihr oder irgendjemandem aus ihrer Familie nett gewesen, aber gleichzeitig war ich nicht sonderlich scharf darauf, noch einmal dorthin zu gehen und mich danebenzubenehmen.
Andererseits konnte ich Mom und Mimi keine Bitte ausschlagen. Ich stöhnte genervt.
Ich: Okay. Ich bringe sie euch nachher vorbei. Aber ihr müsst Teebeutel mit Kürbisgeschmack kaufen oder was auch immer da drin ist. Ich kann nicht jeden Tag dort vorbeischauen.
Mom: Hör auf, dich wie ein Baby aufzuführen. Es ist fast eine Woche her, dass du dort warst. Immerhin habe ich dir das Licht der Welt geschenkt, schon vergessen? Das berechtigt mich zu einer lebenslangen Lieferung von Pumpkin Chai Latte. Ich schwöre, sie verwendet irgendeine besondere Zutat. Könntest du sie fragen, ob es Zimt ist? Wenn ich wüsste, was drin ist, könnte ich versuchen, den Latte selbst zuzubereiten.
Fuck. Dafür müsste ich mich mit ihr unterhalten. Und ich bezweifelte stark, dass sie nach meinem letzten Besuch Lust auf ein Gespräch mit mir hätte.
Ich: Hast du vergessen, dass die Crawfords River und mich reingelegt haben? Du bringst mich in eine bescheuerte Situation.
Mom: Demi Crawford war damals noch ein kleines Kind. Sie trifft keine Schuld. Ich habe dir doch hoffentlich bessere Manieren beigebracht, Romeo. Wir wissen nicht mal, ob ihre Eltern von der Sache wussten. Solltest du etwa für die Fehler deines Dads zur Rechenschaft gezogen werden? Hol mir jetzt die Pumpkin Latte und hör mit diesem Unsinn auf. Und finde raus, welche magische Geheimzutat es ist.
Ich schlüpfte in meinen Mantel und spazierte aus dem Büro in den Club, der abgesehen von Ray, der den Boden wischte, leer war.
»Machst du Schluss für heute?«, fragte er.
»Jep. Wir sehen uns morgen.«
»Hey, Romeo!«, rief er mir hinterher.
Ich drehte mich zu ihm zurück. »Ja?«
»Es gibt nur einen Weg, einen Wichser zum Schweigen zu bringen. Das weißt du, oder?«
Ich grinste, weil ich wusste, was er gleich sagen würde, aber ich liebte es, ihn aufzuziehen. »Ihn ignorieren?«
Er brach in dröhnendes Gelächter aus, das im ganzen Boxclub widerhallte. »Nee. Ihm die Fresse polieren.«
Kopfschüttelnd hielt ich die Hand hoch. »Ich denk drüber nach.«
Ich wollte gegen Leo antreten. Im Lauf der Jahre hatte ich viel über Immobilien und Investments gelesen. Das Preisgeld würde mir erlauben, einen großen Batzen in diesem Bereich zu investieren, gleichzeitig aber auch meine Familie zu unterstützen und für meine Zukunft vorzusorgen. Wenn ich hart trainierte, könnte ich Leos Zorn überleben – zumindest hoffte ich das. Meine Größe, meine Beweglichkeit und Jugend spielten mir in die Karten. Er war ein bulliger Typ ohne ausgefeilte Technik, aber eine Kämpfernatur mit einem knallharten rechten Haken. Und er war gelegentlich unberechenbar. Meistens schlug er seine Gegner so schnell wie möglich k. o., konnte aber selbst einen Schlag einstecken und sofort wieder auf Angriff umschalten, was mich immer beeindruckt hatte.
Als ich ins Freie trat, fielen ein paar wenige Schneeflocken vom Himmel. Mom hatte recht: Wir würden noch eine Weile Schnee zu Gesicht bekommen. Immerhin hatte sie ihr gesamtes Leben in Magnolia Falls verbracht. Doch jedes Jahr war es dieselbe Leier. Nach den Weihnachtsfeiertagen beschwerte sie sich lautstark über den Schnee, als wäre es nicht seit ihrer Kindheit in jedem Winter so gewesen.
Schweren Herzens ging ich nach nebenan, schob die Ladentür auf und sah, dass Demi hinter der Theke stand. Der Coffeeshop war leer, es war kurz vor Ladenschluss. Sie blickte auf, und ihre grünen Augen trafen meine. Ein paar Sommersprossen sprenkelten ihre Nase, und ihre braunen Haare fielen ihr auf die Schultern. Mit ihren vollen Lippen sah sie einfach atemberaubend aus. Selbst wenn sie eine Crawford ist.
Diesmal begrüßte sie mich nicht. Stattdessen hob sie eine Augenbraue, als wartete sie darauf, dass ich mich wie ein Arsch aufführte.
