Männer WG - Pero Löwenherz - E-Book

Männer WG E-Book

Pero Löwenherz

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Beschreibung

Chris legt momentan eine Beziehungspause mit seiner Freundin ein. Tom vermisst seinen Freund, der gerade eine Motorradtour durch die USA macht. Miguel liebt Partys und Drogen. Und Sven sucht noch nach seiner wahren Liebe. Vier Männer und vier Schicksale, die sie alle miteinander in einer Wohngemeinschaft teilen.

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Epilog

Männer WG

ein Roman

von

Pero Löwenherz

www.perolicious.de

Chris

Ding Dong! Die Türklingel ist aber laut. Ich bin gespannt, wer mir da öffnet.

„Hallo“, begrüßt mich ein halbnackter Mann. Ich bin verwundert.

„Äh, hallo“, antworte ich. „Bin ich hier richtig? Ich wollte mir ein WG-Zimmer anschauen.“

„Komm rein!“ grinst mich der Typ anzüglich an. Ist der schwul? Sieht jedenfalls so aus. Er hat den Oberkörper frei und präsentiert einen einwandfreien Sixpack. Sein Gesicht ist makellos. Trägt bestimmt Make-up. Und seine Föhnwelle ist perfekt frisiert. Sieht ein bisschen aus wie ein Hahn.

„Ich ziehe mir schnell was über“, erklärt er mir. „Gehe vor in die Küche. Da sitzen die anderen beiden.“

Mir wurde schon am Telefon gesagt, dass hier drei Männer leben, die einen vierten Mitbewohner suchen. Ob sie wohl alle schwul sind?

Ich gehe in die Küche. Da sitzen sie an einem großen Küchentisch mit sechs Stühlen. Ich schaue mich kurz um. Die Küche ist insgesamt sehr groß und hell. Alles weiß und das Licht kommt durch ein großes Fenster.

„Hallo“, begrüßen mich beide im Chor.

„Ich bin Chris“, stelle ich mich vor und reiche beiden nacheinander die Hand. „Wir haben heute Vormittag telefoniert.“

„Genau“, entgegnet mir der Typ mit den schmalzigen Haaren und spießigem Seitenscheitel, der zumindest ordentlich angezogen ist. Er trägt ein weißes Hemd und eine dunkle Hose. „Ich bin Sven. Das ist Tom.“

Definitiv schwul. Zwar trägt dieser Tom eine coole Lederjacke und hat eine stylishe Kurzhaarfrisur, aber um die Augen hat er schwarze Ränder. Ich glaube, das nennt man Kajal. Erinnert ein bisschen an diesen Jungen von Tokio Hotel.

„Wir suchen einen neuen Mitbewohner“, wiederholt Sven. „Und du brauchst ein Zimmer?“

„Ja, richtig“, entgegne ich. Ganz schnell muss ich Pia erwähnen oder sie denken noch, ich sei auch schwul. „Meine Freundin und ich legen gerade eine kleine Beziehungspause ein. Aber ich liebe sie noch. Nur brauchen wir Abstand.“ Warum stottere ich nur so? Das hier ist ja fast schlimmer als ein Vorstellungsgespräch.

„So, da bin ich wieder.“ Der dritte Typ, der mir die Tür geöffnet hat, kommt wieder rein und trägt jetzt ein eng anliegendes Muskelshirt.

„Miguel hast du ja schon kennengelernt“, stellt Sven ihn mir noch mal vor. Sven muss wohl der Redner von den Dreien sein.

„Was studierst du?“, will der Typ mit der Lederjacke wissen. Ach ja, Tom ist sein Name.

„Momentan studiere ich noch Sport und Geschichte auf Lehramt. Aber ich weiß nicht, ob ich das weitermachen möchte. Vielleicht wechsle ich noch das Fach.“ Ich möchte das Gespräch am Laufen halten und mich interessiert geben. „Und was studiert ihr so?“

„Ich studiere BWL“, erklärt der Schönling. Mir fällt auf, dass er mich an diese Ken-Figuren erinnert. Der Freund von der Barbie-Puppe. „Aber eigentlich konzentriere ich mich auf meine Modelkarriere.“

„Germanistik mit dem Nebenfach Romanistik“, wirft Tom kurz angebunden ein.

„Und ich studiere Jura“, erklärt Sven. „Nebenbei arbeite ich in einer kleinen Anwaltskanzlei. Aber hauptsächlich unterstützen mich meine Eltern. Diese Wohnung gehört übrigens ihnen.“

Damit macht er unverständlich klar, dass er wohl der Hausherr ist. Aber damit kann ich leben. Scheinen ganz nette Typen zu sein. Und bei ihnen wird Pia wohl kaum eifersüchtig werden. Keine Frau wohnt hier. Dann ist ja gut.

Tom

„Komm, ich zeige dir kurz die Wohnung und dein Zimmer.“

Natürlich muss sich Sven mal wieder so aufspielen. Aber soll er ruhig mal machen. Ich finde diesen Chris okay. Dass er hetero ist, kann mir sowieso egal sein. Sven hat ja eh die strenge Regel, dass wir Mitbewohner nichts untereinander haben. Und zudem habe ich meinen Ronny, auch wenn er gerade im Ausland ist.

Sven führt ihn durch unsere Altbauwohnung. Es gibt einiges zu zeigen, wie mein treuer Mitbewohner findet. Bei mir wäre die Führung in Nullkommanix durch gewesen, aber Sven muss ja alles ganz genau zeigen. Im Bad erklärt er ihm sogar, wie die Waschmaschine funktioniert. Das Wohnzimmer ist schnell gezeigt. Da ist nur eine Couchgarnitur mit einem Ecksofa und einem Sessel, einem Beistelltisch und natürlich der riesige LED-Flachbildfernseher an der Wand. Auf dem großen Balkon steht ein Gartentisch mit vier Plastikstühlen. Wenn Besuch da ist, wird da geraucht. Das mögliche Zimmer hat die gleiche Größe wie alle anderen Zimmer. Ein Bett und ein Kleiderschrank in Bucheoptik stehen bereits darin.

„Also was sagst du?“, fragt ihn Sven. „Würdest du das Zimmer nehmen?“

„Ja, gerne sogar“, antwortet Chris. „Für mich ist es perfekt.“

„Das muss ich aber mal eben mit meinen Mitbewohnern besprechen. Wartest du bitte kurz in der Küche?“

Sven führt Miguel und mich ins Wohnzimmer.

„Was meint ihr?“, will er wissen.

„Also ich finde ihn in Ordnung“, ist meine Antwort.

„Er ist heiß“, fügt Miguel hinzu.

„Aber dass er heiß ist, sollte kein Kriterium sein“, belehrt ihn Sven. „Zudem ist er hetero.“

„Das ist ja gerade der Reiz“, erklärt Miguel grinsend.

„Du kennst die Regel: Kein Sex zwischen den Bewohnern“, wiederholt Sven sein Gebot.

„Ich habe das eh nicht vor“, füge ich hinzu. „Ich habe ja einen Freund.“

„Ist ja schon gut“, gibt Miguel nach. „Aber ich habe nichts gegen ihn. Von mir aus kann er hier einziehen.“

„Damit bin ich auch einverstanden“, unterstütze ich ihn.

„Ich weiß nicht“, zweifelt Sven. „Er ist hetero, das gibt vielleicht Probleme.“

„So ein Quatsch“, wische ich seinen Einwand einfach weg. „Übertreib' mal nicht.“

„Okay“, stimmt Sven nachgebend zu. „Dann nehmen wir ihn.“

Miguel

Im Gleichschritt laufen wir hintereinander zurück in die Küche. Da sitzt er und wartet auf uns. Ein echt heißer Schnuckel muss ich zugeben. Er trainiert bestimmt regelmäßig. Er ist groß, blond, hat blaue Augen und Oberarme zum Dahinschmelzen. Meine Libido regt sich, merke ich.