Ich räusperte mich, während ich zögerlich an die Ladentheke trat. »Könnte ich zwei Pumpkin Chai Latte zum Mitnehmen bekommen?«
Sie musterte mich eingehend, bevor sie die Bestellung in die Kasse tippte. »Das macht genau elf Dollar.«
Diesmal drückte ich ihr das Bargeld in die Hand und warf es nicht abfällig auf den Ladentisch. Das war übertrieben gewesen.
Sie ließ die Scheine in die Kasse fallen und machte sich daran, die Getränke zuzubereiten.
Ich fuhr mir mit der Hand über den Nacken. Mir war klar, dass sie mich hasste und jedes Recht hatte, mich mit Schweigen zu bestrafen. Im Grunde zog ich diese Behandlung vor. Small Talk mit einem Mitglied des Crawford-Clans war niemals eine gute Idee.
»Darf ich dich fragen, was in dem Gebräu ist?«
»Glaubst du etwa, ich will dich vergiften, Romeo?« Ihr Tonfall war staubtrocken, und es gefiel mir, dass sie nicht auf den Mund gefallen war.
»Das bezweifle ich. So wie du aussiehst, würdest du dich im Gefängnis nicht gerade gut schlagen«, sagte ich, und am liebsten hätte ich mir für den lahmen Konter in den Hintern getreten. Auch wenn es stimmte.
»Offensichtlich ist dir nicht bewusst, dass Orange meine Lieblingsfarbe ist.« Sie grinste, und das sah unglaublich süß aus. Blinzelnd schob ich den Gedanken beiseite.
»Niemand hat Orange als Lieblingsfarbe.« Ich beugte mich über die Ladentheke, als sie sich umdrehte, um heißes Wasser in die Becher zu gießen, und meine Augen glitten an ihrem schlanken Körper und den weichen Kurven hinab. Ihre Jeans saß perfekt über ihrem kleinen Knackarsch.
Hör auf damit, du Vollidiot!
Es war schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal gevögelt hatte, und ganz offensichtlich brauchte ich dringend eine Frau. Vielleicht heute Abend in der Bar.
Mit geschürzten Lippen drehte sie sich zurück. »Überraschung! Du liegst falsch. Vielleicht solltest du nicht bei allem voreilige Schlüsse ziehen.« Mit diesen Worten wandte sie sich wieder den Bechern zu.
Die Spitze saß. Sie wusste definitiv, dass ich sie wegen ihrer Familie so arschlochmäßig behandelte. Allerdings kannte sie wohl kaum die Wahrheit, den eigentlichen Grund. Ich hasste sie nicht, weil sie reich waren. Ich hasste sie, weil sie Lügner und privilegierte Säcke waren. Demi vielleicht nicht – aber sie war trotzdem eine von ihnen.
»Na schön. Deine Lieblingsfarbe ist also Orange. Schon verstanden. Kannst du mir verraten, was du in den Chai Latte mischst? Meine Mom wird keine Ruhe geben, bis ich es rausgefunden habe.«
Sie drehte sich wieder um und stellte die Becher vor mich auf die Theke. Ihre Mundwinkel hoben sich, und ihr Lächeln erreichte ihre Augen. »Du willst, dass ich dir all meine Geheimnisse verrate, wo du dich das letzte Mal hier wie ein echter Arsch aufgeführt hast?«
»Ja.«
»Okay, zumindest streitest du es nicht ab.«
»Ich lüge nie.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich auch nicht. Aber ich mag es nicht, wenn mich jemand ohne Grund gemein behandelt. Du kennst mich doch nicht mal.«
»Ich weiß genug über dich.«
»Trotzdem bist du wiedergekommen.« Sie verschränkte die Arme, sodass ihre Brüste ein kleines bisschen nach oben geschoben wurden. In dem engen weißen Rollkragenpullover waren ihre Konturen deutlich sichtbar, was es mir wirklich schwer machte, nicht zu offensichtlich hinzustarren. Sie waren nicht groß, aber fest und passten wunderbar zu ihrer zierlichen Statur. Noch dazu zeichneten sich ihre Nippel unter dem Stoff ab, und ich musste meine Augen gewaltsam von ihnen lösen, um Demi ins Gesicht zu sehen.
Bei dem jähen Gedanken, mit der Zunge über ihre harten Brustwarzen zu lecken, lief mir das Wasser im Mund zusammen, und ich fragte mich, wie ihre hübschen rosa Nippel wohl schmecken würden.
Verdammt noch mal. Ich dreh noch durch.
Die Familie dieser Frau hatte beinahe mein Leben zerstört. Und meiner Familie jede Menge Schmerz zugefügt.
»Ich bin ein zweites Mal hergekommen, weil meine Mom und meine Großmutter nicht aufhören, mich mit Nachrichten zu bombardieren.«