Wir setzen uns hin und Sven übernimmt wieder das Wort:

„Wir haben uns entschieden und würden dich gerne in unsere WG aufnehmen.“

„Großartig“, freut sich der Hottie strahlend. Ich freue mich auch und versuche ihn, mit meinen Augen zu verführen.

„Das muss gefeiert werden“, sage ich. „Heute Abend gehe ich auf eine Party. Da werden viele weibliche Models dabei sein. Magst du nicht vielleicht mitkommen?“

In mir steigt Hoffnung auf. Wenn er ja sagt, empfindet er bestimmt auch was für mich.

„Danke für das Angebot“, entgegnet er. „Aber ich würde viel lieber schon mal ein paar Sachen aus meiner alten Wohnung rüberbringen.“

Da zerplatzt mein Traum.

„Sehr gute Idee“, stimmt ihm Sven zu. Oh Sven, musst du mir denn immer alles vermiesen? „Dann kannst du heute Nacht schon hier schlafen. Natürlich nur, wenn du magst.“

„Sehr gerne sogar“, erwidert Chris und ich bin traurig. Dann muss ich mir wohl heute Abend einen anderen heißen Kerl aufreißen.

„Aber ein Glas Sekt wird wohl noch gehen?“, schlage ich vor.

„Gute Idee“, stimmt Tom zu. Wenigstens ist auf ihn Verlass. „Im Kühlschrank muss noch eine Flasche stehen.“

Sogleich tanze ich leichtfüßig zum Kühlschrank. Ich öffne die Tür und sehe, dass die Flasche im untersten Fach liegt. Perfekt! Ich bücke mich und strecke meinen Knackpo in die Richtung des neuen Mitbewohners. Vielleicht bemerkt er meine trainierten Po-Muskeln und wechselt doch noch das Ufer. Als ich mich umdrehe, merke ich, dass er gar nicht in meine Richtung schaut. Schade ...

Ich köpfe die Flasche, während Sven vier Sektgläser aus dem Schrank holt. Die Flasche schäumt mehr als bei meinem letzten Orgasmus. Ich gieße den Sekt in die Gläser und wir stoßen gemeinsam auf unseren neuen Mitbewohner an.

Sven

„Das tut gut“, sagt Tom, als er das Glas in einem Zug leert. Auch mir schmeckt der Schampus. Ich bin froh, dass wir so schnell einen neuen Mitbewohner gefunden haben. Hoffentlich klappt das auch, obwohl er hetero ist. Ich weiß nicht, ob es nicht zu Problemen führen kann, wenn ein Hetero mit Schwulen zusammenwohnt. Nicht, dass er sich noch irgendwann belästigt fühlt.

„So, dann hole ich mal die ersten Sachen aus meiner alten Wohnung“, kündigt er an.

„In Ordnung“, entgegne ich. „Und während du weg bist, bereite ich schon mal den Untermietvertrag vor.“

„Alter Streber“, neckt mich Tom.

„Was wir haben, haben wir“, erkläre ich ihm. Ich schiebe solche Dinge nicht gerne auf die lange Bank. Ich erledige das lieber gleich. Außerdem kann es nur Probleme geben, wenn man nicht sofort einen Vertrag aufsetzt. Wie viele Mietklagen auf dem Schreibtisch meines Chefs in der Kanzlei liegen ... Nein nein, lieber gleich für klare Verhältnisse sorgen.

Miguel bringt ihn zur Tür. Wie er ihn schon wieder anschaut. Miguel muss jeden Dreibeiner gleich mit seinen Augen ausziehen. Dabei hat er diesmal wohl keine Chance. Chris ist der heteroste Hetero, den ich seit Langem kennengelernt habe. Und dabei ist mein Bruder wohl der machohafteste Hetero, den es gibt.

Ich verschwinde sofort in mein Zimmer und setze mich an den Schreibtisch. Irgendwo habe ich doch noch die Vorlage von den Untermietverträgen meiner Mitbewohner. Ich muss sie nur ein klein wenig abändern.

Da klopft es an der Tür.

„Herein!“, rufe ich.

Tom steht da.

„Mach dich doch mal locker, Sven. Der Vertrag hat doch noch Zeit.“

„Nein“, entgegne ich. „Ich will das gleich erledign. Ich hasse es, Sachen länger liegen zu lassen. Das müsstest du doch mittlerweile wissen.“

„Oh ja, das ist wahr“, stimmt er mir zu. „Aber du müsstest mich auch kennen und daher wissen, dass ich es zumindest probiere, dir den Stress zu nehmen.“

Ich muss grinsen, tippe aber weiter. Tom geht wieder aus dem Zimmer. Er denkt jetzt bestimmt, dass ich unverbesserlich sei.

Oh, was zieht denn jetzt so in der Magengegend? Moment, ich müsste doch noch eine Magentablette in der Schreibtischschublade haben. Da ist sie ja.

Ich hole mir ein Glas Wasser aus der Küche, um damit die Tablette herunterzuspülen. Jetzt geht es mir bestimmt gleich besser.

Chris

Ob Pia da ist? Ich betrete unsere gemeinsame Wohnung. Ein Stich ins Herz trifft mich, als ich realisiere, dass das bald nicht mehr unsere gemeinsame Wohnung sein wird. Ich werde ausziehen.

Ich höre eine leise Stimme. Ich lausche an der Wohnzimmertür. Pia telefoniert. Okay, dann gehe ich ins Schlafzimmer und packe ein paar Sachen zusammen. Die Reisetasche krame ich unter dem Bett hervor. Ich packe ein paar Klamotten aus dem Schrank hinein. Vielleicht sollte ich auch Bettwäsche mitnehmen. Am besten ich hole noch einen Sack aus der Rumpelkammer.

Die Wohnzimmertür geht auf. Sie hat mich wohl gehört.

„Du bist es“, stellt sie fest. Dachte sie etwa, ich sei ein Einbrecher?

„Ich habe das Zimmer in der WG bekommen. Ich schnappe mir nur ein paar Sachen und dann bin ich weg.“

„Super“, ruft sie gespielt erfreut aus. Alles nur Fassade.

„In den nächsten Tagen hole ich den Rest.“

„Ist ja nicht viel“, entgegnet sie spöttisch. „Das meiste habe ich ja von meinem Geld angeschafft.“ Erneut Vorhaltungen. Ich kann es nicht mehr hören.

„Genau“, gebe ich zu. „Viel brauche ich auch nicht in meinem neuen Zimmer. Da ist eh kein Platz.“

„Das ist ja toll“, fügt sie hinzu und geht zurück ins Wohnzimmer. Die Tür knallt.

Ich liebe sie.

Aber momentan hat es einfach keinen Sinn. Sie ist unzufrieden mit mir und zugegebenermaßen bin ich auch unzufrieden mit mir. Ich muss erst einmal mein Leben in den Griff kriegen.

Ich packe schnell mein Zeug und spute aus der Wohnung. Kurz überlege ich noch. Ich hoffe, dass sie aus dem Wohnzimmer kommt und mich aufhält. Ich warte eine Sekunde darauf, dass sie mich nicht ziehen lässt. Doch es passiert nichts. Sie bleibt im Wohnzimmer, was mir zeigt, dass sie mich gehen lässt. Sie hält mich nicht auf. Echt bedauerlich.

Dann hänge ich meinen Schlüssel ans Schlüsselbrett in der Wohnung und ziehe die Haustür hinter mir zu. Es gibt kein Zurück mehr. Ich ziehe in die WG.

Tom

Ich öffne das Chatprogramm und tatsächlich ist mein Schatz online.

BikerTom: hallo mein schatz!
MotoRonny: hey was geht?
BikerTom: alles gut soweit. und bei dir?
MotoRonny: mir geht es super. das wetter ist fantastisch. es tut gut mit dem bike über den highway zu cruisen.
BikerTom: wo bist du gerade?
MotoRonny: in einem motel. billige absteige. bber wlan gibt es. haha
BikerTom: cool! wir haben endlich einen neuen mitbwohner.
MotoRonny: sehr gut. wie ist er?
BikerTom: scheint ganz nett zu sein. chris heißt er. sieht sehr gut aus. ;-)
MotoRonny: klasse.
BikerTom: groß, blond, blaue augen, muskulös, sehr männlich.
MotoRonny: klingt gut.dann hat die suche ein ende.
BikerTom: ich vermisse dich. <3
MotoRonny: ich dich auch. aber ich muss jetzt los. wir schreiben uns.
MotoRonny is offline.

Das ging jetzt aber schnell. Was soll das? Warum lässt er mich so in der Luft hängen? Und warum interessiert es ihn nicht, dass ein neuer heißer Typ in die WG gezogen ist? Ein bisschen eifersüchtig könnte er schon sein. Blöder Kerl!

Wahrscheinlich hat er es eilig. An seiner Stelle hätte ich bestimmt auch ganz andere Sachen im Kopf. Wie ich ihn beneide. Er cruist gerade mit seiner Maschine über die Route 66. Ich gönne es ihm. Sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Wie gerne wäre ich dabei. Aber ich habe diese blöde Greencard nicht gekriegt.

Na ja, in ein paar Monaten sehe ich ihn wieder. Ein ganzes Jahr ohne ihn ist schon die Hölle. Aber bald haben wir auch schon die Hälfte um. Dann ist es nicht mehr lange, bis ich ihn wieder in meinen Armen halten kann. Und dann machen wir eine gemeinsame Motorradtour hier in Deutschland. So wie in guten alten Zeiten.

Fast fünf Jahre sind wir schon ein Paar. Das ist eine relativ lange Zeit. Wir sind durch Dick und Dünn gegangen. Wir haben gemeinsam den Motorradführerschein gemacht und dann unsere erste kleine Tour gemeistert. Wir beide wollten schon immer unbedingt auf die Route 66. Bei ihm hat es geklappt. Niemals hätte ich verlangt, dass er die Tour verschiebt. Wer weiß, ob es überhaupt noch mal geklappt hätte. Es war ja schon alles vorbereitet. Er hat einen Zwischenmieter für seine Wohnung gefunden und ein Sabbatjahr auf seiner Arbeit eingereicht. So einfach hätte er das nicht rückgängig machen können.

Bei mir war es ganz einfach. Ich konnte mich schnell wieder in die WG einmieten und mein Studium wie gewohnt fortsetzen. Bei ihm wäre es komplizierter gewesen. Daher sei es ihm gegönnt.

Miguel

Es klingelt. Ist Chris schon wieder da? Ich eile schnell zur Tür. Aber es ist nur meine beste Freundin.

„Viola!“ Küsschen links, Küsschen rechts. „Komm rein, Süße.“

„Du bist ja noch gar nicht fertig“, ermahnt mich meine feurig rote Schönheit von Freundin. Während ich noch im Tanga herumlaufe, trägt sie ein hautenges grünes Minikleid. Mit ihren langen roten Haaren sieht das echt klasse aus.

„Machst du heute auf Poison Ivy?“

„Mit meinem Gift kriege ich jeden rum“, entgegnet sie kokett. „Aber dir fehlt noch allerhand bis zum letzten Schliff.“

„Ich weiß schon, was ich anziehe.“ Ich krame in meinem Kleiderschrank und hole ein weißes Shirt mit V-Ausschnitt heraus. Ebenso präsentiere ich das blaue Sakko und eine enge Jeans dazu.

„Sehr gut“, lobt sie. „Doch bevor du das anziehst, schnell noch ein Foto für Insta.“ Sie holt ihr iPhone hervor und schießt ein Selfie mit mir. Ich muss zugeben: Wir beide sehen wieder heiß aus. Ich kann meinen prächtigen Oberkörper sehen lassen und Viola hat einfach die perfekten Modelmaße. Wir beide werden es im Business sicherlich weit bringen.

„Gibt es sonst irgendetwas Neues?“, fragt sie mich, während sie das Bild mit Filtern bearbeitet.

„Wir haben einen neuen Mitbewohner. Sein Name ist Chris und er ist absolut megaheiß.“

„Ach ja?“, hakt sie eher uninteressiert nach. Weiterhin bleibt ihr Gesicht auf dem Bildschirm ihres Smartphones kleben.

„Er ist hetero“, ergänze ich meine Ausführungen. Da erhebt sie sofort ihr Köpfchen.

„Ernsthaft?“, will sie wissen.

„Groß, blond, blaue Augen und ein Traumkörper“, beschreibe ich Chris.

„Das ist meiner“, stellt sie lapidar fest. „Den schnappe ich mir. Wann lerne ich ihn kennen? Ist er da?“

„Er holt gerade noch Sachen aus seiner alten Wohnung. Ich habe ihn schon gefragt, ob er mit feiern kommt, aber er will nicht. Da müssen wir das Kennenlernen erst einmal verschieben.“

„Oh menno...“ Viola schaut ziemlich enttäuscht aus der Wäsche. „Aber du meinst schon, dass ich Chancen habe?“ Ihr Interesse wächst mit jeder Sekunde.

„Ich weiß nicht“, halte ich meine Aussage wage. „Er hat sich gerade erst von seiner Freundin getrennt.“

„Perfekt“, jubelt sie. „Deprimierte Männer sind die besten Opfer. Poison Ivy wird ihn schon herumkriegen.“

Wir beide müssen lachen.

Sven

Was ist denn das? Woher kommt denn plötzlich dieser Schmerz? Nur kurz hinlegen.

Es klopft an der Tür, aber derjenige wartet nicht, bis ich ihn hereinbitte. Natürlich ist es Miguel.

„Ich habe dich nicht hereingebeten“, ermahne ich ihn.

„Störe ich dich etwa beim Wichsen?“

„Miguel!“

„Ist ja schon gut. Ich wollte nur fragen, ob du nicht mal aus deinem Loch herauskriechen möchtest und mit auf die Party kommst? Das wird bestimmt lustig.“

„Danke für die Einladung, aber ich bleibe lieber hier. Ich möchte mit Chris noch den Mietvertrag durchgehen, sobald er wieder da ist. Außerdem braucht er noch die Schlüssel.“

„Okay, ich habe nur mal gefragt.“

Er schließt die Tür und ich höre, wie er mit seiner besten Freundin die Wohnung verlässt. Ein paar Minuten ist es still. Nur das Surren des Laptops ist zu hören. Ich beschließe, den Mietvertrag auszudrucken. Da klingelt es.

„Ich gehe schon“, rufe ich in Richtung von Toms Zimmer. Ich vermute, dass Chris wieder da ist. Doch stattdessen steht mein Bruder Bastian vor der Tür.

„Was machst du denn hier?“, frage ich.

„Hallo Sven.“ Er umarmt mich ungewöhnlich herzlich. „Ich brauche einen Unterschlupf für heute Nacht. Ich war übers Wochenende in Wien und fahre morgen weiter nach Berlin.“

Dort studiert er. Ich führe ihn ins Wohnzimmer.

„Du weißt, unsere Couch steht dir immer zur Verfügung. Du kannst hier pennen.“

„Danke“, sagt er ehrlich.

Sofort schmeißt er sich auf die Couch, streift seine Turnschuhe von sich und legt die Füße auf den Tisch.

Seltsam. Er ist das komplette Gegenteil von mir. Er ist der allergrößte Macho, ständig auf Achse und genießt sein Leben. Das einzige, was wir gemeinsam haben, sind unsere Haare. Sie haben die gleiche Farbe und die gleiche Länge, wobei seine wild von seinem Kopf abstehen. Außerdem trägt er immer einen Dreitagebart, was ihn ein wenig übernächtigt aussehen lässt.

„Hast du noch eine Decke für mich? Das wäre perfekt.“

Natürlich habe ich eine Decke für ihn. Ich gehe in mein Zimmer und krame eine aus dem Schrank hervor. Zusammen mit einem Bezug bringe ich sie ihm ins Wohnzimmer.

Tom kommt hinzu.

„Hallo Bastian!“

„Hey, wie geht es dir?“ Die beiden begrüßen sich mit einem Handschlag. Dann verschwindet Tom wieder.

„Geil! Danke dir“, sagt mein Bruder, als ich ihm die Decke reiche. Dann wirft er mir gespielt einen Luftkuss zu. Ich rolle mit den Augen. Er muss mich immer mit meiner Homosexualität aufziehen, indem er sich besonders tuntig benimmt. Arschloch!

„Willst du gleich pennen oder hast du Hunger?“

„Hast du noch was da? Ich habe einen riesigen Kohldampf?“

„Es müssten noch ein paar Nudeln da sein“, biete ich ihm an. Erfreut läuft er in die Küche.

So einfach kann man jemanden glücklich machen.

Chris

Ding Dong! Ob ich mich wohl jemals an diese laute Türklingel gewöhnen werde? Sven öffnet mir die Tür.

„Darf ich dir jemanden vorstellen?“

Wir laufen in die Küche. Ein weiterer Typ sitzt da und schlingt Nudeln mit Tomatensoße in sich rein. Zuerst dachte ich, er sei Svens Lover oder so.

„Hallo, iff bin Bafftian“, begrüßt er mich mit vollem Mund.

„Mein ungehobelter Bruder versucht sich vorzustellen“, erklärt Sven. „Das ist Bastian. Bastian, das ist unser neuer Mitbewohner Chris.“

„Freut miff!“ Er lässt sich nicht beirren und schlingt weiterhin die Nudeln herunter.

Ich erkenne die Ähnlichkeit. Sie ist unverkennbar. Sieht auch schwul aus. Liegt vielleicht in der Familie.

„Bastian ist heute Nacht zu Besuch. Er schläft auf der Couch“, erklärt Sven weiter.

„In Ordnung“, sage ich.

„Willst du dir den Mietvertrag gleich anschauen? Ich habe ihn schon fertig.“

„Na klar“, antworte ich. Wir gehen in Svens Zimmer, wo er mir den Vertrag in die Hand drückt.

„Setz dich ruhig und lese ihn in Ruhe durch.“

So viele Paragraphen. Ich vertraue ihm und unterschreibe gleich. Sven schaut skeptisch. Stimmt ja, er ist Jurastudent. Wahrscheinlich liest er alle Verträge akribisch durch, bevor er sie unterschreibt. Ich hätte vielleicht interessierter wirken sollen. Zu spät.

„Ich gehe dann mal meine Sachen auspacken“, sage ich.

In meinem neuen Zimmer schmeiße ich den Sack mit der Bettwäsche aufs Bett. Meine Reisetasche mit meinen Klamotten stelle ich vor dem Schrank ab. Ich räume alles ein. Mir fällt auf, dass ich meinen Schreibtisch ebenfalls hierher bringen sollte. Ich brauche ihn. Meine Bücher brauche ich ebenfalls. Das ganze Regal sollte ich holen. Dann muss ich mir einen Transporter ausleihen.

Nach und nach fallen mir noch mehr Dinge ein, die ich aus der Wohnung holen muss. Eigentlich will ich das gar nicht, aber es muss sein. Ich nehme mir vor, alles in den nächsten Tagen zu holen. Das wird schwer.

Tom

Ich kann nicht schlafen. Die ganze Zeit wälze ich mich hin und her. Ich muss noch mal raus.

Ich ziehe meine Motorradsachen an, schnappe mir die Schlüssel und verlasse die Wohnung. Mein Bike glänzt sogar in der Nacht. Ich ziehe meinen Helm auf und fahre los. Die Nachtluft und die Motorengeräusche tun mir gut. Ich kann meinen Kopf frei kriegen. Ständig muss ich an Ronny denken. Was er wohl gerade macht? Wahrscheinlich fährt er auch gerade über den Highway.

Ich halte an einer Schwulenbar. Sie hat noch offen. Ich sollte nicht trinken, wenn ich mit dem Bike unterwegs bin. Aber ein Bier wird nicht schaden.

Ich setze mich an die Bar und bestelle mir ein kühles Bier. Es tut gut, wie es meine Kehle hinunterläuft. Plötzlich spricht mich jemand von der Seite an: